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dieses eine Lehre gewesen sey, von welcher sie schon einige, obgleich falsche Begriffe gehabt hätten: sondern er sagt, daß es deswegen geschehen sey, weil Paulus durch, diese drohende Vorstellung des Gerichts, seine Zuhörer aufmerksam machen, und bewegen wollen, daß sie den Beweis seiner göttlichen Gesandschaft von ihm verlangen möchten. „Diesen Beweis, fährt ,,der Doctor fort, würde er ihnen überzeuglich gegeben haben, wenn sie „nicht bald darauf mit spöttischem Schreyen ihm in die Rede gefallen „wären, und dieselbe zu beschliessen, ihn genöthigt hätten. 2c.

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Nun von des Apostels Schußrede vor dem Landpfleger Felix. Auch in dieser ist nicht die geringste Spur von der didaktischen Klugheit, welche die Methode des Herrn Cramers entschuldigen soll. Und wie könnte es auch? Paulus hat darinn nichts weniger als die Absicht zu unterrichten, und seiner Lehre Profelhten zu schaffen: sondern er sucht einzig und allein die bürgerliche Klage von sich abzulehnen, welche die Juden gegen ihn erhoben hatten. Er zeiget aus den Umständen der Zeit, daß die Beschuldigung, als habe er einen Aufruhr erregen wollen, schon an und vor sich selbst unwahrscheinlich sey, und füget die wahre Ursache hinzu, warum er von den Juden so verleumdet werde; darum nehmlich, weil er nach diesem Wege, den sie eine Secte heissen, also dem Gotte seiner Väter diene, daß er glaube allem, was geschrieben stehet im Gefeße und in den Propheten. Bondiesem Wege sagt er alsdenn nur auch ganz allgemeine Dinge, und wenig mehr als ohngefehr einen Einfluß auf den Charakter eines ehrlichen Mannes, eines ruhigen und wohlthätigen Bürgers haben konnte. Und dieses thut er, nicht um den Felix zu grössern Geheimnissen vorzubereiten, sondern blos um von ihm als Richter, bürgerliche Gerechtigkeit zu erlangen. Kurz, es ist mir unbegreiflich, wie Herr Cramer in dieser Rede seine Methode hat finden können. Hätte er unterdessen nur einige Zeilen weiter gelesen; so würde er gerade das Gegentheil derfelben, auch hier gefunden haben. Nach etlichen Tagen aber, fährt der Geschichtschreiber fort, kam Felix mit seinem Weibe Drusilla, die eine Jüdin war, und fodert Paulum, und hört ihn von dem Glauben an Christo. Da aber Paulus redet von der Gerechtigkeit, und von der Keuschheit, und von dem zu= fünftigen Gerichte, erschrack Felix und antwortete: Gehe hin auf diesmal, wenn ich gelegene Zeit habe, will ich dich

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her lassen rufen. Diese Stelle ist höchst merkwürdig. Felix und feine Gemahlin hören den Apostel von dem Glauben an Christo, von den unbegreiflichen Geheimnissen unsrer Religion. Aber nicht über diese unbegreifliche Geheimnisse erschracken sie; nicht diese unbegreifliche Geheimnisse hatten Schuld, daß sie nicht Christen wurden: Fondern das strenge und tugendhafte Leben, auf welches der Apostel zugleich mit drang, das schreckte sie ab.

Aber ich eile, auch noch ein Wort von der Schußrede des Paulus vor dem Könige Agrippa, zu sagen. Ich werde hier recht sehr auf meiner Hut seyn müssen, daß mir nicht etwas hartes gegen den Herrn Cramer entfehret. Seine ganze Theologie mußte ihn verlässen haben, als er schreiben konnte, „Paulus habe Christum dem Agrippa, zuerst „nicht als einen Versöhner, der für die Menschen eine vollkommene Gnug,,thuung geleistet hatte, sondern als den Lehrer des menschlichen Gefchlechts „bekannt gemacht, als den, der verkündigen sollte ein Licht dem Volke „Israel und den Heiden." Das ist zu arg! Hören Sie nur. Agrippa war ein Jude; also ein Mann, der mit der Apostel in dem Begriffe von dem Meßias überein kam; also ein Mann, dem er nicht erst beweisen durfte, daß Gott durch die Propheten einen Meßias versprochen habe; sondern den er blos überführen mußte, daß Jesus der versprochene MeBias sey. Und dieses that er dadurch, daß er zeigte, die Prophezeyungen, der Meßias werde leiden müssen, werde der erste unter denen seyn, die von den Todten auferstehen, diese Prophezehungen wären in Jesu erfüllt worden. Paulus schwieg also von der Göttlichkeit und Genugthuung des Meßias hier so wenig, daß er beydes vielmehr bey dem Agrippa vorausfetzte. Leiden, Sterben, Auferstehen, ein Licht dem Volfe und den Heiden verkündigen: alles dieses faßt der Apostel in einen einzigen Perioden: und doch kann Herr Cramer behaupten, daß er von Christo nur als einem Lehrer und nicht als einem Versöhner gegen den Agrippa gesprochen habe? Er lese doch nur: Daß Christus sollte leiden, und der Erfte seyn aus der Auferstehung von den Todten, und verkündigen ein Licht dem Volke und den Heiden.

