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‚mit einer Masse, welche sich u. s. w."] Diese Masse, welche Theophilus gluten casei, Käseleim nennt, und zu machen lehrt, kommt auch unter den alten Compo: fitionen beim Muratori (p. 382) vor, als besonders dien: lich, Holz und Knochen zusammen zu leimen. Sie ist auch wirklich nicht allein hiezu gut, sondern überhaupt einer der besten allgemeinen Leimen, der nur zu finden, und aus dem noch heut zu Tage verschiedene Künstler ein Geheimniß machen. So erinnere ich mich, daß vor einigen Jahren ein Franzose, Namens Renard, in Hamburg herum ging, und zerbrochenes Porcellan sehr wohl und behende flicte. Der Leim, den er dazu brauchte, war kein anderer, als dieser Käseleim, den er in Ostindien wollte gelernt haben. Kunkel (Kunst- und Werkschule, Th. II. Bd. V. Kap. 4) steint ihn nicht gekannt zu haben, ob er schon verschiedene andere Verbindungsmittel aus Eiweiß und Kalk anführt. Wohl aber muß Becher von ihm gehört haben, der in seiner närrischen Weisheit (§. 27) schreibt: „daß aus Kalk und „neuem Käse ein Stein oder Kieß kann werden, welcher „an Härte dem Demant nicht viel weicht, ist mir bekannt." Man sehe auch: Secrets concernants les Arts et les Métiers T. I. p. 50, die zu Berlin 1717 herausgelommen. (x)

--Firniß zum Theil bestand."] Denn ders jenige Firniß, womit man Gemälde überzieht, ist nichts als ein mit Gummi gefottenes Leinöl, oder anderes Del, welches durch das Sieden den größten Theil seiner wässerigen Feuchtigkeit verloren hat. Wenn also auch schon Wenn also auch schon Johann von Eye diesen Firniß erfunden hätte, so würde doch nicht zu begreifen seyn, wie er von dieser Erfindung

auf den Einfall kommen können, die Farben selbst mit ungefottenem Del abzureiben, indem dieses Verfahren der Absicht, die er damit soll gehabt haben, gerade entgegen gewesen wäre. Doch er hat ihn, wie gesagt, nicht erfunden, und hier ist die versprochene Stelle aus der Handschrift, wo Theophilus den Firniß eben so zu machen lehrt, als er noch jezt gemacht wird (Lib. I. cap. XIX. de glutine vernition). Pone oleum lini in ollam novam parvulam, et adde gummi, quod vocatur Fornis, minutissime tritum, quod habet speciem lucidissimi thuris, sed cum frangitur fulgorem clariorem reddit. Quod cum super carbones posueris, coque diligenter sic ut non bulliat, donec tertia pars consumatur, et cave a flamma, quia periculosum est nimis, et difficile extinguitur si accendatur. Hoc glutine omnis pictura superlinita lucida fit et decora, ac omnino durabilis. Hierauf folgt noch eine andere Weise, den Firniß zu machen, aus welcher ich nur hier anführe, daß er zu der vorgehenden Benennung des Gummi Fornis noch hinzufügt, quod romane Glassa dicitur.

Und dieses Fornis ist denn wohl das Stammwort von unserm jezt üblichen Firniß oder Verniß, von welchem ich mich nicht genug wundern kann, daß es Wachter lateinischen Ursprungs machen wollen. Als ob vernix jemals von einem alten lateinischen Schriftsteller wäre gebraucht worden. Ob aber darum die Ableitung, welche die Herausgeber der Actorum Sanct. (in dem Leben der heil. Lidwina T. II. Mens. April p. 302) gelegentlich beibringen, ihre Richtigkeit hat, dürfte eine andere Frage seyn.

(y)

„für andere neuere Künstler“ —] Nämlich wie wir in den Anmerkungen b und e gesehen haben, für den Neapolitaner Col' Antonio, für den Bologneser Lippo Dalmasio, und für den ungenannten Künstler zu Löwen, dessen Miräus gedenkt. Denn ich kann doch nicht glauben, daß Miräus bloß sagen wollen, daß Johann von Eyd seine Erfindung eher als 1410 müsse gemacht haben, weil sie ein Künstler, der bereits 1400 gestorben, schon von ihm überkommen und geübt habe. Denn dieses würde dem, was man von der Lebenszeit des Johann von Eyck gewöhnlich annimmt, und dem Sterbejahre des ältern Bruders, welches gewiß ist, gänzlich widersprechen.

