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Aufblitzt die Sonne, steigt und schwindet
Des Thrones Macht ist nichts als Schein,
Des hellsten Ruhmes Glanz erblindet,
Des Todes Arm das All umwindet
Der Himmel ist strahlhell allein!

Ach, Steurer sind auf Sturmespfade
Wir Menschen in der Wellen Pein;
Fortstösst das Meer uns vom Gestade,
Auf Klippen werfend uns ohn Gnade
Der Himmel ist voll Ruh allein!

An Lamartine.

Auf den Tod seiner einzigen Tochter.
Von Eugène Borel.

Die Engel riefen aus, als ihre Schwester kam:
Was bist du eher nicht dem Quell des Lichts genahet?
Das Kind erwiederte, nicht bergend seinen Gram:
Ach, meine Mutter ihr nicht sahet!"

Und Himmelsjubelsang erscholl zu dieser Zeit,
Das Kind hört Sphärenkläng' in Harmonie verschwommen,
Sein Auge strahlet hell vor Lieb' und Seligkeit
Ihr Echo hat es ja beim Vater einst vernommen.

Der Schmetterling.

Von Lamartine.

...

Erwachen mit dem Lenz, verschwinden mit den Rosen,
Steigen auf Fittichen des West ins Aetherblau;
Flattern am Kelch, der halb sich erst erschliesst, mit Kosen,
Berauschend sich mit Duft und Licht und Blüthenthau;
Noch jung sich zu befrei'n schon von des Staubs Atomen,
Und schweben wie ein Hauch zu ew'gen Himmelsdomen:
Das ist, o Schmetterling! dein neidenswerth Geschick!
Es ist der Sehnsucht gleich, die ruhlos Wünsche heget,
Und unbefriedigt stets sich leise rührt und reget,
Bis sie im Himmel einst antrifft das ew'ge Glück!

Was ist die Poesie.

Von Alfred de Musset.

In der Erinn'rung Spiel Gedanken keck erfassen,
Auf einer schönen Ax' aus Gold sie schweben lassen,

Nach allen Richtungen, zweck-, ziellos, urbehend,
Selbst Ewigkeit verleih'n dem flüchtigen Moment;
Glauben, dass Wahrheit sich mit Schönheit hold vertrage,
Ein Echo des Genies spüren im Herzensschlage;
Bald jauchzen, weinen bald, im Singen finden Glück,
Aus einem blossen Wort, Angstseufzer, Lächelblick
Schaffen ein Wunderwerk voll Reiz und voll Chimäre,
Das ist des sterblichen Poeten Weihethum,
Erzeugen eine Perl' aus einer Zähre
Darin besteht sein Glück, sein Zauber und sein Ruhm.

Begeisterung.

Von Victor Hugo.

Ich stand allein am Meer Nachts in der Sternenhelle.
Am Himmel kein Gewölk! Kein Segel auf der Welle.
Mein Blick verlor sich weit, bis ihm die Welt entschwand.
Und Wald und Berg, ja selbst die Schöpfung wie in Zagen
Schien mit chaotischem Gemurmel zu befragen

Des Meeres Flut, des Himmels Brand.

Und dort der goldnen Stern' unzählige Legionen,
Indem sie neigten still herab die Feuerkronen,

Riefen aufjauchzend bald und bald verstummend leis':

Die blauen Wellen hier, die sonst kein Wink heisst säumen, Riefen, indem sie sanft verrollten ohne Schäumen:

Es naht der Herr! Herr Gott, dir Preis!

Gestern Abend.

Von Victor Hugo.

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Es bracht ein Abendwind, dem sich die Blüthen_neigen,
Aus späterschlossnem Kelch uns gestern süssen Hauch.
Es sank die Nacht; tief schlief der Vogel in den Zweigen;
Balsam ergoss der Lenz doch mindern, als dir eigen,
Die Sterne funkelten doch minder als dein Aug'.

Ich sprach ganz leis. Es kam, mit Frieden uns begabend,
Die Zeit, wo gern der Geist den schönsten Hymnus singt.
Indem die Nacht ich sah so rein und dich so labend,
Den goldnen Sternen sagt' ich: senkt auf sie den Abend!
Und deinen Augen sagt ich: uns die Liebe bringt!

