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Ich will mir darum eben nicht viel mehr einbilden als Sie; aber da jedoch meine Nation die Ihre Nation so sehr übersieht" weiter darf ich meine Paraphrasis wohl nicht fort sezen; denn sonst,

Definit in piscem mulier formosa superne: aus der Höflichkeit wird Persiflage (ich brauche dieses französische Wort, weil wir Deutschen von der Sache nichts wissen), und aus der Persiflage dummer Stolz.

Bweinndvierzigstes Stück.

Den 22 September 1767.

Es ist nicht zu läugnen, daß ein guter Theil der Fehler, welche Voltaire als Eigenthümlichkeiten des italienischen Geschmacks nur deßwegen an seinem Vorgänger zu entschuldigen scheint, um sie der italienischen Nation überhaupt zur Last zu legen, daß, sage ich, diese und noch mehrere und noch größere sich in der Merope des Maffei befinden. Maffei hatte in seiner Jugend viel Neigung zur Poesie; er machte mit vieler Leichtigkeit Verse in allen verschiedenen Stylen der berühmtesten Dichter seines Landes; doch diese Neigung und diese Leichtigkeit beweisen für das eigentliche Genie, welches zu der Tragödie erfordert wird, wenig oder nichts. Hernach legte er sich auf die Geschichte, auf Kritik und Alterthümer; und ich zweifle, ob diese Studien die rechte Nahrung für das tragische Genie sind. Er war unter Kirchenvätern und Diplomen vergraben und schrieb wider die Pfaffen und Basnagen, als er auf gesellschaftliche Veranlassung seine Merope vor die Hand nahm und sie in weniger als zwei Monaten zu Stande brachte. Wenn dieser Mann unter solchen Beschäftigungen in so kurzer Zeit ein Meisterstück gemacht hätte, so müßte er der außerordentlichste Kopf gewesen seyn; oder eine Tragödie überhaupt ist ein sehr geringfügiges Ding. Was indeß ein Gelehrter von gutem classischem Geschmacke, der so etwas mehr für eine Erholung als für eine Arbeit ansieht, die seiner würdig wäre, leisten kann, das leistete auch er. Seine Anlage ist gesuchter und ausgedrechselter als glück lich; seine Charaktere sind mehr nach den Zergliederungen des Moralisten, oder nach bekannten Vorbildern in Büchern, als nach dem Leben geschildert; sein Ausdruck zeigt von mehr Phantasie als Gefühl; der Literator und der Versificateur läßt sich überall spüren, aber nur selten das Genie und der Dichter.

Als Versificateur läuft er den Beschreibungen und Gleichnissen zu sehr nach. Er hat verschiedene ganz vortreffliche, wahre Gemälde, die in seinem Munde nicht ge= nug bewundert werden konnten; aber in dem Munde seiner Personen unerträglich sind, und in die lächerlichsten Ungereimtheiten ausarten. So ist es z. E. zwar sehr schicklich, daß Aegisth seinen Kampf mit dem Räuber, den er umgebracht, umständlich beschreibt, denn auf diesen Umständen beruht seine Vertheidigung; daß er aber auch, wenn er den

Leichnam in den Fluß geworfen zu haben bekennt, alle, selbst die allerkleinsten Phänomene malt, die den Fall eines schweren Körpers ins Wasser begleiten, wie er hineinschießt, mit welchem Geräusch er das Wasser zertheilt, das hoch in die Luft sprißt, und wie sich die Fluth wieder über ihn zuschließt: 1 das würde man auch nicht einmal einem kalten geschwäßigen Advocaten, der für ihn spräche, verzeihen, geschweige ihm selbst. Wer vor seinem Richter steht und sein Leben zu vertheidigen hat, dem liegen andere Dinge am Herzen, als daß er in seiner Erzählung so kindisch ge= nau seyn könnte.

