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Handlungen aber aus dem Homer zu malen, bloß weil sie eine reiche Composition, vorzügliche Contraste, künstliche Beleuchtungen darbieten, schien der alten Artisten ihr Geschmack nicht zu seyn, und konnte es nicht seyn, so lange sich noch die Kunst in den engern Gränzen ihrer höchsten Bestimmung hielt. Sie nährten sich dafür mit dem Geiste des Dichters; sie füllten ihre Einbildungskraft mit seinen. erhabensten Zügen; das Feuer seines Enthusiasmus ent- | flammte den ihrigen; sie sahen und empfanden wie er: und so wurden ihre Werke Abdrücke der Homerischen, nicht in dem Verhältnisse eines Portraits zu seinem Originale, sondern in dem Verhältnisse eines Sohnes zu seinem Vater, ähnlich, aber verschieden. Die Aehnlichkeit liegt öfters nur in einem einzigen Zuge; die übrigen alle haben unter sich nichts gleiches, als daß sie mit dem ähnlichen Zuge in dem einen sowohl, als in dem andern harmoniren.

Da übrigens die Homerischen Meisterstücke der Poesie ålter waren, als irgend ein Meisterstück der Kunst; da Homer die Natur eher mit einem malerischen Auge betrach tet hatte, als ein Phidias und Apelles: so ist es nicht zu verwundern, daß die Artisten verschiedene, ihnen besonders nüßliche Bemerkungen, ehe sie Zeit hatten, sie in der Natur selbst zu machen, schon bei dem Homer gemacht fanden, wo sie dieselben begierig ergriffen, um durch den Homer die Natur nachzuahmen. Phidias bekannte, daß die Zeilen: ' Η, και κυανεσιν ἐπ' ὀφουσι νεύσε Κρονίων Αμβροσιαι δ' άρα χαται ἐπερρώσαντο άνακτος, Κρατος ἀπ' ἀθανάτοιο μεγαν δ' έλελιξεν Ολυμπον ihm bei seinem olympischen Jupiter zum Vorbilde gedient, und daß ihm nur durch ihre Hülfe ein göttliches Antliß, propemodum ex ipso coelo petitum, gelungen sey. Wem dieses nichts mehr gesagt heißt, als daß die Phantasie des Künstlers durch das erhabene Bild des Dichters befeuert,

as that of, Choros exercere, in Virgil, should be understood of the religious dances of old, because dancing, in the old Roman idea of it, was indecent even for men, in public; unless it were the sort of dances used in Honour of Mars, or Bacchus, or some other of their gods. Spence will nämlich jene feierliche Tänze verstanden wissen, welche bei den Alten mit unter die gottesdienstlichen Handlungen gerechnet wurden. Und daher, meint er, brauche denn auch Plinius das Wort sacrificare: It is in consequence of this that Pliny, in speaking of Diana's Nymphs on this very occasion, uses the word, sacrificare, of them; which quite determines these dances of theirs to have been of the religious kind. Er vergißt, daß bei dem Virgil die Diana selbst mit tanzt: exercet Diana choros. Sollte nun dieser Tanz ein gottesdienstlicher Tanz seyn, zu weffen Verehrung tanzte ihn die Diana? Zu ihrer eigenen? Oder zur Berehrung einer andern Gottheit? Beides ist widersinnig. Und wenn die alten Römer das Tanzen überhaupt einer ernsthaften Person nicht für sehr anständig hielten, mußten darum ihre Dichter die Gravität ihres Volkes auch in die Sitten der Götter übertragen, die von den ältern griechischen Dichtern ganz anders festgeseßt waren? Wenn Horaz von der Venus sagt: (Od. IV. lib. I.)

Jam Cytherea choros ducit Venus, imminente luna:
Junctaeque Nymphis Gratiae decentes

Alterno terram quatiunt pede

waren dieses auch heilige gottesdienstliche Tänze? Ich verliere zu viele Borte über eine solche Grille.

