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Die Hochschätzung der persönlichen Freiheit und Tüchtigkeit einerseits, und die kriegerische Beschäftigung andererseits erzeugte bei allen germanischen Stämmen einen gemein, samen Grundzug der politischen Verfassung das Lehenwesen. Der Lehensherr betrachtete sich als den unumschränk ten Gebieter seiner Lehenträger, und diese anerkannten ihre Verpflichtung, demselben namentlich im Kriegsdienste ihre Mannen und ihren Arm darzuleihen. Dieser Herzschlag der ganzen mittelalterlichen Geschichte, seine gesunden, wie seine krankhaften Zustände, haben sich auch der Verfassung der Kirche nur zu oft wider ihren Willen und ihrem Zwecke entgegen, mitgetheilt, und in Beziehung auf die kirchlichen Beneficien Zustände herbeigeführt, welche das Wesentliche und Außerwesentliche nicht mehr unterscheiden ließen, die Begriffe verkehrten und den Diocesanverband, wo nicht ganz zertrümmerten, doch vielfach locker und unwirksam machten -sie haben mit einem Worte das mittelalterliche Pas tronatsrecht mit allen seinen Haupt- und Nebenbegriffen in die Kirche hineingebracht.

§. 16. Fromme Stiftungen und Absicht der

Fundatoren.

Die katholische Kirche hatte bereits, wie so eben bemerkt wurde, in den verschiedenen Ländern festen Fuß gefaßt, in denen die germanischen Stämme ihre neuen Wohnsize aufschlugen. Nach dem Rechte der Eroberung theilten sich aber diese in die Besißungen der Unterjochten, so, daß sie sich oft die Hälfte, oft das Drittel derselben als unumschränktes Eigenthum zuschieden und nach den Grundsäßen ihrer militärischen Verfassung unter sich vertheilten. Natürlich wurde von ihnen, so lange sie noch Heiden waren, das Eigenthum der katholischen Kirche eben so wenig, als irgend ein anderes Privatbesißthum respektirt. Nachdem sie sich aber selber in den Schoos der Kirche hatten aufnehmen lassen,

so begriff es sich von selbst, daß sie sich für den Unterhalt dieser Kirche Sorge zu tragen gedrungen fühlen mußten, und dies um so mehr, da diese Kirche schon damals, als sie noch dem Heidenthum zugethan waren, auf ihre Gemüs ther einen unaussprechlichen Eindruck gemacht hatte. Nun fonnte es aber, ohne die größte Verwirrung zu veranlassen, durchaus nicht bewerkstelliget werden, daß das entrissene und bereits in dritte Hände gekommene Kirchengut wieder ausgeschieden wurde, und eine solche Maßregel wäre auch nicht zureichend gewesen, da sich jezt ganze Völkerschaften zum christlichen Namen bekannten und deßhalb auch die ers forderliche Anzahl von Geistlichen zu unterhalten hatten. Es mußten daher andere Mittel ausfindig gemacht werden, auf daß Diejenigen, welche dem Altare dienten, auch vom Altare ihren Unterhalt bezögen. Das der Kirche willkommenste, und dem Herzen der Gläubigen am meisten Ehre machende Mittel, waren die freiwilligen Schenkungen und Vermächtnisse zu Gunsten der Kirche."

Und wirklich gab es das ganze Mittelalter hindurch eine Menge frommer Seelen, die ohne alle weitere Rebenabsicht, bloß die Ehre und Verherrlichung Gottes, die Verbreitung des göttlichen Namens, die Erweiterung des Gottesdienstes im Auge habend, sowohl ganzen kirchlichen Korporationen, wie Klöstern, Stiften, u. s. w., als einzelnen Pfarreien, einen beträchtlichen Theil ihres freien Eigenthums zuwendeten, so, daß selbst Luther im Bewußtseyn der Reins heit jener Abchsichten und der Arglosigkeit der also Bedach ten sagt: „Wozu soll man solche Güter brauchen? Hier fann man nicht besser antworten, denn daß man Acht habe auf der Stifter Willen und Meinung, welche nicht anderst gewesen ist, denn daß sie zu Gottes Dienst und Ehren solche Güter haben geben wollen." II. Bd. Eisl. S. 313. Die Fundatoren gehen in ihren ausgestellten Schankbriefen bisweilen so sehr ins Detail ein, daß sie sogar die Anzahl der

Kleriker bestimmen, welche von ihrem Vermächtniß zu unterhalten sind, die Zeit, wann und wie oft der Gottesdienst gefeiert werden soll. Andere, nicht minder löbliche Absichten waren der Hinblick auf die dereinstige Belohnung jenseits, die Sorgfalt für sein eigenes und das Seelenheil der vers storbenen Angehörigen, Eltern u. s. w., das Bestreben, sich durch Wohlthätigkeit Verdienste bei Gott zu sammeln, sich des Gebetes der Diener Gottes theilhaftig zu machen, seis nen Dank für große von Gott empfangene Wohlthaten auszudrücken, für verübtes Unrecht Buße zu thun u. s. w. 1).

§. 17. Oblationen und Zehnten.

