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und in ihren Oratorien wie in Kanonikaten die Psalmen absingen ließen.

Hatte die neunte Synode von Toledo vom Jahre 655 in ihrem ersten und zweiten Kapitel verordnet, daß, wenn die Geistlichen in Verwaltung der gestifteten Kirchen und Kirchengüter sich eine Veruntreuung sollten zu Schulden kommen lassen, es den Söhnen, Enkeln, ehrbaren Anvers wandten des Stifters der Kirche oder des Benefiziums gestattet seyn solle, sie dem Bischofe anzuzeigen, und wenn dieser saumselig sey, die Sache beim Metropoliten anhängig zu machen und sie endlich gar vor das Königl. Forum zu bringen, ja erließ diese Synode sogar die Verordnung: „Da es häufig der Fall ist, daß Pfarrkirchen oder Klöster durch den Uebers muth oder die Sorglosigkeit einzelner Bischöfe in einen so gräßlichen Verfall gerathen, daß die Stifter weit mehr Kummer empfinden müssen, als ihnen ihre Stiftung Freude bereitet hat, so beschließen wir, von Theilnahme durchbrungen, es sollen die Stifter solcher Kirchen, so lange sie am Leben sind, für jene Orte Sorge tragen und besonders darauf bedacht seyn, dem Bischofe taugliche Vorsteher für jene Kirchen zur Ordination zu präsentiren; sollten sie aber etwa keine ausfindig machen können, so mag der Ortsbischof mit ihrer Genehmigung tüchtige Männer für die Besorgung des Gottesdienstes ausweihen; thut dieß der Bischof mit Umgehung der Fundatoren, so soll die Ordination ungiltig seyn, und er soll zu seiner Beschämung jene ausweihen, welche die Fundatoren erwählt haben"; hatte, sage ich, jene Synode solche Verordnungen erlassen 1): so ist es nicht zu verwundern, daß die Fundatoren von Privatkapellen vom Bischofe gerne die Erlaubniß erhielten, die dabei anzustellenden Geistlichen selber zu erwählen. Es waren ja diese Kirchen völliges Privateigenthum der Stifter, und es durfte doch im Allgemeinen

1) Harduinus tom III., pag. 973.

vorausgeseßt werden, daß die Fundatoren nur solche Geistliche auswählen werden, welche sich als tüchtige und fromme Männer bewährt und dadurch das Zutrauen der Familien erworben hatten. Sollte man nun dem Gewissen des Eins zelnen Zwang anthun und ihm einen Mann aufdringen, zu dem er kein Zutrauen hatte? Daher denn die Verordnung, daß ein Bischof ohne erheblichen Grund einem auf ein solches Privatbeneficium Präsentirten die Ordination und Bestätis gung nicht verweigern dürfe 1). Eben so durfte man sich der Erwartung hingeben, es werden, im Fall eine solche Kapelle mit einem besondern Fond dotirt war, die Fundatoren sehr darauf sehen, daß ihre Stiftung nicht verschleudert und ihrem Zwecke entfremdet werde; man konnte sie daher ohne Bedenken an der Verwaltung ihres Beneficiums participiren lassen. c. 23, caus. 16, 9. 7. Es wurden demnach diese Oratorien als eine Privatsache angesehen und behandelt, und die sogenannten clerici laicorum gehörten nicht zur Familie des Bischofs, sondern der Privaten. Als ob man aber die künftigen Mißbräuche, welche nur dieser an und für sich sonst so billigen Verwilligung nachher entsprangen, vorausgesehen hätte, traf man gleich anfangs die Verfügung, daß man zwar die Feier der heil. Geheimnisse diesen Oratorien nicht entziehen wolle, daß aber an den Hauptfesten des Kirchenjahres dieß unterbleiben und der Gottesdienst der Pfarrkirche besucht werden müsse. Conc.

1) De clericis vero laicorum, unde nonnulli eorum conqueri videntur, eo quod quidam episcopi ad eorum preces nolint in ecclesiis suis eos, cum utiles sint, ordinare; visum nobis fuit, ut in utrisque partibus pax et concordia servetur, et cum caritate et ratione utiles et idonei eligantur. Et si laicus idoneum utilemque clericum obtulerit, nulla qualibet occasione ab episcopo, sine certa ratione repellatur; et si rejiciendus est, diligens examinatio, et evidens ratio, ne scandalum generetur, manifestum faciat, Conc. Paris. VI., a. 829, cap. 22. Hard. tom. IV. pag. 1312.

Avern. a. 535, c. 15, Hard. tom. II., pag. 1182. Allein, wenn einmal eine Begünstigung, eine Ausnahme von einem bestehenden Geseße, gemacht ist, so kann die betreffende Bes hörde nur mit ungeheuerer Kraftanstrengung die möglichen Mißbräuche der Zukunft abwenden, und muß, zumal wenn die Zeitumstände Zügellosigkeiten begünstigen, gewärtigen, daß das in guter Absicht Zugestandene späterhin als ein Recht angesprochen und so weit werde ausgedehnt werden, als sich nur je irgend wie aus der ersten Concession werde ableiten lassen. Ganz auf dieselbe Weise begab es sich auch bei dem in Rede stehenden Gegenstande.

