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einen: gemeinsamen Kultus mit Liebe und Milde einführte, hat darin nur das tieffte Princip der Zeit an seiner dußeren Gestalt ergriffen, und mit Recht der freien Vereinigung der Gemüther und Kirchen vorgearbeitet. So wie nun, die Stellung des Staates zu den protestantischen Gemeinden eine schon weniger gehemmte ist, weil der Protestantismus wesentlich das Princip der Liebe, Dule dung, Gleichheit und Einigkeit Chrifti durch alle Offens barungen hin in sich trägt und immer mehr anerkennt: so erscheint sie doch als unendlich schwierig gegen die römischkatholische Form und ihr altgeheiligtes, ehrwürdiges Haupt, den Papst. Denn diese Form macht entschiedener den uralten Anspruch, die alleinige wahre Form des Christenthums zu sein; sie stehet in ihren Bestimmungen mit Hårte den Pros testanten, nicht mit wahrer Bruderliebe, gegenüber; sie hält entschiedener jede wissenschaftliche Entwickelung, die ihr bee denklich erscheint, nieder; sie bringt auch namentlich in den ehelichen Verhältnissen zwischen Katholiken und Protestanten Hårten zur Erscheinung, welche der freie Christliche Staat in seiner allgemein Christlichen Gesinnung und Stellung, so sehr er auch den Katholicismus ehrt, unmöglich dulden kann, weil gerade von solcher Duldung, seien es nun Hårten des Katholicismus oder Protestantismus, Christus Rechenschaft fordern würde *). Dabei kann es freilich dem Einzelnen, falls er nicht entschiedener Geseglichkeit und entschiedener Vereinbarung zwischen Monarch und Papst entgegen= handelt, sei es auch in angeblich kirchlicher Nothwendigkeit, nicht verargt werden, wenn er an seiner Religion festhält. Aber auch so soll und muß er, dieses kann der Staat ver=

Man vergl. Zacharid, a. a. D. S. 287.

langen, möglichst mit Schonung und Milde in Rücksicht der Protestanten verfahren, und dieses ist ein höherer, wahrhaft Christlicherer Geist, als Hårte der Gesinnung und Hand= lung. Uebrigens aber ist es eine ewige Nothwendig= keit des freien Christlichen Staats, daß er nicht ruhe und raste, bis er durch geseßliche Vermittlungen die Festigkeit abstracter Gesinnung und That zur Milde und Weichheit aufgelöst, und so sein organisches Verhältniß gerettet hat, und gegen diese Nothwendigkeit der Christlichen Liebe selbst kann keine Berufung auf Ulter, kann keine Starrheit, kann kein religiöser Eiser helfen. Aber, wollte Gott, daß die Auflösungen der Hårte zur Milde und die Anerkennung des freien Christlichen Staates aus wirklicher Liebe hervorgingen! Diese Nothwendigkeit erkennen selbst alle edleren und milderen Katholiken; sie lassen fahren die feindselige Gesinnung; sie achten den edlen Sinn auch im protestanti= schen Fürsten, und blicken mit Sehnsucht nach der wahren Freiheit des Lebens hin *). Und, wahrlich, noch liebevoller würden sie überall der Weisheit der Regierung vertrauen, wenn nicht heimliche, ja selbst offene Umtriebe des religiösen Fanatismus, ja selbst noch anderer demagogischer Tendenimmer von Neuem aufreizten und verwirrten. Aber das Eine thut Noth: Man werde milder und reihe auch so sich ein in den allgemeinen Geist der Christlichen Liebez man erkenne die Zeit, man erkenne den sich mannigfaltig offenbarenden Einen Christus, und såe nicht die Saten der unchristlichen Gesinnung unter dem Deckmantel der Verherrlichung Christi aus, lasse nicht die demagogischen Umtriebe gereizter Gemüther die eigne Religion, die erha=

zen,

*) Man vergl. Zachariå a. a. D. S. 278.

bene Größe des Papstes, die Freiheit des Christlichen Staates versuchen und mit Füßen treten; denn sonst spaltet und entzweiet man vergebens; keine weltliche Macht hemmt die Nothwendigkeit der göttlichen Regierung und Fortentwickelung der Welt. Nur dieses Eine thut Noth: Allgemeinheit der Liebe; denn wahrlich, sonst wird und muß, früher oder später, die Freiheit in der hårtern Gestalt der Nothwendigkeit erscheinen. Ihr aber, katholis sche und protestantische Unterthanen eines freien Christlichen Staates, gebet durch Eure Liebe und Versöhnung, durch ruhige Abweisung und Verachtung der Versuche, Euch zu fanatifiren und gegen Euren edlen Monarchen, der in Seiner erhabenen Gesinnung alle Religionen der Liebe anerkennt und mit gleichem Edelmuthe schüßet, das Beispiel des Guten, Euch selbst ehrend, dem Regenten, dem Ihr so unendlich Vieles schuldet, die schwere Arbeit Seines Lebens erleichternd und Ihm Euch dankbar erweisend, so wahrhaft gefallend Jesu Christo, so dem Vater und dem heiligen Geiste *).