Und wer weiß, wie viel man noch jezt Gemälde in alten Kirchen finden möchte, die erweislich älter sind als 1400, und die man doch als wahre Delgemälde würde erkennen müssen, wenn man nur zuverlässige Prüfungen da mit anstellen könnte und dürfte!

Zur Geschichte und Literatur.

Aus den Schäßen der herzoglichen Bibliothek zu Wolfenbüttel.

Aus dem ersten Beitrage.

1773.

Leibnitz, von den ewigen Strafen.

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glaubt, meine Arbeit sey unnöthig. Die unschuldige ,,Uebereilung von einigen meiner Freunde, die gegen mein ,,Wissen dieselbe wollen drucken lassen, und zwar nich ,,ohne Fehler, hat mich bewogen, da ich ihr Vorhaben er„fahren, ihnen zu versprechen, daß ich selbst den Drud „besorgen würde. Ich vollziehe jeßt meine Zusage. Und ‚was ist denn hierin strafwürdiges? Oder würde ich nicht, wenn ich meine Zusage nicht gehalten, eben so sehr ge sündiget haben, als da ich dieselbe vollziehe? Es ist ends lich besser, einige Bogen zu viel, als zu wenig von der

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Ich sehe, daß gegenwärtig bei unsern Theologen der Streit über die Unendlichkeit der Höllenstrafen wieder rege werden will. Möchte er es doch so werden, daß er endlich entschieden und beigelegt heißen könnte! Denn das ist ohne Zweifel bei dergleichen Streitigkeiten das Traurigste, daß sie gemeiniglich nichts erstreiten, und sich zwanzig oder funfzig Jahre später der erste der beste Zelote oder Vergleichen Dingen der Welt zu liefern. Und je mehr Einfla nünstler berechtigt glaubt, die Sache ganz wieder von vorn anzufangen.

,,diese Lehre in gewisse Wahrheiten des Glaubens hat, di

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den Grund der Seligkeit betreffen, je öfters hat man Ursache, die Beweisthümer derselben fest zu sezen. Ma ,pflegt stets auf die Vernunft hierin sich zu berufen. Ur ‚es kommt vielen der berühmtesten Männer vor, als wen ,,die Sache derjenigen, welche die Ewigkeit der Strafe

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Einem solchen Schwäßer nicht gleich zu werden, ist es höchst nöthig, vorher die Geschichte der streitigen Lehre in ihrem ganzen Umfange zu studiren. Nur wenn man genau weiß, wo jeder Vorgänger seinen Faden fallen lassen, kann man durch Aufhebung derselben, und durch Vergleichung,,behaupten, beinahe verloren seyn würde, wenn man die ihrer verschiedenen Richtungen, den entweder verlassenen. oder noch nie betretenen Weg der Wahrheit einzuschlagen hoffen. Wenn gar unter diesen Vorgängern sich Leibnize befinden, was kann schlechterdings lehrreicher seyn, als sich in die geringsten Fußstapfen derselben zu stellen, und von da aus um sich zu schauen?

„allein fragen wollte. Ich glaube das Gegentheil, ot: „daß ich andere deßwegen verachten will, die anders de ,,ten. Mir deucht, daß die Vernunft, wo nicht stärke ,,doch eben so stark für diejenigen streite, welche die Ei ,,keit, als für die, welche das Ende der göttlichen Rad „vertheidigen. Man sieht oft gewisse Meinungen der Me

Mehr, glaube ich, bedarf es nicht, folgende wenige,,,schen, die den Beifall der meisten erhalten, für klare E aber bisher noch ungedruckte Zeilen des großen Mannes einzuleiten, der, wenn es nach mir ginge, nicht eine Zeile vergebens müßte geschrieben haben. Was es aber damit. für Bewandtniß habe, glaube ich nicht besser, als mit Mosheims Worten angeben zu können; besonders da diese Worte selbst dabei gelegentlich eine literarische Erläuterung und Bestätigung erhalten können.

