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sein eigenes Bildniß, in welchem ihm der Maler einen Harnisch angelegt hatte, und schließt:

Non quod sim pugna versatus in ulla, Haec humeris pictor induit arma meis. Verum, hoc quod bello, hoc Patriae quod tempore iniquo, Ferre vel imbellem quemlibet arma decet.

Was kann mehr in dem Geschmacke des Martial seyn, als dieser Schluß? Nur freilich, daß ihn Martial vielleicht mehr zusammengepreßt, und anstatt in vier Zeilen, nur in zweien würde gesagt haben. Denn die lezte ohne eine Zeile, •das Latein mag so gut seyn, als es will, ist doch wahrlich sehr prosaisch.

Vielleicht dürfte es auch überhaupt nicht wahr seyn, daß Naugerius ein so besonderer Verehrer des Catulls gewesen. Denn Paul Jovius erzählt zwar, daß er alle Jahre, an einem gewissen den Musen geheiligten Tage, eine Anzahl Exemplare vom Martial dem Vulkan geopfert, das ist, verbrannt habe. Aber es ist, wie bekannt, ein eigenmächtiger Zusaß des Famianus Strada, daß diese Verbrennung dem Catull zu Ehren geschehen sey. Naugerius zeigt sich, in seinen Gedichten selbst, auch nur als einen sehr entfernten Nachahmer des Catulls: er ist bei weitem kein Cotta, der, um eben diese Zeit, seinen Landsmann mit allen den offenbarsten Fehlern nachahmte, und besonders in der Rauhigkeit des catullischen Pentameters eine Schönheit suchte, die nur für ganz eigene Ohren seyn kann. Zwar wenn Cotta dieses in dem Geiste that, in welchem es schon zu der Zeit des jüngern Plinius geschah: so habe ich nichts dagegen. Denn schon damals bediente man sich zu Rom der Schreibart des Catulls, so wie jezt französische Dichter sich der Schreibart ihres Marots dann und wann bedienen. Nicht als ob diese Schreibart noch jezt die reinste, und richtigste, und beste wäre: sondern bloß weil ihre veralteten Ausdrücke und Wendungen zum Theil kürzer und kräftiger sind, überhaupt aber Nachlässigkeiten erlauben, die der Dichter in der jezt üblichen Sprache auf keine Weise wagen dürfte. Facit versus, schreibt Plinius von dem Pompejus Saturninus, 1 quales Catullus aut Calvus. Quantum illis leporis, dulcedinis, amaritudinis, amoris inserit! sane, sed data opera molliusculos, leviusculosque, duriusculos quosdam : et hoc, quasi Catullus aut Calvus. Mich dünkt, es ist kein Wunder, daß uns von diesen Versen des Saturninus nichts übrig geblieben; wer sich nicht in der Sprache seines eigenen Zeitalters auf die Nachwelt zu kommen getraut, nimmt vergebens zu einer ältern seine Zuflucht. Die Nachwelt hat genug zu thun, wenn sie auch nur die Muster in jeder Gattung aufbeben soll; und es ist nichts mehr als Verdienst, daß der originale Martial vor dem vollkommensten Nachahmer des Catulls auf uns gekommen ist, wenn es auch schon wahr wäre, daß Catull selbst dem Martial unendlich vorzuziehen sey.

1 Ep. 46. Lib. I.

(3.)

Ich ergreife diese Gelegenheit, eine kleine Entdeckung an den Mann zu bringen, die ich einst über den ersten Wiederauffinder des Catulls gemacht zu haben glaubte, und von deren Ungrunde ich auch jezt nicht so völlig überzeugt bin, daß ich sie nicht wenigstens für geschicht hielte, eine glücklichere einleiten zu können.