1 Iliad. A. v. 528. Valerius Maximus lib. III. cap. 7.
Lessing, Werte. II.

und eben so erhabener Vorstellungen fähig gemacht worden, der, dünkt mich, übersieht das Wesentlichste, und begnügt sich mit etwas ganz allgemeinem, wo sich, zu einer weit gründlichern Befriedigung, etwas sehr specielles angeben läßt. So viel ich urtheile, bekannte Phidias zugleich, daß or in dieser Stelle zuerst bemerkt habe, wie viel Ausdruck in den Augenbraunen liege, quanta pars animi sich in ihnen zeige. Vielleicht, daß sie ihn auch auf das Haar mehr Fleiß zu wenden bewegte, um das einigermaßen auszu drücken, was Homer ambrosisches Haar nennt. Denn es ist gewiß, daß die alten Künstler vor dem Phidias das Spres chende und Bedeutende der Mienen wenig verstanden, und besonders das Haar sehr vernachlässigt hatten. Noch Myron war in beiden Stücken tadelhaft, wie Plinius anmerkt, 2 und nach ebendemselben war Pythagoras Leontinus der erste, der sich durch ein zierliches Haar hervorthat. 3 Was Phidias aus dem Homer lernte, lernten die andern Künstler aus den Werken des Phidias.

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Ich will noch ein Beispiel dieser Art anführen, welches mich allezeit sehr vergnügt hat. Man erinnere sich, was Hogarth über den Apollo zu Belvedere anmerkt. 4 „Dieser ,,Apollo, sagt er, und der Antinous sind beide in eben: demselben Pallaste zu Rom zu sehen. Wenn aber Anti,,nous den Zuschauer mit Verwunderung erfüllt, so sezt „ihn der Apollo in Erstaunen, und zwar, wie sich die Rei„senden ausdrücken, durch einen Anblick, welcher etwas ,,mehr als menschliches zeigt, welches sie gemeiniglich gar „nicht zu beschreiben im Stande sind. Und diese Wirkung „ist, sagen sie, um desto bewundernswürdiger, da, wenn „man es untersucht, das Unproportionirliche daran auch einem gemeinen Auge klar ist. Einer der besten Bildhauer, ,,welche wir in England haben, der neulich dahin reiste, diese Bildsäule zu sehen, bekräftigte mir das, was jeßt „gesagt worden, besonders daß die Füße und Schenkel, in ,,Ansehung der obern Theile, zu lang und zu breit sind. Und Andreas Sacchi, einer der größten italienischen Maler, scheint eben dieser Meinung gewesen zu seyn, sonst ,,würde er schwerlich (in einem berühmten Gemälde, wel,,ches jest in England ist) seinem Apollo, wie er den Ton,,tünstler Pasquilini krönt, das völlige Verhältniß des ,,Antinous gegeben haben, da er übrigens wirklich eine ,,Copie von dem Apollo zu seyn scheint. Db wir gleich an sehr großen Werken oft sehen, daß ein geringerer Theil „aus der Acht gelassen worden, so kann dieses doch hier ,,der Fall nicht seyn. Denn an einer schönen Bildsäule ist ,,ein richtiges Verhältniß eine von ihren wesentlichen ,,Schönheiten. Daher ist zu schließen, daß diese Glieder

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1 Plinius lib. X. sect. 51. p. 616. Edit. Hard.

2 Idem lib. XXXIV. sect. 19. p. 651. Ipse tamen corporum tenus curiosus, animi sensus non expressisse videtur, capillum quoque et pubem non emendatius fecisse, quam rudis antiquitas instituisset.

Ibid. Hic primus nervos et venas expressit: capillumque diligentius.

