Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

1

Achtzehnter Brief.

Sie haben gefunden, daß der zweyte Band des Meßias in der Bibliothek mit vielem Geschmacke beurtheilet worden. Ueberhaupt davon zu reden, bin ich auch dieser Meinung; ob ich gleich gegen wenig Recensionen in dem ganzen Werke mehr einzuwenden hätte, als gegen diese.

Der Abhandlung des Herrn Klopstocks von der Nachahmung des Griechischen Sylbenmaaffes im Deutschen, hat der Kunstrichter zu wenig Gerechtigkeit wiederfahren lassen. Daß sie der Verfasser selbst ein blosses Fragment nennt, hätte ihn nicht verführen sollen. Sie ist in ihrer Art kein schlechteres Fragment, als noch bis izt der Meßias selbst ist. Man sieht nur, daß noch nicht alles gesagt worden; aber was auch gesagt worden, ist vortreflich. Nur muß man selbst über die alten Sylbenmaasse nachgedacht haben, wenn man alle die feinen Anmerkungen verstehen will, die Herr Klopstod mehr im Vorbehgehen, als mit Vorsaß zu machen scheinet. Und so geht es, wenn ein Genie von seiner Materie voll ist, und die tiefesten Geheimnisse derselben kennet; wenn er davon reden muß, wird er selten wissen, wo er anfangen soll; und wenn er denn anfängt, so wird er so vieles voraus seßen, daß ihm gemeine Lefer dunkel, und Leser von etwas besserer Gattung superficiell schelten werden. Es befremdet mich also gar nicht, daß auch den Kunstrichter in der Bibliothek, die Gedanken des Herrn Klopstocks nicht gänzlich überzeugt haben, und daß ihm überhaupt der prosaische Vortrag desselben nicht allzuordentlich und angenehm vorkömmt. — Mir gefällt die Prosa unsers Dichters ungemein wohl; und diese Abhandlung insbesondere ist ein Muster, wie man von grammatikalischen Kleinigkeiten ohne Pedanterie schreiben soll.

So gar hat der Kunstrichter die allerwichtigste Erinnnerung des Herrn Klopstocks gänzlich übersehen. Sie betrift das Geheimniß des poetischen Perioden; ein Geheimniß welches uns unter andern den Schlüssel giebt, warum alle lateinische Dichter, in Ansehung der Harmonie, so weit unter dem Virgil bleiben, ob gleich jeder ihrer Hexameter, vor sich betrachtet, eben so voll und wohlklingend ist, als jeder einzelne des Virgils.

Indem ich des Hexameters und des Herrn Klopstocks hier gedenke, fällt mir ein, Ihnen eine kleine Entdeckung mitzutheilen. Man hat gefragt, ob Herr Klopstock der erste sey, der deutsche Hexameter gemacht 1 Ersten Bandes, zweytes Stück. S. 291.

habe? Nein, heißt es, Herr Gottsched hat schon lange vor ihm der= gleichen gemacht. Und lange vor Gottscheden, sehen noch belesenere hinzu, Heräus. Aber auch Heräus ist nicht der erste; sondern diesen glaube ich ein ganzes Jahrhundert früher in dem deutschen Ueberfeßer des Rabelais' entdeckt zu haben. Es ist bekannt, wie frey dieser mit seinem Originale umgegangen, und wie viel er ihm eingeschaltet hat. Unter seine Zusäße nun gehört auch, am Ende des zweyten Kapitels, der Anfang eines Heldengedichts in gereimten deutschen Herametern, das, wie es scheint, ein scherzhaftes Heldengedicht hat werden sollen. Die Hexameter sind, nach der damaligen Zeit recht sehr gut, und der Ueberseßer sagt, er führe fie deswegen hier an: „Dieweil daraus die Künstlichkeit der Teutschen Sprach in allerhand Karmina bescheint; und wie sie „nun.nach Anstellung des Hexametri, oder sechsmäßiger „Sylbenstimmung, und silbenmäßigen Sechsschlag, weder den Griechen noch den Latinen (die das Muß allein essen woll„ten,) forthin weiche. Er fährt in seiner poßierlichen Sprache fort: „Wenn sie schon nicht die Prosodie oder Stimmäßigung also „Abergläubig, wie bey ihnen halten, so ist es erst billig, denn wie sie ihr Sprach nicht von andern haben, also wollen sie „auch nit nach andern traben: eine jede Sprach hat ihre son-` „dere angeartete Tönung, und soll auch bleiben bey dersekben Angewöhnung. Ich weis, daß Sie es nicht ungern sehen wer= den, wenn ich Ihnen den Anfang selbst abschreibe. Er lautet so:

Fahr sittiglich, fittiglich, halt ein mein wutiges G'müthe.
Laß dich versicheren die kluge himmlische Güte,
Daß du nit frefelich ohngefehr fährst auf hohen Sande,.
Und schaffest ohne Bedacht dem Wisart ewige Schande.
Denn jagen zu hitziglich nach Ehr und ewigem Preise,
Das jaget ein oftermal zu sehr in spöttliche Weise.
Sintemal wir Reimeweiß understan ein ungepflegtes Dinge,
Daß auch die Teutsche Sprach süßiglich wie Griechische springe.
Darum, weil ich befind ungemäß die Sach meinen Sinnen,
Werd ich benötiget höhere Hülf zu gewinnen.

