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An Kleist.

Liebster Freund,

der

Unser Gleim ist ein recht böser Mann, daß er mir den Tag seiner Ankunft bei Ihnen, gemeldet zu haben vorgiebt, und zwar bei guter Zeit gemeldet zu haben vorgiebt. Ich habe seit vier Wochen keine Zeile von ihm gesehen, ob ich ihm gleich die Exemplare von seinen Liedern und Ihren neuen Gedichten schon längst geschickt habe. Nur erst vorigen Sonnabend bekomme ich einen Brief von ihm, den 27. Februar datirt ist, und worin freilich etwas von seiner Reise zu Ihnen steht; ich möchte aber wohl wissen, wo dieser Brief liegen geblieben wäre, ob bey ihm in Hals berstadt oder hier in Leipzig. Da ich also die Zeit, wenn er bey Ihnen seyn wolle, nicht eher erfahren habe, als bis er schon längst wieder weg war; so kann ich wohl mit Recht sagen, daß ich sie gar nicht erfahren habe. Rechnen Sie mir, liebster Freund, mein Aussenbleiben also nicht zu; und seyn Sie ja nicht ungehalten. Ich habe doch einzig❘ und allein das meiste dabey verloren. Aber ist es wirklich andem, daß der Herr Pastor Lange mit seiner Doris zugleich bey Ihnen gewesen ist? Was würden wir einander für Gesichter gemacht haben! Und der boshafte Gleim, was für Einfälle würde er auf unser beyder Rechnung haben strömen lassen! Er würde uns haben versöhnen wollen, und wir würden haben thun müssen, als ob wir niemals Feinde gewesen wären. Es ist mir bey dem allen recht lieb, daß ich dieser Verlegenheit entgangen bin.

Sie bleiben auch gewaltig lange weg, liebster Freund. Und gleichwohl darf ich es nun kaum recht wagen, Sie zu besuchen. Denn ich weiß, daß der Herr General schon zu verschiednen Malen gesagt hat, daß er Sie alle Tage wie

der erwarte.

Morgen geht das Bataillon Garde von hier weg; nach Breßlau, wie man sagt. Das ist die einzige Neuigkeit, die ich Ihnen von hier melden kann. Oder wollen Sie noch etwas neues von Gottscheden wissen? Er wird mit dem Gesalbten unsers Gleims immer bekannter, immer ver trauter. Es hat wieder französische Verse gesezt nebst einer goldnen Tabatiere und einem Ringe. Er macht gar kein Geheimniß draus; er ist vielmehr so stolz drauf, daß er die ganze Unterredung, die er hier mit dem Könige gehabt hat, in sein Neuestes hat eindrucken lassen. Gott wolle nicht, daß unser Gleim seinen Patriotismus auch so weit treibt, daß ihm Gottsched durch diese Bekanntschaft respectabler wird! Jezt ist es vielmehr die rechte Zeit, neue und blutigere Satyren wider ihn zu machen, als man noch je gemacht hat. Und wenn wir damit zaudern, so wird er uns selbst zuvorkommen. Denn es ist ganz gewiß, daß er wieder eine neue Aesthetik in einer Nuß drucken läßt. Ihre neuen Gedichte werden ihm gleich noch zur rechten Zeit ge= kommen seyn. Wenn ich doch nur auch unterdessen etwas geschrieben hätte, damit ich nicht etwa vergessen würde! —

Leben Sie wohl, theuerster, liebster Freund, und kom men Sie ja bald wieder. Ich bin Zeit Lebens

Leipzig den 14. März 1758.

An Gleim.

Liebster Freund!

ganz der Jhrige Leßing.

Berlin, den 16. Decemb. 1768.