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„seße der Vernunft an, die man nicht läugnen darf. li
„oft mißt man die Gerechtigkeit des göttlichen Gerichts ne
„der Gewohnheit der menschlichen Richterstühle ab. ↑
scharfsinnigste, was für das Ende der Höllenstrafen
,,schrieben, sind die Gedanken eines sonst gelehrten M.
„nes, dem man Schuld giebt, daß er vor seinem Ende
„die giftigen Irrthümer der Socinianer verfallen. I b.
dieselben nicht obenhin gelesen, und gebe dem Verferti
„das Zeugniß eines nicht übel beschaffenen Verstand
„Aber wenn man einige Zweideutigkeiten hebt, und
„Kraft der Schlüsse von den menschlichen Sachen auf
göttlichen läugnet, so wird der sogenannte Beweis
,,Schatten, bei dem man den Zusammenhang vergeb
"sucht. Ich bin lange Willens, in einer lateinischen d

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„die Geschichte der Lehre, von der hier die Rede, vorzu„tragen, und nicht nur die Quellen derselben zu entdecken, fondern auch die unterschiedenen Arten, ihr eine Farbe „und Gewicht zu geben, zu untersuchen. Eine Menge von „andern Arbeiten, die zum Theil nicht unbekannt, hat bis„ber die Ausarbeitung derselben aufgehalten. Vielleicht finden sich bald einige Stunden, in welchen ich den ges „sammelten Vorrath von Gedanken und Zeugnissen in Ord„nung bringen und der Welt vorlegen kann.“

Wer jener gelehrte Mann sey, der noch das Scharf- | finnigste für die verneinende Meinung geschrieben, zeigt Mosheim durch den untergefeßten Titel der Schrift selbst an, Ernest Soneri Demonstratio Theologica et Philosophica, quod aeterna impiorum supplicia, non arguant Dei justitiam, sed injustitiam, und fügt binju: Der weltberühmte Herr von Leibnit hat dieß Berkchen herausgeben wollen, welches sehr selten ist. Ich „babe eine Abschrift desselben zur Hand, vor dem bereits „die Vorrede steht, die er mit demselben wollen drucken laffen. Ein anderer Ort wird mir Gelegenheit geben, „hievon mehr zu erwähnen, da ich zugleich die Güte desjenigen rühmen werde, dem ich diese und andere hierher #gehörige Sachen zu danken habe.“

Nun ist leider Mosheimen die Gelegenheit nicht geworden, auf die er hier seine Leser vertröstet, und die er ohne Sweifel in jener lateinischen Schrift zu finden hoffte, welche er von der Geschichte der streitigen Lehre ausarbeiten wollte. So wie aber jene Schrift nicht zu Stande gekommen, so ist auch die gedachte Vorrede des Leibniz zu dem Soner'schen Beweise darüber im Verborgenen geblieben, und fast gänzlich vergessen worden. Denn seit 1737, als Ludovici in der Historie der Leibniz'schen Philosophie 1 Mosheimen seiVersprechens erinnerte, wüßte ich nicht, daß ihrer von jemand andern anders, als gelegentlich von dem leidigen Bücherkenner, 2 wenn er die Schrift des Sonerus wegen ihrer Seltenheit anführte, wäre gedacht worden. Selbst von Bruckern nicht, der doch bei Erzählung von Soners Berdiensten um die Aristotelische Philosophie 3 die beste Belegenheit dazu gehabt hätte. Wenn sie daher auch nicht in der neuen Ausgabe der sämmtlichen Werke, die wir dem Herrn Dutens zu danken haben, erschienen ist: so dürfen pir uns um so weniger darüber wundern, da Deutschland überhaupt so äußerst nachlässig gewesen, die Bemühungen dieses würdigen Ausländers zu unterstügen. Anstatt daß man sich um die Wette hätte beeifern sollen, ihm mit so vielen ungedruckten Vermehrungen, als sich nur immer auftreiben lassen wollen, an die Hand zu gehen: hat man ihm auch nicht einmal alle bereits gedruckte Aufsäße seines Autors angezeigt. Denn er, als ein Ausländer, konnte sie freilich nicht alle selbst wissen; und der einzige ehrliche

Theil II. S. 27.