Das Blatt.

Von Arnault.

Armes Blatt ohn' Lebensflamme,
Abgelöst von deinem Stamme,

Wohin gehst du? Weiss es kaum!
Der Orkan zerbrach die Eiche,
Meiner schwachen Stütze Baum.
Seitdem führten mich Zephyre
Oder Windeshauch' aus Nord
Rastlos, ruhlos in die Irre,
Felderwärts vom Waldreviere,
Thalhinein vom Berge fort.
Dorthin, wo den Hauch ich spüre,
Wandr' ich klaglos meinen Pfad;
Wandre, wohin Alles gehet,
Wo der Rose Blatt hinwehet
Und des Lorbeerbaumes Blatt.

An den Abendstern.

Von Marie Joseph Chénier.

O du Gestirn der Nacht, dess Strahlenbaupt aus dunkeln Gewölken, welche braun die Himmel färben, bricht;

Stern, der hinkreisend du auf Bahnen, die hellfunkeln,
Eindrücktest deine Spur schweigsam ins Azurlicht:
Was schau'n tiefunten deine Blicke -?

Es halt des Tages Wind den Odem still zurücke;
Leis', immer leiser rauscht der Strom, der fernhin wellt;
Hin an der Felswand Fuss die Woge sterbend fällt;
Von Abendkäfern wird mit summendem Geticke
Ein monoton Geräusch gemacht:
Du lieblicher Genoss der Nacht,
Was schau'n tiefunten deine Blicke
Doch schon hinab zum Horizont
Sich deine Feuer lächelnd biegen,
Schmeichelnd die Wellen dich umschmiegen,
Benetzen zärtlich dich und wiegen
Dein Lockenhaupt strahlhell und blond.

Ruf zu Gott.

Von Adéla Delvigne.

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-?

Herr, heil'ge für und für mir meine Liedesleier,
Dass kein Accord in ihr des Himmels unwerth sei;

Verleih' ihr Hauch und Schmelz und süsser Schwermuth Feier,
Dass jeder Sangeston empfange fromme Weih'!

Dass sie ein Heil'genschein, so schlicht als hell, umstrahle,
Dass kein unlautrer Kranz je blüh' auf ihrem Pfad!
Dass sanft sie lisple mit im himmlischen Chorale,
Stets frei von irdischem Getön und Gottverrath!

O flöss' ihr Seufzer ein für alle Kümmernisse,
Echo's der Sympathie für allen Erdenschmerz;
Hauch' ein in ihren Klang der Hoffnungen Ergüsse,
Die von der Bitterkeit befreien jedes Herz!

Dass sie zu beten wiss', und dass ihr gottgetreuer
Festhymnus preis' entzückt der Schöpfung hehre Pracht:
Der Strahlenhimmel Glanz, der Sterne funkelnd Feuer,
Der Wellen Majestät, die Zeugin deiner Macht!

Verleih' zuweilen ihr die ew'gen Melodien,

ein Hauch;
Lass von den Vögeln sie entlehnen Harmonien,
Von Blüthen Duft und Farb' und ihren Honig auch.

Mag ihr auch immerdar des Himmels Leitung fehlen!
Dass sie ein Spiegelbild sei gotterhellter Seelen,
(Sei meinem scheuen Haupt dein Segen, Herr, genaht!)
Und dass ins Jenseits sie eröffne fromm den Pfad!

In ein Album.

Von Lamartine.

Auf dieses weisse Blatt, drauf diese Vers' entspriessen,
O führte oft ein Blick dein liebes Herz zurück!
Auch deines Lebens Blatt mag lauter sich erschliessen,
Könnt' ich doch schreiben drauf das einz'ge Wort nur: „Glück !"

Der Herbst.

Von Lamartine.

Euch grüss' ich, Wälder, die noch krönt ein grüner Schimmer;
Dich, sinkend Laub, das falb die Rasenplätze schmückt;
Dich letzten schönen Tag! Sanft spricht ans Herz mir immer
Der Abschied der Natur, die sterbend selbst entzückt.

