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Menandern herrührt, dieses allein schon hätte mich wenigs ftens abgeschredt, den Terenz deßfalls zu verdammen. Das

young gallant, one mistress, as in Menander, he had two old men etc. He therefore adds very properly: novam esse ostendi, which certainly could not have been implied, had the characters been the same in the Greek poet. Auch schon Adrian Barlandus, ja selbst die alte Glossa interlinealis des Ascenfius hatte das duplex nicht anders verstanden; propter senes et juvenes sagt diese; und jener schreibt, nam in hac latina senes duo, adolescentes item duo sunt. Und dennoch will mir diese Auslegung nicht in den Kopf, weil ich gar nicht einsehe, was von dem Stücke übrig bleibt, wenn man die Personen, durch welche Tereng den Alten, den Liebhaber und die Geliebte verdoppelt haben soll, wieder wegnimmt. Mir ist es unbegreiflich, wie Menander diesen Stoff ohne den Chremes und ohne den Clitipho habe behandeln können; beide sind so genau hineingeflochten, daß ich mir weder Verwidlung noch Auflösung ohne sie denken kann. Einer andern Erklärung, durch welche fich Julius Scaliger lächerlich gemacht hat, will ich gar nicht gedenken. Auch die, welche Eugraphius gegeben hat und die vom Faerne angenommen worden, ist ganz unschicklich. In dieser Verlegenheit haben die Kritiker bald das duplex, bald das simplici in der Zeile zu verändern gesucht, wozu sie die Handschriften gewissermaßen berechtigten. Einige haben gelesen:

Andere:

Duplex quae ex argumento facta est duplici.

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Id esse factum hic non negat
Neque se pigere, et deinde factum iri autumat.
Habet bonorum exemplum: quo exemplo sibi
Licere id facere, quod illi fecerunt, putat.

Ich habe es gethan, sagt er, und ich denke, daß ich es noch öfter thun werde. Das bezog sich aber auf vorige Stücke und nicht auf das gegenwärtige, den Heautontimorumenos. Denn dieser war nicht aus wei griechischen Etüden, sondern nur aus einem einzigen gleiches Ramens genommen. Und das ist es, glaube ich, was er in der streitigen Zeile sagen will, so wie ich sie zu lesen vorschlage:

Simplex quae ex argumento facta est simplici.

So einfach, will Terenz fagen, als das Stück des Menanders ist, eben so einfach ist auch mein Stück; ich habe durchaus nichts aus andern Stücken eingeschaltet: es ist, so lang es ist, aus dem griechischen Stücke genommen, und das griechische Stück ist ganz in meinem lateinischen; ich gebe also

Ex integra Graeca integram Comoediam.

Die Bedeutung, die Faerne dem Worte integra in einer alten Gloffe gegeben fand, daß es so viel seyn sollte, als a nullo tacta, ift hier offenbar falsch, weil sie sich nur auf das erste integra, aber teineswegs auf das zweite integram schicken würde. Und so glaube ich, baß sich meine Bermuthung und Auslegung wohl hören läßt! Kur wird man sich an die gleich folgende Zeile stoßen: Novam esse ostendi, et quae esset

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ὦ Μενανδρε και βιε, πότερος ἀρ' ύμων πότερον ἐμιμησατο; ist zwar frostiger, als wißig gesagt; doch würde man es wohl überhaupt von einem Dichter gesagt haben, der Charaktere zu schildern im Stande wäre, wovon sich in der größten Stadt kaum in einem ganzen Jahrhundert ein einziges Beispiel zeigt? Zwar in hundert und mehr Stücken fönnte ihm auch wohl Ein solcher Charakter entfallen seyn. Der fruchtbarste Kopf schreibt sich leer; und wenn die Einbildungskraft sich keiner wirklichen Gegenstände der Nachahmung mehr erinnern kann, so componirt sie deren selbst, welches denn freilich meistens Karrikaturen werden. Dazu will Diderot bemerkt haben, daß schon Horaz, der einen so besonders zärtlichen Geschmack hatte, den Fehler, wovon die Rede ist, eingesehen, und im Vorbeigehen, aber fast unmerklich, getadelt habe.