Die Gutsbesitzer stellten bei ihren Bethäusern gewöhn, lich einen Anverwandten oder Leibeigenen an, und beaufs tragten ihn mitunter auch mit der Verwaltung ihrer Güter. Erhielt die Kirche gleich anfangs ein eigenes Vermögen, so blieb doch immer das Eigenthumsrecht dem Fundator vorbes halten und dieser konnte damit nach Belieben schalten und walten. Manche Patrone trieben diese ihre Willkür so weit, daß es ihnen sogar gesetzlich verboten werden mußte, ihr Heu und Stroh in der Kirche unterzubringen, die Schindeln vom Kirchendache wegzunehmen und ihre eigenen Häuser damit zu decken Capitulare Francof. 794; man mußte ihnen befehlen, wenigstens über die Altäre eine Decke oder ein Gewölbe zu schlagen, damit nicht Unrath oder Regenwasser von dem Dache auf sie fiele. 1. c. III., 789, n. 17. Hatte einmal die Habsucht über die Frömmigkeit die Oberhand gewonnen, so suchte jene Alles zu benüßen, was zu ihrer Befriedigung dienen konnte. Da die Darbringung von Oblas tionen und die Verabreichung des Zehnten sowohl durch kirchliche als Staatsgeseße geboten waren, so wurden diejenigen, welche an dem Gottesdienste der Oratorien partis cipiren wollten, zu Beidem verpflichtet. Die Patrone betrach teten sich nun auch als die Herren dieser kirchlichen Gefälle,

und verabreichten davon an die Kirche und Kapläne, was ihnen beliebte 1).

So drängte sich nun Mißbrauch Schlag auf Schlag. Die Patrone fanden es bald unter der Würde eines absoluten Eigenthümers, sich um die bischöfliche Bestätigung und Verweigerung zu kümmern; der pfarrliche Gottesdienst wurde vernachläßigt; die Kapläne zu den entehrendsten Knechtsdiensten verwendet; die Kapläne der Großen erlaubten sich gegen die Kirche dieselbe wegwerfende Behandlung, welche sie von ihren Herren sich gefallen lassen mußten; die Patrone suchten sich auf die wohlfeilste Art mit ihren Hauspriestern abzufinden und hatten so begreiflicher Weise keine besondere Auswahl; die Oratorien wurden allgemach Pfarrkirchen, und der Bischof mußte zufrieden seyn, wenn noch seine Bestäs tigung nachgesucht und seinen Bitten Folge geleistet wurde, es möchte doch die Seelsorge an solchen Kirchen nicht gänzlich vernachläßigt werden.

Dieß die erste Frucht des Patronatsrechtes in der Kirche ')! §. 22. II. Patronatsrecht über öffentliche (Pfarr-) Kirchen aus Usurpation.

Wenn die Fundatoren der Beneficien ihrer Oratorien darauf Anspruch machten, die dabei anzustellenden Kleriker dem Diocesanbischof zu präsentiren und diesen Anspruch nicht aufgaben, nachdem jene Beneficien bereits zu Pfarreien erhoben waren und durch Oblationen und Zehnten von Seite der Parochianen unterhalten wurden: so war dieß zwar ein

1) Vergl. über diesen ganzen Gegenstand: Ildephons von Arr's Geschichten des Kantons St. Gallen. St. Gallen 1810. I. Bd. S. 168 u. ff.

2) Wer Lust haben sollte, sich mit diesen traurigen Thatsachen ge: nauer bekannt zu machen, den verweisen wir auf die oben §. 12 ** genannte Schrift, wo zugleich die betreffenden Belege zu finden sind. A. d. V.

Mißbrauch, dessen Abstellung mit dem größten Eifer hätte betrieben werden sollen; allein es war dieser Mißbrauch so sehr mit den Begriffen der mittelalterlichen Feudalherrschaft verwachsen, daß er ohne die Aufhebung der leßtern durchs aus nicht verdrängt werden konnte. Anders verhält eg sich aber mit jenen Beneficien, deren Einkünfte durch Usurpation in die Hände der Laien geriethen und von denselben mit der nämlichen Willkür, wie die oben beschriebene, behandelt wurden.

Da nach der Verfassung der germanischen Stämme alle Leistungen der Dienstleute mit Lehen belohnt wurden, so mußten die Fürsten, zumal seit dem die Lehen erblich zu werden begonnen, gar bald in Verlegenheiten gerathen. Die Noth zwang sie daher zu der Ungerechtigkeit, ihre Mannen mit den Besißungen der Kirche zu belehnen; namentlich war dieß der Fall, als die fränkischen majores domus einerseits die ganze Kraft ihrer Nation aufbieten mußten, um die Einfälle der Barbaren zu vereiteln, anderseits aber, weil sie bereits mit dem Gedanken umgingen, die Merowinger vom Throne zu stoßen, sich die Gunst der Großen zu erhalten suchten, So wiederholte sich ganz dasselbe, was durch die Stifter der Privatoratorien geschah, nur mit dem Unterschiede, daß diese Belehnten gleich anfangs sich als unbeschränkte Herren der ihnen überantworteten Beneficien begriffen und nicht etwa nur über einige Oratorien, einfache Beneficien und schmächtige Pfarreien, sondern über Bisthümer und Abteien und ganze Distrikte die Lehensherrlichkeit sich anmassen, Bischöfe, Aebte und Pfarrer ein und abseßten und ihnen gerade so viel Unterhalt anwiesen, als sie es für zuträglich erachteten. Dieser Ripsraps dauerte zwar nicht lange, und seine Ungerechtigkeit wurde auch von den fränkis schen Königen vielfach eingesehen 1); allein es hielt immers 1) Denkwürdig, und namentlich für alle Inhaber kirchlicher Güter beherzigenswerth, bleiben in dieser Beziehung die Verordnungen

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