Zergliederung der Schönheit. S. 47. Berl. Ausg.
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mit Fleiß müssen seyn verlängert worden, sonst würde es „leicht haben können vermieden werden. Wenn wir also ,,die Schönheiten dieser Figur durch und durch untersuchen, ,,so werden wir mit Grunde urtheilen, daß das, was man ,,bisher für unbeschreiblich vortrefflich an ihrem allgemei ‚nen Anblicke gehalten, von dem hergerührt hat, was ein Fehler in einem Theile derselben zu seyn geschienen." — Alles dieses ist sehr einleuchtend, und schon Homer, füge ich hinzu, hat es empfunden und angedeutet, daß es ein erhabenes Ansehen giebt, welches bloß aus diesem Zusage von Größe in den Abmessungen der Füße und Schenkel entspringt. Denn wenn Antenor die Gestalt des Ulysses mit der Gestalt des Menelaus vergleichen will, so läßt er ihn sagen: 1

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Ein einziger unschidlicher Theil kann die übereinstimmende Wirkung vieler zur Schönheit stören. Doch wird der Gegenstand darum noch nicht häßlich. Auch die Häßlichkeit erfordert mehrere unschickliche Theile, die wir ebenfalls auf einmal müssen übersehen können, wenn wir dabei das Gegentheil von dem empfinden sollen, was uns die Schönheit empfinden läßt.

Sonach würde auch die Häßlichkeit, ihrem Wesen nach, kein Vorwurf der Poesie seyn können; und dennoch hat Homer die äußerste Häßlichkeit in dem Thersites geschildert, und sie nach ihren Theilen neben einander geschildert. Warum war ihm bei der Häßlichkeit vergönnt, was er bei der Schönheit so einsichtsvoll sich selbst untersagte? Wird die Wirkung der Häßlichkeit durch die aufeinanderfolgende Enumeration ihrer Elemente nicht eben sowohl gehindert, als die Wirkung der Schönheit durch die ähnliche Enumeration ihrer Elemente vereitelt wird?

Allerdings wird sie das, aber hierin liegt auch die Rechtfertigung des Homers. Eben weil die Häßlichkeit in der Schilderung des Dichters zu einer minder widerwärtigen Erscheinung körperlicher Unvollkommenheiten wird, und gleichsam von der Seite ihrer Wirkung, Häßlichkeit zu seyn, aufhört, wird sie dem Dichter brauchbar; und was er für sich selbst nicht nußen kann, nußt er als ein Ingre diens, um gewisse vermischte Empfindungen hervorzubringen

1 Iliad. v. 210. 211.

und zu verstärken, mit welchen er uns in Ermangelung rein angenehmer Empfindungen unterhalten muß.

Diese vermischte Empfindungen sind das Lächerliche und das Schreckliche.

Homer macht den Thersites häßlich, um ihn lächerlich zu machen. Er wird aber nicht durch seine bloße Häßlichfeit lächerlich; denn Häßlichkeit ist Unvollkommenheit, und zu dem Lächerlichen wird ein Contrast von Vollkommenheiten und Unvollkommenheiten erfordert. 1 Dieses ist die Erklärung meines Freundes, zu der ich hinzuseßen möchte, daß dieser Contrast nicht zu krall und zu schneidend seyn muß, daß die Opposita, um in der Sprache der Maler fortzufahren, von der Art seyn müssen, daß sie sich in ein ander verschmelzen lassen. Der weise und rechtschaffene Aesop wird dadurch, daß man ihm die Häßlichkeit des Thersites gegeben, nicht lächerlich. Es war eine alberne Mönchsfraße, das Tedorov seiner lehrreichen Mährchen, vermittelst der Ungestaltheit auch in seine Person verlegen zu wollen. Denn ein mißgebildeter Körper und eine schöne Seele sind wie Del und Essig, die, wenn man sie schon in einander schlägt, für den Geschmad doch immer getrennt bleiben. Sie gewähren kein Drittes; der Körper erweckt Verdruß, die Seele Wohlgefallen, jedes das seine für sich. Nur wenn der mißgebildete Körper zugleich gebrechlich und kränklich ist, wenn er die Seele in ihren Wirkungen hindert, wenn er die Quelle nachtheiliger Vorurtheile gegen sie wird alsdann fließen Verdruß und Wohlgefallen in einander, aber die neue daraus entspringende Erscheinung ist nicht Lachen, sondern Mitleid, und der Gegenstand, den wir ohne dieses nur hochgeachtet hätten, wird interessant. Der mißgebildete gebrechliche Pope mußte seinen Freunden weit interessanter seyn, als der schöne und gesunde Wicherley den seinen. So wenig aber Thersites durch die bloße Häßlichkeit lächerlich wird, eben so wenig würde er es ohne dieselbe seyn. Die Häßlichkeit; die Uebereinstimmung diese: Häßlichkeit mit seinem Charakter; der Widerspruch, den beide mit der Idee machen, die er von seiner eigenen Wichtigkeit hegt; die unschädliche, ihn allein demüthigende Wirkung seines boshaften Geschwäßes: alles muß zusammen zu diesem Zwecke wirken. Der lettere Umstand ist das Or paprizov, welches Aristoteles 2 unumgänglich zu dem Lächerlichen verlangt; so wie es auch mein Freund zu einer nothwendigen Bedingung macht, daß jener Contrast von keiner Wichtigkeit seyn, und uns nicht sehr interessiren. müsse. Denn man nehme auch nur an, daß dem Thersites selbst seine hämische Verkleinerung des Agamemnons theurer zu stehen gekommen wäre, daß er sie, anstatt mit ein paar blutigen Schwielen, mit dem Leben bezahlen müssen: und wir würden aufhören über ihn zu lachen. Denn dieses Scheusal von einem Menschen ist doch ein Mensch, dessen Vernichtung uns stets ein größeres Uebel scheint, als alle