Es ist nicht eigentlich bekannt, wer es gewesen, der, bei allmähliger Herstellung der schönen Wissenschaften in dem funfzehnten Jahrhunderte, unsern Dichter wieder zuerst an das Licht gebracht hat. Aber es giebt ein Epigramm in ziemlich barbarischem Lateine und eben so räthselhaften Ausdrücken, das bestimmt gewesen, uns das Andenken dieses Mannes und die nähern Umstände seines glücklichen Fundes aufzubehalten. Dasselbe steht vor mehr als einer der neuern Handschriften des Catulls, die von dem ersten wieder aufgefundenen Manuscripte genommen zu seyn scheinen. Der jüngere Skaliger machte es, zu Anfange seines Commentars über den Dichter, bekannt, wo es so lautet:

Ad patriam redeo longis a finibus exul.
Causa mei reditus compatriota fuit.
Scilicet a Calamis tribuit cui Francia nomen:
Quique notat cursum praetereuntis iter.
Quo licet ingenio vestrum revocate Catullum,
Quoius sub modio clausa papyrus erat.

So viel versteht man gleich, daß das Buch selbst, oder vielmehr der Dichter selbst redend eingeführt wird, um uns zu sagen, durch wen und von wannen er aus dem Elende wieder in sein Vaterland zurückgekommen sey. Auch dieses ergiebt sich sogleich, daß solches durch einen Landsmann von ihm, durch einen Veroneser also, und aus einer sehr entfernten Gegend geschehen sey. Wenn nun Skaliger bloß hätte vermuthen wollen, daß diese entfernte Gegend vielleicht Frankreich gewesen sey, so möchte es hingehen. Allein er behauptet geradezu, daß sie es wirklich gewesen, und will damit nichts mehr behaupten, als ausdrücklich in dem Epigramme selbst stebe. In Galliis se eum reperisse ille ipse, qui publicavit, epigrammate testatus est. Gleichwohl ist es offenbar, daß die ersten zwei Zeilen dieses nicht besagen, und daß unter dem longis a finibus eben so wohl Deutschland, und jedes andere Land, verstanden werden kann, als Frankreich. Zwar wird Frankreichs in der dritten Zeile gedacht: aber im geringsten nicht, um damit das Land anzugeben, wo zeither Catull im Staube und in der Dunkelheit gelegen, sondern bloß, um aus der Sprache dieses Landes ein Merkmal anzugeben, aus welchem wir den Namen des Finders errathen sollen. Denn die Worte Scilicet a Calamis tribuit cui Francia nomen können unmöglich etwas anderes heißen, als daß der Name dieses Finders, dieses Compatrioten des Catulls, dieses Veronesers also, auf welchen nur allein das cui sich beziehen kann, in der französischen Sprache a calamis her genommen sey. Folgt aber hieraus, daß er sich darum.

nothwendig auch auf französischem Grund und Boden müsse befunden haben, als er seinen Fund that? Möglich kann es seyn: nur aus diesen Worten fließt es nicht schlechterdings.

