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Herr Basedow, und doch zankt er mit mir. Ja freylich; wenn es erlaubt ist, allen Worten einen andern Verstand zu geben, als sie in der üblichen Sprache der Weltweisen haben: so kann man leicht etwas Neues vorbringen. Nur muß man mir auch erlauben, dieses Neue nicht immer für wahr zu halten.

Aber wieder auf das Vorige zu kommen: Hätte ich wirklich das Klopstocksche Siegel auf dem gedachten Stücke nicht gesehen? O nur allzudeutlich; und ich dächte, ich hätte es auch nur allzudeutlich zu verstehen gegeben. Ich schrieb nehmlich: „Ich verdenke es dem Verfasser sehr, daß „Er sich bloß gegeben, so etwas auch nur vermuthen zu können. Dieses Er war nicht umsonst in dem Manuscripte unterstrichen, ward nicht umsonst mit Schwabachher gedruckt. Dieses Er war Herr Klopstock. Denn Herr Basedow wird doch wohl wissen, wofür die Gottschede und Hudemanns den Heren Klopstock halten. Dieser Leute wegen that es mir im Ernste leib, daß er eine Theorie verrathen habe, die ihren kahlen Beschuldigungen auf gewisse Weise zu statten komme..

Und so wenig ich aus des Herrn Klopstocks Philosophie_mache, eben so wenig mache ich aus seinen Liedern. Ich habe davon gesagt: fie wären so voller Empfindung, daß man oft gar nichts dabey empfinde. Herr Basedow hingegen sagt von dem Liede, von welchem damals vornehmlich die Rede war: „Es ist, wie mich dünkt, ganz so gedankenreich „und schön, wie die folgende Strophe.

Jesus, Gott wird wiederkommen.

Ach laß uns dann mit allen Frommen

Erlöst zu deiner Rechten stehn!

Ach du müssest, wenn in Flammen

Die Welt zerschmilzt, uns nicht verdammen!

Laß alle kämpfen dich zu sehn!

Dann fez auf deinen Thron

Die Sieger, Gottes Sohn,
Hosianna!

Zur Seligkeit

Mach uns bereit,

Durch Glauben, durch Gerechtigkeit.

Das nennt Herr Basedow gedankenreich? Wenn das gedankenreich ist; so wundere ich mich sehr, daß dieser gedankenreiche Dichter nicht

längst der Lieblingsdichter aller alten Weiber geworden ist. Ist das der Dichter, der jenen Traum vom Sokrates gemacht hat? Damit aber Herr .Basedow und seines gleichen, nicht etwa meinen mögen, daß mein Ur theil über die Klopstockischen Lieder, ein bloffer witziger Einfall sey, fo will ich ihnen sagen, was ich dabey gedacht habe. Es kann wahr seyn, dachte ich, daß Herr Klopstock, als er seine Lieder machte, in dem Stande sehr lebhafter Empfindungen gewesen ist. Weil er aber blos diese feine Empfindungen auszudrücken suchte, und den Reichthum von deutlichen Gedanken und Vorstellungen, der die Empfindungen bey ihm veranlaßt hatte, durch den er sich in das andächtige Feuer gesetzt hatte, verschwieg und uns nicht mittheilen wollte: so ist es unmöglich, daß sich seine Leser zu eben den Empfindungen, die er dabey gehabt hat, erheben können. Er hat also, wie man im Sprichworte zu sagen pflegt, die Leiter nach sich gezogen, und uns dadurch Lieder geliefert, die von Seiten seiner, so voller Empfindung sind, daß ein unvorbereiteter Leser oft gar nichts. daben empfindet. Der Hamburgische Anzeiger sagt, es sey ihm dieses mein Urtheil eben so vorgekommen, als ob jemand von Lessings „schönen Fabeln urtheilen wollte, sie wären so wißig, daß sie oft ganz aberwitzig darüber würden. Der Herr versuche nunmehr, ob er in seine Instanz eben den richtigen Sinn legen kann, der in meinem Urtheile liegt. Desto schlimmer aber für Leffingen, wenn seine Fabeln nichts als wißig sind!