Als Literator hat er zu viel Achtung für die Simplicität der alten griechischen Sitten und für das Costume bezeigt, mit welchem wir sie bei dem Homer und Euripides geschildert finden, das aber allerdings um etwas, ich will nicht sagen veredelt, sondern unserm Costume näher gebracht werden muß, wenn es der Rührung im Trauerspiele nicht mehr schädlich als zuträglich seyn soll. Auch bat er zu geflissentlich schöne Stellen aus den Alten nachzuahmen gesucht, ohne zu unterscheiden, aus was für einer Art von Werken er sie entlehnt und in was für eine Art von Werken er sie überträgt. Nestor ist in der Epopee ein gesprächiger freundlicher Alte; aber der nach ihm gebildete Polydor wird in der Tragödie ein alter edler Salbader. Wenn Maffei dem vermeintlichen Plane des Euripides hätte folgen wollen, so würde uns der Literator vollends etwas zu lachen gemacht haben. Er hätte es sodann für seine Schuldigkeit geachtet, alle die kleinen Fragmente, die uns von dem Kreiphontes übrig sind, zu nußen, und seinem Werke getreulich einzuflechten. 2. Wo er also geglaubt hätte, daß sie sich hinpaßten, hätte er sie als Pfähle aufgerichtet, nach welchen sich der Weg seines Dialogs richten und schlingen müssen. Welcher pedantische Zwang! Und wozu? Sind es nicht diese Sittensprüche, womit man seine Lücken füllt, so sind es andere.

Dem ungeachtet möchten sich wiederum Stellen finden, wo man wünschen dürfte, daß sich der Literator weniger vergessen hätte. 3. E. Nachdem die Erkennung vorgegangen und Merope einsicht, in welcher Gefahr sie zweimal

1 Atto I. Sc. III.

In core

Pero mi venne di lanciar nel fiume
Il morto, o semivivo; e con fatica
(Ch' inutil' era per riuscire, e vana)
L'alzai da terra, in e terra rimaneva
Una pozza di sangue: a mezzo il ponte
Portailo in fretta, di vermiglia striscia
Sempre rigando il suol; quinci cadere

Col capo in giù il lasciai: piombò, e gran tonfo
S'udi nel profondarsi: in alto salse

Lo spruzzo, e l'onda sopra lui si chiuse.

2 Non essendo dunque stato mio pensiero di seguir la Tragedia d'Euripide, non ho cercato per consequenza di porre nella nia que' sentimenti di essa, che son rimasti qua, e là; avendone tradotti cinque versi Cicerone, e recati tre passi Plutarco, e due versi Gellio, e alcuni trovandosene ancora, se la memoria non m'inganna, presso Stobeo.

gewesen sey, ihren eigenen Sohn umzubringen, so läßt er
die Ismene voller Erstaunen ausrufen: „Welche wunder-
,,bare Begebenheit, wunderbarer, als sie jemals auf einer
„Bühne erdichtet worden!"

Con così strani avvenimenti uom forse
Non vide mai favoleggiar le scene.

