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dachtsbuch für die Nationalisten; denn es besißt die wesent lichsten Eigenschaften hierzu: Wesentliche Eigenschaft und Erforderniß der Erbauung und Andacht des Rationalisten ist 1. daß er sich schaut als den Sohn der Ewigkeit S. 14 und die Folge davon; 2. daß er Christus nicht als Gott anerkennt, sondern dieser ihm höchstens nur als der vornehmste und weiseste der Menschen gilt: „der über Alle an Weisheit und göttlicher Würde hervorragt." S. 19. „Der Weiseste und Menschenfreundlichste unter allen Sterblichen."S. 23. 3. Eine andere und wesentliche Eigenschaft und Ers forderniß der Erbauung und Andacht des Rationalisten ist, daß er das, was seinem feinen Geiste ein Dorn im Auge ist, bon gré mal gré aus der Lehre Jesu und der Apostel herausreißt, als z. B. S. 21 die Auferweckung des Fleisches; vergleiche dagegen Philipp. 3, 21. Aber 4. endlich die allers wesentlichste Eigenschaft und Erforderniß zur Andacht des Rationalisten ist die, daß sein Kopf bis zum Stroßen voll ist von der frommen Idee einer römisch-päpstlichen Tyrannei

vergleiche S. 27. Diese Jdee wirkt in ihm die höchste Steigerung, den Superlativ seiner Andacht, sie ist es, die seinem gerührten Herzen die innigsten Seufzer und Stoßgebetlein entlockt.

L'Université catholique, recueil religieux, philosophique, scientifique et littéraire. Paris, aux bureau de L'Université catholique, rue de Saints-Pères.

Octoberbeft der Université catholique: Unter der Ru brik der religiösen und philosophischen Wissenschaften sezt Herr Abbé Gerbet mit der ihm eigenen Gründlich feit seine Einleitung zum Studium der christlichen Wahrheis ten fort; im Artikel der „Socialen Wissenschaften" giebt Hr. de Cour seine achte Vorlesung; die Staatswirthschaft verdankt dem Hrn. Villeneuve de Bargemont wieder sehr an ziehende Erörterungen; Hr. Desdouits liefert eine gründliche Arbeit über die Astronomie; Hr. Robert seßt seine Unter suchungen über die Monumentalgeschichte der ersten Christen fort. Die Bibliographie liefert Rezensionen von mehreren Werken und Auszüge aus andern u. s. w.

VI.

Die

Kirche Nom's und Mailand's

im Mittelalter.

(Ein Beitrag zur Geschichte des Primats und Cölibats.)

Seitdem die kirchenrechtlichen Grundsäße der gallikanis schen Kirchen-Freiheiten als Josephinismus und Febroniamismus auch in Deutschland ans Licht getreten sind, ging das Bestreben der neuhierarchischen Schule dahin, auf his storischem Wege alles zusammenzulesen, woraus sich darthun ließe, daß die ausgeübte Macht der Päpste, wie sie noch jest in geistlichen Dingen besteht, eine usurpirte sey. Bes kannt sind die bändereichen Werke und winzigen Broschüren, die als grobes und leichtes Geschüß gegen das Kapitol aufgeführt wurden, um das Raubnest römischer Hierarchie von der Erde zu vertilgen. Vor Allem mußten die Jahrbücher der ältesten Kirchengeschichte, und zwar insbesondere die Historie der orientalischen Kirche das trojanische Roß bauen helfen, aus dem die wohlgewappneten Kämpen gegen die Anmaßungen der Kurie hervorsprangen. Wem es schon einmal darum zu thun ist, Gehäßigkeiten gegen die Päpste aufzuspüren, dem mögen die Jahrbücher der morgenländischen Kirchen so manches darbieten, was einen scheinbar geringen Einfluß des römischen Stuhles. ahuen läßt, aber freilich muß ein solcher mit bitterm Gemüthe und befangenem Geiste ausgerüsteter Katholik. Jahrg. XVIII. Sft. II,

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Geschichtsforscher völlig vergessen, daß in jenen Jahrhunderten die Liebe noch weniger erkaltet war, daß Heilige und Martyrer die Bischofstühle einnahmen, darum das Ansehen und die Nachhülfe der Nachfolger des heil. Petrus weit seltener erheischt wurde; daß noch überall das apostolische Zeugniß im lebhaften Andenken sich befand (nur wenige Generationen fanden zwischen dem Tode des heil. Johannes und dem Concilium von Nicãa statt); daß es die Zeit war, wo die blutigen Fascen zuvörderst über den Häuptern der Kirchenvorstände schwebten, und es gewiß keine geringe Aufgabe war von den Gräbern der Apostel aus, hart neben dem kapitolinischen Jupiter päpstliche Schreiben in die zerstreuten Kirchen zu bringen; daß die Kirche ein göttlicher Organismus, so wie jeder andere kreatürliche, erst im VerLaufe der Zeiten seine ursprüngliche Keime entwickle, wie denn auch im Kinde die ganze Anlage des vollendeten Menschen liegt, ohne es schon wirklich zu seyn: alles dieses und vieles andere muß der vergessen, der den Orient zum Kaleidoskop seiner Angriffe gegen Rom sich auserlesen, und nichts destoweniger wird er doch die Erscheinung einer rich terlichen Oberherrlichkeit selbst in diesen magern Zeiträumen nicht abläugnen können, welches historische Factum nur in einem göttlichen Rechte seine Begründung finden mußte. Wenn es früher vorzüglich Franzosen und Deutsche waren, die die Arbeit auf sich nahmen, den hartnäckigen Felsen Rom's zu untergraben und in die Luft zu sprenger, so fanden diese in jüngster Zeit an den Italienern treue Handlanger, die troß ihrem Urgroßvater Fra Paolo mit den ersten gemeine Sache machten, und vorzüglich die italienische Halbinsel selbst zum Arsenal ihrer giftigen Angriffe wählten. Die Häupter dieser welschen antikirchlichen Schule sind Verri und Gori, denen in jünster Zeit ein gewisser Rampoldi folgte, der in seiner Corographia de paesi d'Italia jede Gelegenheit benüßt, das päpstliche Ansehen

