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wurde ausdrücklich verordnet, daß man sich in den ge richtlichen und andern öffentlichen Verhandlungen künftig der englischen, und nicht mehr der französischen Sprache bedienen sollte. Der emporkommende Bürs gerstand gab bei dem entscheidenden Siege, den die englische Sprache erfocht, ohne Zweifel den Auss schlag; aber auch die Ritter und Barone von nors männischer Abkunft schämten sich nicht mehr, sich von den Franzosen, gegen die sie das Interesse ihres Königs in siegreichen Heerschaaren vertheidigten, durch die Sprache zu unterscheiden, und mit den tapferen Bogenschüßen und Fußknechten, die im englischen Heere dienten, als Ein Volk zu erscheinen. Die französische Sprache starb darum unter den engs lischen Großen noch lange nicht aus. Französische Ritterromane und Gedichte waren in England so des liebt, wie in Frankreich selbst; aber die Ritterros mane und Gedichte in englischer Sprache wurden nicht weniger, als die französischen, geschäßt. Aus englischen Sagen entstanden neue französische Roma: ne. Während die beiden Nationen im Felde mit einander stritten, war ihre poetische Litteratur in zwei Sprachen fast eine und dieselbe. Wir wissen nicht genau, ob an dem romantischen Hofe Eduard's III. die englischen Minstrels, die ihre Balladen im Volkstone sangen, sich neben den Nachahmern der französischen Fabliers hören lassen durften. Schon unter Eduard II, waren sie bei Hofe wenigstens zus weilen zugelassen worden. Auch waren sie damals schon so emporgekommen, daß sie stattlich geschmückt, den Rittern gleich, zu Pferde erschienen "). Aber einen Dichter von Chaucer's reicher und mannichs faltig

cc) Vergl. die Einleitung zum ersten Bande der Reliques of ancient English poetry, von Percy.

faltig gebildeter Phantasie konnten damals die Frans zosen den Engländern nicht entgegenstellen. Chau: cer traf mit bewundernswürdiger Kunst den Ton, den die Franzosen eben so gern, als die Eng länder, hörten. Seine Poesie gefiel den Großen und dem Volfe in England. Er war gerade der Dichter, den das Zeitalter und der Hof Eduard's III. verlangte,

Die Fortdauer der Kriege zwischen Frank reich und England im vierzehnten und funfzehnten Jahrhundert bewirkte endlich einen gegenseitigen Na: tionalhaß und eine völlige Trennung des Geistes und Charakters beider Nationen. Von dem Unterschiede zwischen den englischen Herren von normånnischer und denen von angelsächsischer Abkunft war faum noch die Rede. Und wenn man die wahre Confolis dirung heterogener Bestandtheile einer Nation für einen unschägbaren Gewinn ansehen darf, so hat England Ursache, sich gern an jene Zeiten zu erinnern, in denen zwar das Blut von Tausenden seiner Eins gebornen nur für die Sache seiner ehrgeizigen Kö: nige floß, dafür aber auch die englische Nation Eins und ein Ganzes wurde d). Bon jenen Zeiten her

stammt

d) Kein Geschichtschreiber hat den Einfluß der Kriege, in welchen die Könige von England während des viers zehnten und in der ersten Hälfte des funfzehnten Jahrs hunderts thre vorgeblichen Ansprüche an die französische Krone geltend machen wollten, einseitiger gewürdigt, als der sonst so pragmatische Hume. (Hiftory of England, chap. XV.) Er hat ganz vergessen, daß der Nationals haß, über deffen Entstehung er flagt, und den er mit Recht den Engländern mehr, als den Franzosen, vorwirft, nothwendig war, wenn aus den normánnischen Herrs schern in England wahre Engländer werden, die verschte,

benen

stammt auch fast Alles, was die englische Litteratur vorzüglich Originales und Eigenthümliches hat, wenn gleich Vieles von diesem Originalen und Eigenthums lichen erst lange nachher, Einiges nicht vor dem acht; zehnten Jahrhundert, entwickelt wurde.

