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Stillschweigen bringen möchte, die über den Mangel an Unterstützung so häufige und bittere Klagen führen, und in dem Tone wahrer Schmeichler den Einfluß der Großen anf die Künste so übertreiben, daß man ihre eigennützige Absichten nur allzudeutlich merkt. Man irret sehr, sagt er, „wenn man den Mangel großer Genies zu gewissen Zeiten dem Mongel „der Belohnungen und Aufmunterungen zuschreibt. Das wahre Genie „arbeitet, gleich einem reissenden Strome, sich selbst seinen Weg durch die größte Hindernisse. Shakespear, der zu einem Handwerk erzogen. „worden, ward ein großer Poet, ohne irgend eine Aufmunterung zu „haben, ja so gar, ohne selbst es zu wissen. Einer der größten heutigen „italienischen Dichter macht, als ein armer Bäckerjunge Verse, die einen "großen Kunstrichter in Erstaunen seßen, und ihn bewegen, sich seiner „anzunehmen. Ueberhaupt können Aufmunterungen niemals Genies er„zeugen; und sie schaden gewiß allemal denen, die es schon sind, wenn der Gönner nicht selbst den wahren, den großen Geschmack der Künste besitet. Einen Beweis daven findet man vielleicht selbst in den so ge„rühmten Freygebigkeiten Ludwigs des vierzehnten, die ihm so viel Ehre gemacht haben. Alle die großen Genies, die seiner Regierung den größ,,ten Glanz gaben, waren ohne seine Aufmunterung entstanden, und „Racine, der so sehr den Geschmack der Natur hatte, dessen Genie mit „dem Geiste der Alten genährt war, hätte vermuthlich seine Tragödien „nicht durch so viel Galanterie entnervet, wir würden mehr Athalien „von ihm haben, wenn ihn nicht diese Aufmunterungen genöthiget hätten, „dem Geschmacke eines weibischen Hofes zu schmeicheln. Der wichtigste „Nachtheil aber, welchen der große Schuß vielleicht nach sich ziehet, den „die schönen Wissenschaften bey Regenten finden, ist dieser, daß dadurch „die Begierde zu schreiben, zu sehr ausgebreitet wird, daß so viele, bloß witige Köpfe fich an Arbeiten wagen, die nur dem Genie zukommen. „Diese, welche die großen Züge der Natur nicht erreichen können, (denn „die trifft allein das Genie) suchen sich durch neue Manieren, durch „Affectationen zu unterscheiden, oder führen das Publicum von der Natur „zum Gekünftelten. Dieses ist vermuthlich die Ursache, daß allemal auf „die Zeiten der grossen Beschüßer der Künste, Zeiten des übeln Geschmacks und des falschen Wites gefolgt sind."

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Eine andere kleine Ausschweiffung unsers Verfassers wird Ihnen zeigen, daß er nicht allein Dichter zu schätzen fähig ist. Sie betrift den Machiavel.

Machiavel, sagt er, ein sehr großer Kopf, den wir aus seinem Fürsten „zu wenig kennen, und zu unrichtig beurtheilen, brachte nach der Ca„landra des Cardinals Bibiena, ein paar Comödien auf den Schau„plaß, in denen das Salz des Moliere, mit dem Humor und der „komischen Stärke der Engländer vereiniget ist. Dieser Machiavel ,,ist es ausserdem, der die Prose der Italiener zu ihrer wahren Voll„kommenheit gebracht hat. Er vermied die aufgedrungenen, weitschweifigen „Perioden des Boccaz. Sein Styl ist rein, kurz, gedrängt, und voll „Sachen, und beständig klar. Seine Geschichte von Florenz ist die erste „unter den wenigen neuern Geschichten, die man den schönen historischen „Werken der Alten an die Seite sehen kann. Sie vereiniget die Klarheit „und Reinigkeit des Nepos in der Erzehlung mit dem Tiefsinn und der „Stärke des Tacitus in den Betrachtungen. Aber keines von seinen Werken macht ihm so viel Ehre, als die Discurse über den Livius, „ein ganz originales Werk, das voll von Entdeckungen in der Staatskunst ist, deren verschiedene man in den Werken des Präsidenten Montes„quieu, als die feinigen, bewundert, weil man den Italiener nicht genug kennt, den Montesquieu sehr studiret hatte."

