Abbildungen der Seite
PDF
EPUB
[ocr errors]
[ocr errors]
[ocr errors]

„natürlichen Kräfte angeben lassen, deren sich Gott dazu ,,bedient, nicht platterdings verwerfen. Die Auftrodnung ‚des Meerbusens geschah durch Ebbe und Wind; gut: und ,,war doch ein Wunder. Die Geschwindigkeit, mit der das Volk herüber kam, ward freilich weiß ich nicht wie bewirkt: aber ist sie darum weniger ein Wunder? Sie ift gerade Wunders um so viel mehr. Es klingt allerdings „ganz sinnreich, wenn sich euer Verfasser (S. 372) verbittet, daß man den Israeliten und ihren Ochsen „und Karren nur keine Flügel gebe. Inbek sagt doch Gott selbst, daß er die Israeliten auf Adlersflügeln (2. Mos. 19, 4) aus Aegypten getragen habe: und wenn die Sprache nun kein Wort hat, die Art und „Weise dieser wunderbaren Geschwindigkeit auszudrücken, als diese Metapher? Erlaubt mir immer, daß ich auch in einer Metapher, die Gott braucht, mehr Wirkliches „sebe, als in allen euren symbolischen Demonstrationen.“ | Und wenn der Orthodox so antwortet, wie will man ihm beikommen? Man kann die Achseln zucken über seine Antwort, so viel man will, aber stehen muß man ihn doch lassen, wo er steht. Das ist der Vortheil, den ein Mann hat, der seinen Grundsäßen treu bleibt, und lieber nicht so ausgemachten Grundsäßen folgen, als ihnen nicht conse quent reden und handeln will. Diese Consequenz, vermöge welcher man voraussagen kann, wie ein Mensch in einem gegebenen Falle reden und handeln werde, ist es, was den Mann zum Manne macht, ihm Charakter und Stetig feit giebt, diese großen Vorzüge eines denkenden Menschen. Charakter und Stetigkeit berichtigen sogar mit der Zeit die Grundsäge; denn es ist unmöglich, daß ein Mensch lange nach Grundsäßen handeln kann, ohne es wahrzunehmen, wenn sie falsch sind. Wer viel rechnet, wird es bald merken, ob ihm ein richtiges Einmaleins beiwohnt oder nicht.

Nicht also die Orthodoxie, sondern eine gewisse schielende, hinkende, sich selber ungleiche Orthodoxie ist so eckel! So edel, so widerstehend, so aufstoßend! — Das wenigstens find die eigentlichen Worte für meine Empfindung.

IV.

Das alte Testament weiß von keiner Unsterblichkeit der Seele, von keinen Belohnungen und Strafen nach diesem Leben. Es sey so. Ja, man gehe, wenn man will, noch einen Schritt weiter. Man behaupte, das A. T. oder doch das israelitische Volk, wie wir es in den Schriften des A. T. vor den Zeiten der Babylonischen Gefangenschaft kennen lernen, habe nicht einmal den wahren Begriff von der Einheit Gottes gehabt. Wenn man das Volk meint, und einzelne erleuchtetere Seelen, dergleichen die heiligen Schriftsteller selbst waren, davon ausnimmt, so kann auch die Behauptung zu einem hohen Grade von Wahrscheinlichfeit getrieben werden. Gewiß ist es wenigstens, daß die Einheit, welche das israelitische Volk seinem Gott beilegte, gar nicht die transscendentale metaphysische Einheit war,