Unter der Regierung Heinrich's V., der noch glücklicher in seinen Unternehmungen gegen Frankreich, als Eduard III., war, in Paris selbst als Sieger einzög, und von einem Theile der fran¡ds sischen Nation als König von Frankreich anerkannt wurde, erschienen die englischen Balladenfänger mit ihren Harfen bei den Feierlichkeiten des Hofes *). Der Nahme der Minstrels wurde so hoch geachtet, daß die angesehensten, unter ihnen Zutritt zu jeder fröhlichen Gesellschaft unter den Großen hatten. Bald nachher scheint der Nahme Junkers Min strel (Squire-Minstrel) zur Auszeichnung derer ents standen zu seyn, die sich zu vornehm dünkten, auch den gemeinen Mann mit ihren Liedern zu erfreuen f). Diese Junkers Minstrels erhielten ihr Ansehen bis in das Zeitalter Shakespear's unter der Regierung der Könis gin Elisabeth. Damals konnte ihr Stand, der immer mehr ausartete, seine alte Würde auch vor dem Volke nicht länger behaupten. Der Unfug, den mehrere umherstreifende Minstrels in Verbindung mit allerlet losem Gesindel trieben, veranlaßte endlich die bes

fannte

denen Glieder der Nation sich zu einem lebendigen Gans zen vereinigen, und mit ihren geistigen und moralischen Kräften nach Außen und Innen als ein Ganzes wirken follten.

e) Bergl. Warton, Tom. II. p. 35.

f) Siehe die angeführte Vorrede ju den Reliques of ancient English poetry.

kannte Verordnung, nach welcher solche wandernden Sänger mit den Landstreichern in eine Classe gestellt, von der Obrigkeit angehalten, und gezüchtigt werden follten. Bald nachher wurden auch die unbescholtes nen unter ihnen von dem neuen Geiste des Zeitalters verdrängt. Aber es bedurfte auch ihrer nicht mehr, um die Poesie in der Landessprache unter allen Ståns Den beliebt zu machen und aufrecht zu erhalten ").

Von der Zeit an, da die englische Poesie bet Hofe sich hören lassen durfte, wurden auch die Dich: ter dieser Periode, die sich besonders auszeichneten, bet Gelegenheit von den Königen und Großen in England öffentlich geehrt und belohnt. Chaucer wurde in seinem Jünglingsalter, als ihn seine Tas lente schon berühmt gemacht hatten, vom Könige Eduard III. zum Pagen, dann zum Cammerherrn (one of his Majefty's privy chamber), und in der Folge noch zum Ritter (Armiger) ernannt. John Gower, der wenigstens damals zu den vorzüglichen Dichtern gezählt wurde, genoß am Hofe Richard's II. mehr Ehre, als er verdiente. Andere geistreiche Männer, die unter den folgenden Königen als Diche ter glänzten, famen durch ihre Geburt, oder ihre Offentlichen Aemter mit dem Hofe in Verbindung; denn nun schämten sich auch die Herren vom hohen Adel nicht mehr, in der Landessprache Verse zu mas chen. Unter der Regierung Heinrich's V. war der Graf Humphrey von Gloucester ein berühms ter Protector der Wissenschaften und der Poesie. Aber feiner

ff) Gute Notizen zur Geschichte der englischen Minstrels poesie finden sich in der Differtation on Romance and Miniftrelly, vor Ritfon's Ancient English metrical Romances, Lond, 1802. 3 Voll. in Octav.

feiner der englischen Könige interessirte sich mit Vors liebe für die Litteratur seiner Nation. Als der bürs gerliche Krieg der rothen und weißen Rose zwischen den Häusern York und Lancaster ausbrach, ging alle Nationalcultur zurück. Während dieses Krieges, der beinahe die ganze zweite Hälfte des funfzehnten Jahrhunderts hindurch einen Theil von England nach dem andern verwüstete, wurden die Sprache und die Sitten der Nation roher, als sie unter Eduard III: gez wesen waren, und die Poesie war das leßte, worant. man bei Hofe und im geselligen Leben dachte. Mit der gemeinsten Wildheit wütheten die Factionen gegen eins ander. Die Könige und Kronpråtendenten gaben der Nation ein unerhörtes Betspiel frecher Grausamkeit; denn so viele Hinrichtungen und Ermordungen, wie damals auf öffentlichem Befehl, zum Theil unter den Mitgliedern der beiden königlichen Häuser selbst, vorfielen, findet man höchstens in der Geschichte asias. tischer Sultane, aber nicht in den Annalen irgend eines andern europäischen Staats, aufgezeichnet.

Aber eben diese schrecklichen Factionsfriege in. England bewirkten in dem Innern der Nation eine Veränderung, ohne welche die Nation selbst so wohl, als ihre Litteratur, nicht geworden wären, was sie jekt sind. Die Hälfte der Familien vom alten nors männischen Adel ging in diesen Kämpfen für die zweideutigen Familienrechte königlicher Prinzen uns ter. Fast nur unter dem Adel wüthete das Beil des Scharfrichters. Die Bürger und Bauern empfan den zwar auch die Drangsale des Krieges; aber sie wurden doch nur von den Parteien, in die sich der Adel zertheilte, fortgerissen und gebraucht, ohne selbst eigentlich Partei zu machen. In der Staats.

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