Hundert und zwölfter Brief.

G.

Herr Basedow- und nun werde ich seiner zum letztenmale gedenfen, wirft auf allen Seiten mit Lieblosigkeiten, mit Verleumdungen um sich; und der Hamburgische Anzeiger sagt, daß ein sehr nied-riger Bewegungsgrund mich aufgebracht habe, den Aufseher als ein höchst schlechtes Werk herunter zu setzen. Beyde Herren muß ein verborgenes Geschwür jucken, das sie mit aller Gewalt aufgestochen wissen wollen. Ihr Wille geschehe also. Ich wünsche, daß die Operation_wohl bekommen möge.

Erinnern Sie sich wohl des erdichteten Briefes, den der nordische Aufseher in seinem sieben und dreißigsten Stücke mittheilet? Vielleicht haben Sie ihn überschlagen. Ich meine folgenden.

Mein Herr!

Hoffentlich werden Sie sich doch, bey dem Schlusse des ersten Theils ,,ihrer Blätter, in Kupfer stechen lassen. Ich habe Sie zwar noch nicht. „gesehen, so oft ich sie auch auf unsern Spaziergängen aufgesucht habe, „ünd ich habe ein scharfes Gesicht. Gewiß Sie entziehen sich dem Publico „allzusehr. Dennoch getraue ich mir, Sie vollkommen zu treffen. Das „verspreche ich: Ihr Portrait soll keinem in der Bibliothek der schönen „Wissenschaften etwas nachgeben. Ein altes saures Gesicht mit Runzeln, „wie Gellert und ein anderer Dichter; tiefsinnig; schief; auch ein wenig „mürrisch; denn im Schatten bin ich stark. Nicht wahr? Ich warte nur „auf Ihre Erlaubnis, mein Herr, um den Grabstichel in die Hand zu „nehmen; die Platte ist schon fertig. Ich mache auch Inscriptionen in „Prosa und Versen, wenn Sie sie haben wollen. Ihr Verleger ist, wie „ich höre, so eigen, daß er Ihr Bild dem Werke, ohne Ihr Wissen „nicht vorseßen will. Aber der wunderliche Mann! Er soll nicht dabey „zu kurz kommen; das Buch wird gewiß desto bessern Abgang haben. „Nur muß er meine Mühe nicht umsonst verlangen.

Das will ich Ihnen noch im Vertrauen steden: Ich kenne eine „etwas betagte reiche Wittwe, welche alle Augenblicke bereit ist, sich in Sie zu verlieben, wenn Sie so aussehen, wie ich Sie zeichnen will. „Die Frau sieht nicht übel aus. Sie sind doch noch Wittwer? Ich bin Mein Herr

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Ihr unterthänigster Diener
Philipp Kaut.
Kupferstecher.

Ich frage einen jeden, dem es bekannt ist, daß der Kupferstecher, der ein Paar Portraits vor der Bibliothek der schönen Wissenschaften gemacht hat, wirklich Kauke heißt, ob diesem Briefe das ge= ringste zu einem förmlichen Pasquille fehlt? Ich wußte nicht, ob ich meinen Augen trauen sollte, als ich sahe, daß sich ein Mann, wie der Nordische Aufseher, der von nichts als Religion und Redlichkeit schwaßt, der es seiner Würde für unanständig erklärt hatte, sich mit der Satyre abzugeben, daß sich so ein Mann so schändlich vergangen hatte. Gesezt der Künstler spräche zu ihm: „Mein Herr, der sie so eigenmächtig „nicht Tadel, sondern Schande austheilen, darf ich wohl wissen, wie ich zu diesem Brandmahle komme? Es ist wahr, ich habe eines von den