in Koth zu schleifen. Unter dem Titel Ambrosiana Liturgia sagt er: „Die Kirche des heil. Ambrosius war bis zur Mitte des eilften Jahrhunderts von Nom unabhängig. Erst im Jahre 1055 begannen zu Mailand Bewegungen für und wider die päpstliche Macht, die sich diese Kirche unterwerfen wollte. Dreißig volle Jahre war diese Stadt der Schauplaß von Spaltungen und Scandalen, worunter auch das Verbot der Ehe gehörte, das an den Clerus erlassen wurde, welchem bisher das Heirathen erlaubt gewesen war." Gegen die zweifache Anschuldigung nahm das italienische theologische Journal von Lugano eine Erwiederung in seine Spalten auf. Mit Weglaffung einiger Weitschweifigkeit und dem Beisaße von manchem, was näher zur Sache gehört, wollen wir den deutschen Katholiken die Replik wieder geben. Auf die Bemerkung, daß es sich rein um ein Factum der speciellen Kirchengeschichte handle, glauben wir erwiedern zu müssen, daß gerade aus diesen Einzelnbeweisen das Hauptargument am schönsten sich bilde, daß die mailändische Kirche lange Zeit die zweite des Abendlandes war, und daß die Kathos lifen eben so gut das Recht und die Pflicht haben, das weniger Universelle für sich zu benüßen, da ja die Feinde der Kirche jeden Winkel der Welt auskundschaften, um einen neuen Schandfleck für das Spottkleid der römischen Kirche aufzufinden.

Kirchlicher Vorrang der römischen Kirche über die von Mailand schon vor dem Jahre 1055.

In der Sache des verfolgten heil. Athanasius kamen im Jahre 350 viele Bischöfe in einem Concilium zu Mais Land zusammen. Dazu sendete P. Julius I. römische Priester mit Instructionen für die versammelten Väter. Nachdem die Rechtfertigung des Athanasius abgethan war, sendete das Concilium die beiden arianischen Bischöfe und Hauptgegner des Athanasius, Ursacius und Valens nach

Rom, wo sie ihr libellum poenitentiae dem Papste selbst überreichen und von ihm die kirchliche Versöhnung erlangen mußten 1). Im Jahre 390 wurde zu Mailand eine Synode gehalten. Es handelte sich um die Verdammung der Irrthümer des Jovinian. Da schrieb Papst Siricius an die versammelten Väter, klärte sie über die Irrthümer 2) des Sektenstifters auf, und gab ihnen die nöthige Weisung. Die Verhandlungen des Concils schickten die mailändischen Väter ́ sammt einem Schreiben zurück, das so beginnt: Domino dilectissimo fratri Siricio Papae: Recognovimus literis Sanctitatis tuae boni pastoris excubias etc. Damaliger Bischof von Mailand war kein geringerer als der heil. Ambrosius selbst. Im Jahre 451 versammelte der heil. Eusebius Bischof von Mailand auf Geheiß Leo d. G. ein Concilium in der Sache des Eutyches, der die menschliche Natur in der Pers son Christi läugnete. Die versammelten Väter sollten ihre Uebereinstimmung mit dem Lehrbegriffe des großen Papstes, den er im Briefe an den heil. Flavian ausgesprochen, darlegen, um so in der zunächst zu haltenden allgemeinen Synode zu Chalcedon als Beleg des Glaubens der mailändis schen Kirche zu gelten. Das Antworts-Schreiben des heil. Eusebius, das sich in der Brief-Sammlung des heil. Leo befindet, erwähnt wie man sich beslissen habe, dem Geheiße

1) Durch einen sonderbaren Mißgriff hat der ital. Tert dieses Concilium von 350 mit dem vom Constantius geknechteten völlig arianischen von 355 verwechselt.

*) Die Frrlehren des Mönchs Jovinian bestanden wesentlich in fol,

genden: Der jungfräuliche Stand hat keinen Vorzug vor dem ehelichen. Die Enthaltung von Speisen ist ein vor Gott werthloses Werk. Die in der Taufe einmal empfangene Gnade kann nicht verloren werden. In den Belohnungen des ewigen Lebens findet kein Unterschied statt. Die Mutter Gottes habe durch die Geburt Jesu aufgehört, Jungfrau zu seyn. Wir über lassen dem Protestantismus den Ruhm Jovinian unter seine ehrenvollen, die unsichtbare Kirche bildenden Vorläufer zu zählen.

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