Und das ist nun die Rechtfertigung, welche Herr Basedow voll=" kommen gründlich, und mir zu stark nennet, als daß ich ihrer hätte erwähnen dürfen. Noch einmal: ich habe ihrer aus bloffem Mitleiden nicht erwähnt.

XXIV. Den 12. Junius. 1760.

Hundert und zéhuter Brief.

Sie sind meine polemischen Briefe müde. Ich glaube es sehr gern. Aber nur noch eine kleine Geduld; ich habe wenig mehr zu sagen, und will mich so kurz als möglich faffen.

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Wenn Herr Cramer die Rechtfertigung seiner Methode in der Offenbarung nicht findet: so kann er fie nirgends finden, als in seiner guten Absicht. Diese will ich ihm nicht im geringsten streitig machen. Allein ein Projectmacher, wenn es auch ein theologischer Projectmacher wäre, muß mehr als eine gute Absicht haben.. Sein Project muß nicht allein für sich selbst practicabel seyn, sondern die Ausführung desselben muß auch unbeschadet anderer guten Verfassungen, die bereits im Gange ' sind, geschehen können. Beydes vérmisse ich an dem Projecte des Herrn Cramers. Bors erste ist es für sich selbst nicht practicabel. Denn so ein Kind, das den Erlöser erst als einen frommen und heiligen Mann, als einen Kinderfreund, soll kennen und lieben lernen, müßte, so lange dieser vorbereitende Unterricht dauerte, von allem öffentlichen und häuslichen Gottesdienste zurückgehalten werden; es müßte weder beten noch fingen hören, wenn es in den Schranken der mit ihm gebrauchten Methode. bleiben sollte. Zweytens streitet das Cramersche Project mit mehr als einer angenommenen Lehre unserer Kirche. Ich will ist nur die Lehre von dem Glauben der Kinder nennen. Herr Cramer muß wissen, was unsere Kirche von dem Glauben der Kinder, auch schon alsdenn, wenn sie noch gar keine Begriffe haben, lehret; er muß wissen, daß die Frage, die einem Täuflinge geschiehet: Glaubest du 2. mehr saget, als: Willst du mit der Zeit glauben x.

Und hiey will ich abbrechen. Schließlich möchte ich den Herrn Basedow, folgendes zu überlegen, bitten. Als ich in dem Nordischen Aufseher eine Methode, angepriesen fand, die mir eine unbehutsame Neuerung eines Mannes zu seyn schien, der die strenge Orthodoxie seinen guten Absichten aufopfert; als ich sie mit Gründen angepriesen fand, die den sorgfältigsten Eregeten gewiß nicht verrathen; als ich den betäubenden, niederdonnernden Ausspruch, ohne Religion kann keine Redlichkeit seyn, damit verglich: war es nicht sehr natürlich, daß mir gewiffe Gottesgelehrten dabey einfielen, die sich mit einer lieblichen

„Quintessenz aus dem Christenthume begnügen, und allem Verdachte der Freydenkerey ausweichen, wenn sie von der Religion überhaupt nur fein „enthusiastisch zu schwatzen wissen. Weder Herr Basedow noch Herr Cramer wird leugnen wollen, daß es dergleichen Gottesgelehrten itt die Menge giebt. Wenn aber jener meine allgemeine Anmerkung so ausleget, als ob ich sie schlechterdings auf diesen angewendet wissen wolle; so muß ich seine Auslegung für eine Calumnie erklären, an die ich nie gedacht habe. Ich sage: „auch der Nordische Aufseher hat ein ganzes Stück dazu angewandt, sich diese Mine der neumodischen Rechtgläubigkeit „zu geben 2. Ist denn dieses eben so viel, als wenn ich gesagt hätte: Auch der Nordische Aufseher ist einer von diesen Rechtgläubigen? Ich rede ja nur von einer Mine, die er sich geben will. Ich sage ja nicht, daß er sich diese Mine aus eben der Ursache geben will, aus welcher sie jene führen. Jene führen sie, um ihre Freydenkerey damit zu maskiren; und Er will sie annehmen, vielleicht weil er glaubt, daß fie gut läßt, daß sie bezaubert. Wenn eine neue Mode aus einer gewissen Bedürfniß entsprungen ist, haben darum alle, welche dieser Mode folgen, die nehmliche Bedürfniß? Haben alle, die einen Kragen am Kleide tragen, einen Schaden an ihrem Halse, weil ein solcher Schaden den ersten Kragen, wie man sagt, veranlaßt hat?

