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„Die zwey groffen Redner in Griechenland und Rom, Demosthenes „und Cicero, beyde Demagogi in einer democratisch eingerichteten Republik, sind dennoch in Ausübung dieser Kunst sehr von einander „unterschieden.

„Der erste, welcher mit einem politern, gelehrtern und wißigern „Volke zu thun hatte, sette den größten Nachdruck seiner Beredsamkeit ,,in die Stärke seiner Beweisgründe, und suchte also hauptsächlich den „Verstand zu überzeugen. Tullius hingegen sahe mehr auf die Nei„gungen einer aufrichtigen, nicht so gelehrten und lebhaften Nation, und „blieb deswegen bey der pathetischen Beredsamkeit, welche die Affekten „erreget.

„Allein das Vornehmste, welches man hiebeh beobachten muß, ist „dieses, daß diese Redner in allen ihren Reden ein besonderes Vorhaben „hatten; denn bald suchten sie die Verurtheilung oder Lossprechung einer „angeklagten Person, bald wollten sie das Volk zum Kriege bereden, bald „bemühten sie sich ein Gefeß einzuführen, und dergleichen; und alles dieses „wurde gleich auf der Stelle ausgemacht, nach dem der Vortrag des „Redners Beyfall fand. Hier war es unumgänglich nöthig, die Affekten der Zuhörer entweder zu erregen, oder zu besänftigen, insonderheit zu „Rom, wo Tullius war. Mit dieses leßten Schriften machen sich junge „Geistliche (ich meine die, welche Autores lesen) insgemein mehr bekannt, ,,als mit des Demosthenes seinen, welcher doch jenen in vielen Stücken „übertraf, was insonderheit die Redekunst anlanget. Allein ich kann nicht · sehen, wie die Kunst, die Affekten zu erregen, von grossem Nußen seyn „könne, wenn man die Christen unterrichtet, wie sie ihren Wandel ge„bührend anzustellen haben, wenigstens in unfern nördlichen Climatibus, „wo ich gewiß versichert bin, daß auch die gröste Beredsamkeit von dieser „Art wenig Eindruck in unsre Gemüther haben wird, ja nicht einmal so „viel, daß die Wirkung davon sich nur bis auf den andern Mörgen erstreckte.

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Was mich aber insonderheit veranlasset, die Art zu predigen, da „man nur die Affekten zu rühren sucht, zu verwerfen, ist dieses, weil ich „gesehen habe, wie schlechten Vortheil dieselbe geschaft. Ich kenne einen „Herrn, welcher dieses als eine Regel beobachtete, daß er alle die Paragraphen überhüpfte, zu deren Ende er etwan ein Punctum exclamationis „gestellt hatte. Ich glaube gewiß, daß diejenigen Prediger, welche in

,,lauter Epiphonematibus predigen, wenn sie sich umsehen, einen grossen „Theil ihrer Zuhörer in der Unachtsamkeit, und einen großen Theil schla„fend finden werden.

,,Und es ist auch kein Wunder, daß ein solches Mittel nicht allemal „anschlägt, massen es so viel Kunst und Geschicklichkeit erfordert, wenn „man es darin zu einiger Vollkommenheit bringen will, als mancher nicht „im Cicero findet, geschweige aus ihm lernet.

„Ich bitte euch daher gar sehr, diese Kunst (im Fall ihr ja unglücklicher Weise euch bereden solltet, daß ihr dieselbe befässet) sehr selten, „und mit aller möglichen Behutsamkeit zu gebrauchen 2c.“

Es wohnet mir eine dunkle Erinnerung bey, diese Gedanken bereits anderswo gelesen zu haben. Doch dem seh wie ihm wolle; der Schriftsteller, aus dem ich sie ist entlehne, macht folgende Anmerkung darüber.

„Es ist nicht zu leugnen, sagt er, daß diese Stelle von einer grossen „Einsicht dieses Gottesgelehrten in die Wirkung der geistlichen Beredsamkeit „auf das menschliche Gemüth zeuget. Allein ist wohl keine Gefahr bey seinem Rathe, daß die Leute, dum vitant vitia, stulti in contraria „currant? Mich bedünkt, die größte Kunst würde seyn, das Gründliche und das Pathetische (wo es die Natur der Sache erlaubt) der= „gestalt mit einander zu verbinden, daß dieses lettere stets seinen Grund ,,in der Vorstellung des ersten behielte."

