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Bild eines über seine Ufer sich ergießenden Flusses, wie er die über ihn geschlagene Brücke zerreißt, verliert es nicht seine ganze Schönheit, wenn der Dichter auf ein Kunstwerk damit angespielt hat, in welchem dieser Flußgott als wirklich eine Brüde zerbrechend vorgestellt wird? Was sollen wir mit dergleichen Erläuterungen, die aus der flarsten Stelle den Dichter verdrängen, um den Einfall eines Künstlers durchschimmern zu lassen?

Ich bedaure, daß ein so nüßliches Buch, als Polymetis sonst seyn könnte, durch diese geschmacklose Grille, den alten Dichtern statt eigenthümlicher Phantasie Bekanntschaft mit fremder unterzuschieben, so elel, und den classi schen Schriftstellern weit nachtheiliger geworden ist, als ihnen die wässerigen Auslegungen der schalsten Wort: forscher nimmermehr seyn können. Noch mehr bedaure ich, daß Epencen selbst Addison hierin vorgegangen, der aus löblicher Begierde, die Kenntniß der alten Kunstwerke zu einem Auslegungsmittel zu erheben, die Fälle eben so wenig unterschieden hat, in welchen die Nachahmung des Künstlers dem Dichter anständig, in welchen sie ihm verkleinerlich ist. 2

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Von der Aehnlichkeit, welche die Poesie und Malerei mit einander haben, macht sich Spence die allerseltsamsten Begriffe. Er glaubt, daß beide Künste bei den Alten so genau verbunden gewesen, daß sie beständig Hand in Hand gegangen, und der Dichter nie den Maler, der Maler nie den Dichter aus den Augen verloren habe. Daß die Poesie die weitere Kunst ist, daß ihr Schönheiten zu Gebote stehen, welche die Malerei nicht zu erreichen vermag; daß sie öfters Ursachen haben kann, die unmalerischen Schönheiten den malerischen vorzuziehen: daran scheint er gar nicht gedacht zu haben, und ist daher bei dem geringsten Unterschiede, den er unter den alten Dichtern und Artisten bemerkt, in einer Verlegenheit, die ihn auf die wunderlichsten Ausflüchte von der Welt bringt.

Die alten Dichter geben dem Bacchus meistentheils Hörner. Es ist also doch wunderbar, sagt Spence, daß man diese Hörner an seinen Statuen so selten erblickt. 3 Er fällt auf diese, er fällt auf eine andere Ursache, auf die Unwissenheit der Antiquare, auf die Kleinheit der Hörner selbst, die sich unter den Trauben und Epheublättern, dem beständigen Kopfpuße des Gottes, möchten verkrochen haben. Er windet sich um die wahre Ursache herum, ohne sie zu argwohnen. Die Hörner des Bacchus waren keine natürliche Hörner, wie sie es an den Faunen und Satyren waren. Sie waren ein Stirnschmuck, den er auffeßen und ablegen konnte.

Aeneid. Lib. VIII. v. 725. Polymetis Dial. XIV. p. 230. 2 In verschiedenen Stellen seiner Reisen und seines Gefpräd,s über die alten Münzen.

Polymetis Dial. IX. p. 129,

Tibi, cum sine cornibus adstas, Virgineum caput est:

heißt es in der feierlichen Anrufung des Bacchus beim Ovid. Er konnte sich also auch ohne Hörner zeigen, und zeigte sich ohne Hörner, wenn er in seiner jungfräulichen Schönheit erscheinen wollte. In dieser wollten ihn nun auch die Künstler darstellen, und mußten daher alle Zu säge von übler Wirkung an ihm vermeiden. Ein solcher Zusaß wären die Hörner gewesen, die an dem Diadem befestigt waren, wie man an einem Kopfe in dem königl. Kabinet zu Berlin sehen kann. 2 Ein solcher Zusaß war das Diadem selbst, welches die schöne Stirne verdeckte, und daher an den Statuen des Bacchus eben so selten vorkommt, als die Hörner, ob es ihm schon, als seinem Erfinder, von den Dichtern eben so oft beigelegt wird. Dem Dichter gaben die Hörner und das Diadem feine Anspie lungen auf die Thaten und den Charakter des Gottes; dem Künstler hingegen wurden sie Hinderungen, größere Schönheiten zu zeigen, und wenn Bacchus, wie ich glaube, eben darum den Beinamen Biformis, Anoopog, batte, weil er sich sowohl schön als schrecklich zeigen konnte, so war es wohl natürlich, daß die Künstler diejenige von seiner Gestalt am liebsten wählten, die der Bestimmung ihrer Kunst am meisten entsprach.