Mein träumerischer Schritt verfolget stille Pfade:
Sehnsucht beflügelt ihn. Noch einmal, bleiches Licht
Der Sonne, lass dich schau'n, ob auch dein Strahl
Des Waldes Dämmrung kaum, zu Füssen mir, durchbricht.

o schade!

Welch süssen Reiz gewährt der Abendlüfte Fächeln
Im Herbst, wo sich Natur in sanfte Schleier taucht!
Des Freundes Lebewohl, das letzte Abschiedlächeln,
Das auf der Lipp' erstirbt nicht wehmuthsüsser haucht!

Also dem Horizont des Lebens zu entschweben
Bereit, indem mein Herz vor Schmerzerinn'rung stockt,
Schau' ich noch einmal um, mit einem Blick voll Beben,
Bereuend jedes Glück, dess hier ich nicht frohlockt.

O Sonne, Schöpfung, Erd', o ihr geliebten Thale,
Euch weih' ich eine Thrän' am Rande meiner Gruft!
Der Aether, wie voll Duft! Das Licht, wie hell im Strahle !
Dem Blick des Sterbenden wie süss die Himmelsluft!

Wie möcht' ich jetzt so gern austrinken bis zur Neige
Des Lebens Kelch, gefüllt mit Wermuth und mit Seim!
Den Wahn, dass auf dem Grund des Bechers hold mir zeige
Ein Tropfe Nektar sich grüsst' ich als Hoffnungskeim!

--

Vielleicht, dass mich ein Blick des Heiles noch getroffen,
In später Frist, ob mir bis jetzt mein Hoffen schwand;
Vielleicht, dass im Gewühl der Welt ein Herz noch, offen
Für Freundschaft, warm zuletzt und fest sich mir verband! ...

Die Blume sinkt. Sie weiht dem Zephyr ihre Hauche,
Die wie ein Scheidegruss an Leben Licht entfliehn.
Auch ich sterb' hin; und wenn ins ew'ge Nichts ich tauche,
Verhaucht mein Geist so sanft wie Trauermelodien.

Julius Altmann.

-

Ueber das Bedürfnis nach

einer Vereinfachung der englischen Orthographie.

„In dem Lande des allgemeinen Stimmrechts muss jeder Bürger lefen und schreiben können." So fagte der kluge und energische Kaifer Napoleon III. in feiner Thronrede vom 15. Febr. d. J. bei Eröffnung der Session der Gesetzgebung. Es wird hier ein Zil aufgestellt, welches bis jetzt noch in keinem Lande der Welt und von keiner Nation erreicht ist, obwol genauere statistische Erhebungen darüber, ein wie großer Teil der Bevölkerung lefen und schreiben kann, noch nirgends vorhanden find, wie mir erst noch kürzlich der Director unferes statistischen Bureaus, Geh. Reg.-Rat Dr. Engel, anf meine Anfrage verfichert hat. Bei uns nimmt man gewönlich an, dass von den zum Militär eingezogenen jungen Männern 97 Procent lefen und schreiben können, ein (wenn die Zal villeicht auch etwas zu hoch gegriffen ist) verhältnismäßig gewiss fer günstiges Refultat, und der franzöfische Unterrichtsminister, Mr. Duruy, hat es felbst noch vor kurzem fer schmeichelhaft für uns hervorgehoben, „dass Deutschland kraft feiner woltätigen Gesetzgebung mit Stolz fagen kann, dass keins feiner Kinder in der Unwissenheit verbleibt." darf uns das nicht übermütig machen, denn auch bei uns bleibt noch manches zu wünschen übrig.

Doch

Dass man aber in England von einem folchen Ergebnis noch ser weit entfernt ist, ist allgemein bekannt; es wird angegeben, dass in England und Wales allein 5,000,000 Erwachsene nicht lefen und 8,000,000 nicht schreiben können. *) Ob dise Zalen ganz richtig find,

) Phonetic Journal 23, 368. (Vergleiche den Anhang.)

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