Es war sonach dem Laurentius Pignorius, als er einmal seine Empfindlichkeit darüber äußern wollte, daß man in Frankreich behaupte, Italien sey diesem Lande bei Wiederherstellung der schönen Literatur sehr vieles schuldig, nicht zu verdenken, daß er unter andern auch dem Skaliger die in Frankreich geschehene Wiederentdedung des Catulls durchaus nicht einräumen wollte. 1 Er merkte an, daß das nämliche Epigramm sich bereits in einer alten gedruckten Ausgabe des Catulls befinde, wo es dem Guarinus zugeeignet werde. Aber er sagt nicht, welchem Guarinus, und giebt auch diese alte Ausgabe selbst nicht näher an. Woher es also Herr Hamberger hat, daß Baptista Guarinus zu verstehen sey, kann ich nicht wissen. Nur so viel weiß ich, daß sich Herr Hamberger irrt, wenn er diesen Baptista Guarinus selbst zu dem Wiederauffinder des Catulls macht. 2 Dieses hat Pignorius auch gar nicht sagen wollen, als der bloß meldet, daß das Epigramm vom Guarinus sey, nicht aber, daß es auch zugleich von ihm handle. Vielmehr unter: scheidet er den Verfasser des Epigramms, den Guarinus, ausdrücklich von dem Compatrioten und Erretter des Catulls; und der Fehler, den er dabei begeht, ist nur dieser, daß in eben der dritten Zeile, in welcher Skaliger zu viel sah, er seines Theils zu wenig erkannte. Er behauptet nämlich, daß die Worte a Calamis tribuit cui Francia nomen weiter nichts sagen sollten, als daß der Wiederauffinder Franciscus geheißen habe. Und das ist augenscheinlich falsch: denn er soll ja nicht seinen Namen von Francia haben, sondern Francia soll ihm seinen Namen a Calamis beigelegt haben. Indeß muß ich auch nicht unterlassen, zur Entschul- | digung des Pignorius anzuführen, daß er die ganze dritte Zeile anders interpunctirt gelesen, als Skaliger. Nämlich so: Scilicet a Calamis; tribuit cui Francia nomen. Und so hat er ohne Zweifel das a Calamis für die nähere namentliche Bestimmung des longis a finibus in der ersten Zeile gehalten; wonach die Worte tribuit cui Francia nomen, für sich allein genommen, freilich nichts mehr sagen können, als er sie sagen läßt. Allein was wäre denn unter diesem a Calamis für ein Land, oder für ein Ort, oder für ein Volk zu verstehen? Ich wüßte nicht; und sicherlich muß es Pignorius auch nicht gewußt haben, weil ja sonst der ganze Streit zwischen ihm und dem Staliger auf einmal entschieden wäre.

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1 Symbolarum epistolicarum XVI. p. 54. Patavii 1628. 8vo. 2 Zuverlässige Nachr. Th. I. S. 470. „Was noch vorhanden ,,ist (vom Catull nämlich) hat Baptista Guarinus, aus Berona, in Frankreich zuerst gefunden.“

Zwar steht bei ihm selbst das Semikolon nach tribuit; aber wohl nur durch einen Druckschler. Neque vero ille versus, Scilicet a Calamis tribuit; cui Francia nomen, aliam interpretationem recipit, quam a Francisco quodam repertum alicubi (et forte in horreo) Codicem Catulli.

Ueberhaupt sieht man wohl, daß weder Skaliger noch Pignorius es der Mühe werth gehalten, einer solchen Kleinigkeit auf den Grund zu gehen, denn sonst hätte es ihnen ja wohl nicht schwer seyn können, die wahre Meinung zu erkennen und einen Geschlechtsnamen ausfindig zu machen, der im Französischen sich wirklich a calamis ableiten lasse. Angenommen nämlich, daß a calamis so viel heißen soll, als von Schreibfedern, welches es unstreitig heißen kann; und nun sich erinnert, daß Schreibfedern auf Französisch Plumes heißen: was ist leichter und natürlicher, als auf den Namen Plumatius zu verfallen? Aber, wird man fragen, giebt es denn einen solchen Geschlechtsnamen? Haben wirklich Männer ihn geführt, denen man es zutrauen könnte, daß sie die Entdecker des Catulls gewesen wären? Allerdings; und wenigstens lebte um eben diese Zeit, das ist in der leßten Hälfte des funfzehnten Jahrhunderts, ein berühmter Medicus, Namens Bernardinus Plumatius: und was das sonderbarste ist, dieser Bernardinus Plumatius war auch wirklich ein geborener Veroneser.