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1 Philos. Schriften des Hrn. Moses Mendelssohn. Th. II. S. 23. 2 De Poetica cap. V.

seine Gebrechen und Laster. Um die Erfahrung hiervon zu machen, lese man sein Ende bei dem Quintus Calaber, 1 Achilles bedauert die Penthesilea getödtet zu haben: die Echönheit in ihrem Blute, so tapfer vergossen, fordert die Hochachtung und das Mitleid des Helden, und Hochachtung und Mitleid werden Liebe. Aber der schmähsüchtige Thersites macht ihm diese Liebe zu einem Verbrechen. Er eifert wider die Wollust, die auch den wackersten Mann zu Unsinnigkeiten verleite,

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τ' άφρονα φωτα τίθησι Και πινυτον περ έοντα.

Achilles ergrimmt, und ohne ein Wort zu versezen, schlägt er ihn so unsanft zwischen Back und Ohr, daß ihm Zähne, und Blat und Seele mit eins aus dem Halse stürzen. Zu grausam! Der jachzornige mörderische Achilles wird mir verhaßter, als der tückische knurrende Thersites; das Freudengeschrei, welches die Griechen über diese That erheben, beleidigt mich; ich trete auf die Seite des Diomedes, der schon das Schwert zuckt, seinen Anverwandten an dem Mörder zu rächen: denn ich empfinde es, daß Thersites auch mein Anverwandter ist, ein Mensch.

Gesezt aber gar, die Verheßungen des Thersites wären. in Meuterei ausgebrochen, das aufrührerische Volt wäre wirklich zu Schiffe gegangen und hätte seine Heerführer ver rätherisch zurückgelassen, die Heerführer wären hier einem rachjüchtigen Feinde in die Hände gefallen, und dort hätte ein göttliches Strafgericht über Flotte und Volk ein gänzliches Verderben verhangen: wie würde uns alsdann die Häßlichkeit des Thersites erscheinen? Wenn unschädliche Häßlichkeit lächerlich werden kann, so ist schädliche Häßlichkeit allezeit schredlich. Ich weiß dieses nicht besser zu erläutern, als mit ein paar vortrefflichen Stellen des Shakespeare. Edmund, der Bastard des Grafen von Gloster im König Lear, ist kein geringerer Bösewicht, als Richard, Herzog von Glocester, der sich durch die abscheulichsten Verbrechen den Weg zum Throne bahnte, den er unter dem Namen Richard der Dritte bestieg. Aber wie kommt es, daß jener bei weitem nicht so viel Schaudern und Entjezen erwedt, als dieser? Wenn ich den Bastard sagen höre: 2

