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Einleitung.

Der Herr von N.** ein verdienter Officier, und zugleich ein Mann von Geschmack und Gelehrsamkeit, ward in der Schlacht bey Zorndorf verwundet. Er ward nach Fr** gebracht, und seine Wundärzte empfohlen ihm nichts eifriger, als Ruhe und Geduld. Langeweile und ein gewisser militarischer Eckel vor politischen Neuigkeiten, trieben ihn, bey den ungern verlassenen Musen eine angenehmere Beschäftigung zu suchen. Er schrieb an einige von seinen Freunden in B** und ersuchte sie, ihm die Lücke, welche der Krieg in seine Kenntniß der neuesten Litteratur gemacht, ausfüllen zu helfen. Da sie ihm unter keinem Vorwande diese Gefälligkeit abschlagen konnten, so trugen sie es dem Herrn Fll. auf, sich der Ausführung vornehmlich zu unterziehen.

Wie mir, dem Herausgeber, die Briefe, welche daraus entstanden, in die Hände gerathen, kann dem Publico zu wissen oder nicht zu wissen, sehr gleichgültig seyn. Ich theilte sie ihm mit, weil ich glaube, daß sie manchem sowohl von dem schreibenden, als lesenden Theile der sogenannten Gelehrten, nüßlich seyn können.

Ihre Anzahl ist bereits beträchtlich, ob sie gleich ihren Anfang nur vor dreh oder vier - Monaten können gehabt haben. Sie werden auch hoffentlich bis zur Wiederherstellung des Herrn von N.** fortgesetzt

werden.

Ich habe völlige Gewalt ste drucken zu lassen, wie und wenn ich will. Der Verleger meinte, daß es am füglichsten wöchentlich geschehen könnte; und ich lasse ihm seinen Willen.

I. Den 4. Jenner 1759.

Erster Brief.

Etwas werden Sie freylich nachzuhohlen haben; aber nicht viel. Die zweh gefährlichen mühsamen Jahre, die Sie der Ehre, dem Könige und dem Vaterlande aufopfern müssen, sind reich genug an Wundern, nur nicht an gelehrten Wundern gewesen. Gegen hundert Namen, — und hundert sind noch zu wenig -die alle erst in diesem Kriege als Namen verdienstvoller Helden bekannt geworden; gegen tausend kühne Thaten, die vor Ihren Augen geschahen, an welchen Sie Theil hatten, die zu Quellen der unerwartetsten Veränderungen wurden, — kann ich Ihnen auch nicht ein einziges neues Genie nennen, kann ich Ihnen nur sehr wenige Werke schon bekannter Verfasser anführen, die mit jenen Thaten der Nachwelt aufbehalten zu werden verdienten.

Es gilt dieses von uns Deutschen vor allen andern. Zwar hat der Krieg seine blutigste Bühne unter uns aufgeschlagen, und es ist eine alte Klage, daß das allzunahe Geräusch der Waffen, die Musen verscheucht. Verscheucht es sie nun aus einem Lande, wo sie nicht recht viele, recht feurige Freunde haben, wo sie ohnedem nicht die beste Aufnahme erhielten, so können sie auf eine sehr lange Zeit verscheucht bleiben. Der Friede wird ohne sie wieder kommen; ein trauriger Friede, von dem einzigen melancholischen Vergnügen begleitet, über verlorene Güter zu weinen.

Ich rufe Ihre Blicke aus dieser finstern Aussicht zurück. Man muß einem Soldaten sein unentbehrliches Geschäft durch die bejammernswür= digen Folgen desselben nicht verleiden.

Lieber will ich Sie und mich mit dem füssen Traume unterhalten, daß in unsern gesittetern Zeiten der Krieg nichts als ein blutiger Proceß unter unabhängigen Häuptern ist, der alle übrige Stände ungestöret läßt, und auf die Wissenschaften weiter keinen Einfluß hat, als daß er neue Xenophons, neue Polybe erwecket. Lieber will ich für sie auch die leichtesten Spuren der unter uns noch wandelnden Musen aufsuchen, und ihnen bis in die glücklichern Reiche nachspüren, aus welchen sie, nicht Längst, einen kürzern Weg zu uns gefunden zu haben scheinen.

