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Minne gesungen, schon im zarten Alter von 5 13 Jahren müsse begonnen haben; was undenkhar sei.

Es folgt dann die noch schwierigere Frage nach der Heimat Walthers. Der Dichter sieht hochbejahrt seine Heimath wieder. (S. Nr. 188 Pfeiff.) Er findet sie ganz verändert. Wiese und Wald sind verschwunden, die Menschen verändert und unbekannt, nur das Wasser fliesst, wie ehedem. Aber welches Land ist dies? oder welches ist es nicht? da die Schilderung so allgemein gehalten, auf alle und jede durch Cultur umgewandelte Gegend sich beziehen lässt. Ist es daher zu verwundern, dass bisher nicht etwa sieben Städte, sondern acht Länder, den Ruhm, die Geburtsstätte des gefeierten Dichters zu sein, theilen mussten, bis endlich vor Kurzem ganz unversehens noch ein neuntes dazu kam, welches nun ganz gewiss die Heimath des Dichters sein soll. Jene acht sind: Schwaben, Rheinland, Baiern, Meissen, Böhmen, die Schweiz, Oestreich, Franken; das neunte, von Pfeiffer bis zu einer gewissen Evidenz erhoben, ist Tirol. Dort lag ein kleines Gut oder Hof, Vogelweide, wie erst kürzlich durch eine aufgefundene Urkunde festgestellt ist; von diesem ist zwar gegenwärtig keine Spur mehr vorhan den, doch hat sich nicht gar weit davon in der Gemeine Telfes, eine Stunde westlich von Sterzing der Name erhalten, indem ein Wald, in zwei Theile getheilt, Vorder- und Hintervogelweide genannt wird. Auf diesen Ort und diese Gegend passt das oben genannte Heimathslied aus dem Jahre 1228 vollkommen gut, und Menzel behauptet nun mit noch grösserer Zuversicht als Pfeiffer, dass das nachgewiesene Vogelweide wirklich die Geburtsstätte des Dichters sei. Diese grosse Sicherheit ist indess während des Drucks des Buches bei Menzel sehr geschwächt und erschüttert worden, so dass er S. 339 seine Behauptung sehr mässigt und theilweise zurücknimmt.

Im Folgenden wird W. Grimm's Hypothese, die eigentlich jetzt als vergessen zu betrachten ist, Walter von der Vogelweide und Freidank seien indentisch, nur im Vorbeigehen erwähnt, ebenso werden die frühern Versuche, den Namen von der Vogelweide für einen dichterischen, pseudonymen zu erklären, kurz beseitigt, um etwas ausführlicher E. H. Meyer zurückzuweisen, der vor einiger Zeit (1863) in Walther einen Herrn von Schipfe fand, wie er auf Urkunden gestützt zu beweisen beflissen war. Menzel weist aber wie bekanntlich schon vor ihm Pfeiffer, mehrere Ungereimtheiten der Untersuchung zurück und wandelt das Wort des Titels Urkunde“ sehr beissend in eine auf Unkunde gestützte Untersuchung." Menzel bleibt nun nichts übrig, als mit Pfeiffer anzunehmen, dass der kleine Lehnssitz, auf dem Walther geboren wurde und von welchem seine Vorfahren den Namen erhielten, ursprünglich ein Vogelgehöfte, ein aviarium für einen grössern Adels- oder Fürstenhof, gewesen sei. Dass er aber von edler Geburt ge wesen, ist nahezu allgemein anerkannt." Kurz, der Einzige, welcher ihn einen Bürgerlichen nennt, und den Beweis in einem Programm zu führen versucht hat, ist schon von Pfeiffer und Andern genügend widerlegt worden, und auch Menzel widmet der Widerlegung eine gehörige Ausführlichkeit.

Der folgende zweite Abschnitt (S. 76 bis 196) ist überschrieben Walthers Lebrjahre zu Wien bis zur Katastrophe von 1198; der dritte Walthers Wanderjahre von 11981214 (S. 106 — 242).

Diese beiden Abschnitte sind die umfangreichsten, aber auch die schwierigsten und interessantesten des ganzen Buchs. Und wenn es schon der erste Abschnitt zeigen kann, wie Menzel mit Umsicht und glücklichem Takt das weitschweifige Material zu behandeln, gehörig zu sichten und geschickt zu combiniren versteht, so ist dies in noch grösserem Masse der Fall b diesem in Bezug auf Poesie und Lebensschicksale wichtigsten Theile der Biographie. Es ist mir aber unmöglich und auch für eine einfache Anzeige, wie ich sie gebe, ungeeignet, auch nur annähernd einen Auszug zu gehien über diese ganze lange Zeit, die der hellen und dunkeln Punkte eine grosse Menge darbietet, Menzel überschreibt sogar einen Abschnitt: „Die dunk.