Thou, Nature, art my Goddess, to thy Law
My Services are bound; wherefore should I
Stand in the Plage of Custom, and permit
The curtesie of Nations to deprive me,
For that I am some twelve, or fourteen Moonshines
Lag of a Brother? Why Bastard? wherefore base?
When my dimensions are as well compact,
My mind as gen'rous, and my shape as true
As honest Madam's Issue? Why brand they thus
With base? with baseness? bastardy, base? base?
Who, in the lusty stealth of Nature, take

1 Paralipom. lib. I. v. 720-778.

2 King Lear. Act. I. Sc. VI.

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But I, that am not shap'd for sportive Tricks,

Nor made to court an am'rous looking-glass,

I, that am rudely stampt, and want Love's Majesty,

To strut before a wanton, ambling Nymph;

I, that am curtail'd of this fair proportion,
Cheated of feature by dissembling nature,
Deform'd, unfinish'd, sent before my time
Into this breathing world, scarce half made up,
And that so lamely and unfashionably,
That dogs bark at me, as I halt by them:
Why I (in this weak piping time of Peace)
Have no delight to pass away the time;
Unless to spy my shadow in the sun,
And descant on mine own deformity.

And therefore, since I cannot prove a Lover,
To entertain these fair well-spoken days,
I am determined, to prove a Villain!

so höre ich einen Teufel und sehe einen Teufel, in einer Gestalt, die der Teufel allein haben sollte.

XXIV.

So nußt der Dichter die Häßlichkeit der Formen; welchen Gebrauch ist dem Maler davon zu machen vergönnt?

Die Malerei, als nachahmende Fertigkeit, kann die Häßlichkeit ausdrücken: die Malerei, als schöne Kunst, will sie nicht ausdrücken. Als jener gehören ihr alle sicht: bare Gegenstände zu; als diese schließt sie sich nur auf diejenigen sichtbaren Gegenstände ein, welche angenehme Empfindungen erwecken.

Aber gefallen auch nicht die unangenehmen Empfin dungen in der Nachahmung? Nicht alle. Ein scharfsinniger Kunstrichter 2 hat dieses bereits von dem Eckel bemerkt. „Die Vorstellungen der Furcht," sagt er, der Traurig„keit, des Schreckens, des Mitleids u. s. w. können nur ,,Unlust erregen, in so weit wir das Uebel für wirklich ,,halten. Diese können also durch die Erinnerung, daß es „ein künstlicher Betrug sey, in angenehme Empfindungen „aufgelöst werden. Die widrige Empfindung des Edels aber erfolgt vermöge des Geseßes der Einbildungkraft ,,auf die bloße Vorstellung in der Seele, der Gegenstand „mag für wirklich gehalten werden oder nicht. Was hilft's ,,dem beleidigten Gemüthe also, wenn sich die Kunst der ,,Nachahmung noch so sehr verräth? Ihre Unlust entsprang nicht aus der Vorausseßung, daß das Uebel wirklich sey,

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The Life and Death of Richard III Act. I. Sc. I.

2 Briefe, die neueste Literatur betreffend. Th. V. S. 102,

„sondern aus der bloßen Vorstellung desselben, und diese „ist wirklich da. Die Empfindungen des Eckels sind also❘ „allezeit Natur, niemals Nachahmung.“

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Eben dieses gilt von der Häßlichkeit der Formen. Diese Häßlichkeit beleidigt unser Gesicht, widersteht unserm Ge schmack an Ordnung und Uebereinstimmung, und erweckt Abscheu, ohne Rücksicht auf die wirkliche Existenz des Gegenstandes, an welchem wir sie wahrnehmen. Wir mögen den Thersites weder in der Natur noch im Bilde sehen; und wenn schon sein Bild weniger mißfällt, so geschieht dieses doch nicht deßwegen, weil die Häßlichkeit seiner Form in der Nachahmung Häßlichkeit zu seyn aufhört, sondern weil wir das Vermögen besißen, von dieser Häßlichkeit zu abstrahiren, und uns bloß an der Kunst des Malers zu vergnügen. Aber auch dieses Vergnügen wird alle Augen blicke durch die Ueberlegung unterbrochen, wie übel die Kunst angewendet worden, und diese Ueberlegung wird selten fehlen, die Geringschäßung des Künstlers nach sich❘ zu ziehen.