Minerva und Juno schleudern bei den römischen Dichtern öfters den Blig. Aber warum nicht auch in ihren Abbildungen? fragt Spence. 3 Er antwortet: es war ein besonderes Vorrecht dieser zwei Göttinnen, wovon man den Grund vielleicht erst in den Samothracischen Geheimnissen erfuhr; weil aber die Artisten bei den alten Römern als gemeine Leute betrachtet, und daher zu diesen Geheimnissen selten zugelassen wurden, so wußten sie ohne Zweifel nichts davon, und was sie nicht wußten, konnten sie nicht vorstellen. Ich möchte Spencen dagegen fragen: arbeiteten diese gemeinen Leute für ihren Kopf, oder auf Befehl Vornehmerer, die von den Geheimnissen unterrichtet seyn konnten? Stunden die Artisten auch bei den Griechen in dieser Verachtung? Waren die römischen Artisten nicht mehrentheils geborene Griechen? Und so weiter.

Statius und Valerius Flaccus schildern eine erzürnte Venus, und mit so schrecklichen Zügen, daß man sie in diesem Augenblicke eher für eine Furie, als für die Göttin der Liebe halten sollte. Spence sieht sich in den alten Kunst: werken vergebens nach einer solchen Venus um. Was schließt er daraus? Daß dem Dichter mehr erlaubt ist, als dem Bildhauer und Maler? Das hätte er daraus schließen sollen; aber er hat es einmal für allemal als einen Grundsay angenommen, daß in einer poetischen Beschrei: bung nichts gut sey, was unschicklich seyn würde, wenn

4 Metamorph. lib. IV. v. 49. 20.

2 Begeri Thes. Brandenb. Vol. III. p. 242,

3 Polymetis Dial. VI p. 63,

man es in einem Gemälde oder an einer Statue vorstellte. 1 als Göttin der Liebe zukommen, vielmehr wird sie eben

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So etwas zu sagen, braucht es wahrlich wenig Unter scheidungskraft. Ich will indeß mich weder des Statius noch des Valerius in diesem Fall annehmen, sondern nur eine allgemeine Anmerkung machen. Die Götter und geistigen Wesen, wie sie der Künstler vorstellt, sind nicht völlig ebendieselben, welche der Dichter braucht. Bei dem Künstler sind sie personifirte Abstracta, die beständig die ähnliche Charakterisirung behalten müssen, wenn sie er kenntlich seyn sollen. Bei dem Dichter hingegen sind sie wirkliche handelnde Wesen, die über ihren allgemeinen Charakter noch andere Eigenschaften und Affecten haben, welche nach Gelegenheit der Umstände vor jenen vorstechen tönnen. Venus ist dem Bildhauer nichts als die Liebe; er muß ihr also die sittsame verschämte Schönheit, alle die holden Reize geben, die uns an geliebten Gegenständen entzücken, und die wir daher mit in den abgesonderten Begriff der Liebe bringen. Die geringste Abweichung von diesem Zdeal läßt uns sein Bild verkennen. Schönheit, aber mit mehr Majestät als Scham, ist schon keine Venus, sondern eine Juno. Reize, aber mehr gebieterische, männliche, als bolde Reize, geben eine Minerva statt einer Venus. Vollends eine zürnende Venus, eine Venus, von Rache und Wuth getrieben, ist dem Bildhauer ein wahrer Widerspruch; denn die Liebe als Liebe zürnet nie, rächet sich nie. Bei dem Dichter hingegen ist Venus zwar auch die Liebe, aber die Göttin der Liebe, die außer diesem Charakter, ihre eigene Individualität hat, und folglich der Triebe des Abscheues eben so fähig seyn muß, als der Zuneigung. Was Wunder also, daß sie bei ihm in Zorn und Wuth entbrennt, besonders wenn es die beleidigte Liebe selbst ist, die sie darein verseßt?