Zeit" von 1204-1211 und die recht eigentlich der Tummelplatz der verschiedensten Ansichten und Meinungen der Gelehrten geworden ist und werden musste. Und doch erhebt sich Vieles nicht über die Wahrscheinlichkeit; doch ist es auch Menzel nicht möglich, die Unsicherheit des Factischen, die durch die politischen Wirren der Zeit die reichlichste Nahrung erhält und unauflösliche Räthsel erzeugt, zu mindern oder ganz zu heben. Es ist diese lange Zeit von 1190-1214 eine grosse Arena, die noch lange ein Tummelplatz der Gelehrten bleiben wird, da ja, wo objective Gewissheit versagt ist, der Subjectivität Thor und Riegel geöffnet sind. Daher wird auch die Mannigfaltigkeit und Menge der Ansichten je länger je mehr zunehmen, wenigstens bis zu einem gewissen Grade, und es ist wenigstens dies Eine ein Glück, dass die positive Grundlage zu all dem Ungewissen, Schwankenden, zu Deutenden und Gedeuteten, ich meine die Gedichte selbst, einige hundert Varianten abgerechnet, unantastbar, fest und sicher vorliegt. Diese reiche Fundgrube bleibt wenigstens und findet Anerkennung selbst bei den extremsten Naturen. Und wenn auch Menzel den Abschnitten über die Lehr- und Wanderjahre keinen über die Meisterjahre hat folgen lassen, sondern als IV. Abschnitt des Dichters Alter, Kreuzzug und Tod (1214-1230?) S. 242-344 behandelt, so weiss er doch die Meisterschaft des Dichters sehr wohl zu würdigen und giebt am Schlusse ein kurzes aber treffendes und ansprechendes Bild von der Eigenthümlichkeit des Dichters, wobei er im Zweifel ist, ob wir in ihm mehr den Menschen oder den Deutschen oder den Dichter lieben, achten und verehren sollen, und dessen Dichtungen nach Form und Inhalt einen Reichthum und eine Vollendeng gewähren, wie keine anderen. „Diesen Eigenschaften," sagt er S. 349, „verdankt er denn auch den Ruhm, der eigentliche Schöpfer und Vollender der höfischen Dichtkunst zu sein, die in ihm ihren Culminationspunkt erreicht hat. Alle Minnesänger neben und nach ihm sind mehr oder weniger seine Nachahmer, keiner aber ist ihm gleich gekommen. So hoch steht er über allen, dass selbst der Kunstneid seine Grösse nicht anzutasten wagte. Alle seine Kunstgenossen zollen ihm mit wunderbarer Einstimmigkeit als dem ersten unübertrefflichen Meister die rückhaltsloseste Anerkennung und Bewunderung. Auf sein Volk aber hat er als Dichter einen Zauber, als politischer Mahner eine Wirkung ausgeübt, wie Keiner vor und nach ihm."

Nach dieser ziemlich ausführlichen Besprechung des Buches, die ich dem Verfasser und seiner Leistung schuldig zu sein glaubte, kann ich nicht umhin, anzuerkennen, dass der Verfasser ein höchst verdienstliches und ein in jeder Beziehung des Lobes und Dankes würdiges Werk geliefert habe. Ihm im Einzelnen Kleinigkeiten zu rügen, will ich gern Andern überlasseu, wenn sie dazu Lust und Geschick haben. Nur eins möcht' ich gern anders gelesen haben, das ist die unglimpfliche Polemik gegen Lachmann, dem er, wenn er denselben wirklich gekannt hätte, nicht würde vorgeworfen haben, dass er mit dem ihm eigenen Bewusstsein der Unfehlbarkeit Walthers Abstammung aus Oestreich in den drei letzten Ausgaben behauptet habe. (S. 20.) Sind ja doch die beiden letzten Ausgaben gar nicht von Lachmann selbst, sondern nach seinem Tode erst von Haupt herausge geben worden.

Berlin.

Dr. Sachse.

Germania. Vierteljahrsschrift für deutsche Alterthumskunde. Herausgegeben von Franz Pfeiffer. 10. Jahrgang. 1. Heft. Wien 1865.

