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werden soll: Es ist daher nur noch das beizufügen, was über die eigentliche Aufgabe der speculativen Theologie und ihr Verfahren gesagt wird. Dasselbe steht bei A S. 535–539 und 543-544; bei B S.593-600, und besagt im Wesentlichen Folgendes: Die Vernunft hat bei der Konstruction der katholischen speculativen Theologie einen dreifachen Antheil: sie ist bestimmend, prüfend und ordnend. Zwar macht das kirchliche Bekenntniß eine Lehre zum Dogma, aber daraus folgt nicht, deß diese Lehre nicht aus der Vernunft entnom men werden könne. Es gibt ausser der übernatürlichen auch eine allgemeine natürliche Offenbarung, daher auch eine natürliche Theologie; diese weiß von Gott und seinem Wirken, mit diesem Wissen kann die ausserordentliche Offenbarung nicht im Widerstreite stehen. Demnach kann schon die Vers nunft über das Wesen Gottes und über die Natur und Zwecke seiner Wirksamkeit gewisse allgemeine Bestimmungen geben, die Theologie nach ihren allgemeinsten Umrissen zeichnen. Was die Offenbarung berichtet kann nichts weiter als nähere Ausführung, schärfere Ausprägung dieser allgemeinen Zeichnung seyn, so daß nun die geoffenbarte Theologie von der Vernunfttheologie aus und auf dieselbe zurückgehen muß. Die Vernunft entwirft das Himmelreich nach seinen Hauptzügen; Vieles deutet sie nur an; Vieles ahnet, wünschet sie nur. Mit diesen weit gezogenen Gränzen umkreist sie die Offenbarung; und was dann ihre Wünsche erfüllt, mit ihren Ahnungen eintrifft und ihre Andeutungen ausführt, solches verarbeitet sie mit ihren Ideen, solches erkennt und verehrt sie als Wort Gottes und stellt somit die vollkommenste Harmonie zwischen sich und der Offenbarung her; sie ist daher nicht bloß vernehmend und aufnehmend, sondern auch prüfend. Sie ist endlich ordnend. (Von der leßten, der logischen Funktion wurde oben schon gesprochen.) Es werden darum für die christlichen Glaubenslehren auch Vernunftbes weise beigebracht. Die in der Vernunft liegenden allgemeinen

Umrisse der Theologie werden in folgendem Saße zusammengedrängt Daß in allen Welten und durch alle Zeiten fort jede Macht des Bösen bewältiget und unterdrückt, dagegen die Gerechtigkeit eins geführt und zur Herrschaft gebracht, daß den armen Sterblichen Muth und Kraft wider die Sünde, Beruhigung bei ihrem Schuldbewußts seyn und Zusicherung einer ewigen Seligkeit zu Theil, daß auf Erden ein Reich der Wahrheit und Tugend, ein Himmelreich errichtet, und fol ches, wenn auch unter mannigfaltigen Kämpfen, doch am Ende mit Sieg und Herrlichkeit gekrönt, daher Gott Alles in Allem werde, dieß muß Ziel und Ergebniß seiner (Gottes) ganzen Wirks samkeit seyn." Zur Rechtfertigung einer solchen Ableitung der Offenbarungswahrheiten aus der Vernunft wird beigebracht: Gott wirket nach allgemeinen und ewigen Ideen, daher muß die Vernunft, als Inhaberin der Ideen, die Offenbarung in ihrem Lichte betrachten, auf allgemeine Ideen zurückführen können; Christus und die Apostel verweisen auf das innere Licht; die Väter stellen das Christenthum als die eigentliche Gnosis, als die reine Vernunftweisheit dar; von jeher war es Streben der Gelehrten, die Theologie der Offenbarung mit jener der Vernunft in Einklang zu bringen und ihre Uebereinstimmung nachzuweisen.

Halten wir diese Säße mit dem zusammen, was von uns seither über das Wesen, die Aufgabe und das Verfahren der speculativen Dogmatik gesagt worden ist, so ist ersichtlich, daß einerseits zu viel, anderseits zu wenig behauptet wird. Zu viel uud darum irrthümlich ist es, daß a. die positive Offenbarung mit dem Wissen aus der natürlichen Offenbarung nicht in Widerstreit gerathen könne; dieser Widerstreit ist nämlich nur dann unmöglich, wenn das Wissen des natürlich Geoffenbarten ein ungetrübtes geblieben ist. Gott Katholik. Jahrg. XVIII. Sft. I.