Es ist zwar wahr, daß auch der Künstler, in zusammen gesezten Werken, die Venus oder jede andere Gottheit, außer ihrem Charakter, als ein wirklich handelndes Wesen, so gut wie der Dichter einführen kann. Aber alsdann müssen wenigstens ihre Handlungen ihrem Charakter nicht widersprechen, wenn sie schon keine unmittelbare Folgen desselben sind. Venus übergiebt ihrem Sohne die gött: lichen Waffen; diese Handlung kann der Künstler sowohl als der Dichter porstellen. Hier hindert ihn nichts, der Venus alle die Anmuth und Schönheit zu geben, die ihr

Polymetis Dialogue XX. p 311. Scarce any thing can be good in a poetical description, which would appear absurd, if represented in a statue or picture.

? Polymietis Dial. VII. p. 74.

dadurch in seinem Werke um so viel kenntlicher. Allein

wenn sich Venus an ihren Verächtern, den Männern zu Lemnos rächen will, in vergrößerter wilder Gestalt mit fleckigten Wangen, in verwirrtem Haare, die Pechfackel ergreift, ein schwarzes Gewand um sich wirft, und auf einer finstern Wolke stürmisch herabfährt: so ist das tein Augenblick für den Künstler, weil er sie durch nichts in diesem Augenblicke kenntlich machen kann. Es ist nur ein Augenblick für den Dichter, weil dieser das Vorrecht hat, einen andern, in welchem die Göttin ganz Venus ist, so nahe, so genau damit zu verbinden, daß wir die Venus auch in der Furie nicht aus den Augen verlieren. Dieses thut Flaccus:

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Oder man kann sagen: der Dichter allein besißt das Kunststud, mit negativen Zügen zu schildern, und durch Ver. mischung dieser negativen mit positiven Zügen zwei Erscheinungen in eine zu bringen. Nicht mehr die holde Venus, nicht mehr das Haar mit goldnen Spangen ge= heftet, von keinem azurnen Gewande umflattert, ohne ihren Gürtel, mit andern Flammen, mit größern Pfeilen bewaffnet, in Gesellschaft ihr ähnlicher Furien. Aber weil der Artist dieses Kunststückes entbehren muß, soll sich seiner darum auch der Dichter enthalten? Wenn die Malerei die Schwester der Dichtkunst seyn will, so sen sie wenigstens keine eifersüchtige Schwester, und die jüngere untersage der älteren nicht alle den Puß, der sie selbst nicht fleidet.

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Anbetung bestimmt, konnte nicht allezeit so vollkommen seyn, als wenn er einzig das Vergnügen des Betrachters dabei zur Absicht gehabt hätte. Der Aberglaube überladete die Götter mit Sinnbildern, und die schönsten von ihnen wurden nicht überall als die schönsten verehrt.

Bacchus stand in seinem Tempel zu Lemnos, aus welchem die fromme Hypsipile ihren Vater unter der Gestalt des Gottes rettete, 1 mit Hörnern, und so erschien er ohne Zweifel in allen seinen Tempeln, denn die Hörner waren ein Sinnbild, welches sein Wesen mit bezeichnete. Nur der freie Künstler, der seinen Bacchus für keinen Tempel ar: beitete, ließ dieses Sinnbild weg; und wenn wir unter den noch übrigen Statuen von ihm keine mit Hörnern finden, 2 so ist dieses vielleicht ein Beweis, daß es keine von den geheiligten sind, in welchen er wirklich verehrt worden. Es ist ohnedem höchst wahrscheinlich, daß auf diese leßteren die Wuth der frommen Zerstörer in den ersten Jahrhunderten des Christenthums vornehmlich gefallen ist,❘ die nur hier und da ein Kunstwerk schonte, welches durch teine Anbetung verunreinigt war.

Da indeß unter den aufgegrabenen Antiken sich Stücke sowohl von der einen als von der andern Art finden, so wünschte ich, daß man den Namen der Kunstwerke nur denjenigen beilegen möchte, in welchen sich der Künstler wirklich als Künstler zeigen können, bei welchen die Schönbeit seine erste und leßte Absicht gewesen. Alles andere, woran sich zu merkliche Spuren gottesdienstlicher Verab redungen zeigen, verdient diesen Namen nicht, weil die Kunst hier nicht um ihrer selbst willen gearbeitet, sondern ein bloßes Hülfsmittel der Religion war, die bei den finnlichen Vorstellungen, die sie ihr aufgab, mehr auf das

1 Valerius Flaccus Lib. II. Argonaut. v. 265-273.
Serta patri, juvenisque comam vestesque Lyaei
Induit, et medium curru locat; aeraque circum
Tympanaque et plenas tacita formidine cistas.
Ipsa sinus hederisque ligat famularibus artus :
Pampineamque quatit ventosis ictibns hastam,
Respiciens; teneat virides velatus habenas
Ut pater, et nivea tumeant ut cornua mitra,
Et sacer ut Bacchum referat scyphus.

