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es wahr ist, dass das Schreien bei Empfindung körperlichen Schmerzes, besonders nach der alten griechischen Denkungsart, gar wohl mit einer grossen Seele bestehen kann: so kann der Ausdruck einer solchen Seele die Ursache nicht sein, warum dem ohngeachtet der Künstler in seinem Marmor 5 dieses Schreien nicht nachahmen wollen; sondern es muss einen andern Grund haben, warum er hier von seinem Nebenbuhler, dem Dichter, abgehet, der dieses Geschrei mit bestem Vorsatze ausdrücket.

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II.

ARGUMENT.

The plastic art of the Greeks-the invention of love according to Greek tradition-represented the beautiful and nothing but the beautiful. It despised the endeavour to produce a mere portrait likeness or to reproduce a common type or a lower degree of beauty, and it avoided every kind of caricature. This custom was even enjoined by the laws of the state; and justly so, because Art has an immense influence on the character of a nation, nay on the external appearance of the people themselves. But since Beauty was the highest lawgiver ⚫ of ancient art, passions which deface beauty were not represented at all, or were softened down so as still to admit of a certain degree of beauty. In the picture of Timanthes representing the sacrifice of Iphigenia, Agamemnon is made to cover his face in the agony of his soul. Thus expression was made to submit to the first law of ancient art, which is beauty. Laokoon is represented as uttering a suppressed groan, because the scream of anguish would force open his mouth and would destroy every trace of beauty. This tendency of softening down expression in the service of beauty can be noticed in many ancient works of art.

Es sei Fabel oder Geschichte, dass die Liebe den ersten 10 Versuch in den bildenden Künsten gemacht habe: so viel ist gewiss, dass sie den grossen alten Meistern die Hand zu führen nicht müde geworden. Denn wird jetzt die Malerei überhaupt als die Kunst, welche Körper auf Flächen nachahmet, in ihrem ganzen Umfange betrieben: so hatte der weise 15

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Grieche ihr weit engere Grenzen gesetzet und sie bloss auf die Nachahmung schöner Körper eingeschränket. Sein Künstler schilderte nichts als das Schöne; selbst das gemeine Schöne, das Schöne niedrer Gattungen, war nur sein zufälli5 ger Vorwurf, seine Uebung, seine Erholung. Die Vollkommenheit des Gegenstandes selbst musste in seinem Werke entzücken; er war zu gross von seinen Betrachtern zu verlangen, dass sie sich mit dem blossen kalten Vergnügen, welches aus der getroffenen Aehnlichkeit, aus der Erwägung 10 seiner Geschicklichkeit entspringet, begnügen sollten; an seiner Kunst war ihm nichts lieber, dünkte ihm nichts edler, als der Endzweck der Kunst.

'Wer wird dich malen wollen, da dich niemand sehen will,' sagt ein alter Epigrammatist über einen höchst un15 gestaltenen Menschen. Mancher neuere Künstler würde sagen: Sei so ungestalten wie möglich; ich will dich doch malen. Mag dich schon niemand gern sehen: so soll man doch mein Gemälde gern sehen; nicht in so fern es dich vorstellt, sondern in so fern es ein Beweis meiner 20 Kunst ist, die ein solches Scheusal so ähnlich nachzubilden weiss.'

Freilich ist der Hang zu dieser üppigen Prahlerei mit ofte leidigen Geschicklichkeiten, die durch den Werth ihrer Gegenstände nicht geadelt werden, zu natürlich, als dass 25 nicht auch die Griechen ihren Pauson, ihren Pyréicus [7. Piraeicus] sollten gehabt haben. Sie hatten sie; aber sie liessen ihnen strenge Gerechtigkeit widerfahren. Pauson, der sich noch unter dem Schönen der gemeinen Natur hielt, dessen niedriger Geschmack das Fehlerhafte und Hässliche

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1 Antiochus (Antholog. lib. ii cap. 4. Anth. Pal. xi. 412: @s av τις γράψαι, μηδ' ἐσιδεῖν ἐθέλων ;) Harduin über den Plinius (lib. 35. sect. 36. p. m. 698) legt dieses Epigramm einem Piso bei. Es findet sich aber unter allen griechischen Epigrammatisten keiner dieses

Namens.