Die Stelle soll die in der zweiten Eatyre des ersten Buchs seyn, wo Horaz zeigen will, „daß die Narren aus ,, einer Uebertreibung in die andere entgegengesezte zu fal,,len pflegen. Fufidius, sagt er, fürchtet für einen Ver„schwender gehalten zu werden. Wißt ihr, was er thut? „Er leiht monatlich für fünf Procent, und macht sich im „Voraus bezahlt. Je nöthiger der andere das Geld braucht, „desto mehr fordert er. Er weiß die Namen aller jungen Leute, die von gutem Hause sind und jezt in die Welt „treten, dabei aber über harte Väter zu klagen haben. ,,Vielleicht aber glaubt ihr, daß dieser Mensch wieder einen „Aufwand mache, der seinen Einkünften entspricht? Weit gefehlt! Er ist sein grausamster Feind, und der Vater in

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Man wird sagen: wenn Terenz bekennt, daß er das ganze Stüď aus einem einzigen Stücke des Menanders genommen habe; wie kann er eben durch dieses Bekenntniß bewiesen zu haben vorgeben, daß sein Stück neu sey, novam esse? Doch diese Schwierigkeit kann ich sehr leicht heben, und zwar durch eine Erklärung eben dieser Worte, von welcher ich mich zu behaupten getraue, daß sie schlechterdings die einzig wahre ist, ob fie gleich nur mir zugehört, und kein Ausleger, so viel ich weiß, fie nur von weitem vermuthet hat. Ich sage nämlich: die Worte

Novam esse ostendi, et quae esset beziehen sich keineswegs auf das, was Terenz den Vorredner in dem Vorigen sagen lassen; sondern man muß darunter verstehen apud Aediles; novus aber heißt hier nicht, was aus des Terenz eigenem Kopfe geflossen, sondern bloß, was im Lateinischen noch nicht vorhanden gewesen. Daß mein Stück, will er fagen, ein neues Stück sey, das ist ein solches Stück, welches noch nie lateinisch erschienen, welches ich selbst aus dem Griechischen überseßt, das habe ich den Aedilen, die mir es abgekauft, bewiesen. Um mir hierin ohne Bedenken beizufallen, darf man sich nur an den Streit erinnern, welchen er wegen seines Eunuchus vor den Aedilen hatte. Diesen hatte er ihnen als ein neues, von ihm aus dem Griechischen überseßtes Stück verkauft; aber sein Widersacher, Lavinius, wollte den Aedilen überreden, daß er es nicht aus dem Griechischen, sondern aus zwei alten Stücken des Nävius und Plautus genommen habe. Freilich hatte der Eunuchus mit diesen Stüden vieles gemein; aber doch war die Beschuldigung des Lavinius falsch; denn Terenz hatte nur aus eben der griechischen Quelle geschöpft, aus welcher, ihm unwissend, schon Nävius und Plautus vor ihm geschöpft hatten. Also, um dergleichen Berleumdungen bei seinem Heautontimorumenos vorzubauen, was war natürlicher, als daß er den Aedilen das griechische Original vorgezeigt und sie wegen des Inhalts unterrichtet hatte? Ja, die Aedilen konnten das leicht selbst von ihm gefordert haben. Und darauf geht das Novam esse ostendi, et quae esset.

,,der Komödie, der sich wegen der Entweichung seines „Sohnes bestraft, kann sich nicht schlechter quälen: non ,,se pejus cruciaverit.“ Dieses schlechter, dieses pejus, will Diderot, soll hier einen doppelten Sinn haben; einmal soll es auf den Fufidius und einmal auf den Terenz gehen; dergleichen beiläufige Hiebe, meint er, wären dem Charakter des Horaz auch vollkommen gemäß.

Das lezte kann seyn, ohne sich auf die vorhabende Stelle anwenden zu lassen. Denn hier, dünkt mich, würde die beiläufige Anspielung dem Hauptverstande nachtheilig werden. Fufidius ist kein so großer Narr, wenn es mehr solche Narren giebt. Wenn sich der Vater des Terenz eben so abgeschmackt peinigte, wenn er eben so wenig Ursache hätte, sich zu peinigen, als Fufidius, so theilt er das Lächerliche mit ihm, und Fufidius ist weniger seltsam und abgeschmackt. Nur alsdann, wenn Fufidius ohne alle Ursache eben so hart und grausam gegen sich selbst ist, als der Vater des Lerenz mit Ursache ist, wenn jener aus schmußigem Geize thut, was dieser aus Reue und Betrübniß that: nur alsdann wird uns jener unendlich lächerlicher und verächtlicher, als mitleidswürdig wir diesen finden.

daß Menedemus selbst hadt, selbst gräbt, selbst acert: so hat er wohl in der Eile mehr an unsere neuere als an die alten Sitten gedacht. Ein reicher Vater jeßiger Zeit würde das freilich nicht so leicht thun: denn die wenigsten würden es zu thun verstehen. Aber die wohlhabendsten, vornehmsten Römer und Griechen waren mit allen ländlichen Arbeiten bekannter und schämten sich nicht, selbst Hand anzulegen.

