Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

-

und sagt: „In der Fabel wird nicht eine jede Wahrheit, sondern ein „allgemeiner moralischer Saz, nicht unter die allgemeine Hand„lung, sondern auf einen einzeln Fall, nicht versteckt oder verklei„det, sondern so zurückgeführet, daß ich, nicht blos einige Aehnlichkeit mit dem moralischen Sage in ihm entdecke, sondern „diesen ganz anschauend darinn erkenne." — Und das ist das Wesen der Fabel? Noch nicht völlig. Noch fehlet ein wichtiger Punkt, von welchem die Kunstrichter bloß ein dunkles Gefühl gehabt zu haben scheinen; dieser nehmlich der einzelne Fall, aus welchem die Fabel bestehet, muß als wirklich vorgestellet werden. Begnügen wir uns an der Möglichkeit desselben, so ist es ein Beyspiel, eine Parabel.

Der Beschluß künftig.

IX. Den 29. November. 1759.

Beschluß des fiebenzigsten Briefes.

Nachdem der Verfasser diesen wichtigen Unterschied an einigen Beyspielen gezeigt, läßt er sich auf die psychologische Ursache ein, warum sich das Exempel der practischen Sittenlehre, wie man die Fabel nennen kann, nicht mit der blossen Möglichkeit begnüge, an welcher sich die Erempel anderer Wissenschaften begnügen. Er findet diese Ursache darinn, weil das Mögliche als eine Art des Allgemeinen, die Lebhaftigkeit der anschauenden Erkenntniß verhindere; welche Lebhaftigkeit gleichwohl unentbehrlich ist, wenn die anschauende Erkenntniß zur lebendigen Erkenntniß, als worauf die Moral bey ihren Wahrheiten vornehmlich sieht, erhöhet werden soll. Er zeiget hierauf, daß schon Aristoteles diese Kraft des Wirklichen gekannt, aber eine falsche Anwendung davon gemacht habe, weil er sie aus einer unrechten Quelle hergeleitet. Aristoteles lehret nehmlich, die historischen Erempel hätten deswegen eine grössere Kraft zu überzeugen, als die Fabeln, weil das Vergangene gemeiniglich dem Zukünftigen ähnlich sey. Unser Verfasser aber sagt: „Hierinn, glaube ich, „hat Aristoteles geirret. x. [s. S. 429] von den historischen Erempeln „gebühre. — Und nunmehr trägt der Verfasser seine völlige Erklärung der Fabel vor, und sagt: Wenn wir 2c. [f. S. 430.] so heißt diese Erdichtung eine Fabel.

Die zweyte Abhandlung betrift_den Gebrauch der Thiere in

der Fabel.

[ocr errors]

Der größte. Theil der Fabeln, sagt der Verfasser, hat „Thiere, oder 2c. [f. S. 430.] Oder was ist es?" Batteur hat sich auf diese Fragen, nicht eingelassen, sondern listig genug den Gebrauch der Thiere seiner Erklärung der Fabel sogleich mit angeflickt. Breitinger hingegen behauptet, daß die Erreichung des Wunderbaren die Ursache davon sey, und glaubt daher die Fabel überhaupt nicht besser als durch ein lehrreiches Wunderbare erklären zu können. Allein unser Verfasser zeiget, daß die Einführung der Thiere in der Fabel nicht wunderbar ist, indem es darinn vorausgesezt und angenommen werde, daß die Thiere und andere niedere Geschöpfe, Sprache und Vernunft besißen. Seine Meinung gehet also dahin, daß die allgemein bekannte Bestandtheit ihrer Charaktere diese Voraussetzung veranlasset und so allgemein beliebt gemacht habe. „Ie tiefer wir, sett er „hinzu, auf der Leiter der Wesen herabsteigen, 2c. [f. S. 436]. von ihm „abstehen.

