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BIBLIOTHECA

REGIA
MONACENSIS.

Entered according to Act of Congress, in the year 1850, by
G. & B. WESTERMANN BROTHERS,

In the Clerk's Office of the District Court of the United States for the
Southern District of New-York.

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Studien zu Goethe's Werken.

Graf Cagliostro und Goethe's Großcophta.

Im seltsamsten Gegensaße zu der herrschenden Zweifelsucht und Aufklärerei tritt uns in den siebenziger Jahren des verflossenen Jahrhunderts der wunderlichste Hang zu geheimen Wissenschaften und Künsten entgegen, durch welche der Mensch in unmittelbare Verbindung mit der Geisterwelt trete und sich die größten Güter des Lebens, Reichthum, Gesundheit, langes Leben, ja Unsterblichkeit zu verschaffen, auch Macht über die Elemente zu erlangen vermöge ein Hang, welcher sich aus der Zerfallenheit der Zeit und dem ahnungsvollen Drange nach einem bessern Zustande erklärt, der in der zerfließenden Empfindsamkeit jener Tage seine reichste Nahrung finden mußte. Wir brauchen bloß an die Namen St. Germain *), Schröpfer und Gaßner zu erinnern, um die gläubige Wundersucht jener Zeit zu bezeichnen, welche nirgends klarer hervortritt, als in dem Ansehen, welches sich damals der sogenannte Graf Cagliostro, ohne bedeutende chemische Kenntniß, ohne ansprechende Unterhaltungsgabe und reizende Persönlichkeit, durch den mystischen Schein, in den er sich hüllte, zu verschaffen wußte **). Erst seit seinem zweiten Aufent

*) Ueber ihn vgl. Barthold die geschichtlichen Persönlichkeiten in Jacob Casanova's Memoiren" II, 35-99.

**) Ueber Cagliostro vgl. man Baur in der „Encyclopädie von Ersch und Gruber" I, 14, 73-75 und den Auffah „über den Abenteurer Giuseppe Balsa= mo, bekannt als Graf Cagliostro“ in Bülau's „neuen Jahrbüchern der Geschichte und Politik" 1845 B. 1, 37—72. Eine Hauptquelle bleibt noch immer, wie einseitig auch die Auffassung erscheint und wie sehr der Betrüger auch in den hier niedergelegten Bekenntnissen als Aufschneider auftritt, die römische Staatsschrift unter dem Titel: Compendio della vita, e delle gesti di Giuseppe Balsamo, denominato el Conte Cagliostro, de si è 'stratto del processo contro di lui formato in Roma l'anno 1790. Roma 1791, wovon drei deutsche, eine in Weimar von C. J. Hagemann, und eine franArchiv f. n. Sprachen. VII.

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halte in London, wo er sich in die Freimaurerloge von der hohen Observanz aufnehmen ließ und die sogenannte ägyptische Maurerei gründete, begann sein Ruf allgemeinere Verbreitung zu gewinnen. Von London begab er sich nach dem Haag, wo er auf das glänzendste aufgenommen und, als Visitator anerkannt, auf Verlangen eine Damenloge gründete. Rasch eilte er darauf durch Deutschland nach Venedig, richtete aber, als er von hier fliehen mußte, seine Pläne auf das reiche Petersburg, wo er die Kaiserin selbst für sich zu ge= winnen hoffte. Im Jahre 1778 finden wir ihn auf der Reise dorthin in Nürnberg, Leipzig und Berlin, von wo er über Danzig und Königsberg im Februar oder März 1779 in Mitau in Kurland ankam *). Hier fand er bei dem gereizten politischen Zustande Nußland's bald unter den angesehensten Männern zahlreichen Anhang, auf deren Wunsch er eine ägyptische Loge daselbst gründete. Besonders suchte er sich das Zutrauen des Reichsgrafen von Medem zu erwerben, dessen Tochter, Elisa von der Recke, die seit ihrem sechszehnten Jahre in stille Einsamkeit verseßt und von vielen herben Unglücksfällen heimgesucht, sich durch Lavater's und Swedenborg's Schriften erhigt hatte **), er mit sich nach Petersburg zu führen gedachte, um durch die Gewähr, welche ihr Name seinen Verbindungen geben mußte, besonders auf die Kaiserin einzuwirken. Sie ward bald seine gläubigste Anhängerin, wenn sie auch freilich auf Augenblicke an ihm zweifelhaft wurde und auf seinen Vorschlag, ihm nach Petersburg zu folgen, nicht einging. In Petersburg scheiterte sein Versuch, bei der Kaiserin Zutritt zu erhalten und unter ihrem Schuße eine ägyptische Loge zu gründen, an Katharina's nüchternem Verstande. Ganz in der Stille reiste er durch Kurland nach Warschau, wo er im Mai 1780 anlangte, aber, da man seinen Betrügereien bald auf die Spur kam, sich nicht länger als etwa zwei Monate halten konnte ***).