Die Umstände, unter welchen Sie diese Arbeit von mir verlangen, machen sie mir zu einem Vergnügen, auf welches ich stolz zu seyn Ursache

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habe. Kann sich derjenige weigern, Ihre Schmerzen durch kleine Zerstreuungen zu lindern, der sie gern mit Ihnen getheilet hätte? 2c.

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Wenigstens ist die Gelehrsamkeit, als ein Gewerbe, unter uns in noch ganz leidlichem Gange. Die Meßverzeichnisse sind nicht viel kleiner geworden; und unsere Uebersetzer arbeiten noch frisch von der Faust weg.

Was haben sie nicht schon alles übersetzt, und was werden sie nicht noch übersehen! Eben izt habe ich einen vor mir, der sich an einen englischen Dichter rathen Sie einmahl an welchen! — gemacht hat. O Sie können es doch nicht errathen! An Popen. 1

Und in Prosa hat er ihn übersetzt. Einen Dichter, dessen grosses, ich will nicht sagen größtes, Verdienst in dem war, was wir das Mechanische in der Poesie nennen; dessen ganze Mühe dahin ging, den reichsten, triftigsten Sinn in die wenigsten, wohlklingendsten Worte zu legen; dem der Reim keine Kleinigkeit war einen solchen Dichter in Prosa zu übersehen, heißt ihn ärger entstellen, als man den Euklides entstellen würde, wenn man ihn in Verse übersetzte.

Es war auch ein bloßer Buchhändlereinfall; wie der Uebersetzer selbst gestehet. Und was geht es diesem an, womit jener ihn Geld verdienen läßt, und selbst Geld zu verdienen denket? Freylich sollte so ein blindlingsgefälliges Werkzeug eine bescheidenere Sprache führen, als unser Uebersetzer des Pope führet. Er sollte nicht sagen: „Ich habe mir „eingebildet, meinen Dichter völlig zu verstehen, und mich darauf ver,,lassen, daß meine eigene kleine Dichtergabe, so geringe sie auch seyn „mag, mir zu Hülfe kommen würde, das Verstandene so auszudrücken, „daß der Schwung und die Deutlichkeit nicht zu viel verlören —

Denn je größer er sich selbst macht, desto unbarmherziger wird ihm der Leser sein thörichtes Unternehmen aufmußen, desto hönischer wird er ihm jeden Fehler vorwerfen, der seinem Eigenlobe widerspricht. 3. E.

Pope will die Nachahmung der Alten rechtfertigen. Man verlangt, sagt er, und erwartet von einem Dichter, daß er ein gelehrter, und in den Werken der Alten belesener Mann (a Scholar) sey; und ist

1 Herrn Alexander Pope sammtliche Werke 2c. Erster Band. Altona bey D. Iversen. 1758. in 8vo.

gleichwohl unwillig, wenn man findet, daß er wirklich so ein Mann ist. Was meinen Sie wohl, daß aus dieser feinen Anmerkung unter der Feder des Ueberseßers geworden ist? Er hat Scholar, als ein wahrer Schüler, durch Schüler übersezt und sagt: „'In der That ist es sehr „unbillig, daß man aus uns Schüler haben will, und dennoch unwillig „wird, wenn man uns als Schüler befindet.

Pope vergleicht den Virgil mit seinem Muster, dem Theokrit. Der Römer, sagt er, übertrift den Griechen an Regelmäßigkeit und Kürze, und ist ihm in nichts nachzusetzen, als in der Einfalt des eigenthümlichen Ausdrucks. (simplicity and propriety of style) Pope meinet, daß der Styl in den Virgilischen Eklogen uneigentlicher, verblümter sey, als in den Theokritischen; und der Vorwurf ist nicht ohne Grund. Allein wie ihn der Uebersetzer ausdrückt, ist er es gänzlich. Er giebt nehmlich Propriety burch Richtigkeit; und welcher Schriftsteller, selbst keiner von den Alten ausgenommen, ist dem Virgil in der Richtigkeit des Styls (Correctness) vorzuziehen? 2

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Pope erzehlt die Geschichte seiner Autorschaft.

