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wissenschaften der Dogmatik, obgleich sie kirchenhistorische Disciplinen bilden; allein da bei jeder Hauptdisicplin ihre Quellen und Voraussetzungen ohnehin anzugeben sind, so ist jener Grund nicht hinreichend, das eingeschlagene Vers fahren zu rechtfertigen. Denn erstens gehören einige dieser Hülfswissenschaften wesentlich zu einem Haupttheile der Theologie, so namentlich das Bibelstudium, §. 122–132, welches einen integrirenden Bestandtheil, die erste Hälfte der historischen Theologie bildet; denn gleichwie die Offenbarungen Gottes zuerst historisch an den Menschen kommen, ehe dieser dieselben in ein wissenschaftliches System bringen konnte, so müssen dieselben auch zuerst historisch, sowohl in Absicht auf ihren Ursprung, als ihren Verlauf, von dem Menschen aufgefaßt werden, ehe er sie zu einem Gegenstand der Nes flerion macht. Daher geht das Studium der historischen Theologie, also der Offenbarungsurkunden und der Kirchengeschichte, der doctrinellen Theologie nothwendig voran. Zweitens werden andere dieser Hülfswissenschaften am fügs lichsten bei und neben den Hauptdisciplinen behandelt, des nen sie angehören, weil sie denselben entweder vorausgehen, sie einleiten, oder nur bedeutende Unterabtheilungen zu denselben bilden. So geht die biblische Philologie, S. 130, dem Bibelstudium nothwendig voraus und ihre Kenntniß sollte schon vor dem Beginne des theologischen Studiums erwors ben seyn; das Gleiche gilt von der biblischen Archäologie, §. 133. Die christliche Religionsphilosophie, §. 174-200, die man in neuerer Zeit wegen ihrer rechtfertigenden und abweisenden Tendenz auch Apologetik genannt hat, bildet unseres Dafürhaltens den Uebergang von der historischen zur eigentlich wissenschaftlichen Theologie, indem sie die Resultate der Erstern aufgreifend, die Fundamentalbegriffe der Leßtern aus einer obersten Idee für das Wissen vermittelt. Die theologische Encyclopädie und Methodologie, §. 201-205, muß ohnehin als die allen Lehrfächern vorausgehende Disci

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plin betrachtet werden. Die Patrologie, §. 134-137, Ges schichte der Liturgie, §. 138-140, und Synodologie, §. 141 -143, sind als besonders umfangsreiche und wichtige Pars thien der Kirchengeschichte zu betrachten, sie werden daher auch da am leichtesten begriffen und am zweckmäßigsten abges handelt, wo sie ihren natürlichen Ursprung haben. Drittens endlich gehören manche der genannten Hülfswissenschaften durchaus nicht ausschließlich der Theologie an, bilden darum auch keine besondern Lehrfächer an den theologischen Facultäten, da ihre Kenntniß schon zum Studium der Theologie hinzugebracht werden sollte, so: Anthropologie und Psychologie, §. 154; Didaktik und Rhetorik, §. 155; Kunde des herrschenden Zeitgeistes, §. 156; Profangeschichte uud Geographie, §. 169; Philosophie, §. 173; sie könnten daher füglich in einem besondern Abschnitte der Einleitung unmittelbar vor der Encyclopädie besprochen und diesem Abschnitte die Aufschrift gegeben werden: Vorausseßungen des theologischen Studiums und Anforderungen an den Theologie Studirenden. Zu diesen Anforderungen würde namentlich auch ges hören, was in der Methodologie über den nöthigen Fleiß, §. 311-370, und theilweise auch über die praktische Tendenz, §. 371-385, gesagt wird, insofern jener Fleiß und diese praktische Tendenz in ihrer formellen Bedeutung von Jedem, der sich dem Dienst der Wissenschaft widmet, vers langt werden müssen und nur nach Verschiedenheit der jes weiligen speziellen Wissenschaft ein eigenthümliches Objekt erhalten.

Indessen soll durch das Vorausgehende durchaus nicht gesagt seyn, daß durch die von dem Herrn Verfasser getroffene Anordnung seines Stoffes das Studium erschwert und der Leser verwirrt werde; es herrscht im Gegentheil überall eine wünschenswerthe Klarheit und ein geuaues Festhalten des innern Zusammenhanges der einzelnen Parthien, die vielleicht blos noch dadurch in die Augen springend hätte

gemacht werden dürfen, daß jede einzelne untergeordnete Parthie eine eigne Aufschrift bei dem ersten sie besprechenden Paragraph erhalten hätte. Unsere Absicht ging blos dahin, nachzuweisen, daß die von uns beantragte Diathese des Stoffes natur- und sachgemäßer und darum auch bei einem wissenschaftlichen Werke, als welches sich das vorliegende ankündigt, vorzuziehen sey, nicht zu gedenken, daß hiedurch manche Erörterungen, Nachweisungen nnd Wiederholungen überflüssig werden.