|

welche jezt der Grund aller natürlichen Theologie ist. Bis zu der Höhe hatte sich der gemeine menschliche Verstand in so frühen Zeiten noch nicht erhoben, am wenigsten unter einem Volke erhoben, dem Künste und Wissenschaften so unangelegen waren, und das sich aller Gemeinschaft mit unterrichtetern Völkern so hartnäckig entzog. Bei dem wahren echten Begriffe eines einigen Gottes hätte dieses Volk unmöglich so oft von ihm abfallen und zu andern Göttern übergehen können. Es würde die falschen Götter nicht des nämlichen Namens gewürdigt haben; es würde den wahren Gott nicht so ausschließungsweise seinen Gott, den Gott seines Landes, den Gott seiner Väter genannt haben. Kurz, der Einige hieß bei ihm nichts mehr, als der Erste, der Vornehmste, der Vollkommenste in seiner Art. Die Götter der Heiden waren ihm auch Götter, aber unter fo vielen Göttern konnte doch nur einer der mächtigste und weiseste seyn, und dieser mächtigste und weiseste war sein Jehova. So lange es keinen Grund fand, an der Macht und Weisheit, in welchen sein Gott den Göttern aller andern Völker überlegen war, zu zweifeln, so lange hing es ihm an. Kaum aber glaubte es zu erkennen, daß dieses oder jenes benachbarte Volk, durch Vorsorge seines Gottes, irgend eines Wohlstandes genoß, der ihm abging, den ihm also sein Jehova nicht gewähren konnte, oder nicht gewähren wollte, so wich es hinter ihm ab, und hurte mit den Göttern des vermeinten glücklichern Volks, von welchen es nicht eher wieder zurück kam, als bis es seine Lust gebüßt hatte, und durch den Verlust größerer Güter, durch Verwahrlosung des wesentlichern Wohlstandes gebüßt hatte. Nur als es in der Babylonischen Gefängniß seinen Verstand ein wenig mehr hatte brauchen lernen; als es ein Volk näher hatte kennen lernen, das sich den einigen Gott würdiger dachte; als nun erst selbst die Schriften seines Gesetzgebers und seiner Propheten unter ihm gemeiner wurden; als es sahe, wie viel große unerkannte Wahrheiten in diesen Schriften lagen, oder sich hineinlegen ließen; als es erkannte, wie selbst nach diesen Schriften seinem Jehova eine weit erhabenere Einheit zukomme, als die, welche ihn bloß an die Spize aller andern Götter seßte: ward es auf einmal ein ganz anderes Volk, und alle Abgötterei hörte unter ihm auf. Wenn diese plößliche Veränderung, die kein Mensch läugnen kann, nicht durch den veredelten Begriff zu erklären, den es sich nun von seinem eigenen Gott machte, so ist sie durch nichts zu erklären. Man kann einem Nationalgott untreu werden, aber nie Gott, sobald man ihn einmal erkannt hat.

[ocr errors][merged small][ocr errors]

hatte. Gott ward der Gott der Ebräer, und wenn die | christliche Religion nur erst zu einer gewissen Zeit, in einem Ebräer ihren Gott nun einmal satt hatten, was war natürlicher, als daß sie es mit einem andern versuchen wollten?

Auch so noch wenn man dem alten israelitischen Volke selbst diesen großen mehr hergebrachten als erwiesenen Vorzug, den einigen wahren Gott gekannt zu haben, mit Grunde streitig machen könnte auch so noch | getraute ich mir die Wege Gottes mit ihm zu rechtfertigen. Auf die Göttlichkeit der Bücher des A. T. ist aus dergleichen Dingen wenigstens gar nichts zu schließen. Denn diese muß ganz anders, als aus den darin vorkommenden Wahrheiten der natürlichen Religion erwiesen werden. Wahrheiten, die allerdeutlichsten, die allererhabensten, die allertiefsten von dieser Art, kann jedes andere eben so alte Buch enthalten, wovon wir jezt die Beweise haben; Beweise, welche so manchen gelehrten Sorites für die Göttlichkeit der Bibel fehlerhaft machen, in welchem die allein in dem A. T. gelehrte Einheit Gottes ein Glied ist. Die heiligen Bücher der Braminen müssen es an Alter und an würdigen Vorstellungen von Gott mit den Büchern des A. T. aufnehmen können, wenn das Uebrige den Proben entspricht, die uns jezt erst zuverlässige Männer daraus mitgetheilt haben. Denn obschon der menschliche Verstand nur sehr❘ allmählig ausgebildet worden, und Wahrheiten, die gegen: wärtig dem gemeinsten Manne so einleuchtend und faßlich sind, einmal sehr unbegreiflich, und daher unmittelbare Eingebungen der Gottheit müssen geschienen haben, und als solche auch damals nur haben angenommen werden können: so hat es doch zu allen Zeiten und in allen Ländern privilegirte Seelen gegeben, die aus eigenen Kräften über die Sphäre ihrer Zeitverwandten hinausdachten, dem größern Lichte entgegen eilten, und andern ihre Empfindungen davon, zwar nicht mittheilen, aber doch erzählen konnten.