Mit eigentlichen Proben aus den gewählten Stücken will ich Ihnen nicht langweilig werden. Sie haben das meiste längst im Originale ge= lesen, und wenn ich ihnen nochmals wiederhohle, daß sich in der Uebersegung eine Meisterhand zeiget, welche die Schönheiten der Versification, die nothwendig verloren gehen müssen, nicht bloß mit der reinsten, geschmeidigsten, wohlklingendsten Prose, sondern auch mit unzählig kleinen Verbesserungen und Berichtigungen desjenigen, was in der Urschrift oft ein wenig schielend, ein wenig affectirt ist, compen= siret hat: so werden Sie ohne Zweifel die Vergleichung selbst anstellen wollen.

Herr Meinhard, so heißt unser Verfasser, hat sich selbst eine Zeitlang in Italien aufgehalten; ein Umstand, welcher allein ein gutes Vorurtheil für ihn erwecken kann. Vor kurzen, wie ich höre, hat er eine zweyte Reise dahin unternommen; es wäre sehr zu beklagen, wenn die Fortsetzung seines Werks darunter leiden sollte. Meinen Sie aber, daß dieser würdige Mann vielleicht eine Prädilection für die Italiener habe? Sie irren sich; er muß mit der englischen Litteratur eben so bekannt seyn, als mit der welschen. Denn ihm haben wir auch die Uebersetzung von

Heinrich Homes Grundsäßen der Critik zu danken. Hier mußte sich der schöne Geist mit dem Philosophen in dem Uebersetzer vereinigen. Es war ein Räthsel für mich, in welchem von unsern Ueberseßern ich diese Vereinigung suchen sollte. Ein ganz unbekannter Name mußte dieses Räthsel lösen. Sie freuen sich; aber Sie wundern sich zugleich. Erinnern Sie sich, was Seneca sagt: Einige sind berühmt; andere sollten es seyn. N. S. Ich weiß nicht, ob gewisse Gedichte, die vor einiger Zeit unter dem Namen Petrarchischer Gedichte ans Licht getreten, bereits eine Frucht der näheren Bekanntschaft seyn sollen, in die Hr. Meinhardt unsere Dichter mit dem Petrarca gebracht hat. Das weis ich aber, daß diesen Gedichten, welche für sich betrachtet, sehr artig sind, das Beywort Petrarchischer ganz und gar nicht zukömmt. Ist es doch auch ein blosser Zusatz des Herausgebers, der selbst zweifelt, ob der Verfasser damit zufrieden seyn werde. Er kann unmöglich: denn sein Ton ist mehr der spielende Ton des Anakreons, als der feyerlich feufzende des Petrarca. Der platonische Italiener guckt nicht so lüstern nach des Busens Lilgen; und wenn er Tod und Ewigkeit mit den Ausdrücken seiner Zärtlichkeit verwebt, so verwebt er sie damit; an statt daß in den deutschen Gedichten das Verliebte und das Fromme, das Weltliche und das Geistliche, wie in dem ruhigen Elementglase, in ihrer ganzen klaren abstechenden Verschiedenheit neben einander stehn, ohne durch ihre innere Vermischung jene wollüstige Melancholie hervorzubringen, welche den eigentlichen Charakter des Petrarca ausmacht.

Leipzig in der Dydischen Handlung. Erster und zweyter Theil, 1763. in 8.