Ich bleibe Ihnen die Antwort auf Ihre leßten sehr angenehmen Briefe lange schuldig. Sie werden die Ursache gleich hören. Vor allen Dingen muß ich Ihnen sagen, daß ich das Gedicht unsers Grenadiers, als ein Gedicht, mit dem größten Vergnügen gelesen habe. Er ist hier weit ernster, feyerlicher, erhabener, als in seinen Liedern, ohne deswegen aus seinem Charakter zu gehen. Allein soll ich es für nichts, als für eine Wirkung seiner frappanten Art zu malen halten, wenn mir bey verschiedenen Stellen vor Entseßen die Haare zu Berge gestanden haben? Sehen Sie, liebster Freund, ich bin aufrichtig, und ich kann es gegen Sie ohne Gefahr seyn. Ich wollte diese Stellen nicht zum zweytenmal lesen, und wenn ich noch so viel damit gewinnen könnte. Ja, geseßt, es wird über kurz oder lang Friede; geseßt, die ißt so feindselig gegen einander gesinnten Mächte söhnen sich aus (ein Fall, der ganz gewiß erfolgen muß) —: was meinen Sie, daß alsdann die kältern Leser, und vielleicht der Grenadier selbst, zu so mancher Ueber: treibung sagen werden, die sie ist in der Hiße des Affects für ungezweifelte Wahrheit halten? Der Patriot überschreyet den Dichter zu sehr, und noch dazu so ein soldatischer Patriot, der sich auf Beschuldigungen stüßt, die nichts weniger als erwiesen sind! Vielleicht zwar ist auch der Patriot bey mir nicht ganz erstickt, obgleich das Lob eines eifrigen Patrioten, nach meiner Denkungsart, das aller: leste ist, wonach ich geißen würde; des Patrioten nehmlich, der mich vergessen lehrte, daß ich ein Weltbürger seyn sollte. In diesem Falle also, wenn es nehmlich eine bloße Collision des Patriotismus ist, die mich diesesmal mit unserm Grenadiere weniger zufrieden macht, als ich sonst zu seyn so viel Ursach habe — veniam petimus dabimusque vicissim. Ich war auch, in Betrachtung dessen, gar nicht Willens, das Gedicht unsers Grenadiers zu unterbrüden, oder wenigstens vom Drude abzuhalten. Allein da jest nicht eine Zeile ohne Censur und Erlaubniß hier in Berlin gedruckt werden darf, so mußte es nothwendig vorher censirt werden, und erst heute erfahre ich, daß es die Censur nicht passiren kann. Ohne Zweifel ist die anstößige Erwähnung des von Katt die vornehmste Ursache. König hat sich in dieser Sache selbst zu öffentlich Unrecht gegeben, als daß es ihm angenehm seyn könnte, sich auf eine solche Weise daran erinnert zu sehen.

Der

Unterdessen, liebster Freund, werde ich das Gedicht doch bey mir behalten, und in wenig Wochen einen Gebrauch

davon machen, bey welchem der Dichter keine Gefahr läuft, und der Herausgeber sich nichts vorzuwerfen hat. Sie sollen damit zufrieden seyn; ich weiß es gewiß. Zeigen Sie aber dem Grenadier diesen meinen Brief nicht; denn ich fange wirklich an mich vor ihm zu fürchten. Es scheint, er läßt sich zu leicht in Harnisch jagen. Sein Major hat weit kälteres Blut, und ich würde wider den Schluß seines Cissides nichts zu sagen haben, wenn ich auch der eifrigste Verfechter der Gegenparthey wäre. Ich bin es aber nicht; das wiffen Sie.

Leben Sie wohl, liebster Freund, und schreiben Sie mir mit nächster Post, wenn ich nicht glauben soll, daß ich Sie durch diesen Brief unwillig gemacht habe. Ich bin Zeitlebens

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Alle unsere Freunde hier müssen mir bezeugen, wie sehr ich mit dem Gedichte des Grenadiers, als einem Gedichte, gleich vom Anfange zufrieden gewesen bin. Es ist❘ mir nichts darin anstößig gewesen. (auch nicht einmal tippeln 2c.) als bloß die Verwünschungen, von welchen ich überhaupt ein abgesagter Feind bin. Und diese Ver wünschungen haben nothwendig einen so starken Eindruc auf mich machen müssen, da sie einen Prinzen betrafen, von dessen Charakter ich weit anders überzeugt bin, als daß ich das von ihm glauben sollte, was ihm die Flüche des Grenadiers zugezogen hat. Er verdient sie ganz gewiß nicht; und wenn er sie auch verdient hätte, so wäre es doch beffer, daß der Grenadier das Verfluchen den Priestern überließe. Als Priester mag Herr Lange dieses unselige Vorrecht immer ausüben, und die nähere Erlaubniß dazu von Friedrich dem Soldaten ist erschleichen, die ihm Friedrich der philosophische König zu einer andern Zeit gewiß verweigert hätte. Der Grenadier thut sich selbst Unrecht, wenn er sich alles für erlaubt halten will, was einem Lange erlaubt ist, der sich damit begnügt, wenn er nur ist ein paar Monate hindurch gelesen wird, und nichts darnach fragt, wenn man seine Gedichte über Jahr und Tag gar nicht mehr kennt. Der Grenadier soll und muß auf die Nachwelt denken; oder wenn Er es nicht thun will, so werden es seine Freunde für ihn thun.