Noch kenne ich ihn zwar nur aus dem Freher und Popadopoli, und habe nie Gelegenheit gehabt, die Quelle, aus welcher diese ihre Nachricht von ihm geschöpft, selbst nachzusehen, eben so wenig, als es mir gelingen wollen, eines von seinen Büchern, deren er verschiedene geschrieben und bekannt gemacht, habhaft zu werden. Ich kann also auch nicht sagen, ob in diesen oder in jener etwas vorkommt, welches die Vermuthung, daß er es wohl selbst seyn könne, der den Catull wieder an den Tag gebracht, entweder be stärke oder vernichte. Eo viel ich aber doch von ihm weiß, war er kein bloßer schlechter Medicus, sondern er galt zugleich für einen scharfsinnigen Philosophen, und damals hatten die Philosophen in Italien schon ziemlich angefangen, sich mit den schönen Wissenschaften wieder auszusöhnen. Wenn er es aber auch nicht selbst war, der sich um den ersten Dichter seiner Vaterstadt so verdient zu machen Gelegenheit hatte: so könnte es doch wenigstens einer von seinen Vorfahren oder Anverwandten gewesen seyn. Denn das, muß man gestehen, ist doch immer sehr merkwürdig, daß an einem von diesem Geschlechte beide Merkmale zugleich eintreffen, welche das Epigramm angiebt: ein Plumatius war des Catulls Compatriota; von einem Plumatius kann man sagen, daß ihm Francia a calamis den Namen beigelegt habe.

Kaum wird man nun aber auch begreifen, warum ich dem ungeachtet eine so wahrscheinliche Vermuthung gleich Eingangs vor dem völligen Beifall verwahrt habe. Ich will es kurz machen. Die Ursache ist die: weil ich seit einiger Zeit ungewiß geworden, ob das a calamis auch für die wahre und rechte Lesart zu halten. Denn in einem Manu: scripte des Catulls, in der fürstlichen Bibliothek zu Wolfenbüttel, welchem das Epigramm gleichfalls vorgeseßt wor den, lese ich anstatt a calamis, deutlich und ungezweifelt 1 Historia Gymnasii Patavini, T. II. p. 184.

a talamis, das ist thalamis. Und da läge sie nun auf einmal, meine einzige Stüße, wenn diese Lesart ihre Richtigkeit hätte; und ich könnte mein Rathen nur wieder von vorne anfangen! Doch lieber will ich einen andern sein Glück versuchen lassen; und nur noch anmerken, daß besagtes Manuscript auch sonst einiges nicht völlig so lesen läßt, als Etaliger gelesen hatte. In der vierten Zeile,

Quique notat cursum praetereuntis iter, welche beim Staliger keinen Verstand hat, steht anstatt cursum, turbae: und so scheint doch einigermaßen ein Verstand von weitem herleuchten zu wollen. Doch diese bessere Lesart giebt auch schon Fabricius, 1 ohne zu sagen, woher. Denn aus dem Pignorius, den er zwar anführt, hat er sie nicht, als welcher überhaupt nur die Anfangs worte und die dritte Zeile von dem ganzen Epigramme hinzusehen für nöthig erachtete. Vielleicht also, daß Fabricius die alte Ausgabe selbst vor sich gehabt, auf die sich Pignorius bezieht, wonach aber die Interpunctation der dritten Zeile, welche dieser doch auch daher genommen zu haben scheinen will, ihm nur allein zugehören würde. Denn Fabricius liest die dritte Zeile vollkommen wie Skaliger, und wie ich sie auch in dem wolfenbüttelschen Manuscripte finde. - Endlich hat dieses auch noch in der fünften Zeile anstatt revocate, celebrate, und in der sechsten anstatt clausa, causa. Wenn denn nur aber in den Zeilen selbst das geringste dadurch mehr aufgeklärt würde! Denn ich bekenne, daß das lezte Distichon mir völlig unverständlich ist. Pignorius glaubte daraus errathen zu können, daß Catull vielleicht in einer Scheuer wiedergefunden worden, denn er ward einen Scheffel (sub modio) gewahr; und wo sind die Echeffel anders, als in den Scheuern? Wem das begnügt, dem begnüge es: ich habe nichts besseres zu sagen.

III.

Martial. (1.)

Es hat unzählige Dichter vor dem Martial, bei den Griechen sowohl als bei den Römern, gegeben, welche Epigrammen gemacht: aber einen Epigrammatisten hat es vor ihm nicht gegeben. Ich will sagen, daß er der erste ist, welcher das Epigramm als eine eigene Gattung bearbeitet, und dieser eigenen Gattung sich ganz gewidmet hat.