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an der menschlichen Bildung am liebsten ausdrückte 1, lebte in der verächtlichsten Armuth2. Und Pyreicus [1. Piraeicus], der Barbierstuben, schmutzige Werkstätte, Esel und Küchenkräuter, mit allem dem Fleisse eines niederländischen Künstlers malte, als ob dergleichen Dinge in der Natur so 5 viel Reiz hätten, und so selten zu erblicken wären, bekam den Zunamen des Rhyparographen3, des Kothmalers; obgleich porrepes der wollüstige Reiche seine Werke mit Gold aufwog, um ihrer Nichtigkeit auch durch diesen eingebildeten Werth zu Hülfe zu kommen.

ΤΟ

Die Obrigkeit selbst hielt es ihrer Aufmerksamkeit nicht. für unwürdig, den Künstler mit Gewalt in seiner wahren Sphäre zu erhalten. Das Gesetz der Thebaner, welches ihm die Nachahmung in's Schönere befahl, und die Nachahmung in's Hässlichere bei Strafe verbot, ist bekannt. Es war kein 15

Jungen Leuten, befiehlt daher Aristoteles, muss man seine Gemälde nicht zeigen, um ihre Einbildungskraft, so viel möglich, von allen Bildern des Hässlichen rein zu halten. (Polit. lib. viii. cap. 5. p. 526. edit. Conring; vol. ii. p. 1340 A, 35, ed. Berol.) Herr Boden will zwar in dieser Stelle anstatt Pauson, Pausanias gelesen wissen, weil von diesem bekannt sei, dass er unzüchtige Figuren gemalt habe (de Umbra poetica Comment, i. p. xiii). Als ob man es erst von einem philosophischen Gesetzgeber lernen müsste, die Jugend von dergleichen Reizungen der Wollust zu entfernen. Er hätte die bekannte Stelle in der Dichtkunst (cap. ii) nur in Vergleichung ziehen dürfen, um seine Vermuthung zurück zu behalten. Es giebt Ausleger (z. E. Kühn über den Aelian Var. Hist. lib. iv. cap. 3), welche den Unterschied, den Aristoteles daselbst zwischen dem Polygnotus, Dionysius und Pauson angiebt, darin setzen, dass Polygnotus Götter und Helden, Dionysius Menschen, und Pauson Thiere gemalt habe. Sie malten allesammt menschliche Figuren; und dass Pauson einmal ein Pferd malte, beweiset noch nicht, dass er ein Thiermaler gewesen, wofür ihn Herr Boden hält. Ihren Rang bestimmten die Grade des Schönen, die sie ihren menschlichen Figuren gaben, und Dionysius konnte nur deswegen nichts als Menschen malen, und hiess nur darum vor allen andern der Anthropograph, weil er der Natur zu sklavisch folgte, und sich nicht bis zum Ideal erheben konnte, unter welchem Götter und Helden zu malen, ein Religionsverbrechen gewesen wäre.

2 Aristophanes Plut. v. 602, et Acharneus, v. 854.

3 Plinius, lib. xxx. sect. 37, edit. Hard. Vielmehr xxxv. § 112.

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Gesetz wider den Stümper, wofür es gemeiniglich, und selbst vom Junius', gehalten wird. Es verdammte die griechischen Ghezzi; den unwürdigen Kunstgriff, die Aehnlichkeit durch Uebertreibung der hässlichen Theile des Urbildes zu erreichen; 5 mit einem Worte, die Carricatur.

Aus eben dem Geiste des Schönen war auch das Gesetz der Hellanodiken geflossen. Jeder Olympische Sieger erhielt (f) eine Statue; aber nur dem dreimaligen Sieger, ward eine Ikonische gesetzet. Der mittelmässigen Portraits sollten himaly f. BC schon auch das Portrait ein Ideal zulässt, so muss doch

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I', 4·15

Io unter den Kunstwerken nicht zu viel werden. Denn ob

die Aehnlichkeit darüber herrschen; es ist das Ideal eines gewissen Menschen, nicht das Ideal eines Menschen überhaupt.

