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Zeitrechnug war der Bischof der eigentliche Patron feiner Diocese.

S. 10. Beziehungen des Staates zu dem bis schöflichen Patronatsrecht.

Da, wie aus dem Seitherigen hervorgeht, die geseßgebende Gewalt des Staates bei der Aufnahme der christlichen Kirche eine ungemeine Thätigkeit entwickelte und auch die mindesten Beziehungen sorgfältig wahrnahm, durch welche sich ein gedeihlicher Zustand derselben erzielen ließ: so läßt es sich mit Grund erwarten, er werde auch diejenigen Punkte ins Auge gefaßt haben, welche nach der Ansicht der neuern Staatskirchenrechtslehrer für ihn selber von der größten Bes deutsamkeit waren, d. h. er werde auch diejenigen Rechte und Befugnisse hervorgehoben und gehandhabt haben, welche er vermöge seiner Schirmvogtei und Inspectio saecularis aus zuüben hatte.

Dieser Erwartung hat die Staatsbehörde allerdings ent sprochen, aber nicht in dem Sinne, daß sie diejenigen Rechte in Anspruch genommen hätte, welche der heutige landesherrliche Patronat in sich schließt, was um so mehr zu verwuns dern ist, da sich die Kirche, kurz zuvor noch eine bedrängte und verfolgte, jeßt nicht nur eine geduldete, sondern eine begünstigte, vielleicht wohl auch zu einigen Concessionen würde verstanden haben, die sie unter andern Verhältnissen nicht gemacht hätte, wie es in späteren Zeiten unter harten Bedrängnissen bisweilen der Fall war.

Der Bischof hatte, wie gesagt, das Recht, sich die Ges hülfen in seinem Amte selber beizugesellen und ihnen die Art und Weise vorzuschreiben, wie sie sich für den Kirchendienst befähigen sollten. Bei dem großen Andrang zu dem geistli chen Stande (weil auch die Minoristen im Genuße der oben genannten Privilegien waren) konnte es sich nun leichtlich begeben, daß Leute, welche dem Staate vielleicht nüßlich

werden konnten, dem geistlichen Stande aber nicht zur Zierde gereichten und wenig oder gar nichts zur Gründung des Neis ches Gottes auf Erden beitrugen, in diesen Stand eintraten. Es lag nun offenbar im Interesse des Staates, seine Wohlthaten, seine Privilegien nicht an Unwürdige zu verschwenden und sich selber nicht unnöthiger Weise Kräfte zu entziehen, die ihm auf irgend eine Weise nüßlich werden konnten. Daher denn das schon unter Konstantin dem Großen bestehende Geseß, daß kein Decurio oder dessen Sohn, daß überhaupt Niemand, der durch sein Vermögen zur Uebernahme der bürgerlichen Lasten fähig sey, geistlich werden, und daß Niemand die Ordination empfangen dürfe, ehe eine kirchliche Stelle vakant geworden sey 1). Ob diese Verordnung billig oder unbillig, zureichend oder unzureichend war, ist hier von keinem Belang; so viel ist gewiß, der Staate hatte das Recht, jenem Mißstande auf irgend eine Weise vorzubeugen 2); aber nicht der Kirche dieses oder jenes Subjekt zu ihrem Diener aufzudringen.

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Die Bischöfe hatten das Recht, das kirchliche Vermögen zu verwalten ein Geschäft, das sie unter ihrer und der Aufsicht ihres Rathscollegiums gewöhnlich einem Oekonomen übertrugen. Hätten sich die Landesfürsten als die allgemeinen Patrone ihres Territoriums betrachtet, jene Einrichtung hätte nicht bestehen können, sie hätten vielmehr ganz konsequent die Verwaltung des Kirchengutes selber übernommen und dem Clerus einen seinen Dienstleistungen angemessenen Jahresgehalt ausgeworfen. Daß aber jene Oekonomen nicht eine vom Staate aufgedrungene Behörde waren, er: hellt aus einem Beschluße des Concils von Chalcedon, wors

1) Cf. Riffel 1. c. S. 166.

2). Später wurde dies Geseß dahin abgeändert, daß, wer Kleriker werden wollte, sich vorher aller sonstigen mit seinem neuen Stande unvereinbaren Verbindlichkeiten gegen den Staat zu entledigen und die Genehmigung der Staatsbehörde einzuholen hatte.

A. d. V.

nach die versammelten Bischöfe jene Einrichtung sowohl für das Wohl der Gesammtheit als der Einzelnen für ersprießlich erachteten. Es lautet nämlich der 26te Canon der ges nannten Synode: „Quoniam in quibusdam ecclesiis (ut rumore comperimus) praeter oeconomos episcopi facultates ecclesiasticas tractant: placuit, omnem ecclesiam habentem episcopum habere oeconomum de clero proprio, qui dipenset res ecclesiasticas secundum sententiam episcopi proprii; ita ut ecclesiae dispensatio praeter testimonium non sit, et ex hoc dispergantur ecclesiasticae facultates, et sacerdotio maledictionis contumelia procuretur, Quod si hoc minime fecerit, divinis constitutionibus subjacebit." Harduin tom. II., pag. 611. Sollte sich auch nachs her bisweilen der Fall ereignet haben, daß ein Bischof, ohne seinen Dekonomen, oder Beide unter gemeinschaftlichem Uebers einkommniß, das Kirchengut unredlich verwalteten, so konns ten sie immer bei der höhern kirchlichen Behörde angeklagt und zur Rechenschaft gezogen werden. Indessen mochte schon der Umstand, daß das von der Kirche bezogene Einkommen nach dem Ableben des betreffenden Individuums wieder dem Kirchenschaße anheimfiel, den Reiz zu Unterschlagungen ferne halten.