Nun sey es uns auch noch vergönnt, in das Formelle und Inhaltliche einzelner Abschnitte dieser Schrift etwas näher einzugehen, und namentlich dasjenige bemerklich zu machen, was unsres Dafürhaltens noch einiger Berichtigung bedarf. Wir haben uns bereits oben darüber ausgesprochen, daß unsrer Ansicht zufolge die historische Theologie als die erste Hauptabtheilung der gesammten Theologie zu betrachten und darum durchaus nicht erst nach der Pastoraltheologie zu sezen sey. Diese unsere Ansicht gründet sich a. auf die Natur der Sache und auf die Art und Weise, wie der menschliche Geist zum Wissen eines Gegenstandes gelangt; b. der Herr Verfasser selber findet ein früheres Studium der Kirs chengeschichte rathsam; c. die Kirchengeschichte ist vorzügliche Hülfswissenschaft der doctrinellen Theologie, diese kann jes ner nicht entbehren, wohl aber umgekehrt; d. es gäbe gar keine doctrinelle positive Theologie, wenn es kein Factum der Offenbarung und keinen geschichtlichen Verlauf derselben gäbe weil eben der Inhalt der doctrinellen Theos logie historisch an den Menschen gekommen und sich in der Geschichte der christlichen Kirche ausgewickelt hat. Darum steht die Geschichte der christlichen Kirche ihres Lehrbegriffes und ihrer Institutionen in einem weit tiefern Verbande mit der doctrinellen Theologie, als dieser von dem Herrn Vers faffer, §. 103, dargelegt ist. Es heißt dort wörtlich so: „Wenn nun der Candidat des geistlichen Standes durch das

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Studium der eigentlichen Theologie, d. i. der Dogmatik, Moral und des Kirchenrechtes die Kenntniß der christlichen Religionslehre hinlänglich sich angeeignet hat; wenn er überdieß durch die Pastoraltheologie vertraut geworden ist mit den Mitteln und der Art und Weise, fortwährend diese Religion an die Menschen zu bringen, und in und unter ihnen zu pflegen; so dringet sich ihm, bei aufrichtiger Liebe für das Christenthum, und schon aus geschichtlichem Interesse, gleichsam von selbst die Frage auf: Wie wodurch und wie weit ist denn die christliche Religion, vom Anfange an bis jest, verbreitet, und wie ges pflegt worden? Dann: Welches sind die Wirkungen, welche dieselbe zum Heile des Menschengeschlechtes bis diese Stunde hervorgebracht hat? Oder: Wie weit wurde die Idee der Religion, des Reiches Gottes, bisher in und an der Menschheit verwirklicht?" Wie ersichtlich, so kommt hiernach die Kirchengeschichte nur darum in die Theologie hinein, weil der Studirende das Christenthum liebt und Interesse an der Historie hat, während im Gegentheile gesagt werden muß: Die historische Theologie ist für jeden Theologen ein wesentlicher Bestands theil seiner Wissenschaft; die Pastoraltheologie hingegen (nach unserm Verfasser der zweite Haupttheil) nur für denjenigen, der zugleich Seelsorger werden will.

Als ein wesentlicher Bestandtheil der Dogmatik wird S. 74 u. ff. genannt die Polemik und von ihr gesagt, ,,sie ist nichts anders, als die Dogmatik selber, wenn sie nämlich zu ihrer Selbstbehauptung sich nach Außen wendet, und die Angriffe, welche auf sie und ihre Lehren gemacht werden, abwehret, die Einwendungen widerlegt, die Systeme, welche feindlich ihr gegenüberstehen, zerstöret.“ Dieß ist nun wohl richtig. Indessen dürfte ihre Verschiedenheit von der sogenannten Apologetik genauer bezeichnet werden. Der Apologet vertheidigt die christliche Wahrheit gegen Un

gläubige, der Polemiker gegen Andersgläubige; diet Symbolik verfährt daher polemisch, aber nicht apologetisch, weil es keine Symbolik von Glauben und Unglauben geben kann, da der lettere nur Negationen seßt. Das Kirchenrecht anlangend, so wird, wie begreiflich, die Ausbildung desselben in der Entwicklung und Ausbreitung der Kirche selber gefunden, §. 100, und dann hinzugefügt: „Die canones nämlich entstanden nicht alle auf einmal, sondern allmälig, je nachdem das kirchliche Bedürfniß es erheischte. Die Bedürfnisse der Kirche aber vervielfältigten sich eines Theiles in dem Maße, als sie selbst sich mehr entwickelte und ausbreitete - andern Theils aber, je nachdem die Abs nahme des Geistes ber Liebe und die wachsende Zahl der Uebertretungen immer mehrere Kirchenverordnung nothwen dig machte." Mit dem hier Gesagten hat es ohne Zweifel seine Richtigkeit; allein daraus folgt noch nicht, daß über einen so wichtigen Punkt, zumal in unserer Zeit, und für Anfänger in der Theologie, die gewöhnlich ziemlich von dem Geist unserer Zeit inficirt sind, nicht noch Mehreres und Tieferes beigebracht werden konnte und sollte. Es wer den nur zwei Momente für die Erweiterung der kirchlichen Gesetzgebung genannt, und das leßtere ist ein sehr trauriges

die Webertretungen. Dieß kann keine sehr erfreuliche Ansicht vom Kirchenrecht beibringen; anders würde es sich aber verhalten, wenn etwa folgendes gesagt oder auch nur angedeutet worden wäre: a. Wie die Grundsäße (dogmata) der christlichen Glaubens- und Sittenlehre alle durch die. Offenbarung in Christus an die Menschen gekommen, von diesen im Verlaufe der Zeiten unter dem Beistande des heil. Geistes mehr und mehr erfaßt, in das Bewußtseyn aufges nommen, im Kampfe gegen die Häretiker genauer bestimmt, weiter ausgewickelt und endlich in den Zusammenhang, in die Einheit bei der größten Mannigfaltigkeit, in die Bestimmtheit und Klarheit, in welcher wir sie heut zu Tage

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