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widerspricht sich nicht, aber wenn die Vernunft einen Ausspruch Gottes trübt und verkehrt, so findet sie einen Widerspruch zwischen diesem und fernern Aussprüchen Gottes. Fand ja sogar die unter einer fortlaufenden Offenbarung stehende Vernunft der Juden einen Widerspruch zwischen Christus und dem, was sie von dem verheißenen Messias erwarteten, war aber deßhalb Christus nicht der Messias? Die Heiden aners kannten durch ihre Opfer factisch eine Erlösungsbedürftigs keit, und doch war ihnen der für die Sünden der Welt hingeschlachtete Sohn Gottes eine Thorheit. Zu viel und irrthümlich ist es, daß b. die geoffenbarte Theologie nur eine schärfere Ausprägung der natürlichen sey. Es läßt sich dieß wohl vielfach nachweisen, aber nicht überall. Welcher Sat der natürlichen Theologie ist z. B. im Dogma von der Auferstehung des Fleisches schärfer ausgeprägt? Ist ja gerade dieß das Eigenthümliche einer positiven Offenbarung, daß sie Wahrheiten mittheilt, deren Gewinnung der Vernunft unmöglich war. Was aber schon dem Keime, den allgemei nen Umrissen nach vorhanden ist, das kann auch ohne Offenbarung, wenn gleich viel langsamer, entwickelt werden. Zuviel und irrthümlich ist es, daß c. der oben angeführte Saß von der gesammten Wirksamkeit Gottes das Resultat der Vernunfterkenntniß sey: aus dem einfachen Grunde, weil keine ausser dem Bereich der Offenbarung stehende Vernunft jenen Saß in seinem ganzen Umfange erkannt und ausgesprochen hat; nur eine durch die Offenbarung angeregte und erleuchtete Vernunft wird sich desselben als ihres eigenen Postulates gewiß. Nur das von oben gekommene Licht vers scheucht die Befangenheit der Vernunft im Irrthume und macht ihr natürliches Gottesbewußtseyn von seinen Verunstaltungen frei. Zu viel und irrthümlich ist es daher endlich, daß d. die speculative Theologie die Aufgabe habe, die positive Theologie mit der natürlichen zu vereinbaren, jene an dieser zu regeln und zu prüfen. Es ist vielmehr das als positiv

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von Gott gegeben Erkannte der Prüfstein für das in der eigenen Vernunft sich Ankündigende. Das Irrthümliche und Verkehrte des Leßtern muß an dem Erstern berichtigt und abgestreift werden. Es ist überflüssig Beweise hiefür beizus bringen, da der Herr Verfasser selber S. 36 sagt: „, Schon die im Menschen schlummernden oder erstorbenen religiösen Ideen können den Inhalt einer ausserordentlichen Offenbarung ausmachen, und sie wäre dann Offenbarung deßwegen, weil sie dieselben weckt, zur Lebendigkeit bringt, bekräftigt und als von Gott in den Menschen gelegte Urwahrheiten und Gesetze aufstellt.“

Der so eben bezeichnete Irrthum des Hrn. Verfassers besteht also kurz darin, daß er die durch die Sünde der Verirrung anheimgefallene Vernunft nicht von der durch die Offenbarung erleuchteten unterscheidet, ganz allgemein redet und darum zu viel sagt. Nur derjenige, welcher der Verirrungen der Sünde ledig und dessen Vernunfterkenntnisse durch das Licht der Offenbarung ausgeläutert sind, wird die wünschenswertheste Harmonie zwischen der natürlichen und positiven Theologie finden, und daher die Grundsäße, welche wir unter Na 5 für die speculative Dogmatik aufgestellt haben. Weil aber der Herr Verfasser weder jene so wichtige Unterscheidung, noch diese Grundsäße hervorhob, darum hat er

Zu wenig gesagt. Dieses zu wenig bezieht sich aber auch darauf, daß es Herr Dr. Brenner nicht als eine Aufgabe der speculativen Dogmatik bezeichnete, den Glauben und die einzelnen Säße des Glaubens durch Reflerion zu einem Wissen zu vermitteln. Wer nämlich die Wahrheit und Gnade Jesu Christi in sich aufgenommen hat und eine neue Schöpfung geworden ist, dem ist auch eine tiefere Einsicht in die Lehre des Heiles vergönnt; er ist der Geistige, der, nach dem Ausspruche der Schrift, Alles beurtheilt. Die obigen Stellen beziehen sich im Grunde nur auf die Fundas mentirung der katholischen speculativen Theologie, die wir nun unter Berücksichtigung der vorliegenden Schrift noch etwas näher ins Auge zu fassen haben. (Schluß folgt.)

II.

Ueber Bruderschaften.

In allen Zweigen des Wissens wie der Kunst regt sich seit mehrern Jahren ein innigeres Zusammentreten und festeres Aneinanderschließen zur Erreichung und Förderung der höchsten Intereffen des Menschengeistes und der bürgerlichen Gesells schaft. Jeder Isolirung feind, erstrebt man einen freundlichen Austausch gemeinnüßiger Ideen. Was des Einzelnen Kraft nicht vermag und wohin des Einzelnen Auge nicht durchdringt, das soll gemeinsam errungen und erschaut werden. Selbst die materiellen Interessen erfreuen sich schon einer Anzahl derartiger Vereine, und man muß gestehen, sie haben bereits manches Nüßliche zu Tage gefördert und Vieles zur Erzielung eines größern Wohlstandes der Völker geleistet. Nur mit Rücksicht auf die religiösen und sittlichen Interessen sind solche Vereine und Verbrüderungen weit seltener, oder sie sind doch so erschlafft, daß sie das wahrhaft christliche Leben kaum zu fördern vermögen. Zwar ist man in mehres ren Staaten zur Einsicht von der Nothwendigkeit solcher Vereine gelangt, und es sind auch einzelne in manchen Ländern schon ins Leben getreten. Dahin gehören insbesondere jene so sehr gepriesenen Mäßigkeitsvereine, welche von Nordamerika ausgingen, dann in den westlichen und nördlichen Staaten Europa's und jezt auch schon in den preußischen Rheinlanden vielen Anklang fanden. Jedoch haben diese immerhin nur die Unterdrückung eines einzigen herrschend gewordenen Lasters, der Trunkenheit nämlich, zum Zwecke.

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