2 Wie etwa vom Vogt, Cat. libr. rar. p. 635. 3 Hist. cr. Phil. IV. P. 1. p. 312.

Brucker konnte sie ihm freilich auch nicht alle nachweisen. Indeß, wenn das Leßtere vielleicht bloß unterblieben, weil jeder deutsche Gelehrte besorgen mußte, daß ihm schon ein anderer darin zuvorgekommen, so ist es weit weniger be fremdlich, als das todte Stillschweigen, welches unsere Recensenten darüber beobachten. Wußten sie denn also gar nichts, was in diesen sämmtlichen Werken fehlt? gar nichts, was nur im geringsten eine Anzeige verdient hätte?

Doch hiervon an einem andern Drte. Ich will mich jezt von dem nicht zu weit verlieren, was mich auf diesen Ausfall gebracht hat. Also kurz: eben diese Vorrede, welche Leibniß zu Soners Schrift gemacht hat, welche Mosheim besaß, welche Mosheim drucken lassen wollte, und nicht drucken ließ, ist es, was ich hier aus unserer Biblio= thek gemein machen will.

Um nicht unangezeigt zu lassen, wie sie in unsere Biblio= thek gekommen, muß ich sagen, daß sie Mosheim selbst, dem Ansehen nach, aus unserer Bibliothek erhalten. Wenig stens war derjenige, dessen Güte, in Mittheilung derselben, er anderwärts rühmen wollte, der damalige Bibliothekarius Hertel. Doch da Hertel mit Leibnizen selbst viel Umgang gehabt hatte, auch nach allem sehr begierig war, was selten und heterodox hieß, so kann es eben so wohl seyn, daß er sie mit sammt der Soner'schen Schrift, Mosheimen aus seinem eigenen literarischen Vorrathe mitgetheilt, als unter welchen sie also erst nach seinem Tode unserer Bibliothek einverleibt worden wäre. Dieses wird mir auch daher wahrscheinlicher, weil sich nicht nur eine Abschrift von Mozheims Gedanken, sondern auch dessen eigenhändiger Brief an Herteln dabei befindet. Jene stimmt mit dem nachher geschehenen Abdrucke völlig überein; diesen aber will ich in der Anmerkung 1 ganz vorlegen, und so, ohne weiteres, den Leser zur Hauptsache kommen lassen.

LEIBNITII PRAEFATIO.

Ernesti Soneri, Philosophi quondam apud Altorfinos clarissimi, Demonstratio, quam vocat,

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Nebst nochmaliger gehorsamster Danksagung für die meinet,,wegen neulich genommene Mühe, sende ich hier sowohl meine eigene „Einfälle, als Soneri Bedenken von den Strafen der Höllen zurück. So spisfindig dieses leştere eingefädelt, so leicht ist mit dem ehrlichen Manne nach seinen eigenen Grundsägen auszukommen. Er „sezt zum Grunde, in Gott sey keine andere Gerechtigkeit, als diese, daß „er seine Zusage halten müsse; in allen andern sey seine Macht un„umschränkt. Sehr wohl! So wird denn deutlich folgen, daß Gottes „Gerechtigkeit gar nicht hindere, daß er den Gottlosen ewige Strafen „auflegen könne. Nach seiner Macht kann er dieß thun. Der ganze ,,Streit wird demnach darauf ankommen, ob Gott wirklich in der „Schrift den Gottlosen ewige Strafen gedroht. Aber kommt's so weit, „so wird der ehrliche Socinianer verlieren, und man wird ihm auf „eins zehn antworten können. JIch schriebe mehr, wenn ich mein Meister „wäre. Uebermorgen soll ich wieder disputiren, und meine andern „Collegia follen auch vor Ostern geendigt sein. Daher wird mir faft „kein Augenblick frei gelassen, und, die ich frei habe, muß ich zur „Ausfertigung des Halesii anwenden. Meine Betrachtungen über „die Conduite der Dordrechtschen Väter werden eben nicht wohl „den Advocaten dieses Concilii gefallen. Doch fie sind auf klare Facta „und Säge der Vernunft gegründet. Ich bin ohne Ausnahme u. s. tv.“ Mosheim.

