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Anfange des dritten Aufzuges, verlegt sie der Dichter in den Tower. Gardiner der daselbst in einem weiten Verhafte gehalten wird, unterredet sich mit dem Pembrock. Der Bischoff hat erfahren, daß die Vermählung zwischen der Johanna und dem Guilford wirklich vor sich gegangen, und zieht den Pembrock dadurch völlig auf seine und der Maria Seite. Sie treten ab, und Guilford führet seine Johanna herein, weil der geheime Rath sich in dem Tower versammeln will. Er bereitet sie auf die grosse Nachricht vor, die sie nun bald erfahren soll. Kurz darauf erscheint ihre Mutter, ihr Vater, der Herzog von Northumberland, nebst anderen Herren des geheimen Raths, und der edle Streit nimmt seinen Anfang, mit welchem Herr Wieland seinen ganzen zweyten Aufzug anfüllet. Hier ist es, wo er dem Engelländer das meiste abgeborgt hat.

Die erste Scene des vierten Aufzuges haben wiederum Pembrock und Gardiner. Sie versprechen sich beide, daß das Unternehmen des Northumberland einen blutigen Ausgang haben werde. Indem erscheint die Wache, und führet den Bischof auf Befehl der neuen Königin in eine engere Haft. Auch. Pembrock soll abgeführet werden, aber Guilford kömmt dazu, schickt die Wache ab, und sagt, daß er selbst für diesen Gefangenen stehen wolle. Er war gekommen, seinen Freund zu retten, giebt ihm seinen Degen wieder, und dringt in ihn, daß er sich augenblicklich in Sicherheit begeben soll. Der ergrimmte Pembroď ist über dieses Verfahren betroffen, und will der Großmuth seines Freundes lange nicht Gerechtigkeit wiederfahren lassen, bis ihm dieser den Befehl seines eignen Vaters zu seiner plötzlichen Hinrichtung zeiget, welchen er auf keine andere Weise, als durch die anscheinende Gefangennehmung, zu vereiteln gewußt habe. Nun kömmt Pembrock auf einmal wieder zu sich, und es erfolgt die rührendste Aussöhnung, bey der man sich unmöglich der Thränen enthalten kann. Kaum aber ist Pembrock fort, als Johanna mit einem Buche in der Hand (es ist der Phädon des Plato) herein tritt. Die Katastrophe ist ausgebrochen, und sie beruhiget sich mit Betrachtungen über die Unsterblichkeit der Seele. Diese Scene ist es, welche sich Herr Wieland hätte zu Nuze machen müssen, wenn seine Heldin nicht vergebens von ihrer Gelehrsamkeit geschwatzt haben sollte. Guilford erfährt von ihr, daß sie der geheime Rath_verlassen und sich zu der Maria begeben habe. Die Herzogin, ihre Mutter,

kömmt dazu; sie jammert; Guilford tobet, und Johanna bleibt ruhig. Indem erscheinen der Graf Suffer und Gardiner mit der Wache, und nehmen alle drey, in Namen der Königin Maria, gefangen.

In dem fünften Aufzuge érblicken wir den geschäftigen Bischof, der zur Hinrichtung der Gefangenen die nöthigen Befehle ertheilet. Zu ihm kömmt Pembrock. Seine mit dem Guilford erneuerte Freundschaft hat ihn nicht müssig gelassen; er hat bey der Königin, für die Gefangenen Gnade ausgewirkt, und giebt dem Gardiner frohlockend da= von Nachricht. Doch das ist im geringsten nicht nach des Bischofs Sinne, er eilet also zur Maria, ihr diese unzeitige Gnade auszureden; und Pembrock begiebt sich zu seinem Guilford. Izt wird die hinterste Scene aufgezogen, und man sieht die Johanna auf ihren Knien liegen und beten. Guilford tritt zu ihr herein. Sie unterhalten sich mit Todesbetrachtungen, als Pembrock kömmt und ihnen seine fröhliche Bothschaft bringet. Nur einen Augenblick glänzet ihnen dieser Strahl von Hofnung. Gardiner erscheinet, und bekräftiget zwar die Gnade der Königin, aber bloß unter der Bedingung, daß sie beyde zur römischen Kirche zurückkehren sollen. Diese Bedingung wird abgeschlagen; sogleich wird Guilford zum Tode geführet; die Scene eröfnet sich noch weiter; man erblickt das Blutgerüste; Johanna besteiget es, als eine wahre Heldin; Gardiner triumphiret; Pembrock verwünscht den Geist der Verfolgung; und das Stück schließt.