Aristoteles giebt eine andere Ursache an, 1 warum Dinge, die wir in der Natur mit Widerwillen erblicken; | auch in der getreuesten Abbildung Vergnügen gewähren, die allgemeine Wißbegierde des Menschen. Wir freuen uns, wenn wir entweder aus der Abbildung lernen können, tɩ ézagov, was ein jedes Ding ist, oder wenn wir daraus fliegen fönnen, ότι οὗτος έκεινος, babes biejes per jenes ist. Allein auch hieraus folgt, zum Besten der Häß lichkeit in der Nachahmung, nichts. Das Vergnügen, welches aus der Befriedigung unserer Wißbegierde entspringt, ist momentan, und dem Gegenstande, über welchen sie be friedigt wird, nur zufällig; das Mißvergnügen hingegen, welches den Anblick der Häßlichkeit begleitet, permanent, und dem Gegenstande, der es erweckt, wesentlich. Wie kann also jenes diesem das Gleichgewicht halten? Noch | weniger kann die kleine angenehme Beschäftigung, welche | uns die Bemerkung der Aehnlichkeit macht, die unange nehme Wirkung der Häßlichkeit besiegen. Je genauer ich das häßliche Nachbild mit dem häßlichen Urbilde vergleiche, desto mehr stelle ich mich dieser Wirkung bloß, so daß das Vergnügen der Vergleichung gar bald verschwindet, und mir nichts als der widrige Eindruck der verdoppelten Häßlichkeit übrig bleibt. Nach den Beispielen, welche Aristotes les giebt, zu urtheilen, scheint es, als habe er auch selbst die Häßlichkeit der Formen nicht mit zu den mißfälligen Gegenständen rechnen wollen, die in der Nachahmung gefallen können. Diese Beispiele sind reißende Thiere und Leichname. Reißende Thiere erregen Schrecken, wenn sie auch nicht häßlich sind; und dieses Schrecken, nicht ihre Häßlichkeit ist es, was durch die Nachahmung in angenehme Empfindung aufgelöst wird. So auch mit den Leichnamen; das schärfere Gefühl des Mitleids, die schreckliche Erinnerung an unsere eigene Vernichtung ist es, welche uns 1 De Poetica cap. IV.

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einen Leichnam in der Natur zu einem widrigen Gegente stande macht; in der Nachahmung aber verliert jenes Mitleid durch die Ueberzeugung des Betrugs, das Schnei dende, und von dieser fatalen Erinnerung kann uns ein Zusaß von schmeichelhaften Umständen entweder gänzlich abziehen, oder sich so unzertrennlich mit ihr vereinen, daß wir mehr wünschenswürdiges als schredliches darin zu be merken glauben.

Da also die Häßlichkeit der Formen, weil die Empfindung, welche sie erregt, unangenehm, und doch nicht von derjenigen Art unangenehmer Empfindungen ist, welche sich durch die Nachahmung in angenehme verwandeln, an und für sich selbst kein Vorwurf der Malerei, als schöner Kunst seyn kann: so käme es noch darauf an, oh sie ihr nicht eben so wohl wie der Poesie, als Ingrediens, um andere Empfindungen zu verstärken, nüglich seyn könne.

Darf die Malerei zu Erreichung des Lächerlichen und Schrecklichen sich häßlicher Formen bedienen?

Ich will es nicht wagen, so geradezu mit Nein hierauf zu antworten. Es ist unläugbar, daß unschädliche Häßlichkeit auch in der Malerei lächerlich werden kann, besonders wenn eine Affectation nach Reiz und Ansehen damit verbunden wird. Es ist eben so unstreitig, daß schädliche Häßlichkeit, so wie in der Natur, also auch im Gemälde Schre den erweckt, und daß jenes Lächerliche und dieses Schredliche, welches schon für sich vermischte Empfindungen sind, durch die Nachahmung einen neuen Grad von Anzüglichkeit und Vergnügen erlangen.