Doch alles sey vollkommen wie es Diderot sagt! Der Charakter des Selbstpeinigers sey wegen des allzu Eigenthümlichen, wegen dieser ihm fast nur allein zukommenden Falte, zu einem komischen Charakter so ungeschickt, als er nur will. Wäre Diderot nicht in eben den Fehler gefallen? Denn was kann eigenthümlicher seyn, als der Charakter seines Dorval? Welcher Charakter kann mehr eine Falte haben, die ihm nur allein zukommt, als der Charakter dieses natürlichen Sohnes? „Gleich nach meiner Geburt,“ läßt er ihn von sich selbst sagen, „ward ich an einen Ort ,, verschleudert, der die Gränze zwischen Einöde und Gesell „schaft heißen kann; und als ich die Augen aufthat, mich „nach den Banden umzusehen, die mich mit den Menschen „verknüpften, konnte ich kaum einige Trümmer davon erblicken. „Dreißig Jahre lang irrte ich unter ihnen ein„sam, unbekannt und verabsäumt umher, ohne die Zärt

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Und allerdings ist jede große Betrübniß von der Art, wie die Betrübniß dieses Vaters; die sich nicht selbst vergißt, die peinigt sich selbst. Es ist wider alle Erfahrung,,,lichkeit irgend eines Menschen empfunden, noch irgend daß kaum alle hundert Jahre sich ein Beispiel einer solchen ‚einen Menschen angetroffen zu haben, der die meinige Betrübniß finde; vielmehr handelt jede ungefähr eben so, „gesucht hätte." Daß ein natürliches Kind sich vergebens nur mehr oder weniger, mit dieser oder jener Veränderung. nach seinen Eltern, vergebens nach Personen umsehen kann, Cicero hatte auf die Natur der Betrübniß genauer gemerkt; mit welchen es die nähern Bande des Bluts verknüpfen: er sah daher in dem Betragen des Heautontimorumenos das ist sehr begreiflich; das kann unter zehnen neunen benichts mehr, als was alle Betrübte, nicht bloß von dem gegnen. Aber daß es ganze dreißig Jahre in der Welt Affecte hingerissen, thun, sondern auch bei kälterm Geblüte herumirren könne, ohne die Zärtlichkeit irgend eines Menfortseßen zu müssen glauben. 1 Haec omnia recta, vera, schen empfunden zu haben, ohne irgend einen Menschen debita putantes, faciunt in dolore: maximeque de- angetroffen zu haben, der die seinige gesucht hätte: das, claratur, hoc quasi officii judicio fieri, quod si qui sollte ich fast sagen, ist schlechterdings unmöglich. Oder forte, cum se in luctu esse vellent, aliquid fecerunt wenn es möglich wäre, welche Menge ganz besonderer humanius, aut si hilarius locuti essent, revocant se Umstände müßten von beiden Seiten, von Seiten der Welt rursus ad moestitiam, peccatique se insimulant, und von Seiten dieses so lange isolirten Wesens zusammen quod dolere intermiserint: pueros vero matres et gekommen seyn, diese traurige Möglichkeit wirklich zu mamagistri castigare etiam solent, nec verbis solum, chen? Jahrhunderte auf Jahrhunderte werden verfließen, sed etiam verberibus, si quid in domestico luctu ehe sie wieder einmal wirklich wird. Wolle der Himmel hilarius ab iis factum est, aut dictum: plorare co- nicht, daß ich mir je das menschliche Geschlecht anders vor: gunt. Quid ille Terentianus ipse se puniens? stelle! Lieber wünschte ich sonst, ein Bär geboren zu seyn, u. s. w. als ein Mensch. Nein, kein Mensch kann unter Menschen so lange verlassen seyn! Man schleudere ihn hin, wehin man will; wenn er noch unter Menschen fällt, so fällt er unter Wesen, die, ehe er sich umgesehen, wo er ist, auf allen Seiten bereit stehen, sich an ihn anzuketten. Sind es nicht vornehme, so sind es geringe! Sind es nicht glüd: liche, so sind es unglückliche Menschen! Menschen sind es doch immer. So wie ein Tropfen nur die Fläche des Wajs sers berühren darf, um von ihm aufgenommen zu werden und ganz in ihm zu verfließen, das Wasser heiße wie es will, Lache oder Quelle, Strom oder See, Belt oder Ocean,