2 Berlin 1764. in 8.

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Herausgegeben von Johann Joachim Eschenburg. Berlin, bei Christian Friedrich Voß und Sohn. 1790. I. 8. Vorbericht des Herausgebers: Es sind jezt gerade dreißig Jahr, als die sieben ersten Bogen der gegenwärtigen Schrift abgedruckt wurden. Was für ein Hinderniß es eigentlich gewesen sey, welches die Fortseßung dieses Abdrucks, oder vielmehr die weitere Ausarbeitung des Werkes selbst, unterbrach, weiß ich nicht mit Gewißheit anzugeben. Vermuthlich war es Lessing's Entfernung von Berlin, der um diese Zeit nach Breslau zu dem preussischen General Tauenzien gieng, in den nächsten Jahren darauf als Schriftsteller nur seine Ueberseßung des Diderot'schen Theaters vollendete, und an den Litteraturbriefen Antheil nahm. Erst sechs Jahre später betrat er mit seinem Laokoon die schriftstellerische Laufbahn aufs neue. Sein Sophokles sollte aus vier Büchern bestehen, die wahrscheinlich auch eben so viel Lände gefüllt haben würden. Aber auch hier ist es ungewiß, welch einen Umfang er seinem Stoffe zu geben gedachte, und wie er denselben eigentlich zu vertheilen Willens war. Das erste Buch hatte er, wie die Aufschrift des ältern Titelblattes angiebt, dem Leben des Dichters bestimmt; und diesem sollte vermuthlich eine kritische Zergliederung seiner Schauspiele, und eine deutsche Ueberseßung derselben in Proja nachfolgen. Dieß leztere läßt sich wenigstens aus dem Anfangsfragmente des Ajar schließen, welches ich dem Leser am Schluß dieses Bändchens mittheilen werde. Lessing war, wie ich schon anderswo (s. den fünften Beitrag zur Geschichte und Litteratur aus der Wolfenb. Bibl. S. 58.) bemerkt habe, von jeher gewohnt, seine Arbeiten erst während ihres Abdrucks zu vollenden, und diesen schon bei einigem, oft nur geringem, Vorrathe von Handschrift anfangen laffen. Ich hatte daher wenig Hoffnung, unter seinen für die gegenwärtige Arbeit nachgelassenen Papieren, deren Mittheilung ich der Freundschaft seines Bruders, des Herrn Münzdirektors Lessing, verdanke, viel Vollendetes anzutreffen. Und so war es auch wirklich. Nur den Schluß der Anmerkung (K.) die mit der 112ten und legten Seite des ehemaligen Drucks abgebrochen war, fand ich völlig ausgearbeitet und ins Reine geschrieben. Das Uebrige bestand aus lauter einzelnen Zetteln, die nur kurze Entwürfe und gesammelte Materialien zu den meisten, aber nicht einmal zu allen folgenden Anmerkungen enthielten, welche in den S. 6. bis 11. befindlichen Leben des Sophokles nachgewiesen waren, und in einem, vermuthlich ältern, Hefte, worin noch weniger ausgearbeitete Angaben und Winke zu eben diesen Anmerkungen, zerstreut und einzeln, nebst dem schon gedachten Anfang einer Uebersehung des Ajar Mastigophoros, niedergeschrieben waren. Verschiedene seiner Freunde, denen er die abgedruckten Bogen mitgetheilt hatte, die ich auch selbst seit mehreren Jahren aus seiner Hand besaß. versuchten es oft, ihn zur Fortsezung und Vollendung dieser so verdienstvollen Arbeit zu bewegen. Seine gewöhnliche Antwort aber war, er müsse erst wieder Griechisch lernen, und sich in eine Menge von Dingen hinein studiren, die ihm seitdem völlig fremd geworden wären. Sein Verleger und vieljähriger vertrauter Freund war zu gefällig, um von diesen abgedruckten Bogen irgend einen willkührlichen Gebrauch zu machen. Aber seit Lessing's Tode wurde der Wunsch ihrer Bekanntmachung bei denen, die von diesem Bruchstück wußten, und das Daseyn desselben aus einigen öffentlichen Erwähnungen erfahren hatten, immer dringender. Mir geschah also der Antrag, es herauszugeben; und ich hatte mehr als Einen Grund mich nicht an die Fortseßung, oder auch nur an die Ausarbeitung der noch vorhandenen Materialien zu wagen; sondern ich beschloß, diese so unvollendet, einzeln und mangelhaft, wie sie da waren, hinzu zu fügen, und so dem Fragmente wenigstens mehr Anschein eines Ganzen zu geben. Dieß zu thun, kostete freilich mehr Zeit, Sorgfalt und Mühe, als der erste Anblick dieser Ergänzung verrathen wirt; aber freundschaftlicher Eifer für des Verfassers Andenken, und Hinsicht auf dadurch zu bewirkende Befriedigung der Litteratoren, erleichterten mir alle Mühe gar sehr. sc. 2c.

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