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so finden sich auch selten Grobheiten ohne alle Wahrheit. Lindelle hat in vielen Stücken wider den Maffei Recht, und möchte er doch höflich oder grob seyn, wenn er sich begnügte ihn bloß zu tadeln. Aber er will ihn unter die Füße treten, vernichten, und geht mit ihm so blind als treulos zu Werke. Er schämt sich nicht offenbare Lügen zu sagen, augenscheinliche Verfälschungen zu begehen, um nur ein recht hämisches Maffei hat sich nicht erinnert, daß die Geschichte seines Gelächter aufschlagen zu können. Unter drei Streichen, die Studs in eine Zeit fällt, da noch an kein Theater gedacht er thut, geht immer einer in die Luft, und von den andern war; in die Zeit vor dem Homer, dessen Gedichte den zweien, die seinen Gegner streifen oder treffen, trifft einer ersten Samen des Drama ausstreuten. Ich würde diese unfehlbar den zugleich mit, dem seine Klopffechterei Play Unachtsamkeit niemanden als ihm aufmußen, der sich in machen soll, Voltairen selbst. Voltaire scheint dieses auch der Vorrede entschuldigen zu müssen glaubte, daß er den zum Theil gefühlt zu haben und ist daher nicht saumfelig Namen Messene zu einer Zeit brauche, da ohne Zweifel in der Antwort an Lindellen, den Maffei in allen den noch keine Stadt dieses Namens gewesen, weil Homer | Stücken zu vertheidigen, in welchen er sich zugleich mit verteiner erwähne. Ein Dichter kann es mit solchen Kleinigtheidigen zu müssen glaubt. Dieser ganzen Correspondenz teiten halten wie er will; nur verlangt man, daß er sich mit sich selbst, dünkt mich, fehlt das interessanteste Stück: immer gleich bleibt, und daß er sich nicht einmal über die Antwort des Maffei. Wenn uns doch auch diese der etwas Bedenken macht, worüber er ein andermal kühnlich | Herr von Voltaire hätte mittheilen wollen. Oder war sie weggeht; wenn man nicht glauben soll, daß er den Anstoß etwa so nicht, wie er sie durch seine Schmeichelei zu ervielmehr aus Unwissenheit nicht gesehen, als nicht sehen | schleichen hoffte? Nahm sich Maffei etwa die Freiheit, ihm wollen. Ueberhaupt würden mir die angeführten Zeilen hinwiederum die Eigenthümlichkeiten des französischen Genicht gefallen, wenn sie auch keinen Anachronismus ent- schmacks ins Licht zu stellen? ihm zu zeigen, warum die hielten. Der tragische Dichter sollte alles vermeiden, was französische Merope eben so wenig in Italien als die italicdie Zuschauer an ihre Jllusion erinnern kann; denn sobald | nische in Frankreich gefallen könne? sie daran erinnert sind, so ist sie weg. Hier scheint es zwar, als ob Maffei die Illusion eher noch bestärken wollen, in: dem er das Theater ausdrüdlich außer dem Theater an: nehmen läßt; doch die bloßen Worte Bühne und erdichten sind der Sache schon nachtheilig, und bringen uns geraden Wegs dahin, wovon sie uns abbringen sollen. Dem komi: schen Dichter ist es eber erlaubt, auf diese Weise seiner Vorstellung Vorstellungen entgegen zu seßen; denn unser Lachen zu erregen, braucht es des Grades der Täuschung nicht, den unser Mitleiden erfordert.

Ich habe oben gesagt, wie hart de la Lindelle dem Maffei mitspielt. Nach seinem Urtheile hat Maffei sich mit dem begnügt, was ihm sein Stoff von selbst anbot, ohne die geringste Kunst dabei anzuwenden; sein Dialog ist ohne alle Wahrscheinlichkeit, ohne allen Anstand und Würde; da ist so viel Kleines und Kriechendes, das kaum in einem Bossenspiel in der Bude des Harlekins zu dulden wäre; alles wimmelt von Ungereimtheiten und Schulschnißern. „Mit einem Worte, schließt er, das Werk des Maffei ent„hält einen schönen Stoff, ist aber ein sehr elendes Stück. „Alle Welt kommt in Paris darin überein, daß man die „Vorstellung desselben nicht würde haben aushalten kön„nen, und in Italien selbst wird von verständigen Leuten „sehr wenig daraus gemacht. Vergebens hat der Verfasser „auf seinen Reisen die elendesten Schriftsteller in Sold ge nommen, seine Tragödie zu überseßen; er konnte leichter „einen Ueberseßer bezahlen als sein Stück verbessern.“

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So wie es selten Complimente giebt ohne alle Lügen,

Dreinndvierzigstes Stück.

Den 25. September 1767.

So etwas läßt sich vermuthen. Doch ich will lieber beweisen, was ich selbst gesagt habe, als vermuthen, was andere gesagt haben könnten.