Grenadier nur über zwey Stellen meines so anstößig befundenen Briefs das Verständniß! Wenn ich geschrieben habe, daß ich mich vor ihm zu fürchten anfinge, so bedaure ich nur, daß ich den Ton und die Miene nicht habe mit schreiben können, mit welcher ich es ihm mündlich würde gesagt haben. Ich glaubte, als ich es schrieb, mit keinem lächerlichen Einfalle meinen Brief beschließen zu können, mit dessen ernsthaftem Anfange ich nicht zufrieden war. Was ich aber von dem übertriebenen Patriotismus einfließen lassen, war weiter nichts als eine allgemeine Betrachtung, die nicht sowohl der Grenadier, als tausend ausschweifende Reden, die ich hier alle Tage hören muß, bey mir rege gemacht hatten. Ich habe überhaupt von der Liebe des Vaterlandes (es thut mir leid, daß ich Ihnen vielleicht meine Schande gestehen muß) keinen Begriff, und sie scheint mir aufs höchste eine heroische Schwachheit, die ich recht gern entbehre. Doch lassen Sie mich davon nichts weiter schreiben. Ich rühme mich, daß ich von der Freundschaft desto höhere Begriffe habe, und daß noch tausend solche fleine Uneinigkeiten meiner Liebe und Hochachtung gegen. meinen lieben Gleim und wackern Grenadier nicht im geringsten nachtheilig seyn können. Und wie könnten sie auch, da ich sehe, daß er weit mehr nachgiebt, als ich selbst würde nachgegeben haben? Ich danke es ihm zum Beyspiel nicht (als nur in so fern es ein Zeichen seiner Freundschaft gegen mich seyn soll), daß er die Verwünschung der Selbstherrscherin in Ruhm und Segen verwandelt hat. So viel habe ich niemals gefordert; und ich wünschte, daß er es bloß so verändert hätte: „Aber welch ein Loos soll ich dir wünschen, Selbstherrscherin! wenn du“ 2.

Unterdessen kann es um so viel eher gedruckt werden, und ich hoffe Ihnen nächstens Exemplare zu schicken. Aber was werden Sie sagen, daß ich schon im voraus Gebrauch davon gemacht habe? Weil ich nicht glaubte, daß es so bald könne gedruckt werden, so gab ich dem Verfasser der Briefe über die neueste Litteratur eine Abschrift von den schönsten Stellen; und wenn Sie das, was bey Gelegenheit der ausgelassenen anstößigen Stellen gesagt worden ist, beleidigen sollte, so bitte ich im voraus um Verzeihung.

Ich sende Ihnen hierbey diese Briefe, weil Sie sie vers langen. Aber wenn Sie glauben, daß ich der Verfasser davon bin, so thun Sie mir keinen Gefallen. Es sind wohl einige Bolzen von mir darin; weiter aber auch nichts. Leben Sie wohl, liebster Freund. Ich bin

Jhr

ergebenster Leffing.

An Gleim.

Berlin, den 1. Sept. 1759.

Liebster Freund,

Ich seze in der größten Verwirrung die Feder an. Ich

Deffnen Sie unterdessen, liebster Freund, unserm weiß, Sie werden sich alle Posttage nach einem Briefe von Lessing, Werte. II.

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mir umsehen; ich muß Ihnen also nur schreiben, ob ich Ihnen gleich auch ist noch nichts ganz Zuverlässiges von unserm theuersten Kleist melden kann.