Das Wort tumeant in der lezten ohn einen Zeile scheint übrigens anzuzeigen, daß man die Hörner des Bacchus nicht so klein gemacht, als sich Spence einbildet.

2 Der so genannte Bacchus in dem mediceischen Garten zu Rom (beim Montfaucon Suppl. aux Ant. T. I. p. 254) hat kleine, aus der Stirne hervorsprossende Hörner; aber es giebt Kenner, die ihn eben darum lieber zu einem Faune machen wollen. In der That find solche natürliche Hörner eine Schändung der menschlichen Gestalt, und können nur Wesen geziemen, denen man eine Art von Mittelgestalt zwischen Menschen und Thier ertheilte. Auch ist die Stellung, der lüsterne Blid nach der über sich gehaltenen Traube, einem Begleiter des Weingottes anständiger, als dem Gotte selbst. Ich erinnere mich hier, was Clemens Alexandrinus von Alexander dem Großen fagt (Protrept. p. 48. Edit. Pott.) Epoudero de zaı Akıṣavdoo; Αμμωνος ὗτος εἶναι δοκείν, και κερασφόρος ἀναπλάττεσθαι προς των αγαλματοποιών, το καλον ανθρωπου ὑβρισαι σπευdor espati. Es war Alexanders ausdrücklicher Wille, daß ihn der Bildhauer mit Hörnern vorstellen sollte: er war es gern zufrieden, daß die menschliche Schönheit in ihm mit Hörnern beschimpft ward, wenn man ihn nur eines göttlichen Ursprungs zu seyn glaubte.

Bedeutende als auf das Schöne sah; ob ich schon dadurch nicht auch öfters alles Bedeutende in das Schöne geseßt, oder aus Nachsicht für die Kunst und den feinern Geschmack des Jahrhunderts von jenem so viel nachgelassen habe, daß dieses allein zu herrschen scheinen können.

Macht man keinen solchen Unterschied, so werden der Kenner und der Antiquar beständig mit einander im Streite liegen, weil sie einander nicht verstehen. Wenn jener, nach seiner Einsicht in die Bestimmung der Kunst, behauptet, daß dieses oder jenes der alte Künstler nie gemacht habe, nämlich als Künstler nicht, freiwillig nicht: so wird dieser es dahin ausdehnen, daß es auch weder die Religion, noch sonst eine außer dem Gebiete der Kunst liegende Ursache, von dem Künstler habe machen lassen, von dem Künstler nämlich als Handarbeiter. Er wird also mit der ersten mit der besten Figur den Kenner widerlegen zu können glau ben, die dieser ohne Bedenken, aber zu großem Aergernisse der gelehrten Welt, wieder zu dem Schutte verdammt, woraus sie gezogen worden. 1