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zösische Uebersetzung erschienen. Eine unparteiische Prüfung" dieser Schrift gab C. Tschink. Wien 1791.

*) Vgl. „Nachricht von des berüchtigten Cagliostro Aufenthalte in Mitau im Jahre 1779, und von dessen dortigen magischen Operationen. Von Charlotte Elisabeth Konstantia von der Recke, geb. Gräfin von Medem.“ (Mit einer Vorrede von Nicolai.) Berlin und Stettin bei Fr. Nicolai. 1787.

**) Ueber Elisa von der Recke vgl. die „Zeitgenossen“ Bd. 3, Heft 11. ***) Vgl. „Cagliostro in Warschau. Oder Nachricht und Tagebuch über desselben

Rasch eilte er über Frankfurt nach Straßburg, wo er seit dem September 1780 durch seine Heilungen das größte Aufsehen erregte; bald war er von Hülfsbedürftigen, da er alle unentgeldlich bediente, wie belagert. Am höchsten stieg sein Ruf durch die Herstellung eines bereits aufgegebenen Sekretärs des Kommandanten. Die Vornehm ften drängten sich seit dieser Zeit um den Wundermann, zu welchem eine unglaubliche Menge von Fremden wallfahrtete *); unter den lezteren war auch Lavater. Frau von der Recke hatte Cagliostro während seiner Anwesenheit in Mitau um die Erlaubniß gebeten, an Lavater die Erfahrungen, welche sie in seinem Umgange gemacht habe, mittheilen zu dürfen, welche Erlaubniß dieser aber nur unter der Bedingung gewähren wollte, daß sie etwas über ein Jahr warten müsse; Lavater werde sie dann fragen: Ist dieser Graf nicht der große Cagliostro?", worauf sie antworten solle: „Er ist's“ **). Sie schrieb auch wirklich nach Ablauf der bestimmten Zeit an Lavater, der ste dann fragte, ob dieser Graf nicht der menschenfreundliche Arzt Cagliostro sei. Lavater machte darauf selbst eine Reise nach Straßburg, um den Wunderthäter zu sprechen, konnte aber nichts weiter aus ihm herausbringen, als die Worte: ,Sind Sie von uns beiden der Mann, der am besten unterrichtet ist, so brauchen Sie mich nicht; bin ich's, so brauch ich Sie nicht." Am andern Morgen sandte Lavater ihm folgende drei Fragen:,,Woher stammen Ihre Kenntnisse? Wie haben Sie diese erlangt? Worin bestehen sie?", worauf die Antwort lautete: In verbis. In herbis. In lapidibus. Aus einem Briefe, den Mathei an Lavater über eine mit Cagliostro gehaltene Unterredung schreibt (Hegner Beiträge zur Kenntniß Lavater's S. 237 ff.), ersehen wir, daß Lavater in Begleitung von dem berühmten Arzte Hoße und seinem Schwager Tobler ihn besuchte, was diesem unangenehm war, weil ernsthafte, sekrete, würdige Unterhaltungen, wo Deffnung der innersten Seele dazu gehöre, nicht in Gegenwart eines jedweden vor sich gehn müßten“. Cagliostro hatte

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magische und alchymische Operationen in Warschau im Jahre 1780, geführt von einem Augenzeugen (Graf Moszinsky). Aus dem französischen Manuscripte übersetzt und mit Anmerkungen erläutert (von Bertuch).“ 1789.

*) Vgl. den Brief eines straßburger Freundes der von der Refe in der angeführten Schrift S. 14 ff.

**) Vgl. von der Recke S. 115. 117.

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