Ich muß aber zu bedenken geben, daß dem ungeachtet sich die Malerei hier nicht völlig mit der Poesie in gleichem Falle befindet. In der Poesie, wie ich angemerkt, verliert die Häßlichkeit der Form, durch die Veränderung ihrer coexistirenden Theile in successive, ihre widrige Wirkung fast gänzlich; sie hört von dieser Seite gleichsam auf, Häßlichkeit zu seyn, und kann sich daher mit andern Erscheinungen desto inniger verbinden, um eine neue besondere Wir kung hervorzubringen. In der Malerei hingegen hat die Häßlichkeit alle ihre Kräfte beisammen, und wirkt nicht viel schwächer, als in der Natur selbst. Unschädliche Häßlichkeit kann folglich nicht wohl lange lächerlich bleiben; die unangenehme Empfindung gewinnt die Oberhand, und was in den ersten Augenblicken possirlich war, wird in der Folge bloß abscheulich. Nicht anders geht es mit der schädlichen Häßlichkeit; das Schreckliche verliert sich nach und nach, und das Unförmliche bleibt allein und unveränderlich zurück.

Dieses überlegt, hatte der Graf Caylus vollkommen | Recht, die Episode des Thersites aus der Reihe seiner Homerischen Gemälde wegzulassen. Aber hat man darum auch Recht, sie aus dem Homer selbst wegzuwünschen? Ich finde ungern, daß ein Gelehrter, von sonst sehr richtigem und feinem Geschmacke, dieser Meinung ist. Ich verspare es 1 Klotzii Epistolae Homericae, p. 33. et seq.

XXV.

Auch der zweite Unterschied, welchen der angeführte Kunstrichter zwischen dem Eckel und andern unangenehmen Leidenschaften der Seele findet, äußert sich bei der Unlust, welche die Häßlichkeit der Formen in uns erweckt.

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auf einen andern Ort, mich weitläuftiger darüber zu gesezt zu seyn glaubt. „Jene beide, sagt er, durch eine übererklären. ‚mäßige Süßigkeit, und dieses durch eine allzugroße Weich,,heit der Körper, die den berührenden Fibern nicht genug„sam widerstehen. Diese Gegenstände werden sodann auch ,,dem Gesichte unerträglich, aber bloß durch die Association ,,der Begriffe, indem wir uns des Widerwillens erinnern, „den sie dem Geschmacke, dem Geruche oder dem Gefühle verursachen. Denn eigentlich zu reden, giebt es keine Ge ,,genstände des Edels für das Gesicht." Doch mich dünkt, es lassen sich dergleichen allerdings nennen. Ein Feuer mal in dem Gesichte, eine Hasenscharte, eine gepletschte Nase mit vorragenden Löchern, ein gänflicher Mangel der Augenbraunen, sind Häßlichkeiten, die weder dem Geruche, noch dem Geschmacke, noch dem Gefühle zuwider seyn können. Gleichwohl ist es gewiß, daß wir etwas dabei empfinden, welches dem Eckel schon viel näher kommt, als das, was uns andere Unförmlichkeiten des Körpers, ein krummer Fuß, ein hoher Rücken, empfinden lassen; je zärt licher das Temperament ist, desto mehr werden wir von den Bewegungen in dem Körper dabei fühlen, welche vor dem Erbrechen vorhergehen. Nur daß diese Bewegungen sich sehr bald wieder verlieren, und schwerlich ein wirkliches Erbrechen erfolgen kann; wovon man allerdings die Ursache darin zu suchen hat, daß es Gegenstände des Gesichts find, welches in ihnen und mit ihnen zugleich eine Menge Realitäten wahrnimmt, durch deren angenehme Vorstellun gen jene unangenehme so geschwächt und verdunkelt wird, daß sie keinen merklichen Einfluß auf den Körper haben kann. Die dunkeln Sinne hingegen, der Geschmack, der Geruch, das Gefühl, können dergleichen Realitäten, indem sie von etwas Widerwärtigem gerührt werden, nicht mit bemerken; das Widerwärtige wirkt folglich allein und in seiner ganzen Stärke, und kann nicht anders als auch in dem Körper von einer weit heftigern Erschütterung begleitet seyn.