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Lindern vors erste, ließe sich der Tadel des Lindelle fast in allen Puncten. Wenn Maffei gefehlt hat, so hat er doch nicht immer so plump gefehlt, als uns Lindelle will glauben machen. Er sagt z. E., Aegisth, wenn ihn Merope nunmehr erstechen wolle, rufe aus: O mein alter Vater! und die Königin werde durch dieses Wort, alter Vater, so gerührt, daß sie von ihrem Vorsage ablasse und auf die Vermuthung komme, Aegisth könne wohl ihr Sohn seyn. Ist das nicht, seßt er höhnisch hinzu, eine sehr gegründete Vermuthung! Denn freilich ist es ganz etwas sonderbares, daß ein junger Mensch einen alten Vater hat! Maffei, „fährt er fort, hat mit diesem Fehler, diesem Mangel von „Kunst und Genie, einen andern Fehler verbessern wollen, ,,den er in der ersten Ausgabe seines Stüdes begangen ,,hatte. Aegisth rief da: Ach, Polydor, mein Vater! Und ,,dieser Polydor war eben der Mann, dem Merope ihren Sohn anvertraut hatte. Bei dem Namen Polydor hätte „die Königin gar nicht mehr zweifeln müssen, daß Aegisth „ihr Sohn sey; und das Stück wäre aus gewesen. Nun ist dieser Fehler zwar weggeschafft; aber seine Stelle hat „ein noch weit gröberer eingenommen." Es ist wahr, in der ersten Ausgabe nennt Aegisth den Polydor seinen Vater;

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aber in den nachherigen Ausgaben ist von gar keinem Vater mehr die Rede. Die Königin stuht bloß bei dem Namen Polydor, der den Aegisth gewarnt habe, ja keinen Fuß in das Messenische Gebiet zu sezen. Sie giebt auch ihr Vorhaben darum nicht auf; sie fordert bloß nähere Erklärung; und ehe sie diese erhalten kann, kommt der König dazu. | Der König läßt den Aegisth wieder los binden, und da er die That, weßwegen Aegisth eingebracht worden, billigt und rühmt, und sie als eine wahre Heldenthat zu belohnen verspricht: so muß wohl Merope in ihren ersten Verdacht wieder zurückfallen. Kann der ihr Sohn seyn, den Poly- | phontes eben darum belohnen will, weil er ihren Sohn | umgebracht habe? Dieser Schluß muß nothwendig bei ihr | mehr gelten, als ein bloßer Name. Sie bereut es nunmehr auch, daß sie eines bloßen Namens wegen, den ja wohl mehrere führen können, mit der Vollziehung ihrer Rache gezaudert habe;

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Che dubitar? misera, ed io da un nome Trattener mi lasciai, quasi un tal nome Altri aver non potesse und die folgenden Aeußerungen des Tyrannen können sie nicht anders als in der Meinung vollends bestärken, daß er von dem Tode ihres Sohnes die allerzuverlässigste, ge= wisseste Nachricht haben müsse. Ist denn das also nun so gar abgeschmadt? Ich finde es nicht. Vielmehr muß ich gestehen, daß ich die Verbesserung des Maffei nicht einmal für sehr nöthig halte. Laßt es den Aegisth immerhin jagen, daß sein Vater Polydor heiße! Ob es sein Vater oder sein Freund war, der so hieße, und ihn vor Messene warnte, das nimmt einander nicht viel. Genug, daß Merope ohne alle Widerrede das für wahrscheinlicher halten muß, was der Tyrann von ihm glaubt, da sie weiß, daß er ihrem Cohne so lange, so eifrig nachgestellt, als das, was sie aus der bloßen Uebereinstimmung eines Namens schließen könnte. Freilich, wenn sie wüßte, daß sich die Meinung des Tyrannen, Aegisth sey der Mörder ihres Sohnes, auf weiter nichts als ihre eigene Vermuthung gründe: so wäre es etwas anders. Aber dieses weiß sie nicht; vielmehr hat sie allen Grund zu glauben, daß er seiner Sache werde gewiß seyn. Es versteht sich, daß ich das, was man zur Noth entschuldigen kann, darum nicht für schön ausgebe; der Poet hätte unstreitig seine Anlage viel feiner machen. können. Sondern ich will nur sagen, daß auch so, wie er fie gemacht hat, Merope noch immer nicht ohne zureichen den Grund handelt: und daß es gar wohl möglich und wahrscheinlich ist, daß Merope in ihrem Vorsaße der Rache verharren, und bei der ersten Gelegenheit einen neuen Versuch, sie zu vollziehen, wagen können. Worüber ich mich also beleidigt finden möchte, wäre nicht dieses, daß sie zum zweitenmale ihren Sohn als den Mörder ihres Sohnes zu ermorden, kommt; sondern dieses, daß sie zum zweiten= male durch einen glücklichen ungefähren Zufall daran verFindert wird. Ich würde es dem Dichter verzeihen, wenn