Theologica etc. de injustitia aeternarum poenarum, laudatur a nonnullis tanquam invicta; eoque plus nocet quod paucis visa est, solent enim fere aestimare homines, quae non noverunt. Ut saepe adeo non inutile putem talia edi, ubi lectio ipsa sufficit ad refutandam, delendamque illam hominum opinionem e longinquo conceptam. Equidem negari non potest, Sonerum subtiliter et ingeniose scripsisse; sed demonstratio tamen ejus magno hiatu laborat, quod paucis indicare placet, ne quis incautus speciositate argumenti decipiatur, cujus vis hoc redit. Peccata finita sunt; inter finitum et infinitum nulla est proportio; ergo poenae quoque debent esse finitae. Porro peccata esse finita, ostendere tentat refutando modos, quibus infinita intelligi possint, quos his verbis enumerat. Si impiorum delicta sint in„finita, aut ut talia considerari possint, vel habent „vim istam infinitam ex se ipsis, vel a delinquente, vel ab eo in quem et contra quem delinquitur, vel ,ab horum aliquibus, vel ab omnibus simul; sed ,,nullo istorum modorum possunt esse infinita, aut ut talia considerari, et tamen praeter hos nullus ,alius superest modus, quo infinita dici et esse possint: ergo omnino non sunt infinita."

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übergetragen worden, die in aller Händen sind. Denn da man besonders den Freunden der Wiederbringung es neuerer Zeit nicht schwer gemacht hat, ihre Meinung so laut 32 sagen, als sie nur gewollt: so ist theils von ihnen, theils auf ihre Veranlassung, die unter der Wiederbringung vor nehmlich begriffene Lehre von der Endlichkeit der Höllenstrafen eben so oft mit allen Arten von Gründen, als mit = allen Arten von Eifer und Schwärmerei vertheidigt und bestritten worden. Kurz, Soners Demonstration ist, bis auf einige Spißfindigkeiten vielleicht, nun verlegene Waare.

Aber, wird man denken, hätte ich nicht aus eben dies sem Grunde, auch die Vorrede des Leibniß im Verborge nen lassen können und müssen? Denn was er Sonern darin entgegenseßt, ist jeßt nicht weniger bekannt, indem es auch von ihm selbst anderwärts vorgetragen worden. Ich weiß dieses sehr wohl. Doch meine Absicht geht bei Bekanntmachung derselben, auch nicht sowohl auf die vers theidigte Wahrheit, als auf den Vertheidiger, als auf dessen Gesinnungen und Gründe bei seiner Vertheidigung. Beide sind mißgedeutet und verkannt worden.

Mosheim selbst, der es doch sehr wohl wissen konnte, was die Vorrede des Leibniz eigentlich enthalte, verleitet noch jezt seine Leser, sich einen ganz falschen Begriff davon zu machen. Als er ihrer zuerst erwähnte, 1 geschah es in so allgemeinen Ausdrücken, daß der gute Pagenkopen sich einbildete, da Leibniz die Demonstration des Soner habe herausgeben wollen, so müsse er sie gebilligt haben. Um ihm nun das Verständniß näher zu eröffnen, erwiederte Mosheim hierauf: 2 Der Herr von Leibniz hat nicht „darum diese Bogen wollen drucken lassen, weil er sie für ,,wichtig gehalten und Soners Meinung angenommen. E „hat vielmehr dieselben mit einer Vorrede begleiten wollen, „die in meinen Händen ist, worin er Sonern selbst aus

Quae communiter respondere solent Theologi ad hoc argumentum a proportione delictorum poenarumque petitum, apud ipsos utilius legentur. Hoc vero loco alium argumenti Soneriani, defectum indicare placet; nempe imperfectam enumerationem modorum, quibus aliquid dici potest infinitum. Neque enim tantum ab objecto in quod pecatur, Deo. videlicet, vel a modo peccandi, seu gradu intensivo, aliisque quorum autor meminit, sed et a numero peccata infinita dici possunt. Etiamsi igitur,,Aristotelis Grundlehren widerlegt und die Blöße seiner concederemus ipsi, nullum peccatum per se infinitum esse; revera tamen dici potest, damnatorum infinita numero peccata esse; quoniam per totam aeternitatem in peccando perseverant. Quare si aeterna sunt peccata, justum est, ut aeternae etiam sint poenae. Nempe homines mali se ipsos damnant, ut recte dictum est a sapientibus, perpetua scilicet impoenitentia et a Deo aversione. Nihil igitur hic Deo, quasi ultra mensuram peccati severo, imputari potest.