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Herr von Brand ist bei der Armee des Königs ge: wesen, und vorgestern Abends wieder zurückgekommen. Er hat sich genau nach unserm Freunde erkundigt und von dem Obersten von Kleist, seinem Vetter, erfahren, daß er sich in Frankfurt noch bis dato befände. Er soll nicht mehr als sechs Wunden haben. Der rechtschaffene Mann! Er hat sich, und das hat nicht allein der Oberste, sondern das haben ihm noch viele andere Officiere gesagt an dem unglücklichen Tage außerordentlich hervorgethan. Er hat die ersten Wunden gar nicht geachtet, sondern ist vor seinem Bataillon noch immer zu Pferde geblieben; und als er endlich gestürzt, hat er noch auf der Erde seinen Leuten zugerufen und sie aufs beste angefeuert. Doch auch hier hat alles nichts helfen wollen; er hat müssen auf der Wahlstatt liegen bleiben, und ist so, nebst allen andern schwer Verwundeten, den Russen in die Hände gefallen.

Gestern erhielten wir Nachricht, daß die Russen Frank furt verlassen hätten. Sie haben sich nach Guben gezogen, um sich mit den Destreichern zu vereinigen. Ich schrieb also gleich, nebst dem Herrn Professor Sulzer, nach Frankfurt. Aber kaum war mein Brief fort, so machte man mich besorgt, daß ich ihn wohl würde vergebens geschrieben haben. Herr Venino nehmlich, der gleichfalls bey der Armee gewesen ist, will da für gewiß erfahren haben kaum kann ich es Ihnen schreiben, aber ich muß -er will erfahren haben, daß unser liebster Freund be reits an seinen Wunden gestorben sey. Noch mehr; heute ist ein Journal von dem, was sich von Tag zu Tag wäh❘ rend der Anwesenheit der Russen in Frankfurt daselbst zus getragen hat, hier angekommen und auch in diesem Jour nal soll es mit angemerkt stehen, daß ein Major Kleist daselbst begraben worden. Nun hören Sie, womit ich mich noch tröste. Es sind mehr Majore Kleist, und ich weiß auch gewiß, daß noch ein anderer Major Kleist, ich kann mich nicht gleich erinnern von welchem Regimente, mit dem unsrigen ein gleiches Schicksal gehabt hat. Dieser wird gestorben seyn, und nicht unser Kleist. Nein unser Kleist ist nicht gestorben: es kann nicht seyn; er lebt noch. Ich will mich nicht vor der Zeit betrüben; ich will auch Sie nicht vor der Zeit betrüben. Lassen Sie uns das Beste hoffen. Mit der rüdkommenden Frankfurter Post werden wir alles erfahren. Wenn er noch lebt, so besuche ich ihn. Ich sollte ihn nicht mehr sehen? Ich sollte ihn in meinem Leben nicht mehr sehen, sprechen, umarmen? Leben Sie wohl. Ich bin ganz der Jhrige

1 Ein italiänischer Kaufmann in Berlin.

Lessing.

An Gleim.

Berlin, d. 6. September 1759. Ach, liebster Freund, es ist leider wahr. Er ist todt. Wir haben ihn gehabt. Er ist in dem Hause und in den Armen des Professors Nicolai gestorben. Er ist beständig, auch unter den größten Schmerzen, gelassen und heiter gel wesen. Er hat sehr verlangt seine Freunde noch zu sehen. Wäre es doch möglich gewesen! Meine Traurigkeit über :: diesen Fall ist eine sehr wilde Traurigkeit. Ich verlange zwar nicht, daß die Kugeln einen andern Weg nehmen sollen, weil ein ehrlicher Mann da steht. Aber ich ver lange, daß der ehrliche Mann Sehen Sie; manchmal verleitet mich der Schmerz, auf den Mann selbst zu zürnen, den er angeht. Er hatte schon drey, vier Wunden; warum ging er nicht? Es haben sich Generale mit weniger und kleinern Wunden unschimpflich bey Seite gemacht. Er hat sterben wollen. Vergeben Sie mir, wenn ich ihm zu viel thue. Er wäre auch an der lezten Wunde nicht gestorben, sagt man; aber er ist versäumt worden. Versäumt wor den! Ich weiß nicht, gegen wen ich rasen soll. Die Elenden, die ihn versäumt haben!

