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ein Bischof anrathen konnte) weiblichen Umgang, dann wird er ein gemachter, gewandter, vortrefflicher Geistliche. Oder räsonnirt man nicht allgemein so? Selbst die Meinungen der Lehrer in den geistlichen Seminarien äußern sich nicht anders. Gehen Klagen über einen Geistlichen bei der obern Behörde ein, so erklärt man sich die Sache einfach damit, daß er entweder nichts gelernt hätte, oder seine Bildung in eine Zeit falle, wovon man nichts weiter erwarten könne, nämlich in die ältere der Seminarbildung, worin das Licht einer gründlichen philosophischen Beweisführung noch nicht in den Herzen der Alumnen angezündet worden wäre. Wer aber diese allgemeinen Aeußerungen der jüngern geistlichen Generation noch nicht gehört haben sollte, der sehe sich einmal nach der Einrichtung der geistlichen Bildungsanstalten selbst um. Er wird wenig Anderes finden als Unterricht, Ausbildung der Intelligenz und an einigen geistlichen Anstalten wurde das alte Triennium von jungen unerfahrenen Lehrern noch nicht als ausreichend für diese hohe Intelligenz befunden, die Bischöfe mußten den Cursus auf vier und fünf Jahre erweitern - Alles, um nur Intelligenz zu schaffen. Die wider das Concilium von Trient angehende Universitätsbildung der Geistlichen, bewirkt sie etwas anders als Intelligenz, und der nachfolgende Aufenthalt in den Ses minarien, ist er etwas Anderes als Repetition der einzelnen auf Universitäten vorgetragenen Disciplinen?

Wo bleiben die Uebungen, welche jene Erkenntnisse lebendig machen, welche die Lehren der Moral zur unverbrüchlichen Lebensnorm den Herzen einpflanzen und zur zweiz. ten Natur machen? wo bleiben die Uebungen, welche die dogmatischen Lehren als die höchsten und alleinigen Wahrs heiten ihnen so tief ins Herz schreiben, daß keine Laune, kein Wechsel des Lebens sie ihnen entreißen kann, daß alle zeitlichen Güter ihnen geringer als jene erscheinen, daß sie Geld, Genuß und zeitliche Ehre für das, was sie sind, gering

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ächten, und in freiwilliger Entbehrung oder doch Geringschäßung im Leben, in der That zeigen, daß ihr Reich nicht von dieser Welt ist? wo sind die Uebungen, welche sie an die in ihrem spätern praktischen Leben unumgänglich nothwendige stetige Meditation und Ascese gewöhnen, welche sie als lebendige Träger des geistigen, himmlischen Reiches überall unter dem Volke erscheinen ließen? wo bleiben die Uebungen, welche die Lehren der Kirchengeschichte, namentlich die Lebensweisen der großen Kirchenlehrer aller Zeiten ihnen als Beispiele steter Nachahmung vorführen? Das Beten des Breviers, welches bestimmt zu seyn scheint diese Meditation zu leiten und jene Beispiele lebendig zu erhalten, ist schon lästig, wird von den Neuern sogar mit Mitleiden besprochen und nicht selten bespöttelt; wo kann nun jene Meditation und Ascese Eingang finden?1) Sie haben gehört und gelernt, wie sich Chrysostomus, Leo der Große, die Gregore, Ambrosius, die Tausende von würdigen Trägern des geistigen Reichs vor und nach jenen gebildet und wie sie gelebt haben; ihr eigenes Leben zeigt aber nichts von all dieser Kenntniß; sie haben es gehört und ihrer Intelligenz übergeben wie jene alles Zeitliche gering geachtet und wie Staub mit Füßen getreten haben, in welcher Form es ihnen auch erscheinen mochte, selbst wenn es in der Form irdischer Majestät entgegenkam; ist in ihrem nach sinnlichem Genusse und zeitlichen Ehren jagenden Leben eine Spur von jenen Beispielen sichtbar? Sie haben vielleicht mit Bewunderung gehört und ihrem Gedächtnisse eingeprägt, wie jene Männer Tag und Nacht der geistlichen Meditation, Wohlthätigkeit, Belehrung, Menschenliebe, eigener Bekämpfung ihrer Leidenschaften, Veredlung ihres Herzens, steter Vervollkommnung

1) Konnte doch ein Professor der Theologie an einer Universität, als er von den heil. Weihen lehrte, sagen, daß damit auch das zeitverderbende Brevierbeten anfange.

gelebt haben; läßt sie dieser Unterricht auch nur einige Stunden zu etwas Aehnlichem gelangen? Ist nicht das tägliche Celebriren des heiligen Opfers vielen Geistlichen, das Beten des Breviers noch mehrern, weitere Meditation und heiligende Studien den meisten eine Last, Geringschäßung und Verachtung des Zeitlichen nur sehr wenigen möglich? Und von diesen wenigen wird sich schwerlich nachweisen lassen, daß jener neuere Unterricht sie dieser hohen Lebensbahn zuges führt hat.

