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derselben, der Titus Andronikus und der Pes rifles, werden von den meisten Litteratoren, ...aus historischen und kritischen Gründen mit Recht, nicht für Shakespear's Arbeit anerkannt, ob er gleich mans che Stellen dieser beiden Schauspiele, besonders des Perikles, verbessert, manche zu dem älteren, Terte hinzugefügt haben mag. Der erste Theil des histos rischen Schauspiels Heinrich VI. scheint auch nur Umarbeitung eines älteren Stücks zu seyn. Von mehreren der übrigen ist erwiesen, daß sie sich auf ältere Stücke gründen, die aber von Shakespear nur wie die übrigen Quellen, aus denen er seine Kenntnisse schöpfte, als Stoff benußt sind. Auf eine ähnliche Art hat er aus einer Uebersehung der Menachmen des Plautus seine Comédie der Irrungen gebildet. Die übrigen Uebersetzungen alter Autoren, die zu Shakespear's Zeit schon in der englischen Litteratur vorhanden waren, haben ihm nur, wie die Chroniken, die überseßten Novellen, der "Spiegel für Staatsmänner" und andere Schriften, aus denen er sich unterrichtete, einen Reichthum von Thatsachen und Ideen zum freien Ge brauche für seine Phantasie geliefert ).

Die

Geschichte der Litteratur, Band IV. Abtheis lung II.

h) Sechs ältere englische Theaterstücke, die mit einigen von Shakespear gleichen Inhalts sind, findet man in der Sammlung: Six old Plays, on which Shakespeare founded his Meafure for Meafure &c. London, 1779, 2 Octavbåndchen. - Ein ausführliches Verzeichniß der englischen Uebersehungen, in denen man zu Shakes Spear's Zeit griechische und lateinische Autoren lesen konns te, hat Malone geliefert im ersten Bande seiner Aus. gabe des Shakespear, p. 65.

Die dramatischen Werke Shakespear's, deren :i Echtheit nicht zu bezweifeln ist, lassen sich in vier Classen bringen. In die erste gehören die histos›› rischen Stücke; in die zweite die eigentlichen Trauerspiele; in die dritte die eigentlichen Lusts' spiele; und in die vierte die Phantasiespiele und andere Stücke, denen man keinen besondern Class Sentitel geben kann.

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Mit den historischen Schauspielen muß man anfangen, wenn man sich in Shakespear's dramatis sche Poesie auf dieselbe Art hineinstudiren will, wie fie sich in der Seele des Dichters entwickelt hat. Hier erscheint seine Phantasie am meisten regellos, und sein Kunstverstand am wenigsten gebildet. Aber Diese Schauspiele wollen auch nicht nach den Regeln des Lustspiels und Trauerspiels und anderer dramas tischen Erfindungen beurtheilt seyn. Sie machen keis nen Anspruch auf vollendete Einheit der Handlung, noch weniger auf die übrigen aristotelischen Einheiten. Sie sind dramatische Gallerien, deren eine zur andern, führt, und deren jede doch insofern für ein abgesons dertes Ganzes gelten fann, als die zusammenhän genden Begebenheiten bis auf einem bestimmten Zeits punkt vorrücken, wo ein gewisses Ziel erreicht ist.s In dem Schauspiele Heinrich VIII. ist dieses Ziel freilich kein anderes, als die Geburt der Königin: Elisabeth; aber dieses Ereigniß konnte zu Shakes Spear's Zeit die Stelle einer epochemachenden Natio. nalbegebenheit vertreten. Der erste Theil des Stücks Heinrich IV. schließt sich mit dem Anfange des Res bellionskrieges, der dem Prinzen von Wales die erst ste Veranlassung gab, sich seiner selbst würdiger, als vorher, zu zeigen. Eine Katastrophe im eigents lichen