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er Meropen auch nicht eigentlich nach den Gründen der größern Wahrscheinlichkeit sich bestimmen ließe: denn die Leidenschaft, in der sie ist, könnte auch den Gründen der schwächern das Uebergewicht ertheilen. Aber das kann ich ihm nicht verzeihen, daß er sich so viel Freiheit mit dem Zufalle nimmt, und mit dem Wunderbaren desselben so verschwenderisch ist, als mit den gemeinsten ordentlichsten Begebenheiten. Daß der Zufall Einmal der Mutter einen so frommen Dienst erweiset, das kann seyn; wir wollen es um so viel lieber glauben, je mehr uns die Ueberrasdung gefällt. Aber daß es zum zweitenmale die nämliche Nebereilung, auf die nämliche Weise, verhindern werde, das sicht dem Zufalle nicht ähnlich; eben dieselbe Ucberraschung wiederholt, hört auf Ueberraschung zu seyn; ihre Einförmigkeit beleidigt und wir ärgern uns über den Dichter, der zwar eben so abenteuerlich, aber nicht eben so mannichfaltig zu seyn weiß, als der Zufall.

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so wie er es versprochen hat. O schön! und die Königin „kommt zum zweitenmale mit einer Art in der Hand, um ,,den jungen Menschen umzubringen, der ausdrüdlich deß,,wegen schläft. Diese nämliche Situation, zweimal wie derholt, verräth die äußerste Unfruchtbarkeit; und dieser Schlaf des jungen Menschen ist so lächerlich, daß in der ,,Welt nichts lächerlicher seyn kann.“ Aber ist es denn auch wahr, daß ihn die Vertraute zu diesem Schlafe beredet? Das lügt Lindelle. 1 Aegisth trifft die Vertraute an, und bittet sie, ihm doch die Ursache zu entdecken, warum die Königin so ergrimmt auf ihn sey. Die Vertraute antwortet, sie wolle ihm gern alles jagen; aber ein wichtiges Geschäft rufe sie jezt wo anders hin; er solle einen Augenblick hier verziehen; sie wolle gleich wieder bei ihm seyn. Allerdings hat die Vertraute die Absicht, ihn der Königin in die Hände zu liefern; sie beredet ihn zu bleiben, aber nicht zu schlafen; und Aegisth, welcher, seinem Versprechen nach, bleibt, schläft, nicht seinem Versprechen nach, sondern

1 Und der Herr von Voltaire gleichfalls. Denn nicht allein Lins delle sagt: ensuite cette suivante rencontre le jeune Egiste, je ne sais comment, et lui persuade de se reposer dans le vestibule, afin que, quand il sera endormi, la reine puisse le tuer tout à son aise, sondern auch der Herr von Voltaire selbst: la confidente de Mérope engage le jeune Egiste à dormir sur la scène, afin de donner le tems à la reine de venir l'y assassiner. Was aus dieser Uebereinstimmung zu schließen ist, brauche ich nicht erst zu sagen. Selten stimmt ein Lügner mit sich selbst überein; und wenn zwei Lügner mit einander übereinstimmen, so ist es gewiß abgeredete Karte.

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schläft, weil er müde ist, weil es Nacht ist, weil er nicht sieht, wo er die Nacht sonst werde zubringen können als hier. 1 Die zweite Lüge des Lindelle ist von eben dem Schlage. Merope, sagt er, nachdem sie der alte Polydor an der Ermordung ihres Sohnes verhindert, fragt ihn, „was für eine Belohnung er dafür verlange; und der alte „Narr bittet sie, ihn zu verjüngen.“ Bittet sie, ihn zu verjüngen? „Die Belohnung meines Dienstes, antwortet der Alte, ist dieser Dienst selbst; ist dieses, daß ich dich vergnügt sehe. Was könntest du mir auch geben? Ich brauche nichts, ich verlange nichts. Eines möchte ich mir wünschen; aber das steht weder in deiner, noch in irgend eines Sterblichen Gewalt, mir zu gewähren; daß mir die Last meiner Jahre, unter welcher ich erliege, erleichtert würde, u. s. m."2 Heißt das: erleichtere Du mir diese Last? gieb Du mir Stärke und Jugend wieder? Ich will gar nicht sagen, daß eine solche Klage über die Ungemäch lichkeiten des Alters hier an dem schicklichsten Orte stehe, ob sie schon vollkommen in dem Charakter des Polydors ist. Aber ist denn jede Unschicklichkeit Wahnwig? Und mußten nicht Polydor und sein Dichter im eigentlichsten Verstande wahnwißig sey., wenn dieser jenem die Bitte wirklich in den Mund legte, die Lindelle ihnen anlügt. Anlügt! Lügen! Verdienen solche Kleinigkeiten wohl so barte Worte? Kleinigkeiten? Was dem Lindelle wichtig genug war, darum zu lügen, soll das einem dritten nicht wichtig genug seyn, ihm zu sagen, daß er gelogen hat?