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„bewußten Portraits gestochen; aber nicht aus freyem Willen, sondern „weil es mir aufgetragen ward, weil mir die Arbeit bezahlt ward, und „ich von dieser Beschäftigung lebe. Ich habe mein Bestes gethan. Allein man hat mir ein so schlechtes Gemählde geliefert, daß ich nichts besseres „daraus habe machen können. Ich sage Ihnen, daß alle die Fehler, die „fie in meinem Stiche tadeln, in dem Gemählde gewesen sind; und daß ein Kupferstecher keinen Fehler des Gemähldes nach Gutdünken verbessern „kann, ohne in Gefahr zu seyn, die Aehnlichkeit auf einmal zu vernichten. „Was weis ich, ob Herr Gellert ein Adonis ist, oder ein saures „Gesicht mit Runzeln hat? Was weis ich, ob der andere Dichter (den ich nicht einmal gestochen habe) schief und mürrisch aussieht? Wir Kupferstecher stechen die Leute, wie wir sie gemahlt finden. Und als Kupfer„stecher, sollte ich meinen, hätte ich doch immer noch einen Stichel gezeigt, „der fester und kühner ist, und mehr verspricht, als daß er eine so öffent„liche Beschimpfung verdient hätte. Doch dem sey wie ihm wolle. Wenn „ich auch schon der allerelendeste Kupferstecher wäre, warum gehen Sie „aus den Schranken des kritischen Tadels? Warum muß ich noch etwas „schlimmeres als der elendeste Kupferstecher, warum muß ich ihr Kuppler „seyn? Muß. ich ihr Kuppler seyn, weil ihre Freunde das Unglüc „durch mich gehabt haben, nicht so schön und artig in der Welt zu erschei„nen, als sie sich in ihren Spiegeln erblicken? Sie: muß ich darum ihr Kuppler seyn? Künstler zu dem Aufseher so spräche; was könnte der fromme, redliche, großmüthige Mann antworten?

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Dieses einzige frage ich

Wenn, sage ich, der

Herr Basedow möchte gar zu gern meinen Namen wissen. Gut; er soll ihn erfahren, sobald einer von ihnen, entweder Herr Cramer, oder Herr Klopstock, oder Er selbst, das Herz hat, sich zu diesem Basquille zu bekennen.

Siebenter Theil.

XII. Den 18. September. 1760,

Hundert und sieben und zwanzigster Brief.

Sie kennen doch den Aesopischen Zahnschreyer, Hermann Axel, den die Schweizerischen Kunstrichter vor einigen Jahren mit so vieler zujauchzenden Bewunderung austrommelten? Er unterschied sich von andern Zahnschreyern besonders dadurch, daß er sehr wenig redte. Wenn er aber seinen Mund aufthat, so geschah es allezeit mit einer Fabel. Der schnackische Mann war in der Schweiß überall willkommen; er durfte un= gebeten bey den Tafeln und Gastmählern vornehmer und geringer Personen erscheinen; man hielt dafür, daß seiné Zeche durch die Fabeln, die er unter die Gespräche mischte, überflüßig bezahlt sey. Unter andern wußte er sehr viel von Gauchlingen zu erzehlen; wie die Gauchlinger über ihre böse Bach rathschlagen; wie die Gauchlinger nicht Spizhosen anstatt Pluderhosen tragen wollen; wie die Gauchlinger x. Alle diese Gauchlingiana haben seine Freunde zu Papiere gebracht, und sie in den Freymüthigen Nachrichten, in den Critischen Briefen, in der Vorrede zu M. v. K. Neuen Fabeln, zum ersten, zweyten, dritten, und der Himmel gebe, leßten male drucken lassen.

Das alles wissen Sie. Aber wissen Sie auch, daß Hermann Axel noch lebt? Daß er nunmehr auf seine eigene Hand ein Autor ge= worden ist? Daß er einen kläglichen Beweis gegeben, wie wirksam das Gift seiner Schmeichler auf seinen gesunden Verstand gewesen seyn müsse? Diese bösen Leute hatten ihn und den Aesopus so oft zusammen genennt,

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