Sehr wohl! -Und eben diese so schwere Verbindung des Gründlichen und Pathetischen ist es, die unsern Mosheim nach meinem Bedünken, einen sehr groffen Vorzug vor allen französischen Predigern giebt. Allein was geht Herr Wielanden das Gründliche an? Er ist ein erklärter Feind von allem, was einige Anstrengung des Verstandes erfordert, und da er alle Wissenschaften in ein artiges Geschwäße verwandelt wissen will, warum nicht auch die Theologie?

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Er verlernt seine

Sprache in der Schweiß. Nicht blos das Genie derselben, und den ihr eigenthümlichen Schwung; er muß sogar eine beträchtliche Anzahl von Worten vergessen haben. Denn alle Augenblicke läßt er seinen Leser über ein französisches Wort stolpern, der sich kaum besinnen kann, ob er einen itigen Schriftsteller, oder einen aus dem galanten Zeitalter Christian

Weisens lieset. Licenz, visiren, Education, Disciplin, Moderation, Eleganz, Aemulation, Jalousie, Corruption, Dexterität, und noch hundert solche Worte, die alle nicht das geringste mehr sagen, als die deutschen, erwecken auch dem einen Ekel, der nichts weniger als ein Puriste ist. Linge, sagt Herr Wieland so gar

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(Und er befiehlt, daß die Schüler von ihrem Gelde, das ihnen zu ihren übrigen Ausgaben, zu Kleidern, Linge, et pour leurs menus plaisirs vom Hause gegeben wird, dem Hofmeister genaue Rechenschaft geben sollen. Sie sollen ihre Linge, fährt er fort, Bettzeug und Servietten, wie auch Löffel, Messer und Gabel mit bringen. Jeder läßt einen filbernen Löffel und zwey zinnerne Teller dem Instituto zurück. Es ist in der That höchst lächerlich, wenn man den Herrn Wieland solche Kleinigkeiten im voraus feststellen siehet, und sich erinnert, daß er kurz vorher die allerwesentlichsten Puncte von der Hand gewiesen. Die Ordnung, z. E. nach welcher die verschiedenen Disciplinen mit der Jugend zu treiben sind, soll kein Kenner der Wissenschaften '- für ihn bestimmen, und er kann sich selbst darüber nicht einlassen, weil er keine Instruction für die Lehrer schreibt. Aber der silberne Löffel! Mit dem muß es vor allen Dingen seine Richtigkeit haben, wenn sich das andere finden foll! Genaue Eltern, besørge ich nur, denen ein silberner Löffel keine Kleinigkeit ist, werden hierbey etwas vermissen; Herr Wieland nemlich hat ihnen zu sagen vergessen, was denn nun endlich das Institutum mit allen den filbernen Löffeln machen soll. Und das hätte er ihnen nur freylich wohl sagen müssen, und auch gar leicht sagen können; denn was ist augenscheinlicher, als daß eine Akademie zu Bildung des Verstandes und Herzens, ein Löffelcabinet haben muß? —)

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Dieses noch im Vorbeygehen! Wenn uns Herr Wieland, statt jener französischen Wörter, so viel gute Wörter aus dem schweizerischen Dialekte gerettet hätte; er würde Dank verdienet haben. Allein es scheinet nicht, daß er sich in diesem Felde mit critischen Augen umgesehen. Das einzige Wort entsprechen, habe ich ein oder zweymal mit Vergnügen beh ihm gebraucht gefunden. Es ist schwer, sagt er einmal, die Lehrer zu finden, die solchen Absichten entsprechen. (respondent) Dieses entsprechen ist ißt den Schweißern eigen, und nichts weniger als ein neugemachtes Wort. Denn Frisch führet bereits eine Stelle aus 1 S. 128.

Kaysersbergers Postille an, wo es heisset: Die Getät und der Nom sollen einander entsprechen.

Man muß den neuen schweizerischen Schriftstellern die Gerechtigkeit wiederfahren lassen, daß sie ist weit mehr Sorgfalt auf die Sprache wenden, als ehedem. Geßner und Zimmermann unter andern, schreiben ungemein schön und richtig. Man merkt ihnen den Schweißer zwar noch an; aber doch nicht mehr, als man andern den Meißner oder Niedersachsen anmerkt. Herr Wielanden ist es daher um so viel mehr zu verdenken, wenn nur er seine Sprache in der Schweitz so vernachläßiget, daß ihm besonders gewisse eigenthümliche Ausdrücke gar nicht mehr behfallen. Ist es z. E. deutsch, wenn er sagt: Pygmalion schnitte eine Venus aus Marmor?