Vierundvierzigstes Stück.

Den 29. September 1767.

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MER. Ma quale, mio fedel, qual potrò io Darti già mai mercè, che i merti agguagli?

POL. Il mio stesso servir fu premio; ed ora M'è, il vederti contenta, ampia mercede. Che vuoi tu dormi? io nulla bramo: caro Sol mi saria ciò, ch' altri dar non puote; Che scemato, mi fosse il grave incarco De gli anni, che mi stà sù'l capo, e à terra Il curva, e preme sì, chè parmi un monte Lessing, Werte. II.

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| Aegisth der Mörder ihres Sohnes sey. Voltaire antwortet: „Ich kann es Ihnen nicht bergen; ich finde, daß Maffei „es viel künstlicher angelegt hat, als ich, Meropen glauben „zu machen, daß ihr Sohn der Mörder ihres Sohnes sey. Er konnte sich eines Ringes dazu bedienen, und das „durfte ich nicht; denn seit dem königlichen Ringe, über den Boileau in seinen Satyren spottet, würde das auf ,,unserm Theater sehr klein scheinen." Aber mußte denn Voltaire eben eine alte Rüstung anstatt des Ringes wählen? Als Narbas das Kind mit sich nahm, was bewog ihn denn, auch die Rüstung des ermordeten Vaters mitzunehmen? Damit Aegisth, wenn er erwachsen wäre, sich keine neue Rüstung kaufen dürfe, und sich mit der alten seines Vaters behelfen könne? Der vorsichtige Alte! Ließ er sich nicht auch ein paar alte Kleider von der Mutter mitgeben? Oder geschah es, damit Aegisth einmal an dieser Rüstung erkannt werden könne? So eine Rüstung gab es wohl nicht mehr? Es war wohl eine Familienrüstung, die Vulkan selbst dem Großvater gemacht hatte? Eine un durchdringliche Rüstung? Oder wenigstens mit schönen Figuren und Sinnbildern versehen, an welchen sie Eurifles und Merope nach funfzehn Jahren sogleich wieder erkannten? Wenn das ist: so mußte sie der Alte freilich mitnehmen; und der Hr. von Voltaire hat Ursache, ihm verbunden zu seyn, daß er unter den blutigen Verwirrungen, bei welchen ein anderer nur an das Kind gedacht hätte, auch zugleich an ein so nüzliches Möbel dachte. Wenn Aegisth schon das Reich seines Vaters verlor, so mußte er doch nicht auch die Rüstung seines Vaters verlieren, in der er jenes wieder erobern konnte. Zweitens hatte sich Lindelle über den Polyphont des Maffei aufgehalten, der die Merope mit aller Gewalt heirathen will. Als ob der Voltairesche das nicht auch wollte! Voltaire antwortet ihm daher: „Weder „Maffei, noch ich, haben die Ursachen dringend genug ge,,macht, warum Polyphont durchaus Meropen zu seiner Gemahlin verlangt. Das ist vielleicht ein Fehler des Stoffes; aber ich bekenne Ihnen, daß ich einen solchen Fehler für sehr gering halte, wenn das Interesse, welches ,,er hervor bringt, beträchtlich ist." Nein, der Fehler liegt nicht in dem Stoffe. Denn in diesem Umstande eben hat Maffei den Stoff verändert. Was brauchte Voltaire diese Veränderung anzunehmen, wenn er seinen Vortheil nicht dabei sahe? –

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Der Puncte sind mehrere, bei welchen Voltaire eine ähnliche Rücksicht auf sich selbst hätte nehmen können; aber welcher Vater sieht alle Fehler seines Kindes? Der Fremde, dem sie in die Augen fallen, braucht darum gar nicht scharfsichtiger zu seyn, als der Vater; genug, daß er nicht der Vater ist. Gesezt also, ich wäre dieser Fremde!

