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Lebensäußerung des Mannes sichtbar. Dasselbe gilt vom Gebete, dasselbe vom Empfange der heil. Sakramente, dasselbe vom ganzen Leben eines so unglücklich durch Reflerion und stetes Grübeln des Verstandes gebildeten Geistlichen.

Also gar keine Wissenschaft, wird man einwenden, gar keine Ausbildung der intellektuellen Kräfte in Beziehung auf theologische Gegenstände; genug soll es für den Gymnasiasten oder gar Theologen seyn, wenn er einen magern`Katechismus auswendig lernte, und dann diese Gegenstände durch religiöse Uebungen in sich recht lebendig machte; oder etwa, wenn er noch eine dürre Dogmatik und Moral nach einem alten Handbuche mit etwas Liturgik lernte; eine ei gentlich theologische Wissenschaft könne und dürfe es aber auf dem Gebiete der katholischen Religion nicht geben, und ein solcher Theolog soll in unserer, von nichts als Wissenschaft redenden und lebenden Zeit hinausgesendet werden, um Führer und Leiter zu allem geistig Hohen und Großen zu werden? Soll es dann in der That wahr und nothwendig seyn, was die Protestanten den Katholiken lange vorgeworfen haben und noch gerne vorwerfen möchten, daß die Katholiken keine Wissenschaft haben dürfen?

Diese und ähnliche Einwendungen könnten dem Gesagten mit Recht gemacht werden, wenn es sich nicht von selbst verstände, daß alle Objekte, ehe sie mit den übrigen Kräften erfaßt werden können, erkannt und in ihren Eigenschaf ten, ihrem Werthe und ihren Beziehungen bekannt seyn müssen. Daß die Theologie und überhaupt der geistliche Beruf dieses Wissens, am wenigsten in Bezug auf die den Sinnen entfernter liegenden Gegenstände, entbehren könne, wer sollte so etwas Absurdes behaupten? So sehr die ka tholische Kirche die Frechheit des Verstandes (petulantiam ingeniorum) aus den heiligen Hallen ihrer Untersuchungen entfernt hielt, so sehr drang von jeher sie auf tiefe, ächt wissenschaftlich - systematische Auffassung der heiligen Lehren.

Indem die Offenbarung die höchsten Wahrheiten der Menschheit, wie sie für sich und in Bezug auf den Schöpfer aller Dinge bestehen, zur unumstößlichen Gewißheit erhob und als Positivum allen Menschen nicht bloß zur erkenntnißmäßis gen Auffassung, sondern der ganzen Lebenskraft und Thätigkeit hingab; so überließ sie die Art und Weise ihres Seyns der Untersuchung und Auffassung der intelligenten Kräfte, wie und soweit es jede Stufe von "Bildung zuläßt. In einem wissenschaftlich - angeregten Zeitalter und bei höherer Bildung, muß die Erkenntniß wissenschaftlicher und umfassender seyn, als in den gewöhnlichern Sphären des Lebens. In diesen ist es mit dem Wissen der Dinge genug. Die Glaubens und Sittenlehre sammt der biblischen Geschichte reichen hier hin, um durch stetige, religiöse Uebungen diese Lehren lebendig zu machen und im Glauben zu einer Sicherheit zu erheben, durch welchen die ganze Handlungsweise, das ganze Leben eines so Gebildeten durchdrungen und bes glückt wird. Ohne diese Uebungen aber ist bei dem Vorwiz und der Frechheit des Verstandes unserer Zeit, selbst in den untersten Klassen, nichts, selbst die tiefste und heiligste Wahrs heit nicht sicher, sie ist und bleibt ohne sie leb- und erfolgs les. Und wie dies auf dieser Lebensstufe gilt, so, und noch in höherm Grade, gilt es auf allen, welche über dieser stehen. Die Hauptsache bleibt das Beleben der Wahrheiten. Das aber kann keine, noch so tiefe Erkenntniß. Niemand in der Welt ist und bleibt diesen treu, oder wie es die Philosophen wohl ausdrücken, der Erkenntniß sich konses quent. Umstände, Neigungen, Leidenschaften, werfen alle Erkenntnißsysteme um, nur die Uebung und Angewöhnung, nach erkannter Wahrheit zu handeln, sich stets auch gegen die Laune des Sinnes mit Liebe bei ihr zu verweilen, ihr immer anhänglich zu seyn, das macht solch eine Lehre lebendig. Nicht allein die Belchrung über die heiligsten Dinge und Wahrheiten macht fromm und religiös, sondern zugleich die

willige, freie und wiederholte Hingabe mit allen Kräften. Der Verstand kann in seinen Beweisen noch so sehr zwingen, wenn die Thatkraft, der Wille, die freiwillige Hingabe nicht thätig wird, so bleibt die Einsicht todt und werthlos, ja sie wird nachtheilig, weil nun auch bald die Lust der Erkennts nißkraft erlahmt und damit das ganze geistige Leben in Stocken geräth. Denn bloße Schemate von Wahrheiten in Form und Begriff zu erkennen, selbst in andern Wissenschaften, gibt nur wenigen Menschen ein Genüge, sie werden beim Vortrage derselben bald abgestumpft und gleichgültigTM gegen dieselben, so daß sie nach Anderm suchen, was mehr Genuß gewährt, und wird nichts Anderes geboten, nach dem Sinnlichen hinziehen.