Und das ist sie ganz, diese sogenannte Vorrede. Man wird hoffentlich von mir nicht erwarten, daß ich nun auch die Schrift des Sonerus selbst beifügen werde. Zwar ist sie, als gedrucktes Buch, noch immer eben so selten, als sie zu den Zeiten des Leibniz war, weil ich nicht wüßte, daß sie irgend nachher wieder wäre aufgelegt worden. Allein der Inhalt hat nicht mehr das Verdienst, welches er damals bei denen haben konnte, die eine freie Untersuchung in Glaubenssachen liebten. Er ist in hundert Bücher seitdem

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„Beweisthümer aufdeckt. Sein Vorhaben war, der Welt ,,den schlechten Werth seiner Schrift zu zeigen, die man deßwegen für unwiderleglich hielt, weil sie selten war, und wenigen zu Gesichte kam." Aber wenn Mosheim Anfangs zu wenig gesagt hatte, so sagt er offenbar nun zu viel: und seine Gegner dürften ihn nicht ohne Grund mi dem Verdachte belegen, daß er vorsäßlich das Ansehen des | Leibniß mißbrauchen wollen. Denn hier ist sie nun, diei Vorrede, und wahrlich, man muß in sehr wenigen seh vieles zu sehen wissen, wenn man alles darin finden wil was Mosheim darin gefunden zu haben vorgiebt. Leibni foll Sonern aus Aristoteles Grundlehren widerlegen? E soll die Blöße seiner Beweisthümer aufdecken? seiner B weisthümer? Sind seine Beweisthümer denn das einzig Dilemma? Und welches wären sie denn, jene Aristotelis & Grundlehren? Ich kann in Leibnißens Vorrede dergleic

1 Angeführtermaßen vor dem ersten Theile seiner heiligen ReS2 In dem Sendschreiben über unterschiedliche Dinge, hinter e zweiten Theile der heiligen Reden.

Welt zu seyn bekennen mußte, desto unmittelbarer aus dem
Uebel der Schuld herleiten zu können, ohne dabei auf die
Unendlichkeit desjenigen zu sehen, gegen den diese Schuld
geschehen, weil diese Unendlichkeit doch nicht mit in den
Zusammenhang der Dinge verwebt seyn konnte.

Und das würde es alles seyn, was ich hier hinzuzus fügen hätte, wenn mir nicht eben dieses Weges einer unserer neuesten Schriftsteller begegnet wäre. Herr Eberhard in seiner Apologie des Sokrates, einem in vieler Absicht sehr vortrefflichen Buche, worin er die Lehre von der Seligkeit der Heiden untersucht, hat auch die von der Unendlichkeit der Strafen mit in seine Prüfung ziehen zu müssen geglaubt. Nun hat es zwar seine ganz besondere Ursache, warum ich wünschen könnte, daß er sich wenig. stens nicht in einer Apologie des Sokrates dagegen erklärt hätte. Aber doch würde mich bloß diese schwerlich vermögen können, mir die geringste Anmerkung dagegen zu erlauben, wenn er nicht zugleich, indem ihn seine Materie auch auf das brachte, was Leibniz darüber geäußert hatte, gegen diesen und dessen Aeußerung verschiedenes erinnert hätte, was ich hier in Erwägung zu ziehen einen so nahen Anlaß finde. Ich will, was ich zu sagen habe, so kurz zu fassen suchen, als möglich, und meine Gedanken wo nicht ordnen, doch zählen.