Ich muß abbrechen. Der Professor wird Ihnen ohne Zweifel geschrieben haben. Er hat ihm eine Standrede gehalten. Ein anderer, ich weiß nicht wer, hat auch ein Trauergedicht auf ihn gemacht. Sie müssen nicht viel an Kleist verloren haben, die das ist im Stande waren! Der Professor will seine Rede drucken lassen, und sie ist so elend! Ich weiß gewiß, Kleist hätte lieber eine Wunde mehr mit ins Grab genommen, als sich solches Zeug nach: schwazen lassen. Hat ein Professor wohl ein Herz? Er verlangt izt auch von mir und Ramler Verse, die er mit seiner Rede zugleich will drucken lassen. Wenn er eben das auch von Ihnen verlangt hat, und Sie erfüllen sein Verlangen Liebster Gleim, das müssen Sie nicht thun! Das werden Sie nicht thun. Sie empfinden ist mehr, als daß Sie, was Sie empfinden, sagen könnten. Ihnen ist es auch nicht, wie einem Professor, gleich viel, was Sie sagen, und wie Sie es sagen. Leben Sie wohl. Ich werde Ihnen mehr schreiben, wenn ich werde ruhig seyn.

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dieser Reue bereits bin, weiß ich eigentlich selbst nicht. Denn noch bin ich in Breßlau nicht zu mir selbst gekommen.

Was Sie mir aus den Berliner Zeitungen melden, ist eine wahre Neuigkeit für mich. 1 Ihnen brauche ich es nicht lange zu versichern, daß mir diese Ehre, besonders in den Umständen, worinn ich mich gegenwärtig befinde, sehr gleichgültig ist. Auch ist es mir sehr gleichgültig, was Herr S. für ein Betragen dabey geäußert. Ob er falsch ist, weiß ich nicht; daß er aber öfters sehr inconsequent zist, das weiß ich. Vielleicht war er auch dasmahl nur das : Lepte. Und Sie haben Recht; es ist immer einerley, ob = man von einem General, oder von einem Präsidenten der - Akademie abhängt. Wenn dieser mehr Kopf hat, so hat er auch mehr Hals: und es ist sicherlich schlimmer mit ihm auszulommen, als mit jenem. Meinen halte ich noch bis jezt für einen sehr guten Mann, vor dessen Hastigkeit, wenn sie anders sein Fehler ist, ich ganz gesichert zu scyn glaube.

Was Ephraim übrigens anbelangt, so ist mir lieb, daß alle die Gefälligkeiten, die er sich von mir versprechen kann, von der Art sind, daß ich niemanden dadurch schaden, auch mich selbst keiner Verantwortung dabey ausseßen kann: doch werde ich darum nicht aufhören, auf meiner Hut zu feyn; und Sie, liebster Freund, werden mir einen großen Gefallen erweisen, wenn Sie mir dann und wann, vor diesem und jenem, einen kleinen Wink geben. Unsere ersten Briefe sind sehr trocken. Wir müssen einander fleißiger, und mehr, und angenehmere Dinge schreiben. Sie gehen auf Ihrem Pfade ungehindert fort. Verlieren Sie mich ja nicht ganz aus den Augen; lassen Sie mich ja an allen Ihren Beschäftigungen noch ferner den Antheil nehmen, den ich zu meinem großen Nußen bisher daran genommen habe. Das wird das einzige Mittel seyn, wenn ich nicht ganz in Nichtswürdigkeiten versinken soll.

Was macht Herr Nicolai? Als Bräutigam hat er nicht Zeit meine Briefe zu lesen. Ich will den Honigmonat vorbeygehen lassen, ehe ich ihm schreibe. Doch kann er fichre Rechnung darauf machen, daß er binnen 14 Tagen die versprochenen Briefe haben soll. 2 Sie haben ohne Zweifel unterdessen alles geschrieben. Daß ich ja mit nächstem die Stücke alle bekomme, die ich nicht gelesen habe! Leben Sie wohl, bester Freund, und empfehlen Sie mich allen Ihren Freunden.

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weniger als zufrieden gewesen bin. Ich muß es Ihnen aber gestehen, weil es die einzige Ursache ist, warum ich so lange nicht an Sie geschrieben habe. Nicht wahr, nur ein einzigesmahl habe ich von hier aus an Sie geschrieben? Wetten Sie kühnlich darauf, daß ich also auch nur ein einzigesmahl recht zu mir selbst gekommen bin.