Da das Recht, Oblationen von den Gläubigen zu bes ziehen seit den ältesten Zeiten der Kirche als ein göttliches betrachtet und überall hin verpflanzt wurde, wo das Christenthum Eingang gewann, so wird es wohl kaum der Bemerkung bedürfen, daß in den neuerrichteten germanischen Reichen die Gläubigen gchalten waren, durch Oblationen für den Unterhalt der Kirche und ihrer Diener Sorge zu tragen. War dieß einerseits etwas, das sich gleichsam von selbst verstand, so unterließen es doch anderseits im Falle einer Nachläßigkeit die kirchlichen Behörden nicht, es von Neuem einzuschärfen. So verordnet z. B. eine Synode vom Jahre 585: „Propterea decernimus, ut omnibus Dominicis diebus altaris oblatio ab omnibus viris et mulieribus offeratur tam panis, quam vini."... cf. Harduini conc. Matiscon. II., tom. III., pag. 461, can. 4. Die Dekrete der Synoden von Frankfurt, Mainz u. s. w., so wie die Kapitularien der fränkischen Könige enthalten ausführliche Bestimmungen darüber, wann, von wem und zu welchem

1) Die genauere Nachweisung aus Urkunden für alle diese Titel ist zu finden in Antonii Schmidt thesauro juris ecclesiastici. Heidelbergae etc. 1777, tom. 6, dissertatio de causis saecularisationis illegitimis et legitimis. pag. 89 et sqq.

Behufe die Oblationen darzureichen seyen 1). Ja selbst bis auf die Zeiten nach dem Concil von Trient herauf hat sich diese Sitte erhalten und der heil. Carolus Borromäus suchte sie auf seiner vierten Synode zu Mailand wieder nach ihrem ganzen Umfange herzustellen.

Ganz auf dieselbe Weise hatte sich auch das Recht, von den Gläubigen den Zehnten zu verlangen, im kirchlichen Bewußtseyn erhalten, und zwar stüßten die Kirchenväter dieses Recht auf den Umstand, daß die Priester des N. B. in die Stelle der alttestamentlichen Leviten eingetreten seyen. „Die Pharisäer, sagt der heil. Augustin in psalmum 146, gaben von Allem, was sie hatten, den Zehnten." Und dennoch heißt es von euch in der Schrift: „So eure Gerechtigkeit nicht die Gerechtigkeit der Pharisäer und Schriftgelehrten bei weitem übertrifft, so werdet ihr in das Himmelreich nicht eingehen." Wie wird nun deine Gerechtigkeit, der du kaum den taus sendsten Theil verabreichst, die Gerechtigkeit desjenigen übertreffen, oder auch nur ihr gleichkommen, der noch mehr als den Zehnten gibt?" Indessen sah man sich bei der bekannten Wohlthätigkeit der alten Christen nicht veranlaßt, das Zehnts recht der Kirche besonders zu urgiren. So viel ist übrigens gewiß, daß seit dem Anfange des sechsten Jahrhunderts die Forderung, von Allem den Zehnten an die Kirche zu vers abreichen, immer allgemeiner wurde, und daß man diese Forderung als keine Neuerung betrachtete, sondern sie als ein wohl begründetes kirchliches Recht ansah, auf welchem aber zugleich auch die Verpflichtung hafte, für den Unterhalt des Klerus, der Armen, der Fremden und der kirchlichen Gebäulichkeiten Sorge zu tragen. Thomassinus 1. c. cap. 6. Der Staat anerkannte die Rechtmäßigkeit dieser Forderung und unterstüßte sie durch seine eigene Gesetzgebung, wie aus den Kapitularien der fränkischen Könige vielfach hervorgeht,

1) Thomassini vetus et nova eccl. disc. pars III., lib. 1. cap. 14.

namentlich war Karl der Große bemüht, das Zehntwesen in allen von ihm eroberten Landen einzuführen, und weigerte sich auch nicht, seine eigenen Güter dem nämlichen Gesetze zu unterwerfen.

§. 18. Rechte des Bischofs in Beziehung auf die Verwaltung des Kirchenguts und die Bes segung der Kirchenstellen.

Die Aufgabe, deren Lösung wir diesem Paragraphe zus geschieden haben, besteht in der Nachweisung, daß auch während der mittleren Zeit im Allgemeinen der Grundsaß ges golten habe: „der Bischof ist Verwalter des Kirchengutes und beseßt die kirchlichen Beneficien.“ Wir haben diese Nach, weisung absichtlich an dieser Stelle eingereiht, weil von ihr das rechte Verständniß und eine gründliche Würdigung des Nachfolgenden bedingt ist.

In der afrikanischen Kirche hatte, vor dem Einfalle, der Vandalen durch den heil. Augustin die löbliche Sitte Auf nahme gefunden, daß die Kleriker mit ihrem Bischofe in einem Hause zusammenlebten und dadurch die seither übliche Austheilung des kirchlichen Einkommens an die betreffenden Geistlichen überflüssig machten. So vielen Anklang indeß diese Einrichtung gerade bei den tüchtigsten Bischöfen fand, und so sehr man sich auch bemühte, ihr allerwärts Eingang zu verschaffen, so konnte sie doch sich nicht auf die Länge halten, was sich wohl leicht begreifen läßt, wenn man die Stürme der Zeit, welche kein friedliches Zusammenwohnen gestatteten, in Anschlag bringt, nicht in Erwähnung zu brin gen, daß es immerhin auch eine Anzahl Kleriker geben mußte, denen eine solche einförmige Lebensweise bald lästig wurde, und die darum nach Kräften an deren Auflösung arbeiteten.

So trat denn die frühere Sitte wieder ein, daß der Bischof das sämmtliche Kirchenvermögen, sowohl die liegens den Güter, als die Zehnten und Oblationen unter seiner

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