In der dritten Abhandlung sucht der Verfasser eine richtigere Eintheilung der Fabeln festzusehen. Die alte Eintheilung des Aphthonius ist offenbar mangelhaft. Schon Wolf hat bloß die Benennungen davon beybehalten, den damit zu verknüpfenden Sinn aber dahin bestimmt, daß man den Subjecten der Fabel entweder solche Handlungen und Leidenschaften, überhaupt solche Prädicate, die ihnen zukommen, oder solche die ihnen nicht zukommen, beylege. In dem ersten Falle hiessen es vernünftige Fabeln; in dem andern sittliche Fabeln; und vermischte Fabeln hiessen sie alsvenn, wenn sie etwas sowohl von der Eigenschaft der sittlichen als vernünftigen Fabel hätten. Allein auch diese verbesserte Eintheilung will unserm Verfasser darum nicht gefallen, weil das nicht zukommen einen übeln Verstand machen, und man wohl gar daraus schliessen könnte, daß der Dichter eben nicht gehalten sey, auf die Natur der Geschöpfe zu sehen, die er in seinen Fabeln aufführet. Diese Klippe also zu vermeiden, glaubt er, man werde am sichersten die Verschiedenheit der Fabeln auf die verschiedene Möglichkeit der einzeln Fälle, welche sie enthalten, gründen können. Diese Möglichkeit aber ist entweder eine unbedingte oder eine bedingte Möglichkeit; und um die alten Benennungen gleichfalls beyzubehalten, so nennt er diejenige Fabeln, vernünftige Fabeln, deren einzelner Fall schlechterdings möglich ist; diejenigen hingegen, wo er es nur unter gewissen Voraussetzungen ist, nennt er

sittliche Fabeln. Die vernünftigen sind keiner fernern Abtheilung fähig; wohl aber die sittlichen. Denn die Voraussetzungen betreffen entweder die Subjecte der Fabeln, oder die Prädicate dieser Subjecte. Fabeln, worinn die Subjecte vorausgesetzt werden, nennet er mythische Fabeln; und Fabeln, worinn erhöhtere Eigenschaften wirklicher Subjecte angenommen werden, nennet er hyperphysische Fabeln. Die ferner daraus entstehende vermischte Gattungen nennet er die vernünftig mythischen, die vernünftig hyperphysischen, und die hyperphysischen mythischen Fabeln. Welche Wörter! werden Sie ausrufen. Welche unnüße scholastische Grübeley! Und fast sollte ich Ihnen Recht geben. Da doch aber einmal die Frage von der Eintheilung der Fabel war, so war es ihm auch nicht so ganz zu verdenken, daß er die Subtilität in dieser Kleinigkeit so weit trieb, als sie sich treiben läßt. Was er auf die Fragen antwortet, wie weit in den hyperphysischen Fabeln die Natur der Thiere zu erhöhen sey, und ob sich die Aesopische Fabel zu der Länge eines epischen Gedichts ausdehnen lasse, ist wichtiger; ich übergehe es aber, weil es ohne seine Versuche, die er in Absicht der letztern Frage, gewagt hat, nicht wohl zu verstehen ist. Wenn Sie es einmal selbst lesen sollten, so werden Sie leicht finden, daß seine Versuche seine Speculation nicht erschöpfen.

[ocr errors]

In der vierten Abhandlung redet er von dem Vortrage der Fabeln. Er characterisirt den Vortrag des Aesopus und Phädrus, und scheinet mit dem Vortrage des la Fontaine am wenigsten zufrieden zu seyn. La Fontaine bekannte aufrichtig, daß er die zierliche Präcision, und die ausserordentliche Kürze, durch die sich Phädrus so sehr empfehle, nicht habe erreichen können; und daß alle die Luftigkeit, mit welcher er seine Fabeln aufzuftüßen gefücht, weiter nichts als eine etwa= nige Schadloshaltung für jene wesentlichere Schönheiten seyn solle. „Welch „Bekenntniß! ruft unser Verfasser aus. x. [f. Band V, S. 450] mot >>plaisant, mais solide! Er gehet hierauf die Zierrathen durch, deren die Fabel, nach dem Batteur, fähig seyn soll, und zeiget, daß sie schnurstracks mit dem Wesen der Fabel streiten. Sogar Phädrus kömmt ihm nicht ungetadelt davon, und er ist kühn genug, zu behaupten, daß Phädrus, so oft er sich von der Einfalt der griechischen Fabeln auch nur einen Schritt entferne, einen plumpen Fehler begehe. Er giebt verschiedene Beweise hiervon, und drohet seine Beschuldigung vielleicht gar

durch eine eigene Ausgabe des Phädrus zu rechtfertigen.

[ocr errors]

Ich besorge sehr, unser Verfasser wird mit dieser Abhandlung am wenigsten durchkommen, und er wird von Glück zu sagen haben, wenn man ihm keine schlimmere Absicht giebt, als die Absicht, seine eigene Art zu erzehlen, so viel als möglich, zu beschönigen.