Vor ihm lag das Epigramm unabgesondert unter dem Schwalle aller kleinen Gedichte, die von zu unendlicher Verschiedenheit sind, als daß man sie noch alle hätte classificiren können oder wollen. Der Name selbst ward auch allen kleinen Gedichten ohne Unterschied beigelegt; Epigrammata, Idyllia, Eclogae, waren völlig gleichgültige Benennungen; und noch der jüngere Plinius stellte es frei, 1 Biblioth. lat. T. I. p. 53. Lessing, Werte. 11.

welche von diesen Benennungen man seinen poetischen Kleinigkeiten beilegen wolle, die er bloß nach dem allen gemeinschaftlichen Sylbenmaaße überschrieben hatte. 1

Martial, wie gesagt, war der erste, der sich eine deut liche, feste Idee von dem Epigramme machte, und dieser Idee beständig treu blieb. So verschieden seine Sinngedichte auch immer in Ansehung der Einfälle seyn mögen: so voll kommen ähnlich sind sie einander doch alle in Ansehung ihrer innern Einrichtung. Das schlechteste und das beste, das größte und das kleinste, haben ohne Ausnahme das Merkmal, woran ihre Verwandtschaft und Belangung zu der nämlichen Classe auch ein Leser empfindet, der nichts weniger als Kunstrichter ist.

Und so wie dem Martial der Ruhm des ersten Epigrammatisten der Zeit nach gehört, so ist er auch noch bis jezt der erste dem Werthe nach geblieben. Nur wenige haben so viele Sinngedichte gemacht, als er, und niemand unter so vielen so viel gute, und so viel ganz vortreffliche. Wer ihm, aus allen Zeiten und Völkern, noch am nächsten kommt, ist unser Wernike. Beider Reichthum ist fast gleich groß: nur daß man dem Reichthume des Deutschen ein wenig zu sehr die Mühe und den Schweiß ansieht, den er gekostet. Martial gewann den seinigen unter Menschen und von Menschen; Wernike förderte seinen, oft nicht ohne Lebensgefahr, aus dem Schooße der Erde zu Tage. Wernike besaß mehr von den Metallen, woraus Geld zu münzen: und dem Martiale ging mehr gemünztes Geld durch die Hände.

Man schweige doch nur von dem falschen Wize des Martial! Welcher Epigrammatist hat dessen nicht? Aber wie viele haben das, was den falschen Wiß allein erträglich macht, und was Martial in so hohem Grade besißt? Martial weiß, daß es falscher Wiß ist, und giebt ihn für nichts anderes; seine müßigen Finger spielen, und kaum ist das Spielwerk fertig, so bläst er es aus der Hand. Andere hingegen wissen kaum, woran sie schneiden und poliren, ob es ein echter oder unechter Stein ist; sie geben sich mit dem einen eben so viel Mühe, als sie nur mit dem andern sich geben sollten; mit gleich wichtiger, gleich feierlicher, gleich ehrlicher Miene bieten sie den unechten eben so theuer als den echten.

Auch wüßte ich fast kein Exempel, wo Martial in eben demselben Sinngedichte falschen und wahren Wiß vermischt hätte. Er hat sehr oft wahren Wiß; auch wenn der Gegenstand sehr klein, sehr lächerlich, sehr verächtlich ist. Aber nie zeigt er falschen Wiß bei einem ernsten, würdigen, großen Gegenstande. Er kann bei einem solchem eben so ernst, eben so würdig, eben so groß seyn, und nur das ist der wahre Probierstein des wißigen Mannes, dem man den Wiß zu keinem Schimpfe anrechnen darf. Seine Vertheidigung in diesem Puncte wäre nicht besser zu führen, als durch Gegen

1 Lib. IV. ep. 14. Proinde sive epigrammata, sive idyllia, sive eclogas, sive (ut multi) poematia, seu quod aliud vocare malueris, licebit voces: ego tantum Hendecasyllabos praesto.