Der mythische Gehalt der Tellsage, Beitrag zur deutschen Mythologie von Heino Pfannenschmid. Seit J. E. Kopp (1854 und 1856)

hat Tell aufgehört, geschichtliche l'erson zu sein. Alle Versuche, Einzelnes zu retten, auch der jüngste des Dr. von Liebenau (die Tellsage zum Jahre 1230), sind verfehlt und namentlich im Beweisverfahren misslungen zu nennen. Es bleibt also nur übrig, um die Erzählung vom Tell zu begreifen, sich auf den Standpunkt der Sage und Mythologie zu stellen. Nach einer Ergänzung der Schrift Hubers (die Waldstätte etc. mit einem Anhange über W. Tell, 1861) weist Pfannenschmidt die Identität des Schützen Eigil-TokoTell mit dem Pfeilkönig und Schützengott Jndra - Odhie - Wodan in einer 40 Seiten langen, ebenso gründlich gelehrten als interessanten Abhandlung nach.

Beiträge zur Geschichte und Kritik der Kudrun. Von K. Bartsch. Der Verf. beabsichtigt hier, den kritischen Rechenschaftsbericht über seine Ausgabe der Kudrun zu geben, da die Ausgabe selbst dies nicht gestattete. Der Schluss folgt im nächsten Hefte.

Zur Kunde alter Personennamen. Vōn Franz Stark. Zwei Seiten lange Bemerkungen zu Förstemanns Wörterbuch, welche Versehen Förstemanns aufdecken und eine Mahnung zur Vorsicht im Gebrauch des Buches rechtfertigen sollen.

Zeugnisse zur Heldensage. Von F. P. Zwei bisher übersehene Zeugnisse aus dem 16. Jahrhundert.

Das Westphälische Bauernhaus ein altdeutsches Stallgebäude. Von Moritz Heyne. Zusammenstellung der ältesten Notizen über das altdeutsche Wohnhaus. Für die Archäologie von Wichtigkeit.

Getaufte Thiere. Von A. Lütolf. Zusatz zu jenen Sagen, nach denen frevelhaft getaufte Thiere sich in wüthende Menschen verwandeln.* Zum Cato. Von Adolf Mussafia. Weitere Belege für die Beliebtheit der sogenannten Disticha Catonis im Mittelalter.

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Mailand. Von A. Lütolf. In den Sagen der Urschweiz ist es Mailand, wohin die Hexen ihren Zauberritt unternehmen." Dies enthalt auch ein Kinderreim aus Schaffhausen. Vgl. Unoth, Zeitschrift für Geschichte und Alterthum von Joh. Meyer.

Zur Frau „Selten" (Saelde). Von A. Lütolf. Es wird nachge wiesen, dass Frau Saelde sich nach dem Volksglauben der nach christlichen Begriffen vom Himmel ausgeschlossenen ungetauften Kinder annehme.

Literatur. Schriften über Mythologie.

Von Vernaleken werden angezeigt: Schwartz neueste mythologische Werkchen, zwei Hefte von Amand Baumgarten: Aus der volksmässigen Ueberlieferung der Heimat, Grohmann's: Aberglauben und Gebräuche aus Böhmen und Mähren. Felix Liebrecht recensirt: Simrocks Handbuch der deutschen Mythologie mit Einschluss der nordischen. 2. Aufl. Holtzmann recensirt: Ueber den Ursprung und die Bedeutung des Namens Germanen von K. A. F. Mahn. Reinhold Bechstein: Biblisches Wörterbuch von W. A. Jütting. Mussafia: Barlaam und Josaphat, alt französisch aus dem 13. Jahrhundert von Gui de Cambrai, herausgegeben von H. Zoterberg und P. Meyer. (Publication des Stuttgarter lit. Vereins.)

Miscellen. 1) Ueber Kosegartens handschriftliches niederdeutsches Wörterbuch. Von A. Höfer. 2) Ueber Andreas Uppström. Von Lee Meyer. 3) Aufruf zur Einsendung biographischer Notizen aller Germanisten. Von Franz Pfeiffer.

Berlin.

Dr. Sachse

Germania. Vierteljahrsschrift für deutsche Alterthumskunde. Herausgegeben von Franz Pfeiffer. 10. Jahrgang. 2. Heft. Wien. 1865.

Beiträge zur Sittengeschichte des Mittelalters, aus der Sprache gewonnen. Von R. Hildebrand. Der wesentliche In

halt eines auf der vorjährigen Philologenversammlung zu Hannover in der germanistischen Section gehaltenen Vortrages wird in vier Bildern vorgeführt. 1) Geselle, ein Bild aus dem höfischen Leben. 2) Der Beste, ein Bild aus dem Kampfleben. 3) Helfen, ein Bild aus dem Familienleben. 4) Dringen, ein kleines Nachspiel aus dem Hofleben.

Antonius von Pforr. Von K. A. Barack. Notizen über das Geschlecht von Pforr und besonders über das genannte Glied desselben aus dem 14. Jahrhundert.

Rosengarten. Von A. Lütolf. Nachträge zu des Verf. Buch: „Sagen aus den V Orten."