Lindelle wirft dem Maffei vor, daß er seine Scenen oft nicht verbinde, daß er das Theater oft leer lasse, daß seine Personen oft ohne Ursache aufträten und abgingen; alles wesentliche Fehler, die man heut zu Tage auch dem

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armseligsten Boeten nicht mehr verzeihe.

Wesentliche | Provinz ist, das macht im Grunde einerlei Ungereimtheit.

Fehler dieses? Doch das ist die Sprache der französischen | Doch schon Corneille gab diesem Geseße, von dem sich

Kunstrichter überhaupt; die muß ich ihm schon lassen, wenn ich nicht ganz von vorne mit ihm anfangen will. So wesentlich oder unwesentlich sie aber auch seyn mögen; wollen wir es Lindellen auf sein Wort glauben, daß sie bei den Dichtern seines Volks so selten sind? Es ist wahr, sie sind es, die sich der größten Regelmäßigkeit rühmen; aber sie sind es auch, die entweder diesen Regeln eine solche Ausdehnung geben, daß es sich kaum mehr der Mühe verlohnt, sie als Regeln vorzutragen, oder sie auf eine solche linke und gezwungene Art beobachten, daß es weit mehr be leidigt, sie so beobachtet zu sehen, als gar nicht.1 Beson ders ist Voltaire ein Meister, sich die Fesseln der Kunst so leicht, so weit zu machen, daß er alle Freiheit behält, sich zu bewegen wie er will; und doch bewegt er sich oft so plump und schwer, und macht so ängstliche Verdrehungen, daß man meinen sollte, jedes Glied von ihm sey an einen besonderen Klop geschmiedet. Es kostet mir Ueberwindung, ein Werk des Genies aus diesem Gesichtspuncte zu betrachten; doch da es bei der gemeinen Classe von Kunstrichtern noch so sehr Mode ist, es fast aus keinem andern als aus diesem zu betrachten; da es der ist, aus welchem die Bewunderer des französischen Theaters das lauteste Geschrei erheben, so will ich doch erst genauer hinsehen, ehe ich in ihr Geschrei mit einstimme.

1. Die Scene ist zu Messene in dem Palaste der Me: rope. Das ist gleich Anfangs die strenge Einheit des Orts nicht, welche, nach den Grundsäßen und Beispielen der Alten, ein Hedelin verlangen zu können glaubte. Die Scene muß kein ganzer Palast, sondern nur ein Theil des Palastes seyn, wie ihn das Auge aus einem und eben demselben Standorte zu übersehen fähig ist. Ob sie ein ganzer Palast oder eine ganze Stadt, oder eine ganze

1 Dieses war zum Theil schon das Urtheil unsers Schlegels. „Die „Wahrheit zu gestehen," sagt er in seinen Gedanken zur Aufnahme des dänischen Theaters, „beobachten die Engländer, die sich keiner „Einheit des Orts rühmen, dieselbe großentheils viel besser als die „Franzosen, die sich damit viel wissen, daß sie die Regeln des Aristo„teles so genau beobachten. Darauf kommt gerade am allerwenigsten „an, daß das Gemälde der Scenen nicht verändert wird. Aber wenn „keine Ursache vorhanden ist, warum die auftretenden Personen fich „an dem angezeigten Orte befinden, und nicht vielmehr an demjenigen „geblieben sind, wo sie vorhin waren; wenn eine Person sich als Herr „und Bewohner eben des Zimmers aufführt, wo kurz vorher eine an„dere, als ob sie ebenfalls Herr vom Hause wäre, in aller Gelassen„heit mit sich selbst oder mit einem Vertrauten gesprochen, ohne daß ,,dieser Umstand auf eine wahrscheinliche Weise entschuldigt wird; „kurz, wenn die Personen nur deßwegen in den angezeigten Saal oder Garten kommen, um auf die Schaubühne zu treten: so würde der „Verfasser des Schauspiels am besten gethan haben, anstatt der Worte „Der Schauplah ist ein Saal in Climenens Hause“ unter das Verzeich,,niß seiner Personen zu sehen: „der Schauplag ist auf dem Theater." „Oder im Ernste zu reden, es würde weit besser gewesen seyn, wenn „der Verfasser nach dem Gebrauche der Engländer die Scene aus dem „Hause des einen in das Haus eines andern verlegt, und also den „Zuschauer seinem Helden nachgeführt hätte; als daß er seinem Helden „die Mühe macht, den Zuschauern zu gefallen, an einen Plag zu „kommen, wo er nichts zu thun hat."