Nunmehr sagen Sie mir, was Herr Wieland mit diesem grossenPlane anders gemacht hat, als daß er einen prächtigen Tempel eingerissen, um eine kleine Hütte davon zu bauen? Er hat die rührende Episode des Bembrocks herausgeriffen, und die letzten drey Aufzüge in fünfe ausgedehnet, durch welche Ausdehnung, befonders des fünften Aufzuges in seine beyden letzten, die Handlung ungemein schläfrig geworden ist. Herr Wieland läßt den Guilford an einem Orte zur Johanna sagen: Und selbst, o Scheusal, deine Räthe selbst, Die kaum mit aufgehabnen Händen schwuren, Dir, dem Gesetz und unserm heilgen Glauben Getreu zu bleiben, alle sind Verräther,

Verdammte Heuchler! - Pembrock, ach! mein Freund,
Mein Pembrock selbst, vom Gardiner betrogen,

Fiel zu Marien ab.

Man weis gar nicht, was das für ein Pembrock hier ist, und wie Guilford auf einmal eines Freundes nahmentlich gedenket, der in dem Stücke ganz und gar nicht vorkömmt? Aber nun werden Sie dieses Räthsel auflösen können. Es ist eben der Pembrock des Rowe,

dem er in seinem Stücke keinen Platz gönnen wollen, und der ihm dafür den Poffen thut, sich, gleichsam wider seinen Willen, einmal einzuschleichen.

G.

V. Den 2. November. 1759.

Fünf und sechzigster Brief.

Den Einfall des Herrn Professor Gottscheds, seinen Kern der deutschen Sprachkunst den sämmtlichen berühmten Lehrern der Schulen in und auffer Deutschland, zuzuschreiben, muß man ihn nicht für einen recht unverschämten Kniff eines gelehrten Charlatans halten? Denn was ist diese Zuschrift anders, als ein Bettelbrief, seine Grammātik zu einer klaßischen Grammatik deswegen machen zu helfen, weil sie in vier Jahren drehmal gedruckt worden, und der Herr Autor darüber ein Compliment aus Wien und aus Chur im Graubündtnerlande erhalten hat? Wenn der Name des Verlegers unter dieser Zuschrift stünde, so würde ich weiter nichts daran auszusehen haben, als daß dieser vergessen, den Herren Rectoren und Conrectoren in jedes Dußend Exemplare, die ihre Schüler verbrauchen würden, das dreyzehnte gratis obenein zu versprechen. Aber daß sich Gottsched selbst durch seine blinde Eitelkeit zu diesem Schritte verleiten lassen, das muß ihn nothwendig in den Augen aller Rechtschaffenen nicht bloß lächerlich, es muß ihn verächtlich machen. Denn wenn es auch schon unwiedersprechlich wäre, daß seine Sprachkunst, vor allen andern in den Schulen eingeführt zu werden, verdiente; hätte ein groffer Mann, wie er seyn will, denn alle groffe Männer sind bescheiden einen dergleichen Vorzug nicht vielmehr in der Stille abwarten, als ihn zu erschleichen suchen sollen?

Aber die berühmten Lehrer der Schulen, wie haben die sich dabey verhalten? Sehr leidend; doch scheinet es eben nicht, daß sie so leicht zu bestechen gewesen sind. Und in der That wäre es für den Herrn Professor selbst sehr zu wünschen, daß sie sämmtlich ganz und gar nicht auf seine Zuschrift reflectiret hätten. Denn ich forge, ich sorge, man

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fängt auch schon auf kleinen Schulen an, den berühmten Gottsched auszulachen. Wenn nun der Lehrer das Büchelchen, über welches er zu lesen gebeten worden, auf allen Seiten verbessern und widerlegen muß, was für eine Achtung können die Schüler für den Professor mit auf die Universität bringen?

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Und daß jenes zum Theil wirklich geschehen, beweisen unter andern. die Aumerkungen, welche Herr Heinz, Rector zu Lüneburg, über die Gottschedische Sprachlehre vor kurzem ans Licht gestellt hat. Da das "Werk, hebt er seine Vorrede an, welches. diese Anmerkungen veranlaßt „hat, den Schulen gewidmet und zugeschrieben war: so hat, deucht mir, „der berühmte Verfasser, wenn er uns ånders so viel zutrauet, schon längst „eine Critik. darüber vermuthen müssen: und da unter so vielen Schullehrern sich doch, meines Wissens, keiner dazu entschloffen hat, so dürfte „ich mir wohl ohne Eitelkeit den Vorzug anmaassen, daß ich die Aufmerk„samkeit desselben auf die Schulen, unter allen mit der größten Achtung „erwiedert habe. In diesem schleichenden Tone eines trocknen naiven Mannes fährt Herr Heinz fort, und gestehet endlich, daß freylich seine ganze Beurtheilung so ausgefallen, daß ihm der Herr Verfasser schwerlich Dank dafür wissen könne. „Ich verlange, sagt er, auch nichts unmög„liches: beruffe mich aber schlechterdings darauf, daß sie nicht anders. ge= „rathen können, und daß sie gerecht sey."