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Et subtracta sibi quaereret arma dolor: Nondum scitis, ait, mortem non posse negari? Credideram satis hoc vos docuisse patrem. Dixit, et ardentes evido bibit ore favillas:

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Porcia magnanimi poteram post fata Catonis Vivere? debueram non superesse patri. Sed me fata tuo servabant, Brute, dolori: An dux ad mortem non satis unus erat? Dumque sibi ferrum queritur moritura negari: Hanc, ait, explorant Numina et igne domum. Und nun, welcher Abfall! Ich will nicht tadeln, daß die Sermocination, welche von vorne herein nicht angegeben wird, mit der fünften Zeile so nachlässig abbricht; ich will nicht anmerken, daß dem Leser schon die ganze That der Porcia bekannt seyn muß, wenn er die leßte Zeile nur einigermaßen verstehen soll: sondern ich will bloß fragen, was wir bei dieser leßten Zeile, außer der dunkeln Andeutung der That, überhaupt denken sollen? Oder was hätte Porcia wohl selbst gedacht, wenn ihr wirklich in dem kritischen Augenblicke solche Worte entfahren wären? Wie tam sie darauf, sich einem Hause zu vergleichen? Was heißt, ein Haus mit Feuer prüfen? Was kann es in dem figürlichen Verstande heißen, in welchem es hier gebraucht seyn muß? Doch diese Armseligkeit ist so vieles Ernstes nicht werth.

Ungefähr um gleiche Zeit mit dem Casanova versuchte auch Faustus Sabäus sein Heil; und so: 1

Bruto digna viro, generosi nata Catonis,
Ebibis ardentes cur moritura faces?
Non aliter potui tantum compescere luctum:
Igne exsiccantur, igne domantur aquac.
Sollte man nicht glauben, Porcia habe sich unter allen

I nunc, et ferrum, turba molesta, nega. Vortrefflich! ob schon nichts, als das historische Factum. Nur daß der Dichter das, was Porcia bloß durch ihre Handlung sagte, fie mit Worten ausdrücken läßt. Man sage nicht: aber mit einer ziemlichen Unschicklichkeit, wenn die That anders so geschehen ist, als Plutarch berichtet, daß nämlich Porcia, nachdem sie die brennenden Kohlen verschluckt hatte, den Mund fest verschloß, und durch Zurückhaltung des Athems ihren Tod beförderte." Freilich hat sie sie nichts weiter gesprochen, und konnte wohl auch nichts weiter sprechen. Doch wer heißt uns denn die lezte Zeile als Worte der Porcia ansehen? Ich weiß wohl, daß es Ausleger des Martials giebt, die dieses zu thun ausdrück lich anweisen, wie z. E. Raderus, 2 dagegen ich keinen weiß, der vor dieser Mißdeutung gewarnt hätte. Gleichwohl ist es sicherlich eine; und die Worte I nunc, et ferrum, turba molesta, nega! find Worte des Dichters, der auf einmal sich dünken läßt, bei der Handlung selbst gegen: wärtig zu seyn, und ganz in dem Geiste der Porcia, dermöglichen Todesarten gerade diese mit vielem Bedachte vereitelten Aufsicht mit diesem Epiphonema spottet. Mit der Arria, die man bei dem ähnlichen Entschlusse, mit ihrem Gemahle zu sterben, an der Ausführung gleichfalls hindern wollte, und die mit dem Kopfe gegen die Mauer rannte, daß sie für todt niederfiel, wäre es ein anderes gewesen. Denn diese ward wieder zu sich gebracht, und hätte also selbst ein solches I nunc zu der lästigen Schaar ihrer gutherzigen Aufseher sagen können, wie sie denn auch wirklich so etwas sagte. 3 Aber der Porcia, mit den brennenden Kohlen im Schlunde, es in den Mund zu legen: so eine Ungereimtheit konnte dem Martial unmöglich einfallen. Und nun, nachdem ich ihn von diesem angeschmißten Flecke gereinigt, höre man seine Nacheiferer.