Was sich also von dergleichen Männern herschreiben kann, deren noch jezt von Zeit zu Zeit einige aufstehen, ohne daß man ihnen immer Gerechtigkeit widerfahren läßt, das kann zu keinem Beweise eines unmittelbar göttlichen Ursprungs gebraucht werden. Kann es diesen Ursprung aber nicht erweisen, da, wo es vorhanden ist, so kann es diesen Ursprung auch nicht widerlegen, da wo es mangelt, und Bücher können gar wohl von Gott seyn, durch eine höhere Eingebung Gottes verfaßt seyn, ob sich schon nur wenige, oder gar keine Spuren von der Unsterblichkeit der Seelen und der Vergeltung nach diesem Leben darin finden. Diese Bücher können sogar eine seligmachende Religion enthalten, das ist, eine Religion, bei deren Befolgung sich der Mensch seiner Glückseligkeit so weit versichert halten kann, als er hinausdenkt. Denn warum dürfte eine solche Religion sich nicht nach den Gränzen seiner Sehn sucht und Wünsche fügen? Warum müßte sie nothwendig erst die Sphäre dieser Sehnsucht und Wünsche erweitern? Freilich wäre eine solche seligmachende Religion nicht die seligmachende christliche Religion. Aber wenn denn die

|

gewissen Bezirke erscheinen konnte, mußten deßwegen alle vorhergehenden Zeiten, alle andern Bezirke keine selig machende Religion haben? Ich will es den Gottesgelehrten gern zugeben, daß aber doch das Seligmachende in den verschiedenen Religionen immer das Nämliche müsse gewesen seyn, wenn sie mir nur hinwiederum zugeben, daß darum nicht immer die Menschen den näm lichen Begriff damit müssen verbunden haben. Gott fönnte ja wohl in allen Religionen die guten Menschen in der nämlichen Betrachtung, aus den nämlichen Gründen selig machen wollen, ohne darum allen Men: schen von dieser Betrachtung, von diesen Gründen die nämliche Offenbarung ertheilt zu haben.

Unter einem gewissen. Cirkel von Freunden ist vor einiger Zeit ein kleiner Aufsaß in der Handschrift herum gegangen, welcher die ersten Linien zu einem ausführlichen Buche enthielt, und überschrieben war: Die Erziehung des Menschengeschlechts. Ich muß bekennen, daß ich von einigen Gedanken dieses Aufsages bereits wörtlich Gebrauch gemacht habe. Was hindert mich also, oder vielmehr, was ist also schicklicher, als daß ich den Anfang desselben in seinem ganzen Zusammenhange mittheile, der sich auf den Inhalt unsers vierten Fragments so ge nau bezieht? Die Indiscretion, die ich damit begehe, weiß ich zu verantworten, und von der Lauterkeit der Absichten des Verfassers bin ich überzeugt. Er ist auch bei weitem so heterodor nicht, als er bei dem ersten Anblicke scheint, wie ihm auch die schwierigsten Leser zugestehen werden, wenn er einmal den ganzen Aufsaß, oder gar die völlige Ausführung desselben bekannt zu machen für gut halten sollte. Hier ist indeß, wie gesagt, der Anfang, 1- des verwandten und genußten Inhalts wegen.

Die Erziehung des Menschengeschlechts.

Und so gelangt der Verfasser zu dem zweiten großen Schritte in der Erziehung des Menschengeschlechts. Auf die kindischen Bewegungsgründe zum Gehorsam folgen die ungleich mehr anspornenden Aussichten des Jünglings. Künftige Ehre, künftiges Wohlleben tritt an die Stelle der gegenwärtigen Näscherei, des gegenwärtigen Spielzeuge. Doch alle diese fernern Speculationen gehören nicht zu unserer Sache, und ich breche ab. Auch giebt man einen Vorschmack nicht mit der ganzen Schüssel.

V.

Ueber die Widersprüche in der Auferstehungsgeschichte, welche das fünfte Fragment uns so nahe legt, dächte ich nun so.

§. Die Zeugen der Auferstehung Christi sind nicht die nämlichen Personen, die uns die Nachricht von der Aus sage dieser Zeugen überliefert haben. Denn wenn schon in einem und dem andern beide Charaktere zusammen kommen, 1 Die ersten 53 Paragraphen.

so ist doch unwidersprechlich, daß lein einziger Evangelist bei allen und jeden Erscheinungen Christi gegenwärtig gewesen.