Beiträge zur Geschichte und Kritik der Kudrun. Von K. Bartsch. Fortsetzung und Schluss. S. 148-224.

Ueber den handschriftlichen Text der goth. Uebersetzung des Briefs an die Römer. Von Leo Meyer. Unter Hinweisung auf das Verdienst Uppströms werden einzelne Stellen des genannten Buchs besprochen.

Neues Bruchstück von Albrecht von Halberstadt. Von A. Lübben. Das Bruchstück von 144 Versen wird mitgetheilt und mit einigen Anmerkungen begleitet.

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Ein Engel flog durchs Zimmer. Von R. Köhler. Giebt es für diese bekannte Redensart ältere Belege? Im Grimmschen Wörterbuch fehlt sie; Sanders hat nur 2 Beispiele. Auch im Spanischen ist sie gewöhnlich." Literatur. Deutsche Bibliothek von Kurz recensirt von J. Lambel. Miscellen. 1) Uebersicht der Vorlesungen über deutsche Sprache und Literatur, welche auf den Universitäten Deutschlands und der Schweiz im J. 1864 1865 gehalten worden sind. 2) „Die kostbare Liedersammlung aus dem 16. Jahrhundert 143 weltliche und geistliche im Ganzen 82 Piecen aus der Bibliothek Möhlmanns in Stade hat der Antiquar Stargardt in Berlin unlängst käuflich erworben.“

Berlin.

Dr. Sachse.

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Programmenschau.

Hense. Poetische Personification in griechischen Dichtungen mit Berücksichtigung lateinischer Dichter und Shakespeare's. Erste Abtheilung. Parchim 1864.

Ausgehend von der Bemerkung, dass die Poesie, deren Aufgabe es ist, das Schöne durch die Sprache zur Anschauung zu bringen, sich als eines wesentlichen Mittels der Personification bedient, indem sie körperlosen und unbeseelten Dingen eine fest begrenzte Gestalt und geistige Thätigkeit verleiht, dass ferner gerade die menschliche Gestalt und der menschliche Geist am meisten geeignet erscheint, die Mittel zu dieser Belebung herzugeben, untersucht der Verf. auf wenigen Seiten den Ursprung der Personi fication. Er findet denselben zunächst in der Phantasie, die namentlich bei den Griechen mit der Götter und Mythen bildenden Thätigkeit aufs innigste verbunden ist; ferner in der Leidenschaft der Menschen, die je lebhaf ter, desto mehr geneigt ist, der Natur eine moralische Gesinnung and Theilnahme zuzuschreiben. Nach einigen Bemerkungen, in welcher Weise bei alten und neueren Dichtern die Personification angewandt und welche sprachlichen Mittel dazu benutzt werden, folgt die eigentliche Abhandlung, welche die sprachlichen Wendungen darlegen soll, welche insbesondere bei den Griechen personificierend gebraucht werden. Von den drei Gruppen. nämlich erstens den Wörtern, welche Theile des Körpers bezeichnen und durch Anführung eines solchen Theils die Vorstellung der menschlichen Gestalt überhaupt erwecken, zweitens denen, welche Lebensverhältnisse, die der Mensch mit den Thieren theilt, drittens denen, welche Geistesverhält nisse bezeichnen, die dem Menschen allein angehören, ist in der vorliegenden Abhandlung die erste Gruppe behandelt.

In 36 Abschnitten werden die Körpertheile vom Haupt bis zum Fuss durchgenommen und an einer reichen Sammlung von Dichterstellen der Grie chen und Römer, denen Shakespare zugesellt ist, die Verwendung der einzelnen Ausdrücke nachgewiesen. Einzelheiten herauszuheben, ist hier unmöglich, da das Ganze eben eine Aneinanderreihung einzelner Stellen ist Doch möchte ich eine Bemerkung machen. Da ausdrücklich von der poe tischen Personification gehandelt werden sollte, so wäre es höchst zweckmässig gewesen, bei den einzelnen Ausdrücken zu untersuchen, wie weit dieselben überhaupt noch als Mittel der Personification dienen, oder bereits von der Sprache als allgemein gültige Bezeichnungen aufgenommen sind, ohne speziell dem poetischen Ausdruck anzugehören. Ein Beispiel aus dem ersten Artikel, die Ausdrücke, welche Haupt bezeichnen, betreffend, mag dies veranschaulichen. Wir finden dort ohne Unterscheidung neben einander gestellt: Horat. carm. I, 1, 20 nunc ad aquae lene caput sacrae stratus. Tibull. I, 7, 23 Nile pater, quanam possum te dicere causa aut qu bus in terris occuluisse caput. Ovid. Metam. 2, 254. Nilus in extremum

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