Hundert und eilfter Brief.

Die Verlegenheit, in die mich Herr Basedow in Ansehung des zweyten Mitarbeiters an dem Nordischen Aufseher, des Herrn Klopstocks, mit aller Gewalt sezen will, hat mich von Grund des Herzens lachen gemacht.

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„Auch das fünf und zwanzigste Stück, sagt Herr Basedow, von „einer breyfachen Art über Gott zu denken, dessen Verfasser der Herr Klopstod ist, wird von dem Herrn Journalisten sehr feindselig ange= griffen. Er muß vermuthlich das Klopstocksche Siegel nicht darauf „gesehen haben, wie auf andern Stücken deffelben Verfaffers, von welchen ,,er mit Hochachtung redet. - Herr Basedow will vermuthlich hier spotten. Vermuthlich aber wird der Spott auf ihn zurück fallen. Denn gesezt, ich hätte allerdings das Klopstocksche Siegel darauf erkannt: was weiter? Hätte ich es blos deswegen, ohne fernere Untersuchung, für gut,

für vortrefflich halten sollen? Hätte ich schliessen sollen: weil Herr Klopstock dieses und dieses schöne Stück gemacht hat; so müssen alle seine Stücke schön seyn? Ich danke für diese Logik. „Herr Klopstock, heißt es an einem andern Orte, „so gewogen der Criticus sich demselben auch „anstellt 2c. Anstellt? Warum denn anstellt? Ich kenne den Herrn Klopstock von Person nicht; ich werde ohne Zweifel nie das Vergnügen haben, ihn so kennen zu lernen; er wohnt in Kopenhagen, ich in **; ich kann ihm nicht schaden; er soll mir nichts helfen: was hätte ich denn also nöthig, mich gegen ihn anzustellen? Nein, ich versichere den Herrn Basedow auf meine Ehre, daß ich dem Herrn Klopstod in allem Ernste gewogen bin; so wie ich allen Genies gewogen bin. Aber deswegen, weil ich ihn für ein grosses Genie erkenne, muß er überall beh mir Recht haben? Mit nichten. Gerade vielmehr das Gegentheil: weil ich ihn für ein großes Genie erkenne; bin ich gegen ihn auf meiner Hut. Ich weiß, daß ein feuriges Pferd auf eben dem Steige, sammt seinem Reiter den Hals brechen kann, über welchen der bedächtliche Esel, ohne zu straucheln, gehet.

Wer heißt den Herrn Klopstock philosophiren? So` gewogen bin ich ihm freylich nicht, daß ich ihn gern philofophiren hörte. Und können Sie glauben, Herr Basedow selbst ist in dem gedachten Stücke nicht ganz mit ihm zufrieden. Sie wissen, was ich dagegen erinnert habe. Erstlich, daß er uns mit seiner dritten Art über Gott zu denken, nichts Neues sage; das Neue müßte denn darinn liegen, daß er das denken nennet, was andere empfinden heissen. Das räumet Herr Basedow ein, und fragt blos: „Ob man denn über alte Dinge etwas neues sagen „müsse? Und ob denn Herr Klopstock nicht das Recht gehabt habe, „das Wort denken anders zu nehmen, als es in der üblichen Sprache „einiger Systeme genommen werde? Ich selbst habe ihm dieses Recht zugestanden, und nur wider den Irrthum, auf welchen er dadurch verfallen ist, protestiret; als worinn mein zweyter Einwurf bestand. Er sagt nehmlich, daß man durch die dritte Art über Gott zu denken, auf neue Warheiten von ihm kommen könnte, wenn die Sprache nicht zu arm und schwach wäre, das, was wir dabey dächten, auszudrücken. Ich sage: keine neue Warheiten! Und was sagt Herr Basedow? „Ich gestehe, „es wäre vielleicht nicht ganz abzurathen gewesen, den Ausdruck neue "Warheiten zu vermeiden, oder ihn vielmehr zu erklären." Das gesteht

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