*) M. vergl. Zacharia a. a. D. S. 306 ff. obschon wir eine solche Art der Vereinigung, wie fie der Verf. aufstellt, theilweise für eben so unmöglich als unangemessen und unpolitisch halten.

Betrachten wir das Verhältniß des freien Chriftlichen Staats zu der påpstlich-katholischen Kirche rein speculativ: so zeigt sich barin auch jezt noch zunächst ein Kampf des Alten gegen die neue Welt, ein Principienkampf (m. vergl. meine Schriften: Der Begriff der organischen Heis lung u. s. w. Rebst einer Vorbetrachtung über die jetige Krisis der Weltgeschichte, S. XIII – XVI; dann: die Idee und Ge schichte der Philosophie, Th. III, Abschn. 1, Unterabschn. 1: „Der gegenwärtige Weltgeist". 409-423). Und dieselben Elemente, welche m. f. oben S. 16. 17 bie Reformation der Kirche erzeugten, nehmlich die Innerlichkeit und Freiheit des Gemüths und Denkens. Jobann die Freiheit und Selbstständigkeit des zu seiner totalen Größe und umfassung hinstrebenden Staates, miniren auch jezt noch immer fort, als Shakespeares nie raftender Maulwurf, an dem Ge

bäude des Papftthums, so daß im Einklange zu dem von Zeit zu Zeit nur noch stoßweise aufflackernden Lichte, welches einft in göttlichem Strahlenglanze durch die Welt leuchtete, das Gebäude in sich selbst zers bröckelt, morsch und altersschwach. So von Innen selbst her, in dem Idealisiren der Kirche, in der Forderung der Geistesfreiheit, ber Aufhebung des Cdlibats, der Anerkennung des Protestantismus aus dem ewigen Geifte der Christlichen Liebe, strebt sich die erstarrte Form des Alten zu verjüngen und mit der fortschreitenden Menschheit auszugleichen. Insofern nun hiermit die Fundamentalprins cipien nicht der Katholischen Kirche an und für sich, sondern ihrer starren Gegensäge, ihrer Unfreiheit und namentlich ber absoluten Auctorität bes Papstes angegriffen werden, kann der Papst nur in stetem Kampfe mit jenen Elementen leben, und seine Nachgiebigkeit im Ganzen nur eine, abgebrungene und stets zweideutige sein, welche, nur abwartend scheinbar günstige Umstände, plöglich alle alten Forderungen wies ber geltend macht. Gerade deshalb ist der freie Chriftliche Staat, welchem doch auch selbst der Katholische Regent nicht mehr zu ents sagen vermag, von der Seite seiner Stellung gegen das Papstthum in einer Lage, welche allaugenblicklich die Gefahr der Entzweiung und Desorganisation befürchten läßt, und wogegen selbst die relativ bes stirmtesten Geseze und Concordate keine sichere Garantie gee währen können. So wie daher der Monarch des freien Chriftlichen Staats, und mit ihm dieser selbst. sich durch sein höchstes Episcopat unb in Folge des in der Zeit stehenden protestantischen Princips (m. vgl. auch meine Idee des Christenthums u. s. w. S. 7. 8, S. 71 — 73) mit dem Protestantismus in organische Einheit gesegt hat, so kann er dieses nie vollständig mit der römisch-katholischen Kirche, bevor fich nicht der Katholicismus zu größerer Freiheit durchringt, in die Innerlichkeit des Gemüths und Denkens zurückfasset, die äußerliche Auc torität des Einzelnen, welche nothwendig im Staate aber nicht im Him: mel gilt, zur kraftlosen Gestalt wird, die einzelnen Momente der Katholischen Kirche sich, natürlich vornehmlich von den Gebildeteren aus, zu sich selbst befreien, und damit die Möglichkeit gegeben ist, daß der Monarch sich zu seinen Sphären des Katholicismus in dasselbe organische Verhältniß, wie zu dem Protestantismus sege. Dieses allein entspricht der höchsten Idee, und sie wird sich allmählig realisiren trog aller geheimen und offenen Umtriebe dagegen. Was ich aber hier ausspreche, ist nur die Nothwendigkeit der vernünftigen Weltents wickelung; für meine Person habe ich die größte Achtung vor dem Papftthume; jenes sage nicht ich, sondern es ist der Spruch und das Gericht Christi selbst, der Vernunft und der Geschichte. ·

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