§. Folglich sind zweierlei Widersprüche hier möglich. Widersprüche unter den Zeugen, und Widersprüche unter den Geschichtschreibern der Aussage dieser Zeugen.

§. Sind Widersprüche unter den Zeugen vorhanden? Dergleichen könnten nur seyn, wenn ein Evangelist über den einzelnen Fall, bei welchem er selbst Augenzeuge gewesen, sich selbst widerspräche: oder wenigstens, wenn mehrere Evangelisten über den nämlichen einzelnen Fall, bei welchem jeder gegenwärtig gewesen, sich unter einander widersprächen. Dergleichen Widersprüche sind mir unbekannt.

§. Sind Widersprüche unter den Zeugen vorhanden gewesen? Anscheinende: warum nicht? Denn die Erfahrung giebt es, und es kann schlechterdings nicht anders seyn, als daß von mehreren Zeugen nicht jeder die nämlice Sache an dem nämlichen Orte, zu der nämlichen Zeit, anders sehen, anders hören, folglich anders erzählen sollte. Denn eines jeden Aufmerksamkeit ist anders gestimmt. Ich halte es sogar für unmöglich, daß der nämliche Zeuge von dem nämlichen Vorfalle, den er mit aller vorsäzlichen Aufmerksamkeit beobachtete, zu verschiedenen Zeiten die nämliche Aussage machen könne. Denn die Erinnerung des Menschen von der nämlichen Sache ist zu verschiedenen Zeiten ver schieden. Er müßte denn seine Aussage auswendig gelernt haben: aber alsdann sagt er nicht, wie er sich der Sache jest erinnerlich ist, sondern wie er sich derselben zu der Zeit, als er seine Aussage auswendig lernte, erinnerlich war.

§. Sind wahre Widersprüche unter den Zeugen vor: handen gewesen? solche, die bei keiner billigen Vergleichung, bei keiner nähern Erklärung verschwinden? - Woher sollen wir das wissen? Wir wissen ja nicht einmal, ob jemals die Zeugen gehörig vernommen worden? Wenigstens ist das Protokoll über dieses Verhör nicht mehr vorhanden; und wer Ja sagt, hat in diesem Betracht eben so viel Grund für sich, als wer Nein sagt.

§. Nur daß, wer Nein sagt, eine sehr gesetzliche Ver: muthung für sich anführen kann, die jener nicht kann. Diese nämlich. Der große Proceß, welcher von der glaub: würdigen Aussage dieser Zeugen abhing, ist gewonnen. Das Christenthum hat über die heidnische und jüdische Religion gesiegt. Es ist da.

§. Und wir sollten geschehen lassen, daß man uns diesen gewonnenen Proceß nach den unvollständigen, unconcertirten Nachrichten von jenen, wie aus dem Erfolge zu schließen, glaubwürdigen und einstimmigen Zeugnissen nochmals nach zweitausend Jahren revidiren wolle? Nimmermehr.

§. Vielmehr: so viel Widersprüche in den Erzählungen der Evangelisten, als man will! — Es sind nicht die Widersprüche der Zeugen, sondern der Geschichtschreiber, nicht der Aussagen, sondern der Nachrichten von diesen Aussagen. §. Aber der heilige Geist ist bei diesen Nachrichten wirksam gewesen. Ganz recht; nämlich dadurch, daß er jeden

zu schreiben getrieben, wie ihm die Sache nach seinem besten Wissen und Gewissen bekannt gewesen.

§. Wenn sie nun dem einen so, dem andern anders bekannt war, bekannt seyn mußte? Sollte der heilige Geist in dem Augenblicke, da sie die Feder ergriffen, lieber ihre verschiedenen Vorstellungen einförmig, und eben durch diese Einförmigkeit verdächtig machen, oder sollte er zugeben, daß die Verschiedenheit beibehalten wurde, auf die jezt gar nichts mehr ankommt?

[ocr errors]

§. Sagt man, Verschiedenheiten sind keine Widersprüche? - Was sie nicht sind, das werden sie in dem zweiten und dritten Munde. Was Verschiedenheit bei den Augenzeugen war, wird Widerspruch bei denen, welche die Sache nur vom Hörensagen haben.