Menedemus aber, so heißt der Selbstpeiniger bei dem Terenz, hält sich nicht allein so hart aus Betrübniß; son: dern, warum er sich auch jeden geringen Aufwand verwei gert, ist die Ursache und Absicht vornehmlich dieses, um desto mehr für den abwesenden Sohn zu sparen, und dem einmal ein desto gemächlicheres Leben zu versichern, den er jezt gezwungen, ein so ungemächliches zu ergreifen. Was ist hierin, was nicht hundert Väter thun würden? Meint aber Diderot, daß das Eigene und Seltsame darin bestehe, 1 Tusc. Quaest. lib. III. c. 27.

Gleichwohl soll diese dreißigjährige Einsamkeit unter | Wahrheit den wesentlichen Unterschied zwischen der Geden Menschen den Charakter des Dorval gebildet haben. Welcher Charakter kann ihm nun ähnlich sehen? Wer kann sich in ihm erkennen? nur zum kleinsten Theil in ihm er: kennen?

Eine Ausflucht, finde ich doch, hat sich Diderot auszu sparen gesucht. Er sagt in dem Verfolge der angezogenen Stelle: In der ernsthaften Gattung werden die Charaktere oft eben so allgemein seyn, als in der komischen Gattung; fie werden aber allezeit weniger individuell seyn, als in „der tragischen.“ Er würde sonach antworten: Der Cha: rakter des Dorval ist kein komischer Charakter; er ist ein Charakter, wie ihn das ernsthafte Schauspiel erfordert; wie dieses den Raum zwischen Komödie und Tragödie füllen soll, so müssen auch die Charaktere desselben das Mittel zwischen den komischen und tragischen Charakteren halten; fie brauchen nicht so allgemein seyn als jene, wenn sie nur 1 nicht so völlig individuell sind als diese; und solcher Art =dürfte doch wohl der Charakter des Dorval seyn.

Also wären wir glücklich wieder an dem Puncte, von welchem wir ausgingen. Wir wollen untersuchen, ob es wahr sey, daß die Tragödie Individuen, die Komödie aber Arten habe: das ist, ob es wahr sey, daß die Personen der = komödie eine große Anzahl von Menschen fassen und zugleich vorstellen müßten; da hingegen der Held der Tra: gödie nur der und der Mensch, nur Regulus, oder Brutus, oder Cato sey und seyn solle. Ist es wahr, so hat auch das, was Diderot von den Personen der mittlern Gattung sagt, die er die ernsthafte Komödie nennt, keine Schwierigteit, und der Charakter seines Dorval wäre so tadelhaft nicht. Ist es aber nicht wahr, so fällt auch dieses von selbst weg, und dem Charakter des natürlichen Sohnes kann aus einer so ungegründeten Eintheilung keine Rechtfertigung zufließen.

Neunundachtzigstes Stück.

Den 8. März 1768.

schichte und Poesie, so wie den größern Nußen der leßtern vor der erstern gegründet. Auch hat er es auf eine so einleuchtende Art gethan, daß ich nur seine Worte anführen darf, um keine geringe Verwunderung zu erwecken, wie in einer so offenbaren Sache ein Diderot nicht gleicher Meinung mit ihm seyn könne.

