Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

Die Betrachtung muß ausgehen von den allgemeinen Grundlagen und fortschreiten zu dem concreten Verhältnisse der Gegenwart. Nur diese concrete Entwickelung ist die Offenbarung der Wahrheit.

Es ist deshalb eine der höchsten, großartigsten und segenreichsten Erscheinungen der Zeit, daß es der jeßigen tieferen Wissenschaft gelungen ist *), die gediegene Auffassung des Staats und der Geschichte an die Stelle der rationalistischen, Alles bewegenden, auch in höchst nachtheiliger Verkehrung die niedere privatrechtliche Sphäre in die höhere politische übertragenden **), und ebenso der positiven,

*) Wie viel hierin die Gegenwart dem durchdringenden Tiefsinne des uns fterblichen, gleichviel ob von dem Fanatismus und der Gedankenschwäche genug verhöhnten Hegel verdanke, wird die Zukunft immer deutlicher zeigen. Ueber den in diesen Blättern behandelten Gegenstand vergl. man namentlich: Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, G. 352 350; Encyclopädie der philosophischen Wissenschaften, C. 556–566, und: Vorlesungen über die Philosophie der Religion, Bb. I, S. 169 — 179.

**) Diese Verkehrung ist ganz der ähnlich, welche durch Uebertragung der Sphäre und Gefeße der gemeinen endlichen Mechanik auf die Bewegung der Sonnensysteme eintritt, und diese somit in den Bestimmungen von Stoß, Anziehen, Fall u. s. w. faffet. M. vergl. Hegel, Encyclopädie der philosophischen Wissenschaften, §. 264, Anm. So werden in die höhere Politik, namentlich das Verhältniß der Staaten zueinander, die privatrechtlichen Bestimmungen von Eigenthum, Vertrag, Ver: brechen übergetragen, und von solchem Standpuncte aus treten die schiefsten und gehässigsten Urtheile, das niedere Verstandes - Raisonnement, über die Weltgeschichte u. s. w. hervor. So bringt selbst ein v. Rotted folche Tiraden gegen den großen König Friedrich den Ein. zigen von Preußen vor, als wenn ein solcher concreter und erhabener Geist von der Oberflächlichkeit eines abstracten Professors der Geschichte sich meistern lassen müßte! Allerdings hat die höhere Politik auch ihre Geseze, ebensosehr wie das Sternensystem; aber diese sind höhere Formen gegen die privatrechtlichen. Aber der abstracte Verstand, gar die Bosheit, ist sogleich bereit, das Verwerfen ihrer Bestimmungen

?

Alles mit Starrheit umziehenden *) Abstraction mit dem glänzendsten, alle Einseitigkeiten zermalmenden und zur rechten Vermittlung der Extreme, wie sie die wahrhafte Forderung eines v. Schmidt-Phiseldek, Ancillon ist, hinführenden Erfolge zu sehen. Die erstere Richtung verneint vornehmlich die Ruhe in der Bewegung, die zweite die Fortbewegung der Weltgeschichte. Die wahre Wissenschaft erkennet die vernünftige Entwickelung und Reformation der Welt.

Fassen wir zuerst den Staat und sein Verhältniß zu Religion, Kultus und Kirche in der Allgemeinheit des Begriffes: so erkennet die Vernunft jenen als die vom Geiste ausgehende Total organisation einer bestimmten Welt der Menschheit. Denn die Forderung der Vernunft ist diese, daß, so wie sich die Menschheit in verschiedenen Formen, wie der Kraft, des Rechts, der Sittlichkeit, Kunst, Religion, Wissenschaft, dußert, deren jede zugleich eine bestimmte Organisation der Weltlichkeit darstellt, die Kraft ein Militair, das Recht ein Gericht, die Sittlichkeit ein Reich der Sitten, die Kunst eine Akademie, die Religion einen Kultus und eine Kirche, die Wissenschaft eine Schule

der Geseglosigkeit überhaupt verdächtig zu machen. Daß ohnehin ein Heine, Borne hierher gehören, versteht sich von selbst.

*) Hierher gehört auch namentlich das Streben, den Geist in das Mittelalter zurückzuwerfen, welches, insofern es in dem entschiedensten Gegensage zu dem freieren Bewußtseyn der Zeit steht, nun die Form der Gereiztheit, des Fanatismus, der Heuchelei und der geheimen Umtriebe annimmt. Jedermann weiß, daß hierher ein Gdrres, ein L. v. Haller gehört. Eine Aufdeckung der fast unglaublichen Willkühr und Verwirrung in des Lehteren,,Restauration der Staatswissens schaft“ s. m. bei Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, S. 316 — 319, Note.

und Universitåt, — ebenso alle diese besonderen Organisationen in eine allgemeine der Weltlichkeit zusammengehen und darin eingereiht und eingeordnet zusammenklingen müssen. Diese allgemeine Organisation der Weltlichkeit ist der Staat, der wesentlich in demselben Geiste mit allen besondern Richtungen stehet, alle besondern Sphären in seiner Allgemeinheit umschließet und durch ein Neh der Geseßlichkeit zu einem in allen Gliedern lebendig anerkannten, geschüßten und geförderten Gesammtorganismus vereinigt. Nur dieses ist der lebendige concrete Staat; ihm werden die Elemente seiner totalen Größe entzogen, wenn er als bloße Anstalt für Eigenthum, Vertrag und Verbrechen, d. h. für das Recht im engeren Sinne, gefaßt wird, so etwa, daß die Aufnahme und Förderung aller andern Interessen nur Mittel zu diesem Zwecke sei. Vielmehr ist der lebensvolle Staat wesentlich ein allgemeiner allumfassender Organismus, und in diesem ist Alles vermittelt durch Alles, Recht durch Sittlichkeit und Religion und Wissenschaft, Sittlichkeit und Religion und Wissenschaft durch Recht u. s. f.; und nur mit Berachtung wird eine heutige Staatsregierung hinblicken auf das Streben, sie zu einer bloßen Anstalt für die Interessen des Eigenthums u. s. w. herabzusehen, und vielmehr in sich das erhebende Bewußtsein ihrer umfassenden Größe tragen; fie wird sein wollen und sich darstellen als die Regierung eines Staates, d. h. eines Organismus der gesammten Humanitát *).