§. Nur ein fortdauerndes Wunder hätte es verhindern können, daß in den 30 bis 40 Jahren, ehe Evangelisten schrieben, solche Ausartungen der mündlichen Erzählung von der Auferstehung sich nicht ereignet hätten. Aber was für Recht haben wir, dieses Wunder anzunehmen? Und was dringt uns, es anzunehmen?

§. Wer sich irgend einen solchen Drang muthwillig schafft, der habe es. Aber er wisse auch, was ihm sodann obliegt: alle die Widersprüche zu heben, die sich in den verschiedenen Erzählungen der Evangelisten finden, und sie auf eine leichtere, natürlichere Art zu heben, als es in den gewöhnlichen Harmonien geschehen ist.

§. Daß er dabei sich ja nicht auf dieses und jenes Werk zu sehr verlasse, dessen vielversprechender Titel ihm etwa nur bekannt ist. Ditton hat freilich die Wahrheit der christlichen Religion aus der Auferstehung demonstrativisch erwiesen. Aber er hat die Widersprüche der Evangelisten ganz übergangen, entweder weil er glaubte, daß diese Widersprüche schon längst auf die unwidersprechlichste Weise gehoben wären, woran ich zweifle; oder weil er dafür hielt, daß seine Demonstration, ungeachtet aller dieser Widersprüche, in ihrer ganzen Stärke bestehen könne, - wie auch mich dünkt.

-

§. Eben so ist Th. Sherlok in seiner gerichtlichen Prüfung der Zeugen der Auferstehung verfahren. Er erhärtet, daß die eigentlichen Zeugen allen Glauben verdienen; aber auf die Widersprüche in den Erzählungen der Evangelisten läßt er sich nicht ein.

§. Der einzige Gilbert West hat diese Widersprüche zum Theil mit in seinen Plan ziehen zu müssen geglaubt. Wenn indeß seine ewige Vervielfältigung der nämlichen Personen und Erscheinungen beruhigen kann, der muß so schwer eben nicht zu beruhigen seyn.

§. Folglich findet der Mann, der die Untrüglichkeit der Evangelisten in jedem Worte behauptet, auch hier noch unbearbeitetes Feld genug. Er versuche es nun, und beantworte die gerügten zehn Widersprüche unsers Fragments. Aber er beantwortet sie alle. Denn diesem und jenen nur etwas wahrscheinliches entgegen seßen, und die übrigen mit triumphirender Verachtung übergehen, heißt keinen beantworten.

Theologische Streitschriften.

Ueber den Beweis des Geißtes und der Kraft. | Priorität ich längst gewiß gewesen, auf die unstreitigste Art

[blocks in formation]

Ein anderes sind erfüllte Weissagungen, die ich selbst erlebe; ein anderes erfüllte Weissagungen, von denen ich nur historisch weiß, daß sie andere wollen erlebt haben.

Ein anderes sind Wunder, die ich mit meinen Augen sehe, und selbst zu prüfen Gelegenheit habe; ein anderes sind Wunder, von denen ich nur historisch weiß, daß sie andere wollen gesehen und geprüft haben.

Das ist doch wohl unstreitig? Dagegen ist doch nichts einzuwenden?

Wenn ich zu Christi Zeiten gelebt hätte, so würden mich die in seiner Person erfüllten Weissagungen aller dings auf ihn sehr aufmerksam gemacht haben. Hätte ich nun gar gesehen, ihn Wunder thun; hätte ich keine Ursache zu zweifeln gehabt, daß es wahre Wunder gewesen, so würde ich zu einem von so lange her ausgezeichneten wunderthätigen Mann allerdings so viel Vertrauen gewonnen haben, daß ich willig meinen Verstand dem seinigen unterworfen hätte; daß ich ihm in allen Dingen geglaubt hätte, in welchen eben so ungezweifelte Erfahrungen ihm nicht entgegen gewesen wären.

Oder wenn ich noch jest erlebte, daß Christum oder die christliche Religion betreffende Weissagungen, von deren

in Erfüllung gingen; wenn noch jezt von gläubigen Christen Wunder gethan würden, die ich für echte Wunder erkennen müßte; was könnte mich abhalten, mich diesem Beweise des Geistes und der Kraft, wie ihn der Apostel nennt, zu fügen?