eben so wenig finden, als in Soners Schrift selbst, von welcher Mosheim gleichfalls sagt, daß sie sich auf Grund: jage des Aristoteles beziehe. Alles Aristotelische, was Soners Schrift hat, ist dieses, daß sie in lauter schulges rechten Schlüssen abgefaßt ist. Denn die Prämissen dieser Schlüsse sind nichts als Säße des gesunden Menschenverstandes, und keineswegs dem Aristoteles eigenthümliche Lehren. Also auch, wenn durch die Bemerkung des Leibniß das Dilemma des Soner wirklich seine Kraft verliert, jo geschieht es ja wohl ohne alles Zuthun des Aristoteles. Doch mit oder ohne Zuthun des Aristoteles: ist es denn auch nur wahr, daß sie so siegend, so entscheidend ist, diese ¿einzige Bemerkung des Leibniz? Aufrichtig zu reden, ich glaube nichts weniger. Denn es sey immerhin unwider: sprechlich, daß die menschlichen Sünden auch der Zahl nach unendlich werden können, ja werden müssen: was ging Sonern diese eine noch mögliche Art ihrer Unendlichkeit an? was hatte er nöthig, sich darauf einzulassen? und gegen wen sollte er sich darauf einlassen? Wenn sie von einigen seiner Gegner auch angenommen wird, diese Un endlichkeit, wird sie deßwegen als der vornehmste, oder gar als der einzige Grund ihrer Lehre angenommen? Hören sie darum auf zu behaupten, was Soner eigentlich bestreitet? Nämlich, daß, wenn sie auch nicht Statt hätte, diese Unendlichkeit der Sünden, dennoch auf die bloß endlichen I. Ich fange von dem allgemeinen Urtheile an, welSünden dieses Lebens eine unendliche Strafe warte? daß ches Herr Eberhard von Leibnißen in Absicht seines Beicon eine einzige dieser Sünden diese unendliche Strafe tragens gegen angenommene Religionsfäße fällt. Nachdem verdiene? In der That verändert auch die Einwendung er nämlich nun auch auf denjenigen Beweis der ewigen des Leibniz die ganze Streitfrage. Diese ging bei Sonern Strafen gekommen, von welchem hier die Rede gewesen, lediglich auf die Sünden dieses Lebens, welche der Zahl zeigt er sehr wohl, daß man mit demselben nicht über die nach nicht anders als endlich seyn können. Und Leibniz Gränzen der Möglichkeit gelangen könne, und fährt fort: will, daß er auch die Sünden des künftigen Lebens mit in „Die scharfsinnigsten Verfechter dieser Sache, wie Leibniz, Rechnung bringen sollen, die für sich allein schon, wenn sie haben es wohl gefühlt, daß ein solcher Beweis nicht weiter nothwendig unaufhörlich geschehen müßten, eine unaufhör-reicht. Leibniz argumentirte also bloß nur für die, welche liche Strafe verdienen würden. „von der wirklichen Ewigkeit höllischer Qualen aus der „Schrift schon überführt waren. Da ihm so viel daran „gelegen war, seine Philosophie allgemein zu machen, so ,,sucht er sie den herrschenden Lehrsägen aller Parteien anzupassen, sie ihnen allen für ihre Meinung günstig und „vortheilhaft zu zeigen, um sich aller Beifall zu verschaffen. Er nahm ihre Lehrsäße als Voraussetzungen an, und legte ,,ihnen einen erträglichen Sinn bei, nachdem er sie mit seinem System verglich, ohne ihnen selbst beizupflichten.“

Es könnte also leicht seyn, daß Leibniß selbst sich dieses bei einer zweiten Erwägung nicht bergen können, und eben deßwegen die ganze Vorrede zurückbehalten hätte. Denn da sie einmal geschrieben war, warum hätte er sie sonst nicht sollen drucken lassen? Wenigstens kann man hiergegen nicht einwenden, daß er gleichwohl das Wesentliche davon viele Jahre nachher an einem andern Orte ange= bracht habe, nämlich in seiner Theodicee. Eben derselbe Gedanke kann an einem andern Orte einen ganz andern Werth haben. Was Leibniz dort für eine ungültige Widerlegung erkannte, das konnte er hier zur Erläuterung einer andern Frage ja wohl mit beibringen. Dort sollten alle Einwürfe des Soner damit zu Schanden gemacht, und die bezweifelte Lehre darauf gegründet werden, und dazu taugte es schlechterdings nicht. Hier aber in der Theodicee, wo er, was er damit nicht erweisen konnte, als anderweitig erwiesen vorausseßen durfte, sollte es bloß dienen, das größte physikalische Uebel, das er sonach in seiner besten

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- Erscheint in diesem Urtheile der Philosoph nicht ein wenig zu eitel? Werden seine Gesinnungen gegen die Religion überhaupt nicht dadurch verdächtiger gemacht, als es der Religion selbst zuträglich ist? Beides ist ganz gewiß des Herrn Eberhard Absicht nicht gewesen. Aber es ist unläugbar, daß er sich hier nicht durchgängig so glüdlich und bestimmt ausgedrückt hat, als er sich sonst auszudrücken pflegt. Denn so eingenommen man sich auch Leibnizen für seine Philosohie denken darf oder will, so kann man doch wahrlich nicht sagen, daß er sie den herrschenden Lehrfäßen

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