*) Weil in dem Germanischen ursprünglichen Charakter das Element der subjectiven Vereinzelung und damit die Rechts beziehung der Einzelnen gegen einander, wie die Sprödigkeit gegen eine regierende Allgemeinheit liegt, welche Subjectivitåt auch durch das Christenthum.zunächst begünstigt wurde m. s. unten — während in der

[ocr errors]
[ocr errors]

Kommt somit nåher das Verhältniß des Staats zur Religion in Betracht, so liegt schon im Ausdrucke des Verhältnisses sowohl der Unterschied als die Ein

[ocr errors]

antiken Griechischen Leben die allgemeine Macht vorschlug: so haben selbst große Staatslehrer, wie Vollgraff in seinem Werke: Die Systeme der praktischen Politik im Abendlande, zwar den Staat in tiefem Sinne und seiner Totalitåt gefaßt, aber den Germanen diese StaatsfähigZeit abgesprochen, und fie dem Wesentlichen nach zu einem bloßen Rechts, ftate degradirt. Allein dieses gerade ist die Hoheit des modernen Staats, daß sich die freie Allgemeinheit immer mehr der Subjectivitåt bemächtigt, und endlich Beides verschmelzen muß. Und so wird jener geistreiche Mann dennoch durch die vorhandene Wirklichkeit eines höhern Staatslebens, als das Griechische war, widerlegt, und er bes ging nur den Irrthum, die abstracte Idee eines Platonischen Staates über die hdhere der freien, aber dennoch in der Allgemeinheit feft, gehaltenen Subjectivität zu stellen. Wohl aber ist deshalb heute das Regieren schwerer als in Griechenland, und ohne die Monarchie ist der Staat dem steten Zerfallen feiner Elemente ausgefeßt. M. f. unten. Auch 3 acharid in den vierzig Büchern vom Staate, B. I, G. 212 233 unterscheidet die Idee des Staats nach einem engeren abstract rechtlichen und einem weitern allgemein humanen Zwecke. Ins besondere sagt er S. 222 u. 223: „Die Asiatischen Geseggebungen umfassen die gesammten Pflichten und Ansprüche des Menschen. Auch die Griechischen Freystaaten ergriffen den ganzen Menschen, sie erfaßten ihn in allen seinen Verhältnissen; und, in Uebereinstimmung mit der Wirklichkeit, sezten die Griechischen Weltweisen den Endzweck der Staaten in die Beförderung der Wohlfarth der Menschen überhaupt. (Plato, de rep. I. II. Aristot. Polit. III, 3 ff. VII, 1). Ja es dürfte sich sogar überall kein gebildeteres Volk in der Geschichte nach. weisen lassen, welches nicht von derselben Ansicht ausgegangen wåre, die christlichen Völker allein ausgenommen.“ Das Lehtere beruhet auf dem Germanischen Charakter und der Chriftlichen Idee, wie bemerkt. Der Grund ist die in ihrer ganzen Tiefe entwickelte Sub. jectivität der Einzelnen. Aber eben deshalb, wie angegeben, ist es die große Arbeit der Gegenwart, durch die Allgemeinheit der Vernunft, die freie Chriftliche Monarchie, jene, wie 3 achariå sagt, von allen gebildeteren Völkern erstrebte Totalität des Staats in tieffter Weise zu verwirklichen, wogegen freilich noch immer die Sonders machte ankämpfen.

heit. Der Unterschied ergibt sich im Allgemeinen als der des Himmels und der Welt, der Innerlichkeit des Ge= müths und der Neusserlichkeit weltlicher Gestaltung. Allein dieser Gegensatz zeigt sich sogleich in seiner Firation als nichtig; denn alles Leben ist zugleich ein Inneres und Aeusseres, ein sich äußerndes Innere, ein im Inneren ge= haltenes Aeußere. Somit gehet auch die weltliche Orga= nisation aus von dem Inneren, dem Geiste; somit hat auch die Innerlichkeit der Religion eine Neufferung, eine weltliche Organisation, einen äußeren Kultus, eine Kirche. Folglich tritt der Staat mit der Religion in doppelte Einheit und Vermittlung, die innere von dem Einen Geiste und die äußere von der weltlichen Organisation aus, so daß je das Grundelement der einen Form in die andere übergeht, und also eine Wechselvermittlung, das allein organische Verhältniß, eintritt. So ist die Religion die innere Wurzel ihres eignen Kultus zugleich und des Staats; so ist der Staat seine eigne weltliche Organisation zugleich und darin die Aufnahme der äußeren Organisation der Religion, weil eine Total organisation der Welt bestehen muß und diese der Staat ist, während die Religion in ihren außeren Gestaltungen nur als Moment neben den Gestaltungen der Kunst, der Wissenschaften u. s. w. dasteht. Insofern aber die Religion die Zuwendung zum Göttlichen in der Form des Gefühles, der Vorstellung und des Glaubens, damit aber die Form für alle Menschen ist: so ist sie der Geist des Volks in seiner allgemeinsten Umfassung, so auch das innerste Princip der Staaten, und der Staat der Weltorganismus, welcher die Religion in seine Bewe= gung und seine Formen auf das Innigste in sich aufnehmen, und der inneren religiösen Entwickelung, welche an

« ZurückWeiter »