Nicht der Verstand, nicht die Intelligenz, nicht die Ausbildung der intelligenten Kräfte bewirkt eine Handlungsweise, eine Lebensthätigkeit, eine Lebensrichtung und Wirksamkeit nach Innen und Außen, erfüllt eine ganze Persönlichkeit und schafft sie zu einem Repräsentanten einer Sache um, nicht das Erkennen und Wissen des Guten nnd Bösen in allen seinen Beziehungen und Einzelnheiten macht einen Mann rechtschaffen, nicht das Erkennen und Wissen der Zehngebote, der Naturs, Vernunft und positiven Geseze macht ein Kind gut, einen Mann tüchtig, einen Gatten treu, einen Vater liebevoll, einen Bürger edel und redlich; es ist, wir wiederholen es, nicht das Wissen und Kennen dieser Dinge, nicht das noch so genaue und tiefe Auffassen des Katechismus, der Bibel, der Glaubens und Sittenlehre und aller hohen Wahrheiten, wie sie in der Geschichte als erlebte und erfahrene vorgeführt werden, was dieselben in Einzelnen wie in Allen insgesammt lebendig machen, was das Christenthum im Leben zur Thatkraft erheben könnte. Es ist diese allgemein verbreitete und im Leben überall gel tende Ansicht eine ganz falsche, insbesondere ganz antikatholische, welche sich aus der einseitigen Richtung des Protestantismus auch in die katholische Kirche eingeschlichen hat, und die wir Katholiken nun noch zu unserer Schande nicht bloß hegen, sondern im Leben wirkend auftreten und unsere hohe Sache verderben lassen. Die Ausbildung und Geltung

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der intelligenten Kräfte ist nur eine theilweise, einseitige des Menschen; die freie, von allen niedern, thierischen Trieben entbundene Thatkraft, welche das geistig Große, dessen Ers kenntniß einfach und leicht ist, ins Leben führt, und ohne Rücksicht auf alle niedern, irdischen Verhältnisse allgemein s macht; diese ist das hohe Ziel jeder Ausbildung, diese das eigentliche Reich der Religion. Solche einfache Erkenntniß, in Verbindung mit jener freien Kraft zur That, dieses Ges sammtbeleben aller höhern, menschlichen Kräfte ist katholisch, ist das schöne Ziel, welches die belehrende, katholische Kirche erstrebt. Dazu hat sie von jeher nicht bloß alle Wissenschaften, sondern auch alle Künste benüßt. Nicht nur Philosophie, Naturwissenschaft, Geschichte und Theologie, Rechtslehre und Gesundheitspflege, sondern Poesie und Rhetorik, Baukunst, Malerei sammt allen bildenden Künsten sind und bleiben ihr Werkzeug und müssen in allen katholischen Staaten und Vereinen zur Erhaltung und Förderung des Lebens aller höheren geistigen Kräfte wirken.

Durch diese Einrichtung, welche ihr göttlicher Schöpfer Jesus Christus ihr gegeben hat, ist es ihr gelungen, das Neich des göttlichen Geistes, wie er es in Lehre und That ausgesprochen hat, zu einem Positivum in dem Wechsel und Wirren des sinnlischen Lebens zu erheben und als festen Wegweiser für jedes starke wie schwache Herz hinzustellen. Die höchsten Wahrheiten der Menschheit wurden durch sie stets und immerfort als ewig feststehendes Eigenthum der Menschheit übergeben und in den Millionen der Einzelnen lebendig gemacht. Als Positivum, als untrüglich feststehendes Gebäude erhob es sich und mußte sich gegen die Zweifel des Verstandes, die Launen, Wechsel, Neigungen und Leis denschaften des sinnlichen Lebens erheben, wenn es sichere und leitende Thatkraft werden sollte. Die Lehre von Gott, Unsterblichkeit, Freiheit, Recht, Tugend, Sünde, Offenbarung, Erlösung, Christenthum werden von dieser Eigen

schaft getragen; ihr lebendiges Wirken und ihr Daseyn hängt davon ab, daß sie als positive, feste, unumstößliche Wahrheiten da stehen, und gegen alle launenhafte Einwendungen und Verkehrungen des Verstandes, Wissens, Philosophirens, und leeren Untersuchens dastehen, als Kräfte im Leben überall wirken, und die Handlungsweisen leiten und bestimmen. Die freudige Aufnahme dieses ganzen Positivums von Lehren, die Liebe, die Anhänglichkeit, Achtung und Verehrung derselben, die aus Liebe und Anhänglichkeit derselben stets wirkende Thatkraft im Gelehrten wie im Ungelehrten, Hohen und Niedern, Bürger und Bauern, Kind und Erwachsenen, Deutschen wie Spanier, Asiaten wie Europäer, das ist die innerste Eigenschaft, das wahre Wesen der Religion. Als solche nimmt sie alle Kräfte des Menschen in Anspruch, die intellektuellen wie die moralischen, die niedern wie die höhern; keine schließt sie aus, alle seßt sie für den höhern Dienst in Thätigkeit.

Der Begriffs- und Verstandes - Gott ist eine elende, todte Wesenheit für den Menschen, deren Eristenz derselbe Verstand, wenn es ihm passend scheint, bezweifelt und vernichtet, die Wesenheit aber, welche als der gute und ges rechte Vater von dem Kinde angenommen und geglaubt wurde, die durch tägliches Gebet und Verehrung ein Ges genstand seiner Furcht, Liebe und Anhänglichkeit geworden ist, das ist der Gott der wahren Religion. Die Ehrfurcht des Kindes vor den Eltern, so weit sie ihm angelehrt und demonstrirt wird, ist unnatürliches, frühreifes Gerede, die Ehrfurcht des Theologen vor Gott, so weit sie aus dogmatischen und moralischen Studien hervor geht, ist unhaltbar, erwacht nur nach gemachten Reflerionen, nach genauen Repetitionen des Gelernten und nur in soweit, als es gelingt, diese Verstandesbeziehungen recht zusammen und lebendig zu wiederholen, sie ist nur ein äußeres Schattenbild einer religiösen Kraft, sie ist nicht lebendig und in der ganzen

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