Als ich oben behauptete, daß die alten Künstler keine Furien gebildet hätten, war es mir nicht entfallen, daß die Furien mehr als einen Tempel gehabt, die ohne ihre Statuen gewiß nicht gewesen sind. In dem zu Cerynea fand Pausanias dergleichen von Holz; sie waren weder groß, noch sonst besonders merkwürdig; es schien, daß die Kunst, die sich nicht an ihnen zeigen können, es an den Bildsäulen ihrer Priesterinnen, die in der Halle des Tempels standen, einbringen wollen, als welche von Stein, und von sehr schöner Arbeit waren (Pausanias Achaic. cap. XXV. p. 587. Edit. Kuhn.). Ich hatte eben so wenig vergessen, daß man Köpfe von ihnen auf einen Abraxas, den Chiffletius bekannt gemacht, und auf einer Lampe beim Licetus zu sehen glaube (Dissertat. sur les Furies par Banuier, Mémoires de l'Académie des Inscript. T. V. p. 48.). Auch sogar die Urne von hetrurischer Arbeit beim Gorius (Tabl. 151. Musei Etrusci.). auf welcher Dreftes und Pylades erscheinen, wie ihnen zwei Furien mit Fadeln zusehen, war mir nicht unbekannt. Allein ich redete von Kunstwerken, von welchen ich alle diese Stücke ausschließen zu können glaubte. Und wäre auch das leztere nicht sowohl als die übrigen davon auszuschließen, so dient es von einer andern Seite, mehr meine Meinung zu bestärken, als zu widerlegen. Denn so wenig auch die hetrurischen Künstler überhaupt auf das Schöne gearbeitet, so scheinen sie doch auch die Furien nicht sowohl durch schreckliche Gesichtszüge, als vielmehr durch ihre Tracht und Attribute ausgedrückt zu haben. Diese stoßen mit so ruhigem Gesichte dem Orestes und Pylades ihre Fadeln unter die Augen, daß sie fast scheinen, sie nur im Scherze erschreden zu wollen. Wie fürchterlich sie dem Dreftes und Pylades vorgekommen, läßt sich nur aus ihrer Furcht, keineswegs aber aus der Bildung der Furien selbst abnehmen. Es sind also Furien, und sind auch keine; fie verrichten das Amt der Furien, aber nicht in der Vorstellung von Grimm und Wuth, welche wir mit ihrem Namen zu verbinden gewohnt sind; nicht mit der Stirne, die wie Catull sagt: expirantis praeportal pectoris iras. Noch kürzlich glaubte Herr Winkelmann, auf einem Carniole in dem Stoßischen Cabinette, eine Furie im Laufe mit fliegendem Rocke und Haaren, und einem Dolche in der Hand, gefunden zu haben (Bibliothek der sch. Wiss. V. Band S. 30.). Der Herr von Hagedorn rieth hierauf auch den Künstlern schon an, sich diese Anzeige zu Nuze zu machen, und die Furien in ihren Gemälden so vorzustellen (Betrachtungen über die Malerei S. 222.). Allein Herr Winkelmann hat hernach diese seine Entdeckung selbst wiederum ungewiß gemacht, weil er nicht gefunden, daß die Furien, anstatt mit Fadeln, auch mit Dolchen von den Alten bewaffnet worden (Descript. des Pierres gravées p. 84.). Ohne Zweifel erkennt er also die Figuren, auf Münzen der Städte Lyrba und Maßaura, die Spannheim für Furien ausgiebt (Les Césars de Julien p. 44.) nicht dafür, sondern für eine Hecate triforinis; denn sonst fände fich allerdings hier eine Furie, die in jeder Hand einen Dolch führt, und es ist sonderbar,

Gegentheils kann man sich aber auch den Einfluß der Religion auf die Kunst zu groß vorstellen. Spence giebt hiervon ein sonderbares Beispiel. Er fand beim Ovid, daß Vesta in ihrem Tempel unter keinem persönlichen Bilde verehrt worden, und dieses dünkte ihm genug, daraus zu schließen, daß es überhaupt keine Bildfäulen von dieser Göttin gegeben habe, und daß alles, was man bisher dafür gehalten, nicht die Vesta, sondern eine Vestalin vor: stelle. 1 Eine seltsame Folge! Verlor der Künstler darum sein Recht, ein Wesen, dem die Dichter eine bestimmte Persön lichkeit geben, das sie zur Tochter des Saturnus und der Ops machen, das sie in Gefahr kommen lassen, unter die Mißhandlungen des Priapus zu fallen, und was sie sonst von ihr erzählen, verlor er, sage ich, darum sein Recht, dieses Wesen auch nach seiner Art zu personifiren, weil es in Einem Tempel nur unter dem Sinnbilde des Feuers verehrt ward? Denn Epence begeht dabei noch diesen Fehler, daß er das, was Ovid nur von einem gewissen Tempel der Vesta, nämlich von dem zu Rom sagt, 2 auf alle Tempel dieser Göttin ohne Unterschied, und auf ihre Berehrung überhaupt ausdehnt. Wie sie in diesem Tem pel zu Rom verehrt ward, so ward sie nicht überall ver ehrt, so war sie selbst nicht in Italien verehrt worden, ehe ihn Numa baute. Numa wollte keine Gottheit in menschlicher oder thierischer Gestalt vorgestellt wissen, und darin bestand ohne Zweifel die Verbesserung, die er in dem Dienste der Vesta machte, daß er alle persönliche Vorstellung von ihr daraus verbannte. Ovid selbst lehrt uns, daß es vor den Zeiten des Numa, Bildsäulen der Vesta in ihrem Tempel gegeben habe, die, als ihre Priesterin Sylvia Mutter ward, vor Echam die jungfräulichen Hände vor die Augen hoben. 3 Daß sogar in den Tempeln, welche die