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lichen Sinne fehlt selbst denjenigen` historischen Schau: spielen Shakespear's, in denen die Reihe von Bes gebenheiten bis zum Tode des Monarchen durchges führt ist, nach welchem die Stücke benannt sind.: Die beiden Schauspiele Richard II. und Richard III. sind deßwegen zu den eigentlichen Trauerspielen zu zählen, und dienen zugleich zum Beweise, daß Shake:: spear selbst an keine scharfe Absonderung seiner histos, rischen Stücke von den Trauerspielen gedacht hat. Eben so wenig hat er sie von seinen Lustspielen yach einer durchgreifenden Regel abgesondert. Tragische, komische, und andere interessante Scenen fallen in den historischen Schauspielen Shakespear's, wie in den älteren englischen und auch in den spanischen Theas rerstücken dieser Urt, in bunter Mannigfaltigkeit durch einander. Für die Ergöhung des Auges, durch Theaterpomp, Gefechte und feierliche Aufzüge ist in Shakespear's historischen Schauspielen, wie in den spanischen von Lope de Vega, mehr gesorgt, als nöthig wäre. Einige fénnte man beinahe ganz zu den Lustspielen zählen; · besonders die beiden Theile Heinrich's IV. Alle aber haben nicht mehr Verwicke:: lung, als der historische Zusammenhang der Beges benheiten mit sich bringt; und diese Verwickelung ist. feine eigentliche Intrigue. Unter den tragischen: Scenen in Shakespear's historischen Stücken giebt es mehrere, die das höchste Pathos des eigentlichen Trauerspiels erreichen, besonders im König Jos. hann und Heinrich VIII, Bon keiner Regel ges· leitet, hat Shakespear bald mehr, bald weniger, von ihm selbst erfundene Charaktere und Situas tionen in die historischen Partieen diefer dramatischen Gemahlde eingemischt. Bemerkenswerth ist, daß der große Dichter die Poesie seiner historischen Schaus

spiele

spiele zuweilen auch durch die Wirkung des Ueber natürlichen erhöhen wollen. Schon im ersten Theile Heinrich's VI., feiner ersten Arbeit in dies fer Gattung, läßt er das Mädchen von Orleans, das bei ihm, dem englischen Volksglauben gemäß, freilich als Here erscheinen muß, þöllische Geister beschwören, die auf dem Theater erscheinen. Im zweiten Theile dieses Schauspiels findet sich eine ähnliche Beschwörungsscene. Zur gemeinen und unpoetischen Natürlichkeit ist Shakespear auch da nicht herabgesunken, wo er der historischen Wahrs heit getreu geblieben ist und Manches unverändert aus den Chroniken aufgenommen hat. Jeden der vielen Charaktere, die er in diesen Schauspielen meisterhaft gezeichnet, þat er in ein interessantes Licht zu stellen gewußt. Einige, zum Beispiel Heinrich VIII., þat er aus guten Ursachen sehr verschönert. Der originalste Charakter, den Shakespear mit eis nem wahren Zauber der Natürlichkeit auf das Theas ter gebracht hat, ist wohl sein Falstaff im Heins rich IV. i).

Der Unterschied zwischen den historischen Stücken und den eigentlichen Trauerspielen Shakespear's ist nicht zu verkennen, ob ihn gleich einige Kritiker haben wegleugnen wollen *). Auch diese Trauerspiele folgen

i) Ich habe weder aus den historischen, noch aus den übris gen Schauspielen Shakespear's Beispiele abdrucken lassen wollen. Denn welcher deutsche Dichter ist in Deutschland bekannter, als der Engländer Shakespear?

Einer dieser Kritiker, die alle dramatischen Werke Shakespear's unter die Rubriken von Lustspiel und Trauers spiel bringen wollen, ist der Dichter Rowe, S. den Account vor seiner Ausgabe Shakespear's.

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folgen dem Geiste der romantischen Poesie. Das tragische Interesse ist also in ihnen nicht rein. Koa mische Scenen sind eingemischt, wo sie, nach den Gefeßen des antiken und des französischen Trauer spiels, unter keiner Bedingung zu dulden seyn würs den. Die gehaltene Würde des antiken Trauer. spiels, deren Nachahmung auf dem französischen Theater bis zur einförmigen Gravität getrieben wors den, ist selbst den tragischen Meisterwerken Shakes spear's fremd. Aber wenn man diese Meisterwerke mit denen von Sophokles und Corneille vergleicht, muß man von der Idee der Tragödie überhaupt ausgehen, und von dieser Idee zu den sehr verschies denen Gattungen herabsteigen, deren keine der Maßs stab für die andere werden soll. Die romantische Tragödie kann und will das Ziel der tragischen Volls kommenheit nicht auf demselben Wege erreichen, wie die antike, oder die französische. Wollte sie, wie die antike Tragödie, sich nicht lossagen von den Pflichten der Simplicitåt und strengen Regelmäßigs keit der Composition und von der gehaltenen Würde des Styls, so müßte sie auf den größeren Reichthum an Situationen und auf die kühne Mannigfaltigkeit Verzicht thun, die sich mit strengerer Befolgung des Gesetzes der Einheit nicht in Harmonie bringen ließ. Mit demselben Rechte, wie Corneille sich weit von den griechischen Tragikern entfernte, als er den Chor aus seinen dramatischen Compositionen verwies, und Die Politik, ganz gegen den Geist der griechischen Trauerspiele, in die feinigen aufnahm, durfte in eine romantische Composition Vieles eingemischt wers den, was den Effect der tragischen Größe im Gans zen nicht aufhebt, ob es gleich in einzelnen Stellen gegen die Würde des Trauerspiels zu streiten scheint.

Shakes

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