Ich schrieb, sagt er, weil es mich angenehm beschäftigte; ich verbesserte, weil mir das Verbessern eben so viel Vergnügen machte, als das Schreiben; ich lies drucken; weil man mir schmeichelte, daß ich Leuten gefallen könnte, deren Beyfall einen guten Namen3 verschafte. Der Uebersetzer aber läßt ihn sagen:'„daß ich denen gefallen könnte, denen ich zu gefallen wünschte."

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Virgil, der sich den Theokrit zum Muster vorgestellt - sagt Pope, und der Ueberseßer: Virgil der den Theokrit ausschreibt.

Dieses sind noch lange nicht alle Fehler, aus der bloffen Vorrede und Abhandlung von der Schäferpoesie, aus den ersten und leichtesten, nehmlich prosaischen, Stücken des ersten Bandes. Urtheilen Sie, wie

es tiefer herein aussehen mag!.

1 That people should expect us to be Scholars, and yet be angry to find us so. In der Vorrede.

2 Abhandlung von der Schäferpoesie 6. 7. der deutschen Ueberseßung.

3 Such as it was a credit to please. In der Vorrede.

4 In dem Vorberichte verspricht man die neun englischen Octavbände in sechs deutsche zu bringen, und in den ersten deutschen die Hälfte des zweyten englischen mit zu faffen. Am Ende aber hat man sich anders besonnen; und die Leser erhalten nicht einmal den ganzen englischen ersten Band in diesem ersten deutschen; denn es fehlet ihm noch der Epilogus zu Rowes' Jane Shore.

Was der Ueberseber zur Entschuldigung seiner oft undeutschen Wortfügungen anführt; wie er sich in dieser Entschuldigung verwirrt und sich unvermerkt selbst tadelt, ist auf der 17ten Seite des Vorberichts lustig zu lesen. Er verlangt, daß man, ihn zu verstehen, die Kunst zu lesen besite. Aber da diese Kunst so gemein nicht ist; so hätte er die Kunst zu schreiben verstehen sollen. Und wehe der armen Kunst zu lesen, wenn ihr vornehmstes Geschäft seyn muß, den Wertverstand deutlich zu machen! 2c.

Dritter Brief.

Wollen Sie einen andern kennen lernen, dessen guter Wille uns nun schon den zweyten englischen Dichter verdorben hat? Verdorben klingt hart; aber halten Sie immer dem Unwillen eines getäuschten Lesers ein hartes Wort zu gute.

Bon des Herrn von Palthen Uebersetzung der Thomsonschen Jahrszeiten werden ihnen frühere Urtheile zu Gesichte gekommen seyn. Nur ein Wort von seinen Fabeln des Gay.

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Ein guter Fabeldichter ist Gay überhaupt nicht, wenn man seine Fabeln nehmlich nach den Regeln beurtheilet, welche die Kunstrichter aus den besten Fabeln des Aesopus abstrahiret haben. Bloß seine starke Moral, seine feine Satyre, seine übrigen poetischen Talente machen ihn, troß jenen Regeln, zu einem guten Schriftsteller.

Schade um so viel mehr, daß so manche feine Satyre dem Uebersezer unter der Arbeit verflogen ist! Und es muß eine sehr eilfertige Arbeit gewesen seyn! Sehr oft hat er sich auch nicht die Zeit genommen, die Worte seines Originals recht anzusehen. Wenn Gah sagt:

The Miser trembling lock'd his chest;

(der Geizhals verschloß zitternd seinen Kasten) so sieht er lock'd für look'd an, und überseßt: der Geizhals blidte zitternd auf seinen Kasten. 2

Das englische Cameleon rühmet sich, es habe eines jeden Höflings Leidenschaft zu treffen gewußt:

I knew to hit each courtier's passion,

Und das deutsche sagt: ich vermied eines jeden Höflings Leidenschaft

1 Hamburg und Leipzig beh Grund und Holle 1758. in 8vo.

2 VI. Fabel.

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