daß eben diese auch in bloßen ungebundenen Haaren erscheint, die an den andern mit einem Schleier bedeckt find. Doch gesezt auch, es wäre wirklich so, wie es dem Herrn Winkelmann zuerst vorgekommen, so würde es auch mit diesem geschnittenen Steine eben die Bewandtniß haben, die es mit der hetrurischen Urne hat, es wäre denn, daß sich wegen Kleinheit der Arbeit gar keine Gesichtszüge erkennen ließen. Ueberdem gehören auch die geschnittenen Steine überhaupt, wegen ihres Gebrauchs als Siegel, schon mit zur Bildersprache, und ihre Figuren mögen öfter eigensinnige Symbole der Besizer, als freiwillige Berke der Künstler seyn.

1 Polymetis Dial. VII. p. 84.

2 Fast. lib. VI. v. 295-98.

Esse diu stultus Vestae simulacra putavi:
Mox didici curvo nulla subesse tholo.
Ignis inexstinctus templo celatur in illo.
Effigiem nullam Vesta, nec ignis, habet.

Dvid redet nur von dem Gottesdienste der Vesta in Rom, nur von dem Tempel, den ihr Numa daselbst erbaut hatte, von dem er kurz zuvor (v. 259. 60.) fagt:

Regis opus placidi, quo non metuentius ullum
Numinis ingenium terra Sabina tulit.

3 Fast. libr. III, v. 45. 46.

Sylvia fit mater: Vestae simulacra feruntur

Virgineas oculis opposuisse manus.

Auf diese Weise hätte Epence den Ovid mit sich selbst vergleichen sollen. Der Dichter redet von verschiedenen Zeiten. Hier von den Zeiten vor dem Numa, dort von den Zeiten nach ihm. In jenen ward sie in Italien unter persönlichen Vorstellungen verehrt, so wie

Göttin außer der Stadt in den römischen Provinzen hatte, ihre Verehrung nicht völlig von der Art gewesen, als sie Numa verordnet, scheinen verschiedene alte Inschriften zu beweisen, in welchen eines Pontificis Vestae gedacht wird. Auch zu Korinth war ein Tempel der Vesta ohne alle Bildsäule mit einem bloßen Altare, worauf der Göttin geopfert ward. 2 Aber hatten die Griechen darum gar keine Statuen der Vesta? Zu Athen war eine im Prytaneo, neben der Statue des Friedens. 3 Die Jasseer rühmten von einer, die bei ihnen unter freiem Himmel stand, daß weder Echnee noch Regen jemals auf sie falle. 4 Plinius gedenkt einer sizenden von der Hand des Ecopas, die sich zu seiner Zeit in den Servilianischen Gärten zu Rom befand.5 Zugegeben, daß es uns jezt schwer wird, eine bloße Vestalin von einer Vesta selbst zu unterscheiden, beweist dieses, oder daß sie auch die Alten nicht unterscheiden können, wohl gar nicht unterscheiden wollen?· Gewisse Kennzeichen sprechen offenbar mehr für die eine, als für die andere. Das Ecepter, die Fackel, das Palladium lassen sich nur in der Hand der Göttin vermuthen. Das Tympanum, welches ihr Codinus beilegt, kommt ihr vielleicht nur als der Erde zu, oder Codinus wußte selbst nicht recht, was er sahe. 6

fie in Troja war verehrt worden, von wannen Aeneas ihren Gottesdienst mit herüber gebracht hatte.

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Manibus vittas, Vestamque potentem Aeternumque adytis effert penetralibus ignem : sagt Virgil von dem Geiste des Hektors, nachdem er dem Aeneas zur Flucht gerathen. Hier wird das ewige Feuer von der Besta selbst, oder ihrer Bildsäule ausdrücklich unterschieden. Spence muß die römischen Dichter zu seinem Behufe doch noch nicht aufmerksam genug durchgelesen haben, weil ihm diese Stelle entwischt ist.

Lipsius de Vesta et Vestalibus cap. 13.

Pausanias Corinth. cap. XXXV. p. 198. Edit. Kuh.

3 Idem Attic. cap. XVIII. p. 41.

Ernest.

