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Liebster Freund,

An kleift.

Unser Gleim ist ein recht böser Mann, daß er mir den Tag seiner Ankunft bei Ihnen, gemeldet zu haben vorgiebt, und zwar bei guter Zeit gemeldet zu haben vorgiebt. Ich habe seit vier Wochen keine Zeile von ihm gesehen, ob ich ihm gleich die Exemplare von seinen Liedern und Ihren neuen Gedichten schon längst geschickt habe. Nur erst vorigen Sonnabend bekomme ich einen Brief von ihm, der den 27. Februar datirt ist, und worin freilich etwas von seiner Reise zu Ihnen steht; ich möchte aber wohl wissen, wo dieser Brief liegen geblieben wäre, ob bei ihm in Halberstadt oder hier in Leipzig. Da ich also die Zeit, wenn er bey Ihnen seyn wolle, nicht eher erfahren habe, als bis er schon längst wieder weg war; so kann ich wohl mit Recht sagen, daß ich sie gar nicht erfahren habe. Rechnen Sie mir, liebster Freund, mein Aussenbleiben also nicht zu; und seyn Sie ja nicht ungehalten. Ich habe doch einzig und allein das meiste dabey verloren.

Aber ist es wirklich an dem, daß der Herr Pastor Lange mit seiner Doris zugleich bey Ihnen gewesen ist? Was würden wir einander für Gesichter gemacht haben! Und der boshafte Gleim, was für Einfälle würde er auf unser beyder Rechnung haben strömen lassen! Er würde uns haben versöhnen wollen, und wir würden haben thun müssen, als ob wir niemals Feinde gewesen wären. Es ist mir bey dem allen recht lieb, daß ich dieser Verlegenheit entgangen bin.

Sie bleiben auch gewaltig lange weg, liebster Freund. Und gleichwohl darf ich es nun kaum recht wagen, Sie zu besuchen. Denn ich weiß, daß der Herr General schon zu verschiednen Malen gesagt hat, daß er Sie alle Tage wieder erwarte.

Morgen geht das Bataillon Garde von hier weg; nach Breßlau, wie man sagt. Das ist die einzige Neuigkeit, die ich Ihnen von hier melden kann. Oder wollen Sie noch etwas neues von Gottscheden wissen? Er wird mit dem Gesalbten unsers Gleims immer bekannter, immer vertrauter. Es hat wieder französische Verse gesezt nebst einer goldnen Tabatiere und einem Ringe. Er macht gar kein

Geheimniß draus; er ist vielmehr so stolz brauf, daß er die ganze Unterredung, die er hier mit dem Könige gehabt hat, in sein Neuestes hat eindrucken lassen. Gott wolle nicht, daß unser Gleim seinen Patriotismum auch so weit treibt, daß ihm Gottsched durch diese Betanntschaft respectabler wird! Jezt ist es vielmehr die rechte Zeit, neue und blutigere Satyren wider ihn zu machen, als man noch je gemacht hat. Und wenn wir damit zaudern, so wird er uns selbst zuvorkommen. Denn es ist ganz gewiß, daß er wieder eine neue Aesthetik in einer Nuß drucken läßt. Ihre neuen Gedichte werden ihm gleich noch zur rechten Zeit gekommen seyn. Wenn ich doch nur auch unterdessen etwas geschrieben hätte, damit ich nicht etwa vergessen würde!