Der erste sey Marcus Antonius Casanova; denn es hat nicht an Kennern gefehlt, die ihm unter den neuern lateinischen Epigrammatisten den allerersten und zugleich den nächsten Plaß nach dem Martial zuerkannt haben. Welche Erwartung muß dieses erweden! 4

1 Lib. I. ep. 43.

2 Bei dem diese lette Zeile Insultantis et irridentis Porciae victricis vox heißt.

3 Plinius ep. 16. lib. III. Focillata, dixeram, inquit, vobis inventuram me quamlibet duram ad mortem viam, si vos facilem negassetis.

Delitiae Poet. Ital. P. 1. p. 707.

ausgesonnen? Sie habe mit allem Fleiße die Wasser ihrer
Betrübniß, nicht etwa mit dem Dolche abzapfen, sondern
lieber mit Feuer auftrocknen wollen? Sie habe
was ist leichter, als über so was zu spotten?

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Doch

Ich eile zu einem dritten, dem Nicolaus Grudius, dem Bruder des zärtlichen Johannes Secundus; leider nur einem Aber leiblichen Bruder, und keinem Bruder in Apollo. sein Epigramm ist so lang — ich glaube ich werde mit dem bloßen Schlusse davon kommen können. Er läßt die Porcia gegen ihren todten Gemahl in zwölf Versen betheuren, wie gern und wie unfehlbar sie ihm unverzüglich folgen wolle, und sezt endlich hinzu: 2

Haec simul; ardenti simul obstruit ora favilla.

Quae potius flagrans tela ministret amor?

Quae potius? Ich dächte lieber einen von seinen eigenen Pfeilen; besonders wenn ihm von jenen vertauschten noch einer übrig ist. Oder, wenn es ja Feuer seyn mußte, warum nicht lieber seine eigene Fackel?

Es folgt endlich Wernike, und es thut mir leid, daß ich ihn muß folgen lassen. Er hat zwei Sinngedichte auf die Porcia; beide ungleich besser als die Sinngedichte des

1 Delitiae Poet. Ital. P. II. p. 565.

2 Poemata trium fratrum Belgarum, p. 69.

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Was für ein Feu'r in ihrem Herzen.

Ich hätte große Lust, nach dem Beispiele des Plutarchs, elenden Wiß mit elendem Wiße zu verlachen, und hinzuzuseßen: Wunder, wenn unter allen diesen frostigen Einfällen die glühenden Kohlen nicht verloschen wären, und Porcia anstatt Feuer nichts als Staub hinunter geschluckt bätte!

Noch könnte ich mir ein kleines Fest mit dem Muretus machen, dem Martial nichts als ein Scurra de trivio war. Denn bei alle dem hat Muretus in seinen Epigrammen den Martial doch sehr oft nachgeahmt, und immer sehr unglüdlich. Das einzige, worin er den alten Possen reißer übertrifft, find die Wortspiele. Doch des Muretus Gedichte heißen Juvenilia: und das kritische Urtheil fällte er, wenn Gott will, in seinem reifen Alter.

Ich lasse also den Mann ruhen, und sage über den poetischen Werth des Martials überhaupt nur noch das. Wenn Aelius Verus, welcher den Martial seinen Virgil nannte, weiter nichts damit sagen wollen, als daß Martial ' in seiner kleinen Dichtungsart eben das sey, wofür Virgil in seiner größern gelte, wie sich verschiedene Gelehrte dieses eingebildet: so hat sich niemand zu schämen, ebenfalls von so vornehmem Geschmacke zu seyn. Aber unstreitig wollte dieser Cäsar damit mehr sagen; und es hat nie an Leuten seines Ranges gefehlt, die eine lustige schmutzige Kleinigkeit in allem Ernste dem größten Werke des Genies vorgezogen, das nur irgend einige Anstrengung, ihm nach zu empfinden, fordert. Sie überschäßen, was ihnen gefällt, ohne sich zu bekümmern, was ihnen gefallen sollte.