Polyb. Hist. libr. XVI. §. 11. Op. T. II. p. 443. Edit.

5 Plinius lib XXXVI. sect. 4. p. 727. Edit. Ilard. Scopas fecit Vestam sedentem laudatam in Servilianis hortis. Diese Stelle muß Lipfius in Gedanken gehabt haben, als er (de Vesta cap. 3.) schrieb: Plinius Vestam sedentem eflingi solitam ostendit, a stabilitate. Allein was Plinius von einem einzelnen Stücke des Ecopas sagt, hätte er nicht für einen allgemein angenommenen Chas rakter ausgeben sollen. Er merkt selbst an, daß auf den Münzen die Besta eben so oft stehend als sizend erscheine. Allein er verbeffert dadurch nicht den Plinius, sondern seine eigene falsche Einbildung.

6 Georg. Codinus de Originib. Constant. Edit Venet. p. 12. Την γην λεγουσιν Εζιαν, και πλαττουσι αὐτην γυναίκα, τυμπανον βαςάζουσαν, ἐπειδὴ τους ανέμους ή γη ὑφ ̓ ἑαυτὴν BuyedFLFL. Svidas: aus ihm, oder beide aus einem ältern, sagt unter dem Worte Ezine eben dieses. „Die Erde wird unter dem Na„men Vesta als eine Frau gebildet, welche ein Tympanon trägt, weil fie die Winde in sich verschloffen hält." Die Ursache ist ein wenig abgeschmackt. Es würde sich eher haben hören lassen, wenn er gesagt hätte, daß ihr deßwegen ein Tympanon beigegeben werde, weil die Alten zum Theil geglaubt, daß ihre Figur damit übereinkomme; σχήμα αυτης τυμπανοειδες εἶναι. (Plutarchus de placitis Philos. cap. 10. id. de facie in orbe Lunae.) Wo sich aber Codinus nur nicht entweder in der Figur, oder in dem Namen, oder gar in beiden geirrt hat. Er wußte vielleicht, was er die Besta tragen sah, nicht besser zu nennen, als ein Tympanum; oder hörte es ein Tympanum nennen, und konnte sich nichts anders dabei gedenken, als das Instrument, welches wir eine Heerpaute nennen. Tympana waren aber auch eine Art von Rädern;

X. It mer not eine Befcembung des Spence an, welbe Beutlich seigt, wie wenig er über die Gränzen der Boefe una Malerei muj maźgeraćt babem.

Baš vie Raten überbaupt betrifft, fagt er, so ift es tod fanterbar, daß die Titer in Beitreitung derselben ia foariam hut, weit paríamer, alè man es bei Gettin „nen, benem ñie is große Berbindlichkeit baben, erwarten „fecte - 1

Kas berst das anters, ale fid wundern, daß wenn the Diéter von ihnen reten, fie es nicht in der tummen Serate per Daler tbun? Urania ift den Dichtern die Muie der Sternfunit; aus ibrem Ramen, aus ihren Bers ritungen ertennen wir ihr Amt. Der Künstler, um es tenntlich zu maten, muß fie mit einem Stabe auf eine Cimmelstugel weisen lañen; dieser Stab, diese Himmelsfugel, bicie ibre Stellung find feine Buchstaben, aus welden er uns ben Namen Urania zusammenießen läßt. Aber wenn der Dicter fagen will: Urania hatte seinen Tod längst aus den Sternen vorhergesehen;

Ipea dia positis lethum praedixerat astris
Crania -*

warum soll er, in Rücsicht auf den Maler, dazu sezen: Urania, den Hatius in der Hand, die Himmelstugel vor fich? Bäre es nicht, als ob ein Menich, der laut reden lann und dari, sich noch zugleich der Zeichen bedienen follte, welche die Stummen im Serraglio des Türken, aus Mangel der Stimme, unter sich erfunden haben?

Ebendieselbe Befremdung äußert Spence nochmals bei den moraliichen Wesen, oder denjenigen Gottheiten, welche bie Alten den Tugenden und der Führung des menschlichen Lebens vorjetten. 3 „Es verdient angemerkt zu werden, ,,jagt er, daß die römischen Tichter von den besten dieser ,,moralischen Weien weit weniger sagen, als man erwar: ,,ten sollte. Tie Artisten sind in diesem Stücke viel reicher,

"

„und wer wissen will, was jedes derselben für einen Auf„jug gemacht, darf nur die Münzen der römischen Kaiser „zu Hathe ziehen. 4 Die Dichter sprechen von diesen „Weien zwar öfters, als von Personen; überhaupt aber ,,fagen fie von ihren Attributen, ihrer Kleidung und übri„gem Ansehen sehr wenig."