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ohnedem kein ausdrückliches Gebot bei den Alten findet, die weitere Ausdehnung, und wollte, daß eine einzige Stadt zur Einheit des Ortes hinreichend sey. Wenn er seine besten Stücke von dieser Seite rechtfertigen wollte, so mußte er wohl so nachgebend seyn. Was Corneillen aber erlaubt war, das muß Voltairen Recht seyn. Ich sage also nichts dagegen, daß eigentlich die Scene bald in dem Zimmer der Königin, bald in dem oder jenem Saale, bald in dem Vorhofe, bald nach dieser bald nach einer andern Aussicht, muß gedacht werden. Nur hätte er bei diesen Abwechslungen auch die Vorsicht brauchen sollen, die Cor: neille dabei empfahl: sie müssen nicht in dem nämlichen Acte, am wenigsten in der nämlichen Scene angebracht werden. Der Ort, welcher zu Anfang des Acts ist, muß durch diesen Act ganz dauern; und ihn vollends in eben derselben Scene abändern, oder auch nur erweitern oder verengern, ist die äußerste Ungereimtheit von der Welt. Der dritte Act der Merope mag auf einem freien Play, unter einem Säulengang oder in einem Saal spielen, in dessen Vertiefung das Grabmal des Kreiphontes zu sehen, an welchem die Königin den Aegisth mit eigener Hand hin richten will; was kann man sich armseliger vorstellen, als daß, mitten in der vierten Scene, Eurifles, der den Aegisth wegführt, diese Vertiefung hinter sich zuschließen muß? Wie schließt er sie zu? Fällt ein Vorhang hinter ihm nieder? Wenn jemals auf einen Vorhang das, was Hedelin von dergleichen Vorhängen überhaupt sagt, gepaßt hat, so ist es auf diesen; 1 besonders wenn man zugleich die Ursache erwägt, warum Aegisth so plötzlich abgeführt, durch diese Maschinerie so augenblicklich aus dem Gesicht gebracht werden muß, von der ich hernach reden will. Eben so ein Vorhang wird in dem fünften Acte aufgezogen. Die ersten sechs Scenen spielen in einem Saale des Palastes, und mit der siebenten erhalten wir auf einmal die offene Aussicht in den Tempel, um einen todten Körper in einem blutigen Rocke sehen zu können. Durch welches Wunder? Und war dieser Anblick dieses Wunders wohl werth? Man wird sagen, die Thüren dieses Tempels eröffnen sich auf einmal, Merope bricht auf einmal mit dem ganzen Volke heraus, und dadurch erlangen wir die Einsicht in denselben. Ich verstehe; dieser Tempel war Jhro verwittweten Königlichen Majestät Schloßkapelle, die gerade an den Saal stieß, und mit ihm Communication hatte, damit Allerhöchstdieselben jederzeit trocknes Fußes zu dem Orte ihrer Andacht gelangen konnten. Nur sollten wir sie dieses Wegs nicht allein herauskommen, sondern auch hereingeben sehen; wenigstens den Aegisth, der am Ende der vierten

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1 On met des rideaux qui se tirent et retirent, pour faire que les Acteurs paroissent et disparoissent selon la nécessité du Sujet ces rideaux ne sont bons qu'à faire des couvertures pour berner ceux qui les ont inventés, et ceux qui les approuvent. Pratique du Théâtre. Liv. II. chap. 6.

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