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‚Aus diesen also“, sagt Aristoteles, ' nachdem er die wesentlichen Eigenschaften der poetischen Fabel festgeseßt, „aus diesen also erhellet klar, daß des Dichters Werk nicht ,,ist, zu erzählen, was geschehen, sondern zu erzählen, von ‚welcher Beschaffenheit das Geschehene und was nach der Wahrscheinlichkeit oder Nothwendigkeit dabei möglich ge ‚wesen. Denn Geschichtschreiber und Dichter unterscheiden „sich nicht durch die gebundene oder ungebundene Rede: „indem man die Bücher des Herodotus in gebundene Rede ,,bringen kann, und sie darum doch nichts weniger in ge„bundener Rede eine Geschichte seyn werden, als sie es in ,,ungebundener waren. Sondern darin unterscheiden sie ,,sich, daß jener erzählt, was geschehen: dieser aber, von ,, welcher Beschaffenheit das Geschehene gewesen. Daher „ist denn auch die Poesie philosophischer und nüßlicher als „die Geschichte. Denn die Poesie geht mehr auf das All„gemeine, und die Geschichte auf das Besondere. Das All,,gemeine aber ist, wie so oder so ein Mann nach der „Wahrscheinlichkeit oder Nothwendigkeit sprechen und han,,deln würde; als worauf die Dichtkunst bei Ertheilung „der Namen sieht. Das Besondere hingegen ist, was Alci„biades gethan oder gelitten hat. Bei der Komödie nun „hat sich dieses schon ganz offenbar gezeigt; denn wenn „die Fabel nach der Wahrscheinlichkeit abgefaßt ist, legt „man die etwaigen Namen sonach bei, und macht es nicht ,,wie die jambischen Dichter, die bei dem Einzelnen bleiben. ,,Bei der Tragödie aber hält man sich an die schon vor,,handenen Namen, aus Ursache, weil das Mögliche glaub,,würdig ist, und wir nicht möglich glauben, was nie geschehen, dahingegen was geschehen, offenbar möglich seyn

„wäre. Und doch sind auch in den Tragödien in einigen „nur ein oder zwei bekannte Namen, und die übrigen sind ,,erdichtet: in einigen auch gar keiner, so wie in der Blume des Agathon. Denn in diesem Stücke sind Handlungen und Namen gleich erdichtet, und doch gefällt „es darum nichts weniger.“

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Zuerst muß ich anmerken, daß Diderot seine Assertion,muß, weil es nicht geschehen wäre, wenn es nicht möglich ohne allen Beweis gelassen hat. Er muß sie für eine Wahrheit angesehen haben, die kein Mensch in Zweifel ziehen werde, noch könne; die man nur denken dürfe, um ihren Grund zugleich mit zu denken. Und sollte er den wohl gar in den wahren Namen der tragischen Personen gefunden haben? Weil diese Achilles, und Alexander, und Cato, und Augustus heißen, und Achilles, Alexander, Cato, Augustus wirklich einzelne Personen gewesen sind; sollte er wohl daraus geschlossen haben, daß sonach alles, was der Dichter in der Tragödie sie sprechen und handeln läßt, auch nur diesen einzelnen so genannten Personen und feinem in der Welt zugleich mit müsse zukommen können? Fast scheint es so.

Aber diesen Irrthum hatte Aristoteles schon vor zwei tausend Jahren widerlegt, und auf die ihr entgegen stehende

In dieser Stelle, die ich nach meiner eigenen Uebersezung anführe, mit welcher ich so genau bei den Worten geblieben bin als möglich, sind verschiedene Dinge, welche von den Auslegern, die ich noch zu Rathe ziehen können, entweder gar nicht oder falsch verstanden worden. Was davon hier zur Sache gehört, muß ich mitnehmen.

Das ist unwidersprechlich, daß Aristoteles schlechterdings keinen Unterschied zwischen den Personen der Tragödie

1 Dichtl. 9. Capitel.

und Komödie in Ansehung ihrer Allgemeinheit macht. | die Poesie bei Ertheilung der Namen auf dieses Allgemeine

Die einen sowohl als die andern, und selbst die Personen der Epopee nicht ausgeschlossen, alle Personen der poeti schen Nachahmung ohne Unterschied sollen sprechen und handeln, nicht wie es ihnen einzig und allein zukommen könnte, sondern so wie ein jeder von ihrer Beschaffenheit in den nämlichen Umständen sprechen oder handeln würde und müßte. In diesem zadolov, in dieser Allgemeinbeit liegt allein der Grund, warum die Poesie philosophischer und folglich lehrreicher ist als die Geschichte; und wenn es wahr ist, daß derjenige komische Dichter, welcher seinen Personen so eigene Physiognomien geben wollte, daß ihnen nur ein einziges Individuum in der Welt ähnlich wäre, die Komödie, wie Diderot sagt, wiederum in ihre Kindheit zurückseßen und in Satyre verkehren würde: so ist es auch eben so wahr, daß derjenige tragische Dichter, welcher nur den und den Menschen, nur den Cäsar, nur den Cato, nach allen den Eigenthümlichkeiten, die wir von ihnen wissen, vorstellen wollte, ohne zugleich zu zeigen, wie alle diese Eigenthümlichkeiten mit dem Charakter des Cäjar und Cato zusammen gehangen, der ihnen mit mehrern kann gemein seyn, daß, sage ich, dieser die Tragödie entkräften und zur Geschichte erniedrigen würde.