So lästig dieses Verwaltungsgeschäft dem Episcopate werden mußte, und so sehr sich oft gerade die trefflichsten Bischöfe gegen Verunglimpfungen rechtfertigen mußten 1), so hielt doch die Kirche den Grundsaß fest, daß sie über die Verwaltung ihres Eigenthumes Niemanden, als Gott allein, Rechenschaft abzulegen habe. Während die griechische Kirche vermöge ihrer sonstigen Abhängigkeit vom Hofe zu Konstantinopel auch in dieser Hinsicht serviler wurde, und den Civilbehörden durch den Oekonomen der betreffenden Kirchen einen jährlichen Rechenschaftsbericht vorlegen ließen,

1) Cf. Basil. M. epist. 871 u. 385.

blieb die abendländische Kirche standhaft ihrem Grundsage der völligen Selbstständigkeit in diesem Punkte getreu1), und bemühte sich durch eine umsichtige Geseßgebung das Kirchengut gegen Verschleuderung, Verminderung und Austausch, überhaupt gegen eine unredliche und willkürliche Verwaltung Einzelner zu sichern. Es ist also in Betreff dieses Punktes auch nicht die mindeste Spur irgend eines landesherrlichen Patronatsrechtes vorhanden, nicht einmal in der griechischen Kirche, die seit ihrer Trennung von der abendländischen immer mehr und mehr zu einer bloßen Landeskirche herabs fank und sonst in mannigfacher Beziehung nach der Willkür einiger Günstlinge des weichlichen Hofes regiert wurde.

Dieselbe Bewandniß hat es auch mit der Einweisung der Kirchendiener in einen bestimmten Wirkungskreis und der Anweisung des betreffenden Gehaltes. Da jeder einzelne Priester, auch wenn er einer besonderen Gemeinde vorges sezt war, nur die Stelle seines Bischofs vertrat, und von diesem, als von dem Verwalter des kirchlichen Vermögens der ganzen Diocese, seinen Gehalt bezog, sey es nun, daß er von der Metropole aus seine Einkünfte erhielt, oder ein besonderes Pfarrgut besaß: so konnte weder von einer Präs sentation, noch von einer Einweisung in ein Beneficium durch einen Dritten, also durchaus nicht von einem Patronatsrechte eines Dritten die Rede seyn.

S. 11. Abweisung eines Einwurfes.

Wenn schon die historische Wahrheit des seither Vorges brachten nicht in Abrede gestellt werden kann, so dürfte doch ein Vertheidiger des allgemeinen landesherrlichen Patronatsrechtes die Bemerkung machen: Allerdings haben die Bischöfe alle diejenigen Rechte ausgeübt, welche sonst in den Bereich der Patrone fallen; allein damit ist noch nicht zu

1) Cf. Leonis M ep. 137.

gegeben, daß sie diese Rechte aus eigener Vollmacht und nicht vielmehr als Stellvertreter der Staatsgewalt ausgeübt haben, so, daß es dieser in jedem Augenblick frei stand, ihr Recht und dessen Ausübung zurückzuverlangen. Es läßt sich leicht denken, daß der Staat nicht gleich anfangs bei Aufnehmung der christlichen Kirche alle Verhältnisse wahrnehmen und alle Rechte ausüben konnte, welche für ihn aus seiner Beziehung zu dieser Kirche erwuchsen, sondern daß er sich einstweilen begnügen mußte, die Hauptsache zu regeln und Untergeordnetes in seinem status quo zu belassen, was er in dem vorliegenden Falle um so eher konnte, als kein Grund vorhanden war, in die Redlichkeit der Bischöfe bei Verwaltung dieses Amtes Zweifel zu seßen.“

Diese Hypothese beruht auf völlig unhaltbaren Gründen und ist gegen alle historische Wahrheit.

Wohnte dem Staate das Bewußtseyn inne, daß ihm ein allgemeines Patronasrecht nach dem heutigen Sinne des Wortes zustand, so wäre es der thörigtste Staatsstreich gewesen, dieses Rechtes auch mit keiner Silbe Erwähnung zu thun, und es nicht bei seinen Anerkennungen der Rechts mäßigkeit oben beschriebener bischöflichen Patronatshandlungen in wohlverwahrten Klauseln anzufügen, da er ja selber den Grundsaß aufstellte und handhabte: „qui tacet, consentire videtur."

Die Bischöfe nahmen keinen Anstand, ihr seither bes schriebenes Amt als ein von Gott ihnen anvertrautes zu bezeichnen und behaupteten, daß sie nur Gott für dessen Verwaltung verantwortlich seyen, und dies thaten sie beson ders nachdrücklich in solchen Zeitpunkten, wo die Staatsbehörden Miene machten, irgendwie sich in jenes ihr Amt einzumischen. War es in solchen Fällen nicht hohe Zeit, die Erklärung abzugeben: „Das Amt, welches ihr verwaltet, gehört in unsern Bereich, wir haben es euch übertragen und

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