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Ich möchte meinen Brief am aller ungernsten mit grammatikalischen Streitigkeiten anfüllen; und Sie wollen überhaupt, nicht so wohl diese Streitigkeiten selbst, als vielmehr bloß das Resultat derselben wiffen. Hören Sie also, wie Herr Heinz seine ganze Critik schließt. „Wollen wir, sagt er, noch kürzlich zusammenrechnen, ehe ich meinen Scribenten „verlasse? so ist, deucht mir, durch die bisherige Prüfung folgendes wohl „ganz ausgemacht: daß beyde Sprachlehren des Herrn Prof. wohl schwer„lich mit Einsicht und reiffer Gelehrsamkeit geschriebene Werke heissen „können: daß sie ohne Critik beynahe unbrauchbar find, wegen der gar zu vielen Fehler, welche doch theils durch die ausnehmende Zuversicht, ,womit Herr G. seine Meynungen vorträgt, theils durch den ihm ge„wöhnlichen Dunst von Worten, theils durch das Gepränge einer eiteln,

1 Johann Michael Heinzens Anmerkungen über des Herrn Professor Gottscheds deutsche Sprachlehre, nebst einem Anhange einer neuen Prosodie. Göttingen und Leipzig in Küblers Verlage 1759.

2 Seite 205.

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„und magern Philosophie, vor unwissenden und treuherzigen Lesern ziem„lich versteckt werden. Ein Gelehrter wird nirgends etwas finden, das „die gewöhnliche Erkänntniß der deutschen Sprache überstiege, und woraus „ein grammatikalischer Geist, oder ein Naturell, das zur Philologie ge„bohren, oder erzogen wäre, hervorleuchtete. An dessen statt offenbaret sich durch das ganze Werk eine enthusiastische Liebe und eigensinnige Parteylichkeit des V. für die deutsche Sprache, oder vielmehr für seine „Meynungen und Vorurtheile von derselben, nebst einem allzugrossen Ver„trauen auf seine Einsicht, welche oft in unbedächtige Urtheile und schnöde ,,Verachtung gegen angesehene Schriftsteller, oder gar gegen unschuldige „Städte und Provinzen ausbrechen. Wenn andere Sprachlehrer mit ihm „einerley Frage abhandeln, so wiegt er immer am leichtesten: und der „Mangel des Scharfsinnes, der Ueberlegung, und einer genugsamen Uebung ,,in diesem Felde, ist allen seinen Urtheilen anzusehen. Die grosse Gram„matik hat vor der andern sonst nichts voraus, als die Weitläuftigkeit, „mit welcher die Sachen nicht gründlicher, vollständiger, gelehrter, sondern „gedehnter, langweiliger, und in einem gewissen schlechten Verstande, philosophischer gesagt sind. Zur Probe kann das Capitel von Nebenwörtern „dienen; aber auch jedes andere Stück. Sie macht durchgängig viel Auf„hebens von Kleinigkeiten, und thut, als ob vor ihr nicht nur keine ,,Deutsche, sondern überall noch keine Sprachlehre, geschrieben wäre; und als ob sie alle grammatikalische Begriffe und Eintheilungen zuerst aus „dem tieffen Brunnen, worinn die Wahrheit verborgen liegt, heraushoh„lete, welches in der That weder Gelehrsamkeit noch Bescheidenheit be= weiset. Freylich hätte man denken sollen, daß Hr. G. viel weiter sehen „würde, als alle seine Vorgänger: da er sich nicht weniger als vier und „zwanzig Jahr zur Ausarbeitung seiner Grammatik genommen, wie das „Privilegium und die Vorrede bezeugen. Aber der Leser wird angemerkt haben, daß ich unsern V. oft aus Bödickern und Frisch en verbessern. ,,können: hingegen zur Verbesserung dieser Männer aus Gotts cheder „wüßte ich auch nicht eine Stelle anzugeben. Ist das aber recht, seiner „Vorgänger Verdienste zu unterdrücken, und ihre Bücher der Jugend aus den Händen zu spielen, wenn man es ihnen nicht einmal gleich ,,thut? Wenn uns Deutschen nicht so gar leicht Genüge geschähe, so „würde der Herr Prof. mit seiner lange erwarteten neuen Sprachlehre „schwerlich eine andere Aufnahme erfahren haben, als ehemals ein gewisser

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