Aber Aristoteles sagt auch, daß die Poesie auf dieses Allgemeine der Personen mit den Namen, die sie ihnen ertheile, siele (ού ζοχάζεται ἡ ποιησις όνοματα ἐπιτιθε μavn), welches sich besonders bei der Komödie deutlich ge= zeigt habe. Und dieses ist es, was die Ausleger dem Aristoteles nachzusagen sich begnügt, im geringsten aber nicht erläutert haben. Wohl aber haben verschiedene sich so dar: über ausgedrückt, daß man klar sieht, sie müssen entweder nichts, oder etwas ganz falsches dabei gedacht haben. Die Frage ist: wie sieht die Poesie, wenn sie ihren Personen Namen ertheilt, auf das Allgemeine dieser Personen? und wie ist diese ihre Rücksicht auf das Allgemeine der Person, besonders bei der Komödie, schon längst sichtbar gewesen?

Die Borte: έτι δε καθόλου μεν, τῷ ποιῳ τα ποὶ ἀττα συμβαίνει λέγειν, ή πράττειν κατα το είκος, ή το αναγκαιον, οὐ ζυχάζεται ἡ ποιησις ὀνόματα ἐπιτίθεμενη, übers sept Dacier: une chose générale, c'est ce que tout homme d'un tel ou d'un tel caractère, a dû dire, ou faire vraisemblablement ou nécessairement, ce qui est le but de la Poésie, lors même, qu'elle impose les noms à ses personnages. Vollkommen so übersetzt sie auch Herr Curtius: „Das Allgemeine ist, was ,,einer, vermöge eines gewissen Charakters, nach der Wahr„scheinlichkeit oder Nothwendigkeit redet oder thut. Dieses ,,Allgemeine ist der Endzweck der Dichtkunst, auch wenn sie „den Personen besondere Namen beilegt." Auch in ihrer Anmerkung über diese Worte stehen beide für einen Mann; der eine sagt vollkommen eben das, was der andere sagt. Sie erklären beide, was das Allgemeine ist; sie sagen beide, daß dieses Allgemeine die Absicht der Poesie sey: aber wie

sieht, davon sagt keiner ein Wort. Vielmehr zeigt der Franzose durch sein lors même, so wie der Deutsche durch sein auch wenn offenbar, daß sie nichts davon zu sagen gewußt, ja daß sie gar nicht einmal verstanden, was Aristoteles sagen wollen. Denn dieses lors même, dieses auch wenn heißt bei ihnen nichts mehr, als ob schon; und sie lassen den Aristoteles sonach bloß sagen, daß ungeachtet die Poesie ihren Personen Namen von einzelnen Personen beilege, sie dem ungeachtet nicht auf das Einzelne dieser Personen, sondern auf das Allgemeine derselben gebe. Die Worte des Dacier, die ich in der Note anführen will, 1 zeigen dieses deutlich. Nun ist es wahr, daß dieses eigent: lich keinen falschen Sinn macht; aber es erschöpft doch auch den Sinn des Aristoteles hier nicht. Nicht genug, daß die Poesie, ungeachtet der von einzelnen Personen genommenen Namen, auf das Allgemeine gehen lann: Aristoteles sagt, daß sie mit diesen Namen selbst auf das Allgemeine ziele, où soyagerai. Ich sollte doch wohl meinen, daß beides nicht einerlei wäre. Jst es aber nicht einerlei: so gerath man nothwendig auf die Frage: wie zielt sie darauf? Und auf diese Frage antworten die Ausleger nichts.

Neunzigstes Stück.

Den 11. März 1768.