Leben Sie wohl, theuerster, liebster Freund, und kommen Sie ja bald wieder. Ich bin Zeit Lebens

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Ich bleibe Ihnen die Antwort auf Ihre lezten sehr angenehmen Briefe lange schuldig. Sie werden die Ursache gleich hören. Vor allen Dingen muß ich Ihnen sagen, daß ich das Gedicht unsers Grenadiers, als ein Gedicht, mit dem größten Vergnügen gelesen habe. Er ist hier weit ernster, feyerlicher, erhabener, als in seinen Liedern, ohne deswegen aus seinem Charakter zu gehen. Allein soll ich es für nichts, als für eine Wirkung seiner frappanten Art zu malen halten, wenn mir beh verschiedenen Stellen vor Entseßen die Haare zu Berge gestanden haben? Sehen Sie, liebster Freund, ich bin aufrichtig, und ich kann es gegen Sie ohne Gefahr seyn. Ich wollte diese Stellen nicht zum zweytenmal lesen, und wenn ich noch so viel damit gewinnen

tönnte. Ja, gefeßt, es wird über kurz oder lang Friede; gefeßt, die ist so feindselig gegen einander gesinnten Mächte söhnen sich aus

(ein Fall, der ganz gewiß erfolgen muß) —: was meinen Sie, daß alsdann die kältern Leser, und vielleicht der Grenadier selbst, zu jo mancher Uebertreibung sagen werden, die sie ist in der Hiße des Affects für ungezweifelte Wahrheit halten? Der Patriot überschreyet den Dichter zu sehr, und noch dazu so ein soldatischer Patriot, der sich auf Beschuldigungen stüßt, die nichts weniger als erwiesen find! Vielleicht zwar ist auch der Patriot bey mir nicht ganz erstickt, obgleich das Lob eines eifrigen Patrioten, nach meiner Denkungsart, das allerlegte ist, wonach ich geißen würde; des Patrioten nehmlich, der mich vergessen lehrte, daß ich ein Weltbürger seyn sollte. In diesem Falle also, wenn es nehmlich eine bloße Collision des Patriotismus ist, die mich diesesmal mit unserem Grenadiere weniger zufrieden macht, als ich sonst zu seyn so viel Ursach habe - veniam petimus dabimusque vicissim. Ich war auch, in Betrachtung dessen, gar nicht Willens, das Gedicht unsers Grenadiers zu unterdrücken, oder wenigstens vom Drucke abzuhalten. Allein da jezt nicht eine Zeile ohne Censur und Erlaubniß hier in Berlin gedruckt werden darf, so mußte es nothwendig vorher censirt werden, und erst heute erfahre ich, daß es die Censur nicht passiren kann. Ohne Zweifel ist die anstößige Erwähnung des von Katt die vornehmste Ursache. Der König hat sich in dieser Sache selbst zu öffentlich Unrecht gegeben, als daß es ihm angenehm seyn könnte, sich auf eine solche Weise daran erinnert zu sehen.

Unterdessen, liebster Freund, werde ich das Gedicht doch bei mir behalten, und in wenig Wochen einen Gebrauch davon machen, bey welchem der Dichter keine Gefahr läuft, und der Herausgeber sich nichts vorzuwerfen hat. Sie sollen damit zufrieden seyn; ich weiß es gewiß. Zeigen Sie aber dem Grenadier diesen meinen Brief nicht; denn ich fange wirklich an, mich vor ihm zu fürchten. Es scheint, er läßt sich zu leicht in Harnisch jagen. Sein Major hat weit kälteres Blut, und ich würde wider den Schluß seines Cissides nichts zu sagen haben, wenn ich auch der eifrigste Verfechter der Gegenparthey wäre. Ich bin es aber nicht; das wissen Sie.

Leben Sie wohl, liebster Freund, und schreiben Sie mir mit nächster Post, wenn ich nicht glauben soll, daß ich Sie durch diesen Brief unwillig gemacht habe. Ich bin Zeitlebens

Jhr

ergebenster Freund Lessing.

An Gleim.

Berlin, d. 14. Febr. 1759.

Liebster Freund,

Ich wollte Ihnen eben schreiben, und unserm kleinen Streit ein Ende machen, als ich Ihren Brief mit der neuen Abschrift erhielt. Er macht, daß ich Ihnen ganz anders schreiben muß, als ich mir vorgenommen hatte; denn Ihre Verbesserungen haben der Sache eine andere Gestalt gegeben.