In dem leztern Falle war noch Origenes, der sehr Recht hatte zu sagen, daß die christliche Religion an diesem Beweise des Geistes und der Kraft einen eigenen göttlicheren Beweis habe, als alle griechische Dialektik gewähren könne. Denn noch war zu seiner Zeit die Kraft, wunderbare Dinge zu thun, von denen nicht gewichen,“ die nach Christi Vorschrift lebten; und wenn er ungezweifelte Beispiele hiervon hatte, so mußte er nothwendig, wenn er nicht seine eigenen Sinne verläugnen wollte, jenen Beweis des Geistes und der Kraft anerkennen.

Aber ich, der ich auch nicht einmal mehr in dem Falle des Origenes bin, der ich in dem achtzehnten Jahrhun derte lebe, in welchem es keine Wunder mehr giebt; wenn ich anstehe, noch jezt auf den Beweis des Geistes und der Kraft etwas zu glauben, was ich auf andere meiner Zeit angemessenere Beweise glauben kann, woran liegt es?

Daran liegt es, daß dieser Beweis des Geistes und der Kraft jest weder Geist noch Kraft mehr hat, sondern zu menschlichen Zeugnissen von Geist und Kraft herabgefunten ist.

Daran liegt es, daß Nachrichten von erfüllten Weissagungen nicht erfüllte Weissagungen, daß Nachrichten von Wundern nicht Wunder sind. Diese, die vor meinen Augen erfüllten Weissagungen, die vor meinen Augen geschehenen Wunder wirken unmittelbar. Jene aber, die Nachrichten von erfüllten Weifsagungen und Wundern, sollen durch ein Medium wirken, das ihnen alle Kraft benimmt.

Den Origenes anführen und ihn sagen lassen, daß der Beweis der Kraft wegen der erstaunlichen Wunder so „heiße, die zur Bestätigung der Lehre Chrifti geschehen,** ist nicht allzuwohl gethan, wenn man das, was unmittelbar bei dem Drigenes darauf folgt, seinen Lesern verschweigt. Denn die Leser werden den Origenes auch aufschlagen, und

mit Befremden finden, daß er die Wahrheit jener bei der Grundlegung des Christenthums geschehenen Wunder, in molkov μer ådløv, und also aus der Erzählung der Evangelisten wohl mit, aber doch vornehmlich und namentlich aus den Wundern erweist, die noch damals geschahen.

Wenn nun dieser Beweis des Beweises jezt gänzlich weggefallen, wenn nun alle historische Gewißheit viel zu schwach ist, diesen weggefallenen augenscheinlichen Beweis des Beweises zu erseßen; wie ist mir denn zuzumuthen, daß ich die nämlichen unbegreiflichen Wahrheiten, welche Leute vor sechzehn bis achtzehn hundert Jahren auf die kräftigste Veranlassung glaubten, auf eine unendlich mindere Veranlassung eben so kräftig glauben soll?

Oder ist, ohne Ausnahme, was ich bei glaubwürdigen Geschichtschreibern lese, für mich eben so gewiß, als was ich selbst erfahre?

Das wüßte ich nicht, daß es jemals ein Mensch be hauptet hätte, sondern man behauptet nur, daß die Nachrichten, die wir von jenen Weissagungen und Wundern haben, eben so zuverlässig sind, als nur immer historische Wahrheiten seyn können. — Und freilich, fügt man hinzu, könnten historische Wahrheiten nicht demonstrirt werden, aber dem ungeachtet müsse man sie eben so fest glauben, als demonstrirte Wahrheiten.

[ocr errors]

Hierauf nun antworte ich. Erstlich, wer läugnet es, — ich nicht — daß die Nachrichten von jenen Wundern und Weissagungen eben so zuverlässig sind, als nur immer historische Wahrheiten seyn können? Aber nun, wenn sie nur eben so zuverlässig sind, warum macht man sie bei dem Gebrauche auf einmal unendlich zuverlässiger?

Und wodurch? — Dadurch, daß man ganz andere und mehrere Dinge auf fie baut, als man auf historisch erwie sene Wahrheiten zu bauen befugt ist.

Wenn teine historische Wahrheit demonstrirt werden fann, so kann auch nichts durch historische Wahrheiten demonstrirt werden.