Nein, das hätte ich mir nicht vorgestellt! aus diesem Tone klagen alle Narren. Ich hätte mir es vorstellen sollen und können, daß unbedeutende Beschäftigungen mehr ermüden müßten, als das anstrengendste Studieren; daß in dem Zirkel, in welchen ich mich hineinzaubern lassen, er: logene Vergnügen und Zerstreuungen über Zerstreuungen die stumpf gewordene Seele zerrütten würden; daß —

Ach, bester Freund, Ihr Lessing ist verlohren! In Jahr und Tag werden Sie ihn nicht mehr kennen. Er sich selbst nicht mehr. O meine Zeit, meine Zeit, mein Alles, was ich habe sie so, ich weiß nicht was für Absichten aufzuopfern! Hundertmahl habe ich schon den Einfall ge habt, mich mit Gewalt aus dieser Verbindung zu reißen. Doch lann man einen unbesonnenen Streich mit dem andern wieder gut machen?

Aber vielleicht habe ich heute nur einen so finstern Tag, an welchem sich mir nichts in seinem wahren Lichte zeigt, Morgen schreibe ich Ihnen vielleicht heiterer. O schreiben Sie mir doch ja recht oft; aber mehr als bloße Vorwürfe über mein Stillschweigen. Ihre Briefe sind für mich ein wahres Almosen. Und wollen Sie Almosen nur der Vergeltung wegen ertheilen?

Leben Sie wohl, mein liebster Freund. Die erste gute Stunde, die mir mein Mißvergnügen läßt, ist ganz gewiß Ihre. Ich sehe ihr mit alle dem unruhigen Verlangen entgegen, mit welchem ein Schwärmer himmlische Erschei nungen erwartet.

Breslau, den 30. März 1761.

Leffing.

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Ich habe Ihnen auf drey Briefe zu antworten: auf zwey, die ich erhalten habe, und auf einen, den ich nicht erhalten habe. Wenn ich Ihnen sage, daß dieser lettere mir die andern zwey fast zu Räthseln gemacht hat, so ist es wohl kein Räthsel, welches der verunglückte von den dreien sey. Der erste, leider! den Sie dem jungen Herrn von Kleist mitgegeben hatten; mit dem Sie mir die erste kleine Ausgabe des Logau wieder zurück schickten. Brief und Logau sind mit dem Tornister des jungen Kleist unter Weges verloren gegangen. Ein ärgerlicher Zufall! Sie wissen, daß der Logau nicht mein eigen war, sondern einer hiesigen Bibliothek (zu St. Magdalena) zugehörte. Ich verzweifle durchaus, ihr diesen Verlust erseßen zu können;

allem Ansehen nach war es noch das einzige Exemplar in der Welt. Nun was mehr? Es ist weg; und ich habe mich wohl gehütet, den jungen Kleist meine Empfindlichkeit darüber merken zu lassen. Denn er bat gar zu sehr um Verzeihung; und einmal ist er doch unsers Kleists Neveu. Was wollte ich dem nicht vergeben? Ihn seinen eigenen dabey erlittenen Schaden einigermaßen vergessen zu machen, habe ich ihm in der Geschwindigkeit die nöthigsten Bedürfnisse wieder anschaffen lassen. Ich habe ihm auch offne Kasse bey mir angeboten, und es wird nur auf ihn ankommen, wie sehr er sich noch weiter dieses Anerbieten zu Nuße machen will.

Und so ist sie wirklich todt? Liebe Mamsell, was das nun wieder für ein romanhafter Streich ist! Wenn sie sich nicht besser aus dem Handel zu ziehen gewußt haben! Aber um Gottes willen, liebster Freund, verwickeln Sie mich mit ihren Erben in keinen Prozeß! Geben Sie ihnen alles, was sie verlangen. Ich will hoffen, daß sie nicht mehr verlangen werden, als ich gehabt habe. Es würde mir leicht seyn, ihnen eine Art eines sehr gültigen Anspruchs auf dieses und jenes zu produciren, wenn es sich der Mühe verlohnte, eine dritte Person darüber abhören zu lassen, welche die Mamsell zu ihrem Hin- und Wiederschicken brauchte. Allein ich habe mir einmal für allemal vorgenommen, keine Erbschaft unter hundert tausend Thalern anzunehmen; und die Donationes inter vivos, wenn sie von einem Frauenzimmer herkommen, sind nicht immer die anständigsten. Ein einziges hätte ich gewünscht: die Möbeln für gute baare Bezahlung zum Andenken behalten zu können. Wenn die Erben diese mir noch verkaufen wollen, so werde ich ihnen dafür verbunden seyn. Schließen Sie den Handel, liebster Freund, und ich will Ihnen so gleich das Geld dazu assigniren.