Wie sie darauf ziele, sagt Aristoteles, dieses habe sich schon längst an der Komödie deutlich gezeigt. Eni yev oir της κωμωδίας ήδη τούτο δηλον γεγονεν συζησαντες γαρ τον μύθον δια των είκότων, ούτω τα τυχοντα όνόματα ἐπιτιθεασι, και οὐχ ώσπερ οἱ ιἀμβοποιοι περι των καθ' ézazov gotovőiv. Ich muß auch hiervon die Ueberseßungen des Dacier und Curtius anführen. Dacier sagt: C'est ce qui est déjà rendu sensible dans la Comédie, car

1 Aristote previent ici une objection, qu'on pouvoit lui faire, sur la définition, qu'il vient de donner d'une chose générale; car les ignorans n'auroient pas manqué de lui dire, qu' Homère, par exemple, n'a point en vue d'écrire une action générale et universelle, mais une action particulière, puisqu'il raconte ce qu'ont fait de certains hommes, comme Achille, Agamemnon, Ulysse etc., et que par conséquent, il n'y a aucune différence entre Homère et un Historien, qui auroit écrit les actions d'Achille. Le Philosophe va au devant de cette objection, en faisant voir que les Poètes, c'est à dire, les Auteurs d'une Tragédie ou d'un Poëme Épique, lors même, qu'ils imposent les noms à leurs personnages ne pensent en aucune manière à les faire parler véritablement, ce qu'ils seroient obligés de faire, s'ils écrivoient les actions particulières et véritables d'un certain homme, nommé Achille ou Edipe, mais qu'ils se proposent de les faire parler et agir nécessairement ou vraisemblablement: c'est à dire, de leur faire dire, et faire tout ce que des hommes de ce même caractère devoient faire et dire en cet état, ou par nécessité, ou au moins selon les règles de la vraisemblance; ce qui prouve incontestablement que ce sont de actions générales et universelles. Nichts anders sagt auch Hr. Curtius in seiner Anmerkung; nur daß er das Allgemeine und Einzelne noch an Beispielen zeigen wollen, die aber nicht so recht beweisen, daß er auf den Grund der Sache gekommen. Denn ihnen zufolge würden es nur personifirte Charaktere seyn, welche der Dichter reden und handein ließe: da es doch charakterisirte Personen seyn sollen.

les Poètes comiques, après avoir dressé leur sujet | vel Syrus vel Geta: miles Thraso vel Posur la vraisemblance imposent après cela à leurs personnages tels noms qu'il leur plaît, et n'imitent pas les Poètes satyriques, qui ne s'attachent qu'aux choses particulières. Und Curtius: In dem Lustspiele ist dieses schon lange sichtbar gewesen. Denn wenn die Komödienschreiber den Plan der Fabel nach der Wahrs icheinlichkeit entworfen haben, legen sie den Personen will„kürliche Namen bei, und seßen sich nicht, wie die jambi schen Dichter, einen besondern Vorwurf zum Ziele." Was findet man in diesen Ueberseßungen von dem, was Aristoteles hier vornehmlich sagen will? Beide lassen ihn weiter nichts sagen, als daß die komischen Dichter es nichtschen Ursprungs und haben der Etymologie nach immer machten wie die jambischen (das ist, satyrischen Dichter), | und sich an das Einzelne hielten, sondern auf das Allgemeine mit ihren Personen gingen, denen sie willkürliche Namen, tels noms qu'il leur plaît, beilegten. Gesezt nun aud, δαβ τα τυχοντα όνοματα bergleiden Flamen bedeuten könnten: wo haben denn beide Ueberscher das orro gelassen? Schien ihnen denn dieses ovro gar nichts zu sagen? Und doch sagt es hier alles: denn diesem oiro zufolge legten die komischen Dichter ihren Personen nicht allein willkürliche Namen bei, sondern sie legten ihnen diese willkürlichen Namen so, ovro bei. Und wie so? So, daß he mit diesen Namen selbst auf das Allgemeine zielten: οὐ ςοχάζεται ἡ ποιησις όνόματα ἐπιτιθεμένη. lnb mie geschah das? Davon finde man mir ein Wort in den Anmerkungen des Dacier und Curtius!

lemon; juvenis Pamphilus: matrona Myrrhina, et puer ab odore Storax: vel a ludo et a gesticulatione Circus: et item similia. In quibus summum Poëtae vitium est, si quid e contrario repugnans contrarium diversumque protulerit nisi per avrippadi nomen imposuerit joculariter, ut Misargyrides in Plauto dicitur trapezita. Wer | sich durch noch mehr Beispiele hiervon überzeugen will, der darf nur die Namen bei dem Plautus und Terenz unter- · suchen. Da ihre Stücke alle aus dem Griechischen genommen sind so sind auch die Namen ihrer Personen griechis