Andere unangenehme Leidenschaften, sagt er, 1 föns „nen außer der Nachahmung, in der Natur selbst, dem „Gemüthe öfters schmeicheln, indem sie niemals reine Un„lust erregen, sondern ihre Bitterkeit allezeit mit Wollust❘ „vermischen. Unsere Furcht ist selten von aller Hoffnung „entblößt; der Schrecken belebt alle unsere Kräfte, der Ge„fahr auszuweichen; der Zorn ist mit der Begierde sich zu „rächen, die Traurigkeit mit der angenehmen Vorstellung „der vorigen Glückseligkeit verknüpft, und das Mitleiden „ist von den zärtlichen Empfindungen der Liebe und Zu„neigung unzertrennlich. Die Seele hat die Freiheit, sich „bald bei dem vergnüglichen, bald bei dem widrigen Theile „einer Leidenschaft zu verweilen, und sich eine Vermischung „von Lust und Unlust selbst zu schaffen, die reizender ist, ,,als das lauterste Vergnügen. Es braucht nur sehr wenig „Achtsamkeit auf sich selber, um dieses vielfältig beobachtet „zu haben; und woher käme es denn sonst, daß dem Zor ,,nigen sein Zorn, dem Traurigen sein Unmuth lieber ist, „als alle freudige Vorstellungen, dadurch man ihn zu be„ruhigen gedenkt? Ganz anders aber verhält es sich mit „dem Eckel und den ihm verwandten Empfindungen. Die „Seele erkennt in demselben keine merkliche Vermischung „von Lust. Das Mißvergnügen gewinnt die Oberhand, „und daher ist kein Zustand, weder in der Natur noch in ,,der Nachahmung zu erdenken, in welchem das Gemüth nicht von diesen Vorstellungen mit Widerwillen zurück„weichen sollte."

Vollkommen richtig; aber da der Kunstricter selbst noch andere mit dem Eckel verwandte Empfindungen ertennt, die gleichfalls nichts als Unlust gewähren; welche kann ihm näher verwandt seyn, als die Empfindung des Häßlichen in den Formen? Auch diese ist in der Natur ohne die geringste Mischung von Lust; und da sie deren eben so wenig durch die Nachahmung fähig wird, so ist auch von ihr kein Zustand zu erdenken, in welchem das Gemüth von ihrer Vorstellung nicht mit Widerwillen zurückweichen

sollte.

Ja dieser Widerwille, wenn ich anders mein Gefühl forgfältig genug untersucht habe, ist gänzlich von der Natur des Eckels. Die Empfindung, welche die Häßlichkeit der Form begleitet, ist Eckel, nur in einem geringern Grade. Dieses streitet zwar mit einer andern Anmerkung des Kunstrichters, nach welcher er nur die allerdunkelsten Sinne, den Geschmack, den Geruch und das Gefühl, dem Eckel aus

1 Ebendaselbst. S. 103.

Uebrigens verhält sich auch zur Nachahmung das Eckelhafte vollkommen so, wie das Häßliche. Ja, da seine unangenehme Wirkung die heftigere ist, so kann es noch we niger als das Häßliche an und für sich selbst ein Gegenstand weder der Poesie, noch der Malerei werden. Nur weil es ebenfalls durch den wörtlichen Ausdruck sehr gemildert wird, getraute ich mich doch wohl zu behaupten, daß der Dichter, wenigstens einige eckelhafte Züge, als ein Ingrediens zu den nämlichen vermischten Empfindungen brauchen könne, die er durch das Häßliche mit so gutem Erfolge verstärkt.

Das Eckelhafte kann das Lächerliche vermehren; oder Vorstellungen der Würde, des Anstandes, mit dem Eckelhaften in Contrast geseßt, werden lächerlich. Exempel hiervon lassen sich bei dem Aristophanes in Menge finden. Das Wiesel fällt mir ein, welches den guten Sokrates in seinen astronomischen Beschauungen unterbrach. 1

1 Nubes v. 170-174.

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