Höchstens ist eine dergleichen Ueberschäßung nur dem Verfasser selbst zu vergeben. Martial selbst mochte immer glauben, daß seine Epigrammen eben so viel werth wären, als anderer ihre Heldenlieder und Trauerspiele: 2 denn es gehört dazu, um in irgend einer Sache vortrefflich zu werden, daß man sich diese Sache selbst nicht geringfügig denkt. Man muß sie vielmehr unablässig als eine der ersten in der Welt betrachten, oder es ist kein Enthusiasmus möglich, ohne den doch überall nichts Besonderes auszurichten steht. Nur wehe dem Leser, der sich von diesem den Verfassern

Zweites Buch, S. 15. 2 Lib. IV. ep. 49.

so nüßlichen Selbstbetruge immer mit fortreißen läßt! Am Ende wird er selbst nicht wissen, was groß-oder klein, was wichtig oder unwichtig ist, und damit aufhören, daß er alles verachtet.

(2.)

Nichts hat dem Ruhme des Martials in den neuern Zeiten mehr geschadet, als der unzüchtige Inhalt, den seine Sinngedichte nicht selten haben. Nicht zwar, als ob man läugnen wollen, daß etwas ästhetisch schön seyn könne, wenn es nicht auch moralisch gut ist. Aber es ist doch auch so gar unbillig nicht, daß man jenes Schöne verachtet, wo man dieses Gute nicht zugleich erkennt.

Diejenigen meinten es daher noch immer sehr treu mit ihm, die lieber alle seine juckenden, kranken, ansteckenden Theile ausschneiden, als ihn gänzlich aus den Händen unschuldiger, und mit einer zarten Stirne begabter Leser verbannt wissen wollten. Ramires de Prado mußte nicht klug im Kopfe seyn, daß er dem ehrlichen Rader wegen einer so guten Absicht so übel mitspielen konnte. Ein anderes wäre es gewesen, wenn das Ausgeschnittene zugleich vernichtet worden, oder wenn noch jezt leicht zu besorgen stünde, daß was in Einer Ausgabe unterdrückt wird, darüber wohl völlig verloren gehen könnte.

Die eigene Entschuldigung des Martials über den Punct der Unzüchtigkeit,

Lasciva est nobis pagina? vita proba est will nicht weit reichen. Und doch haben die, welche meinen, daß nichts dawider einzuwenden sey, sie noch nicht einmal so weit ausgedehnt, als sie ungefähr reichen würde. Sie haben uns nicht einmal erklärt, wie es möglich ist, daß ein reines Leben bei so unreinen Gedichten bestehen könne, noch worauf es ankomme, wenn der Schluß von dem einen auf das andere wegfallen soll. Nicht sowohl um ihrer Meinung überhaupt beizutreten, als vielmehr bloß um einiges zum nähern Verständnisse des Dichters beizutragen, will ich hierüber ein paar Anmerkungen niederschreiben.

1. Wenn man von jeher, so wie denen, welche mit leiblichen Schäden umgehen, also auch denen, welche sich der Besserung des sittlichen Verderbens unterziehen, erlaubt hat, eine freie Sprache zu führen, und sich mit den eigent lichen Worten über alles auszudrücken, was der Wohlstand, außer dieser Absicht, entweder gar nicht zu berühren, oder doch zu bemänteln gebieten würde: was hindert den Martial in dem Gesichtspuncte Eines der leztern zu betrachten? Augenscheinlich wenigstens ist es, daß er die Absicht nicht hat, auch nur eine von den groben unnatürlichen Wollüsten anzupreisen, deren bloße Benennungen bei ihm uns schon so viel Abscheu erregen: vielmehr, wo er ihrer erwähnt, geschieht es nie anders, als mit Spott und Verachtung. Hieran muß aber Vavassor im geringsten nicht gedacht haben, der ein gewisses Epigramm, worin ich zur Rechtfertigung des Martials gerade am meisten zu finden glaube,

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