Ohne weitere Umschweise: es geschah so, wie ich nun sagen will. Die Komödie gab ihren Personen Namen, welche, vermöge ihrer grammatischen Ableitung und Zu sammensetzung oder auch sonstigen Bedeutung, die Beschaf fenheit dieser Personen ausdrückten; mit einem Worte, sie gab ihnen redende Namen, Namen, die man nur hören durfte, um sogleich zu wissen, von welcher Art die seyn würden, die sie führen. Ich will eine Stelle des Donatus hierüber anziehen. Nomina personarum, sagt er bei Ge legenheit der ersten Zeile in dem ersten Aufzuge der Brüder, in comoediis duntaxat, habere debent rationem et etymologiam. Etenim absurdum est, comicum aperte argumentum confingere, vel nomen personae incongruum dare vel officium quod sit a nomine diversum. 1 Hinc servus fidelis Parmeno: infidelis

1 Diese Periode könnte leicht sehr falsch verstanden werden. Nämlich wenn man sie so verstehen wollte, als ob Donatus auch das für etwas ungereimtes hielte, Comicum aperte argumentum confingere. Und das ist doch die Meinung des Donatus gar nicht. Sondern er will sagen: es würde ungereimt seyn, wenn der komische Dichter, da er seinen Stoff offenbar erfindet, gleichwohl den Personen unschichtliche Kamen oder Beschäftigungen beilegen wollte, die mit ihren Namen ftritten. Denn freilich, da der Stoff ganz von der Erfindung des Lichters ist, so stand es ja einzig und allein bei ihm, was er seinen Personen für Namen beilegen, oder was er mit diesen Namen für einen Stand oder für eine Verrichtung verbinden wollte. Sonach dürfte sich vielleicht Donatus auch selbst so zweideutig nicht ausgedrückt haben; und mit Veränderung einer einzigen Sylbe ist dieser Anstoß

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eine Beziehung auf den Stand, auf die Denkungsart, oder auf sonst etwas, was diese Personen mit mehrern gemein haben können, wenn wir schon solche Etymologie nicht immer klar und sicher angeben können.

Ich will mich bei einer so bekannten Sache nicht ver weilen; aber wundern muß ich mich, wie die Ausleger des Aristoteles sich ihrer gleichwohl da nicht erinnern können, wo Aristoteles so unwidersprechlich auf sie verweiset. Denn was kann nunmehr wahrer, was kann klärer seyn, als was der Philosoph von der Rücksicht sagt, welche die Poesie bei Ertheilung der Namen auf das Allgemeine nimmt? Was kann unläugbarer seyn, als daß in EV TE ἐπι μεν της κωμαδιας ήδη τούτο δηλον γεγονεν, δαβ fid biefe Südjidt bei der Komödie besonders längst offenbar gezeigt habe? Von ihrem ersten Ursprung an, das ist, sobald sich die jambi schen Dichter von dem Besondern zu dem Allgemeinen erhoben, sobald aus der beleidigenden Satyre die unterrichtende Komödie entstand, suchte man jenes Allgemeine durch die Namen selbst anzudeuten. Der großsprecherische feige Soldat hieß nicht wie dieser oder jener Anführer aus diesem oder jenem Stamme, er hieß Pyrgopolinices, Hauptmann Mauerbrecher. Der elende Schmarußer, der diesem um das Maul ging, hieß nicht, wie ein gewisser armer Schlucker in der Stadt, er hieß Artotrogus, Brodenschröter. Der Jüngling, welcher durch seinen Aufwand, besonders auf Pferde, den Vater in Echulden sezte, hieß nicht, wie der Sohn dieses oder jenes edeln Bürgers, er hieß Phidippides, Junker Spaarroß.

Man könnte cinwenden, daß dergleichen bedeutende Namen wohl nur eine Erfindung der neuern griechischen Komödie seyn dürften, deren Dichtern es ernstlich verboten war, sich wahrer Namen zu bedienen; daß aber Aristoteles diese neuere Komödie nicht gekannt habe und folglich bei seinen Regeln keine Rücksicht auf sie nehmen können. Das Lestere behauptet Hurd; 1 aber es ist eben so falsch, als

vermieden. Man lese nämlich entweder: Absurdum est, Comicum aperte argumentum confingentem vel nomen personae etc. Oder auch aperte argumentum confingere et nomen personae u. f. w.

1 Hurd in seiner Abhandlung über die verschiedenen Gebiete des Drama. From the account of Comedy, here given, it may appear, that the idea of this drama is much enlarged beyond what

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