Die fünfte Abhandlung ist die kürzeste, und redet von einem besondern Nußen der Fabeln in den Schulen. Es ist hier nicht die Frage von dem moralischen Nußen, sondern von einem Nußen, welchen der Verfasser den hevristischen nennet. Er glaubt nemlich, daß die Erfindung der Fabeln eine von den besten Uebungen sey, durch die ein junges Genie gebildet werden könne. Da aber die wahre Art, wie eine Fabel erfunden wird, vielen Schwierigkeiten unterworfen ist, so räth er vors erste die Fabeln mehr finden als erfinden zu lassen; „und die allmähligen Stuffen von diesem Finden zum Erfinden, sagt er, sind es eigentlich, was ich durch verschiedene Versuche meines zwey„ten Buches habe zeigen wollen. Es sind aber diese Versuche nichts anders als Umschmelzungen alter Fabeln, deren Geschichte er bald eher abbricht, bald weiter fortführet, bald diesen oder jenen Umstand derselben so verändert, daß sich eine andere Moral darinn erkennen läßt. Aus einigen Beyspielen werden Sie sich einen deutlichern Begriff davon machen können. 3. E. die bekannte Fabel von der Krähe, die sich mit den ausgefallenen Federn anderer Vögel geschmückt hatte, führt er einen Schritt weiter, und macht folgende neue Fabel daraus.

[ocr errors]

Die sechste des zweyten Buchs. [f. Band I, S. 176.] Diese Fabel kann für neu gelten, ob sie gleich aus alten Stücken zum Theil zusammen gesezt ist: denn es liegt eine neue Moral darinn. „So geht es dem Plagiarius! 2c. [f. Bd. V, S. 460.] Oder die Fabel von den Fröschen die sich einen König erbeten hatten.

---

Die dreyzehnte des zweyten Buchs. [f. Band I, S. 179.] Diese Fabel fängt da an, wo die alte aufhöret, und erhält dadurch gleichsam eine Art von historischer Wahrscheinlichkeit. Und aus diesen Proben werden Sie zugleich von dem Tone und der Schreibart unsers Fabulisten urtheilen können. Jedes von den drey Büchern enthält dreyßig Fabeln; und wenn ich Ihnen nunmehr noch einige aus dem ersten und zweyten Buche vorlege, so wird es hoffentlich alles seyn, was Sie diesesmal von mir erwarten. Die erste, welche ich anführen will, scheinet er

mit Rücksicht auf sich selbst und die einfältige Art seines Vortrages ge= macht zu haben.

Der Besiker des Bogens. [f. Band I, S. 186.]

Die Schwalbe. [S. 195.]

Der Geist des Salomo. [S. 187.]

X. Den 6. December. 1759.

Gin und siebenzigster Brief.

Ein Gelehrter, den Sie, so viel ich weis, in Frankfurt an der Oder suchen müssen, fieng bereits im vorigen Jahre an, eine Sammlung ungedruckter Briefe gelehrter Männer herauszugeben. In dem ersten Buche derselben nahmen sich besonders verschiedene Briefe von des Vignoles und Theoph. Sig. Bayern aus, indem sie an nüßlichen Sachen ungleich reicher waren, als die übrigen. In dem zweyten Buche versprach der Herausgeber den gelehrten Briefwechsel des Stephanus Vinandus Pighius zu liefern. Es scheinet aber, daß ihn ein sehr glücklicher Umstand dieses Versprechen aufzuschieben, verleitet hat. Sein Unternehmen selbst hat nehmlich so viel Beyfall gefunden, daß ihm nicht nur verschie dene Gelehrte ihre litterarischen Schäße von dieser Art mitgetheilet haben, sondern daß ihm auch, durch Vermittelung des Herrn von Münchhausen der ganze Vorrath ungedruckter Briefe in der königlichen Bibliothek zu Hannover, zu beliebigem Gebrauche angetragen worden. Durch diesen Beytrag also ist er in den Stand gesetzt worden, uns noch vorher mit andern lesenswürdigern Briefen zu unterhalten, als ihm die Briefe des Pighius mögen geschienen haben.

1

Die ersten vier Bücher, auf welche die Sammlung nunmehro angewachsen ist, und welche den ersten Band derfelben ausmachen, enthalten hundert und neunzig Briefe. Bynckershoed, Beverland, Gisbert Cuper, d'Orville, J. A. Fabricius, Grävius, Gramm, Schannat, I. P. von Ludewig, Gefner c. sind die berühmten Namen ihrer Verfasser.

Sogar von Leibnizen finden sich in dem vierten Buche ein Dußend

1 Sylloge nova Epistolarum varii argumenti. Volumen I. libros III. priores continens. Norimbergae impensis Hered. Felseckeri 1760. 2 Alph. 4 Bogen.

« ZurückWeiter »