Das ist, zufällige Geschichtswahrheiten kön nen der Beweis von nothwendigen Vernunftswahrheiten nie werden.

Ich läugne also gar nicht, daß in Christo Weissagungen erfüllt worden; ich läugne gar nicht, daß Christus Wunder gethan, sondern ich läugne, daß diese Wunder, seitdem ihre Wahrheit völlig aufgehört hat, durch noch gegenwärtig gangbare Wunder erwiesen zu werden; seitdem sie nichts als Nachrichten von Wundern sind (mögen doch diese Nach richten so unwidersprochen, so unwidersprechlich seyn, als fie immer wollen), mich zu dem geringsten Glauben an Christi anderweitige Lehren verbinden können und dürfen. Diese anderweitigen Lehren nehme ich aus anderweitigen Gründen an.

Denn Zweitens: was heißt einen historischen Saß für wahr halten? eine historische Wahrheit glauben? Heißt es im geringsten etwas anderes, als diesen Saß, diese

Wahrheit gelten laffen? nichts dawider einzuwenden haben? sich gefallen lassen, daß ein anderer einen andern historis schen Saß darauf baut, eine andere historische Wahrheit daraus folgert? sich selbst vorbehalten, andere historische Dinge darnach zu schäßen? Heißt es im geringsten etwas anderes? etwas mehr? Man prüfe sich genau!

Wir alle glauben, daß ein Alexander gelebt hat, welcher in kurzer Zeit fast ganz Asien besiegte. Aber wer wollte, auf diesen Glauben hin, irgend etwas von großem dauerhaften Belange, dessen Verlust nicht zu erseßen wäre, wagen? Wer wollte, diesem Glauben zufolge, aller Kenntniß auf ewig abschwören, die mit diesem Glauben stritte? Ich wahrlich nicht. Ich habe jezt gegen den Alexander und seine Siege nichts einzuwenden; aber es wäre doch möge lich, daß sie sich eben so wohl auf ein bloßes Gedicht des Choerilus, welcher den Alexander überall begleitete, gründeten, als die zehnjährige Belagerung von Troja sich auf weiter nichts, als auf die Gedichte des Homers gründet.

Wenn ich folglich historisch nichts dawider einzuwenden habe, daß Christus einen Todten erweckt; muß ich darum für wahr halten, daß Gott einen Sohn habe, der mit ihm gleiches Wesens sey? In welcher Verbindung steht mein Unvermögen, gegen die Zeugnisse von jenem etwas erheb liches einzuwenden, mit meiner Verbindlichkeit, etwas zu glauben, wogegen sich meine Vernunft sträubt?

Wenn ich historisch nichts dawider einzuwenden habe, daß dieser Christus selbst von dem Tode auferstanden; muß ich darum für wahr halten, daß eben dieser auferstandene Christus der Sohn Gottes gewesen sey?

Daß der Christus, gegen deffen Auferstehung ich nichts Historisches von Wichtigkeit einwenden kann, sich deßwegen für den Sohn Gottes ausgegeben, daß ihn seine Jünger deßwegen dafür gehalten, das glaube ich herzlich gern. Denn diese Wahrheiten, als Wahrheiten einer und eben derselben Classe, folgen ganz natürlich auseinander.

Aber nun mit jener historischen Wahrheit in eine ganz andere Classe von Wahrheiten herüber springen, und von mir verlangen, daß ich alle meine metaphysischen und moralischen Begriffe darnach umbilden soll; mir zumuthen, weil ich der Auferstehung Christi kein glaubwürdiges Zeugniß entgegen seßen kann, alle meine Grundideen von dem Wesen der Gottheit darnach abzuändern; wenn das nicht eine μεταβασις εἰς ἀλλο γενος ift, fo weiß id nidt, mas Aristoteles sonst unter dieser Benennung verstanden.

Man sagt freilich: aber eben der Christus, von dem du historisch mußt gelten lassen, daß er Todte erweckt, daß er selbst vom Tode erstanden, hat es selbst gesagt, daß Gott einen Sohn gleiches Wesens habe, und daß Er dieser Sohn sey.

Das wäre ganz gut! Wenn nur nicht, daß dieses Christus gesagt, gleichfalls nicht mehr als historisch gewiß wäre.

Wollte man mich noch weiter verfolgen und sagen:

« ZurückWeiter »