Wenn der Dichter Abstracta personifirt, so sind sie durch den Namen, und durch das, was er sie thun läßt, genug fam daralterisirt.

Tem Künstler fehlen diese Mittel. Er muß also seinen
Hline radios trivere rotis, hinc tympana plaustris
Agricolae -

(Virgilius Georgic. lib. II. v. 444. Und einem solchen Rade scheint mir bas, was sich an der Besta des Fabretti zeigt (Ad Tabulam Hadis p. #W), und dieser Gelehrte für eine Handmühle hält, sehr ähnlich zu seyn.

1 Poynetis Dial. VIII. p. 91.

a Statius Theb. VIII. v. 554.

⚫ Polym. Dial. X. p. 137.

4 Thid p 134.

verioniärten Abstractis Stabülder zugeben, durch welche ñe tennilid werden. Die Städer weil sie etwas anders find, und etwas anders bedeuten, machen sie zu alle: gorüden Figuren.

Eine Frauensperion mit einem Zaume in der Hand; eine andere an eine Stule gelehnt, sind in der Kunst allegorisde Beien. Käein die Rißigung, die Standhaftigkeit bei dem Dichter Änd teine alegoriide Weien, sondern bloß perionirte Abstracta.

Die Sinnbilder dieser Besen bei dem Künstler, hat die Roth erfunden. Denn er kann sið duré nichts anders verständlich machen, was diese oder jene Figur bedeuten foll. Bozu aber den Künstler die Kotb treibt, warum soll sich das der Didier aufdringen lañen, der von dieser Noth nichts weiß?

Bas Svencen so sehr befremdet, verdient den Dichtern als eine Regel vorgeschrieben zu werden. Sie müssen die Bedürfnisse der Malerei nicht zu ihrem Reichtbume wachen. Sie müñen die Mittel, welche die Kunst erfunden hat, um der Bоeñe nachzukommen, nicht als Vollkommenheiten betrachten, auf die sie neidisch zu jevn Ursache hätten. Wenn der Künstler eine Figur mit Sinnbildern ausziert, so erhebt er eine bloße Figur zu einem höhern Wescn. Bedient sich aber der Dichter diejer malerischen Ausstassirungen, so macht er aus einem höbern Wejen eine Puppe.

So wie diese Regel durch die Befolgung der Alten bewährt ist, so ist die gefliffentliche Uebertretung derselben ein Lieblingsfehler der neuern Dichter. Alle ihre Wejen der Einbildung geben in Maste, und die sich auf diese Maskeraden am besten versteben, verstehen sich meistentheils auf das Hauptwert am wenigsten: nämlich, ihre Wesen handeln zu lassen, und sie durch die Handlungen derselben zu charakterisiren.

Doch giebt es unter den Attributen, mit welchen die Künstler ihre Abstracta bezeichnen, eine Art, die des poetischen Gebrauchs fähiger und würdiger ist. Ich meine die

jenigen, welche eigentlich nichts allegorisches haben, sondern als Werkzeuge zu betrachten sind, deren sich die Wesen, welchen sie beigelegt werden, falls sie als wirkliche Personen handeln sollten, bedienen würden oder könnten. Der Zaum in der Hand der Mäßigung, die Säule, an welche sich die Standhaftigkeit lehnt, sind lediglich allego= risch, für den Dichter also von keinem Rußen. Die Wage in der Hand der Gerechtigkeit, ist es schon weniger, weil der rechte Gebrauch der Wage wirklich ein Stück der Gerechtigkeit ist. Die Leyer oder Flöte aber in der Hand einer Muse, die Lanze in der Hand des Mars, Hammer und Zange in den Händen des Vulkans, sind ganz und gar feine Sinnbilder, sind bloße Instrumente, ohne welche diese Wesen die Wirkungen, die wir ihnen zuschreiben, nicht her: vorbringen können. Von dieser Art sind die Attribute, welche die alten Dichter in ihre Beschreibungen etwa noch einflechten, und die ich deßwegen zum Unterschiede jener

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