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glaubte ?

Doch bald sah ich meinen Irrthum ein, denn ich las weiter: zu diesem Behufe war ich bemüht, die dogmatischen und moralischen Grundlehren des Christenthums mittelst einer einfachen und ungezwungenen Schrifts erklärung in der Kürze darzustellen," und erinnerte mich, daß ich ja unter Protestanten gerathen war. Ich wollte den Geistlichen im „Wöchentlichen Anzeiger“ schon zürnen, weil fie mich zu einem Protestanten in die Schule geschickt hats ten. Doch ich unterdrückte den Unmuth und hoffte mich durch weiteres Lesen noch eines Bessern belehren zu können. Aber S. 9 stieß ich schon wieder auf "theologische Zänkereien und widerliche Lappen, womit die Himmelstochter umhangen, so entstellt, und in einer so jämmerlichen Gestalt hingestellt worden sey, daß ihre innerliche Schönheit nur dem Blicke der Eingeweihten noch sichtbar gewesen wäre.“ Dieses Bild verlegte mich, ich habe wirklich nicht gewußt, daß ich so viel ästhetischen Sinn hätte doch fiel mir schnell ein, daß der Mann recht haben könnte, denn ich hatte, ich weiß nicht mehr wo, gelesen oder gehört, Zänker seyen den Henkersknechten zu vergleichen, welche die Kleider des Herrn unter sich getheilt, und dem Entblößten einen zerrissenen rothen Soldatenmantel umgehängt hätten. Ich las weiter: Wenn die Or thodorie oft geist- und geschmacklos geworden war, und ohne lebendiges Christenthum nur an Worten und Symbolen fests hielt, und wenn man gewisse Lehren, die der fortgeschrittes nen Intelligenz des Zeitalters widersprachen, als nothwendige Glaubensartikel aufdrang: was Wunder, wenn sich der Widerwille dagegen in Opposition gegen das ganze Christenthum verkehrte? Daher zeigte sich gerade in der katholischen Kirche, die in ihrer starren Stabilität den Anforderungen der Zeit am wenigsten zu entsprechen vermochte, der feinds seligste Widerspruch gegen Kirchthum und Christenglauben, der beisende Spott eines Voltaire ù. a., wie noch jüngst der St. Simonismus, wenn er das Ungenügende des Chriften

thums nachzuweisen vermeinte, größtentheils nur Gebrechen der katholischen Kirche aufdeckte. In der protestantischen Kirche dagegen hielten Manche eben durch die Treue gegen Luthers Geist sich für verpflichtet, von seinem Buchstas ben abzuweichen.“ Und könnte man hinzufügen, aus Treue gegen Luthers Geist, den Geist der, ihres Schmuckes bes raubten und unter endlosen Zänkereien mit widerlichen Lappen umhangenen Himmelstochter gänzlich abhanden kommen zu lassen, wodurch natürlich alle Opposition mit einemmal abgeschnitten wurde. — Aber fragte ich mich wieder, wie kann in einer katholischen Zeitschrift von einem solchen Buche gesagt werden: „Möge dieses vorzügliche Werk sowohl unter Theologen als auch unter gebildeten Nichttheologen beider Confessionen recht zahlreiche Leser finden und jene lebendige und selbstständige Ueberzeugung von der Göttlichkeit des Christenthums, von welcher der Verfasser derselben so ganz durchdrungen ist auch in Andern hervorrufen." Sollte dieß etwa die Ueberzeugung seyn, daß der Katholizismus der fortschreitenden Intellis genz des Zeitalters widerspreche ?“

Doch um ja nicht vor der Zeit zu urtheilen, will ich nicht blos berücksichtigen, was die ersten Blätter des Buches enthalten, sondern welcher Geist im Ganzen weht. Der Berfaffer hat mich hiebei der Mühe überhoben, das auf allen Blätter zerstreut vorkommende erst mühsam zusammenzutragen, und mir den Einwand erspart, als sey aus eins zelnen dem Zusammenhang entrissenen und zusammengetrages nen Säßen kein Resultat zu ziehen; denn er hat seine Ansicht vom reinen Christenthum in einem Brief, nämlich im sechsten, concentrirt, und diesem in der Mitte des Buches seinen Plaß angewiesen, damit sich die wahre Weisheit von hier aus, wie das Blut aus dem Herzen durch die Venen und Arterien in dem ganzen Körper verbreite. Lasset uns sehen wie warm dieses Herz für das reine Christenthum schlägt.

Seite 176 c. c. heißt es: „Nur in Christo selbst, dem einigen Meister, in welchem Göttliches und Menschliches zur Einheit sich durchdrang, war die Wahrheit rein und unverfälscht durch menschlichen Wahn. Aber sowie das göttliche Saamenkorn in die Erde gelegt wurde, nahm dasselbe auch etwas von den erdartigen Bestandtheilen in sich auf, und die Möglichkeit des Jrrthums war gegeben. Das vor blieben zwar die Apostel, was die Grundlehren des Heils betrifft, durch den heiligen Geist der Wahrheit be wahrt. Aber schon zu ihrer Zeit drohten jüdische und heids nische Irrthümer mit der christlichen Wahrheit sich zu vers mischen, und später schlang sich wie ein üppiges Unkraut um den Stamm der göttlichen Offenbarung allerlei Wahn und Menschensaßung, bis die Kirche durch die Kraft der nie ganz in ihr untergegangenen christlichen Wahrheit sich aus sich selbst reformirte.