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Alle unsere Freunde hier müssen mir bezeugen, wie sehr ich mit dem Gedichte des Grenadiers, als einem Gedichte, gleich vom Anfange zufrieden gewesen bin. Es ist mir nichts darin anstößig gewesen -(auch nicht einmal rippeln 2c.) als bloß die Verwünschungen, von welchen ich überhaupt ein abgejagter Feind bin. Und diese Verwünschungen haben nothwendig einen so starken Eindruck auf mich machen müssen, da sie einen Prinzen betrafen, von dessen Charakter ich weit anders überzeugt bin, als daß ich das von ihm glauben sollte, was ihm die Flüche des Grenadiers zugezogen hat. Er verdient sie ganz gewiß nicht; und wenn er sie auch verdient hätte, so wäre es doch besser, daß der Grenadier das Verfluchen den Priestern überließe. Als Priester mag Herr Lange dieses unselige Vorrecht immer ausüben, und die nähere Erlaubniß dazu von Friederich dem Soldaten ist erschleichen, die ihm Friederich der philosophische König zu einer andern Zeit gewiß verweigert hätte. Der Grenadier thut sich selbst Unrecht, wenn er sich alles für erlaubt halten will, was einem Lange erlaubt ist, der sich damit begnügt, wenn er nur ißt

ein paar Monate hindurch gelesen wird, und nichts darnach fragt, wenn man seine Gedichte über Jahr und Tag gar nicht mehr kennt. Der Grenadier soll und maß auf die Nachwelt denken; oder wenn Er es nicht thun will, so werden es seine Freunde für ihn thun.

Deffnen Sie unterdessen, liebster Freund, unserm Grenadier nur über zwey Stellen meines so anstößig befundenen Briefs das Verständniß! Wenn ich geschrieben habe, daß ich mich vor ihm zu fürch= ten anfinge, so bedaure ich nur, daß ich den Ton und die Miene nicht habe mit schreiben können, mit welcher ich es ihm mündlich würde gesagt haben. Ich glaubte, als ich es schrieb, mit keinem lächerlichern Einfalle meinen Brief beschließen zu können, mit dessen ernsthaftem Anfange ich nicht zufrieden war. Was ich aber von dem übertriebe: nen Patriotismus einfließen lassen, war weiter nichts als eine allgemeine Betrachtung, die nicht sowohl der Grenadier, als tausend ausschweifende Reden, die ich hier alle Tage hören muß, bey mir rege gemacht hatten. Ich habe überhaupt von der Liebe des Vaterlandes (es thut mir leid, daß ich Ihnen vielleicht meine Schande gestehen muß) keinen Begriff, und sie scheint mir aufs höchste eine heroische Schwachheit, die ich recht gern entbehre. Doch lassen Sie mich davon nichts weiter schreiben. Ich rühme mich, daß ich von der Freundschaft desto höhere Begriffe habe, und daß noch tausend solche fleine Uneinigkeiten meiner Liebe und Hochachtung gegen meinen lieben Gleim und wackern Grenadier nicht im geringsten nachtheilig seyn können. Und wie könnten sie auch, da ich sehe, daß er weit mehr nachgiebt, als ich selbst würde nachgegeben haben? Ich danke es ihm zum Beyspiel nicht (als nur in so fern es ein Zeichen seiner Freundschaft gegen mich seyn soll), daß er die Verwünschung der Selbstherrscherin in Ruhm und Segen verwandelt hat. So viel habe ich niemals gefordert; und ich wünschte, daß er es bloß so verändert hätte: „Aber welch ein Loos soll ich dir wünschen, Selbstherrscherin! wenn du" 2c.

Unterdessen kann es um so viel eher gedruckt werden, und ich hoffe Ihnen nächstens Exemplare zu schicken. Aber was werden Sie sagen, daß ich schon im voraus Gebrauch davon gemacht habe? Weil ich nicht glaubte, daß es so bald könne gedruckt werden, so gab ich dem

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