Aber nicht bloß die innere Natur der Sache beweist, daß diese intellektuelle Richtung in religiösen Dingen falsch und antikatholisch sind, der ganze Verlauf des Protestantismus zeigt es noch viel deutlicher, und darin beleuchtet er recht eigentlich die Höhe der katholischen Kirche. Der Protestantismus ist vom Anfange bis zu Ende nichts als ein Akt des Verstandes, ein Kampf der intellektuellen Kräfte gegen das Leben der übrigen. Der Verstand der Reformatoren, von Stolz und Selbstsucht geleitet, bezweifelte und läugnete zus erst einige Lehren, dann entriß er die Tradition und das mündliche Lehramt der Kirche, die einzig sicher belebenden Träger der christlichen Lehre, und damit blieb nichts übrig, als subjektive Erkenntniß, angewiesen, aus der Bibel zu deuten, was sie wolle. Die nächste Folge davon war, daß die heiligen Lehren der Offenbarung ihren objektiven Charakter, ihre Natur als Positivum, wie wir sie oben nannten, d. h. ihre Sicherheit und Festigkeit verloren, damit aber ihre, wir wollen nicht sagen bloß heiligende, sondern ihre belebende Kraft und Wirksamkeit fort war, der einzige Zweck, welchen der göttliche Erlöser gehabt hatte. Denn der Verstand wucherte nun durch das Positive der christlis

chen Lehren hindurch, beleuchtete und negirte lange Zeit auf historischem Boden, dann auf philosophischem, trat endlich als der bekannte Rationalismus in Hrn. Paulus von Heidelberg auf, und zerfrißt nun die letzten Reste der stehengebliebenen biblischen Wahrheiten in dem Mythismus des Hrn. Strauß. Der ganze äußere Gottesdienst zerfiel allmählig mehr und mehr, die Kirchen wurden nur Sonntags geöffnet, die Glocken verstummten, die Baukunst, die Malerei, die bildenden Künste, die Musik wurden aus jener VerstandesReligion verwiesen, die Dome verwaisten, die Kirchen wurs den ausgeleert, das Gebet verstummte, der Gesang zehrte bis auf einige Melodien aus, welche noch wie Trauer und Verzweiflung aus den protestantischen Kirchen uns zurufen, die heil. Sakramente schmolzen auf drei zusammen, dann räsonnirte sie der Verstand bis auf eins weg, und endlich hat er auch diesem, der Taufe, alle heiligende Kraft genommen, und die armen Anhänger sind nun um Alles gebracht, um Opfer, Gebet, Gesang, Kunstgegenstände, um die Gnade, welche die heiligen Handlungen geben, um die Kirchen als Gotteshäuser, um die unfehlbare Kirche, um die Offenbarung und alle ihre Segnungen. Dahin hat es die Herrschaft des Verstandes, der Intelligenz gebracht.

Die Tausende von Secten in der protestantischen Kirche haben genug bewiesen, wie unzufrieden die Menschen mit diesem Zustande sind, wie arm sie sich fühlen, wie sehr sie nach Besserm verlangen und nicht finden können. Die neueste pietistische Richtung, welche allen Verstand und Belehrung verweisen möchte, zeigt, daß es Viele fühlen, was verloren ist und daß sie in dem Gefühle ihrer Armuth nach einzelnen Resten reichen Anzuges ihrer Voreltern greifen möchten, um nur ihre Blößen bedecken zu können; allein sie greifen noch immer, von ihrem verkehrten Führer geführt oder von Jedem verlassen, ins Leere, und die Lappen, welche sie erwischen, wollen weder passen noch halten. Da wo noch christliche

Ideen in dem Einzelnen des Volkslebens sind, finden sie sich in den verführten Herzen nur durch die ihnen sonst fremde Gabe des Gebetes und geistlicher Uebung erhalten. Allein der Rationalismus, Mythismus und Pietismus wird auch diese seltenen Pflanzen ausrotten und alles in einen Naturstand umwandeln, dessen höchster Gott die Industrie und die niedern Geister des Bauches sind, wo nichts gilt, dessen Eristenz nicht die Empfindung der Augen, der Ohren, der Nase, des Gaumens, des Gesichtssinnes bezeugt.

An diesem Punkte ist der Protestantismus angekommen und bietet Jedem, der nicht blind seyn will, die Lehre auf der Hand dar, daß die Sucht nach System und Wissenschaft in der Religion das Heil, nach welchem von so Vielen so redlich gestrebt wird, nicht geben kann. Es ist diese todte Wisserei vielmehr ein Strudel, in den uns der Protestantism hineingestoßen hat und in welchem wir auch, wenn nicht gewacht wird, unsern Untergang finden können. Wie einem frechen, vorlauten Menschen, so gelang es dem Verstande, sich zum Führer zu machen und die auf dem rechten Wege waren, auf eine Menge Abwege hinüberzuziehen. Wissenschaft, Wissenschaft, hieß und heißt es überall; Tugend, Rechtschaffenheit, Frömmigkeit nirgend; Gottesfurcht ist ihrem wahren Begriffe ganz abhanden gekommen. So vielen Nußen und Vorzüge diese Richtung in andern Fächern gehabt hat, so nachtheilig war sie in ihrer Einseitigkeit für die Religion, worin Wissen ohne Können, wie überall im Leben, nichts bedeutet. Es ist offenbar, daß die Vorsehung in der neuern. Zeit die Ausbildung des Verstandes durch alle Beziehungen des menschlichen Lebens vorzüglich befördern wollte. Denn sie ist der Hauptcharakter unserer Zeit, und er fängt nicht erst an mit der Reformation oder besser mit der Verderbung der christlichen Religion, wie die Protestanten gern glauben machten, sondern tief im Mittelalter, in der Zeit der freien Entwicklung der christlichen Offenbarung und der Kirche. Es

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