„Während aber der eine Theil der Kirche das alte Sys stem festhielt, schuf sich der andere ein neues, es entstand der Gegensatz zwischen Katholizismus und Protestantismus, und die Frage ist daher eigentlich die: welchechristliche Gemeinschaft oder Kirche der Idee des-Christens thums am meisten entspreche. Und von diesem Ges sichtspunkte aus wollen wir den bedeutendsten Gegensaß, der sich innerhalb der christlichen Kirche findet, den des Katholizismus und Protestantismus mit einander betrachten. Denn was die griechische Kirche betrifft, die sich nach kleinlichen Rangstreitigkeiten zwischen dem Patriar, chen zu Constantinopel und dem Bischofe zu Rom im zwölf ten Jahrhundert von der römisch-katholischen ganz getrennt hat, so ist sie, wenige Differenzen abgerechnet (z. B. daß. sie den heiligen Geist nur vom Vater ausgehen läßt, beim Abendmal, das sie unter beiderlei Gestalt feiert, gesäuertes Brod hat, den Priestern die Ehe gestattet, den päpstlichen Primat und die Untrüglichkeit der Kirche nicht anerkennt),

im Ganzen der römisch-katholischen homogen, nur noch mehr erstarrt und ohne wissenschaftliche Fortbildung.

"Bei dieser Betrachtung aber dürfen wir nicht sowohl das, was oft von den Schriftstellern der Gegenwart für Katholizismus und Protestantismus ausgegeben wird (denn wie häufig wird der Katholizismus zu etwas ganz anderem, als er historisch ist, veridealisirt, und der Protestantismus zu einem bloßen System der Glaubenswillkühr gemacht!), als vielmehr die historische Entwickelung und die Prinzipien beider Kirchen zum Maßstabe der Beurtheilung nehmen.

„Beide Kirchen sind zeitliche Gestaltungen des Christenthums, beide leiten die Erlösung der Menschheit von Christo ab, und sind in dem gemeinsamen Glauben an den dreieinis gen Gott Eins. Beide streben, christlichen Glauben und christliches Leben auf Erden zu verbreiten, und durch Glauben und Tugend den Menschen seiner ewigen Bestimmung zu einem seligen Leben entgegenzuführen. Aber neben dies ser Gleichheit in den Hauptpunkten, so lang sie nur so im Allgemeinen gehalten werden, besteht dennoch eine sehr wichtige Verschiedenheit, sobald man sie in ihrer nä heren Bestimmtheit betrachtet, so daß man sagen muß: beide Glaubensbekenntnisse sind nicht blos der Zeit ihrer Entstehung nach von einander verschieden, sondern sie bezeichnen zwei ganz eigenthümliche Stufen der religiösen Entwickelung. Der christliche Geist, der, wie jede in das Zeitleben eins tretende Idee, den Geseßen des Wachsthums unterworfen ist, hat sich in seiner geschichtlichen Fortbildung von der einen Stufe auf die andere erhoben, und zwar vermöge seis nes inneren Lebens- und Bildungstriebs. Wenn auch diese Verschiedenheit da, wo beide Glaubensarten nebeneinander bestehen, und namentlich der Katholizismus dem Einflusse des Protestantismus sich nicht hat entziehen können, weni ger in die Augen fällt: so erhellt sie doch theils aus den

formellen, leitenden und bildenden Prinzipien, theils aus dem materiellen Glaubensinhalte beider.

„Es ist protestantischer Seits eben so oft gefehlt wors den, wenn man die Entstehung des Katholizismus aus ab. sichtlicher Verfälschung, Priesterpolitik und Herrschsucht erklärte, als von Seiten der Katholiken, wenn sie den Protestantismus aus kezerischem Hochmuthe und eigensinniger Rechthaberei, aus Verkehrtheit und Unklarheit des Gefühls oder aus noch trüberen Quellen ableiteten. Die Jdee einer katholischen d. h. allgemeinen Kirche bildete sich noth wendig aus dem Kampfe gegen solche Partheien, welche den christlichen Glauben durch jüdische oder heiðnische Lehren zu entstellen drohten, gegen Häretiker. Wie sich nun die Christen von Anfang an als durch Einen Glauben, Eine Taufe, Einen Herrn verbunden betrachteten, so mußten sie im Kampfe gegen abweichende Meinungen nur um so enger an einander anschließen, und die Idee der Ges meinschaft, des gemeinsamen Bekenntnisses desto mehr vers wirklichen. So ging die ganze Entwickelung des Katholizismus von der Einheit, von der Gemeinschaft, von der Uebereinstimmung im Glauben und Leben aus. Dieß war eine echt christliche Idee. Aber eben so nahe lag die Gefahr großer Verirrung, sobald das Bedürfniß der Einheit und der Gemeinschaft überschäßt, und die ebensowohl im Chris stenthum begründete religiöse Selbstständigkeit der einzelnen Mitglieder derselben ganz untergeordnet wurde. Dieß ge= schah nur zu bald, und die Idee der Kirche verschlang die Freiheit der individuellen Ueberzeugung. Man vergaß, daß bei allem Vertrauen auf die in der christlichen Kirche waltende Kraft des göttlichen Geistes, doch die einzelnen Mitglieder, auch in ihrer Gesammtheit betrachtet, trügliche Menschen seyen, und forderte ohne Weiteres, daß die Meinung der Kirche unbedingt auch für die wahre zu halten sey. Statt der Kirche galten aber bald nur die Leiter und Ne

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