Die Moralischen Beobachtungen und Urtheile, aus welchen ich in meinem vorigen Briefe eine Stelle angeführt habe, verrathen ihren Geburtsort schon mehr. Sie haben eine Menge Wörter, die man hier nicht versteht, die aber viele Leser zu verstehen wünschten, weil sie wirklich etwas besonders auszudrucken scheinen; dergleichen sind hürisch, ' ringsinnig,2 abschäßig,3 Schik 2c.*

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Und dem ohngeachtet lassen sie sich sehr wohl lesen. Sie scheinen aus dem Beytrage einer ganzen muntern Gesellschaft entstanden zu seyn. Der herrschende Ton darinn ist Satyre und Humor. Folgende Beschreibung eines Husaren bey Anlaß des Lobes eines Mädchens wird Sie belustigen:

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„Die keusche Climene fliehet vor jungen Männern, wie ein erschrocknes „Küchlein vor dem erblickten Geier, und wie ein - fleucht, wenn er auf den offenen Feldern des platten Böhmerlandes einen Husaren auf ihn zufliegen sieht. Welch ein Schauspiel! An seiner Stirne steht geschrieben „Mord, und die Blicke seiner Augen find alle vergiftete Spiesse. Er „schiefset dieselben dicht wie einen Regen von sich aus, und tödtet damit, noch ehe er tödtet. Der Grausame behängt die Rüstung seines Pferdes „mit sieben Todtenköpfen; drey sind der Schrecken derer, die ihn von „hinten nachzusehen das Glück haben; und viere pochen von vorne. Er „hat sich zwischen denselben hingesetzt, wie Thomas Kulikan auf seinen „Thron; und wie Satan von dem Herzen des Verräthers Besiß genommen „hat, also hat er sich mit dreistem Stolz auf sein Pferd gefchwungen. 1 G. 20. 2 S. 22. 3 . 144. A S. 179. 5 . 136.

„Wer darf zu ihm sagen: Gott grüsse dich? Alle hat er - abgenom,,men; sie bluten noch, und mit den kostbaren Tropfen, die herunter fallen, „bezeichnet er seinen Weg. Die Erde will ewig mit einigen derselben ge= „färbet bleiben, um das Andenken dieses Zerstörers zum Abscheu zu „erhalten; andere haben die Thränen der Landeskinder ausgewaschen. Nun „eilt, nun fliegt er, und wenn er in eine Stadt kömmt, so achtet der „Grausame sich besser gerüstet, als ein Gesandter, der bey seinem öffent„lichem Einzuge mit verschwenderischer Pracht auf einmal will sehen lassen, ,,wie groß der sey, der ihn gesendet hat. O, daß Tausende, spricht er, „nur einen Hals hätten! Warum muß ich so viel einzelne Köpfe spalten ; ,,und mein. Saber noch hungern, wenn ich ihn durch den dicksten Hals „geschlagen habe, wie ein Hund hungert, dem ein Kind ein Brosamchen „ins Maul wirst! Er verschluckt es, er empfindet nichts dabeh, und heischt „mit gleich unverwandten Augen und hungernder Begierde die grosse „Schüffel voll, die auf dem Tische steht. Kommt, Brüder! spricht er, „wenn er Menschenköpfe zu spalten ausreitet, laßt uns sehen, wo wir „Rüben zerhacken können. Er trinkt Blut aus Hirnschädeln; sein Pferd „tränkt er auch damit, und wenn sein fürchterlicher Schnaußbart davon „geröthet wird, so wischt er es nicht weg. Im Quartier spricht er zum Wirthe: Gib, was du hast, und was du nicht hast, das gib „auch, — alsdenn sterbe; und zur Wirthin: Lebe du bis Morgen, „und spreite ist ein Bett an, für mich und dich. Wenn ihm ,,ein Priester begegnet, so flucht er, und denselben Tag will er nicht aus„reiten, denn dieser Hund (sagt er) hat mir ein Unglück vorbedeutet." —

Noch eine kleine Stelle will ich Ihnen daraus abschreiben, weil sie einige Beziehung auf meine vorige Briefe haben kann. Sie werden sie leicht entdecken. „Wie viele Heuchler und Keßermacher, sagt der Verfasser, „machen es gerade wie der nichtswürdige Blifil in der Historie des „Fündlings, welcher blos deswegen in der Bibel gelesen, damit Tom Jones Schläge kriege!" fu.

VI. Den 8. Februar 1759.

Funfzehnter Brief.

Eine unangenehme Nachricht, und die ich nur erst gestern erfahren habe! Auch der Grenadier, unser Preußischer Barde, ist bey Zorndorf

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