Denn müssen wir denn nicht Möbeln haben, wenn wir einmal beisammen wohnen wollen? Ich bitte mir es aus, daß dieses einmal für allemal eine abgeredete Sache bleibt. Wenn die Zeit doch nur schon da wäre! Ich bin meiner jezigen Situation so überdrüßig, als ich noch einer in der Welt gewesen bin. Nur bald Friede, oder ich halte es nicht länger aus!

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Quod reliquum Lichtwehr ist ein Narr. Daß Sie Oden drucken lassen, die Sie mir nicht schicken, das ist nicht sein. Unserm lieben Krause zu seiner aber: maligen Veränderung tausend Glück! Ich schreibe ihm mit nächstem Posttage unfehlbar. Gleim und die Karschin! Die lezte hat an mich geschrieben, und ich werde ihr nicht antworten. Wenn doch Kleist noch lebte! Hier ist ein Brief von seinem Neveu. Er klagt, daß er schon zweimal an Sie geschrieben, ohne eine Antwort zu erhalten. Einen Brief, weiß ich, habe ich ihm selbst durch den Buchhändler Meyer bestellt. Haben Sie den nicht erhalten? – Was machen Langemack und Sulzer? - Was macht Ich muß schließen, liebster Freund. Sie wissen ja

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Endlich dringt mich die Noth, an Sie zu schreiben. Und zwar eine doppelte Noth. Fürs erste: ich kann unmöglich länger Jhre Briefe entbehren. Da Sie mir fie also nicht als ein Almosen wollen zukommen lassen

(Sie sollten sich schämen, mit mir auf so genaue Rec nung zu leben. Zug um Zug, ist eine Regel in der Handlung, aber nicht in der Freundschaft. Handel und Wandel leidet keine Freundschaft: aber Freundschaft leidet auch keinen Handel und Wandel. Und wozu machen Sie unsern Briefwechsel anders, als zu einem eigennüßigen Handel, wenn Sie wollen, daß er in dem eigentlichsten Wortver stande nichts als ein Briefwechsel seyn soll? Wenn Sie mit keinem andern Wechsel übers Ohr gehauen werden, als mit diesem, so wird Ihr Beutel ein sehr gesegnetet Beutel bleiben, und Ihre Freundschaft eine Capitalistinn werden. Denn jeder Jhrer Briefe, den ich nicht beant worte, ist ein Capital, welches Sie bey mir unterbringen. Und die Interessen dieses Capitals werden von Zeit zu Zeit zu dem Capitale geschlagen, und tragen neue Interessen, welche wieder zu dem Hauptstuhle geschlagen werden; jo daß, je länger ich nicht antworte, desto größer Jhr Capital wird. Begreifen Sie das nicht? Sie haben Recht: da ist nichts zu begreifen. Lauter eingebildete Reichthümer! Lieber Freund, verschmähen Sie doch die eingebildeten Reichthümer nicht! Lassen Sie uns noch drey Jahre mün zen, und die begreiflichsten Reichthümer sollen zu Einbil dungen werden. O Jane Patulci claudantur allen Dingen meine Parenthesis)

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So muß ich mir schon gefallen lassen, sie als Antwer ten zu erpressen. Und damit Sie auch gleich wissen, was Sie mir antworten sollen, so vernehmen Sie meine zweyte Noth. Auf beiliegendem Zettel stehen Bücher, die ich mir aus dem Baumgartenschen Catalogo 1

(Der ehrliche Mann, höre ich, ist an einer poetischen Dysenterie 2 gestorben. Daran sterbe ich nicht. Eher noch an einer poetischen Obstruction, Constipation wie beist das griechische Wort! Schlagen Sie Hebenstreits Anbang

1 Aus dem Verzeichnisse der sehr beträchtlichen Bibliothel des sel. Oberconsistorialraths Nathanael Baumgarten in Berlin, die das mals verkauft wurde. Nicolai.

2 Er hatte eine Siegespredigt in Versen gehalten.

Nicolai.

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