Wir lachen, wenn wir hören, dass bei den Alten auch die Künste bürgerlichen Gesetzen unterworfen gewesen. Aber wir haben nicht immer Recht, wenn wir lachen. Unstreitig müssen sich die Gesetze über die Wissenschaften keine Gewalt anmassen; denn der Endzweck der Wissenschaften 20 ist Wahrheit. Wahrheit ist der Seele nothwendig; und es wird Tyrannei, ihr in Befriedigung dieses wesentlichen Bedürfnisses den geringsten Zwang anzuthun. Der Endzweck der Künste hingegen ist Vergnügen; und das Vergnügen ist entbehrlich. Also darf es allerdings von dem 25 Gesetzgeber abhangen, welche Art von Vergnügen, und in welchem Masse er jede Art desselben verstatten will.

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Die bildenden Künste insbesondere, ausser dem unfehlbaren Einflusse, den sie auf den Charakter der Nation haben, sind einer Wirkung fähig, welche die nähere Aufsicht des 30 Gesetzes heischet. Erzeugten schöne Menschen schöne Bildsäulen, so wirkten diese hinwiederum auf jene zurück,

1 De Pictura vet. lib. ii. cap. iv. § 1.
2 Plinius, lib. xxxiv. sect. 9. § 16.

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und der Staat hatte schönen Bildsäulen schöne Menschen
mit zu verdanken. Bei uns scheint sich die zarte Einbil-
dungskraft der Mütter nur in Ungeheuern zu äussern.

Aus diesem Gesichtspunkte glaube ich in gewissen alten
Erzählungen, die man geradezu als Lügen verwirft, etwas 5
wahres zu erblicken. Den Müttern des Aristomenes, des
Aristodámas [1. Arátus], Alexanders des Grossen, des Scipio,
des Augustus, des Galerius, träumte in ihrer Schwangerschaft
allen, als ob sie mit einer Schlange zu thun hätten. Die
Schlange war ein Zeichen der Gottheit1; und die schönen 10
Bildsäulen und Gemälde eines Bacchus, eines Apollo, eines
Merkurius, eines Herkules, waren selten ohne eine Schlange.
Die ehrlichen Weiber hatten des Tages ihre Augen an dem
Gotte geweidet, und der verwirrende Traum erweckte das
Bild des Thieres. So rette ich den Traum, und gebe die 15
Auslegung Preis, welche der Stolz ihrer Söhne und die
Unverschämtheit des Schmeichlers davon machten. Denn
eine Ursache musste es wohl haben, warum die ehebreche-
rische Phantasie nur immer eine Schlange war.

Doch ich gerathe aus meinem Wege. Ich wollte bloss 20 festsetzen, dass bei den Alten die Schönheit das höchste Gesetz der bildenden Künste gewesen sei.

Und dieses festgesetzt, folgt nothwendig, dass alles andere, worauf sich die bildenden Künste zugleich mit erstrecken können, wenn es sich mit der Schönheit nicht verträgt, ihr 25 gänzlich weichen, und wenn es sich mit ihr verträgt, ihr wenigstens untergeordnet sein müssen.

Ich will bei dem Ausdrucke stehen bleiben. Es giebt "sin

1 Man irrt sich, wenn man die Schlange nur für das Kennzeichen einer medicinischen Gottheit hält. Justinus Martyr (Apolog. ii. P. 55, edit. Sylburg.) sagt ausdrücklich : παρὰ παντί τῶν νομιζομένων παρ' ὑμῖν θεῶν, καὶ ackmore's. ὄφις σύμβολον μέγα καὶ μυστήριον ἀναγράφεται ; und es wäre leicht eine deser Reihe von Monumenten anzuführen, wo die Schlange Gottheiten begleitet, welche nicht die geringste Beziehung auf die Gesundheit haben.

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