Dann drumb sind sonderlich aufgebawt die himmlische Feste,
Daß allda jederzeit Hülf suchen irrdische Gäste.

1 Die Uebersezung ist 1617. gedruckt.

Omühsame Musen, Tugendsame und Mutsame Frawen,
Die täglich schawen, daß sie die Künstlichkeit bawen,
Die keine Müh nimmermehr schewen zu fördern diese,
Sondern die Müchlichkeit nehmen für Müßigang füsse,
Wann ihr dieselbige nach Wunsch nur fruchtwarlich endet..
Drumb bitt ich inniglich, daß ihr mir Fördernuß sendet,
Durch euere Mächtigkeit, damit ir Gemütev erregen,

Da sie ergeistert nüßlich was öffenen mögen,

Zu unserem jetzigen grossen vorhabenden Werke,

Von Mannlicher Tugend und mehr dann Menschlicher Stärke,
Des streitwaren Hackenback 2c.

Die Fortsetzung folgt künftig.

VIII: Den 22. Februar 1759.

Beschluß des achtzehnten Briefes.

Es nennt sich unser deutscher Ueberseßer des Rabelais, Huldrich Elloposcleros, und es ist höchst wahrscheinlich, daß Johann Fischart unter diesem Namen verborgen liegt. Elloy heißt stumm, und ist bey den griechischen Dichtern das gewöhnliche Beywort der Fische, daher es auch oft für sich allein einen Fisch bedeutet; und 2λoñoσxλngos' folg= lich muß einen Mann bezeichnen, den das Looß der Fische getroffen, der von Fischart ist. Und was kann einander ähnlicher seyn, als dieser deutsche Rabelais, und der deutsche Bienenkorb des Philipp von Marnix, von welchem lettern man es gewiß weiß, daß ihn Fischart übersezt hat.

Vor dem angeführten Eingange läßt Fischart noch eine Zueignung an die deutsche Nation vorher gehen. Sie ist in Hexametern und Pen= tametern abgefaßt, bey welchen letztern, dieses Besondere ist, daß nicht allein Pentameter mit Pentameter, sondern auch jedes Hemistichion mit dem andern reimet. Ich bitte Sie, vornehmlich auf die letzten acht Zeilen aufmerksam zu seyn.

1 Von dem angeführten Eldo❤ nehmlich, und nλypos das 2008; so wie fadvrdy, ρος, Ναύκληρος. Sod natürlider amar mürbe man es von Ελλοψ unb σκληρος hatt herleiten können, daß es so viel hiefse, als Fisch hart, zusammengezogen Fischart.

Dapfere meine Deutschen, redlich von Gemüt und Geblüte,
Nur ewerer Herrlichkeit ist dieses hie zubereit.
Mein Zuversicht jederzeit ist, hilft mir göttliche Güte,
Zu preisen in Ewigkeit, ewere Großmütigkeit.
Ihr seyd von Redlichkeit, von grosser streitbarer Hande,
Berümbt durch alle Land, immerdar ohn Widerstand:
So wer es euch allesampt fürwar ein mächtige Schande,
Wird nit das Vaterland in Künstlichkeit auch bekannt.
Drumb dieselbige sonderlich zu förderen eben:

So hab ich mich unverzagt, auf ießiges gern gewagt,
Und hof solch Reymes Art werd euch Ergößlichkeit geben,
Sintemal ein jeder fragt, nach Newerung die er sagt.
O Harpffenweis Orpheus, jezumal kompt wiederumb hoche
Dein artige Reymenweiß, zu ihrigem ersten Preiß.
Denn du ein Tracier von Geburt und teutscher Sprache,
Der erst solch unterweist, frembde Völker allermeist,
Dieselbige lange Zeit haben mit unsrer Künste,

Allein sehr stolziglich, gepranget unbilliglich :

Jezumal nun baß bericht, wollen wir den fälschlichen Dunste
Ihn nemmen vom Angesicht, uns nemmen zum Erbgedicht.

Das heißt wahrhaftig ein fremdes Sylbenmaaß mit einer sehr artigen Empfehlung einführen. Die Empfehlung des Heräus ist lange so sinnreich nicht, wenn er zu seinem Helden sagt:

Lehrst du die Deutschen dein Reich wie Römer verfechten,

Darf ja der Deutschen ihr Reim römischen ähnlicher seyn.

Verschiedene Jahre nach Fischart hat Alsted in seiner Encyklopädie wieder ein Muster von deutschen Hexametern gegeben, welches ich lange Zeit für das erste gehalten. Die erste Ausgabe der Encyklo= pädie ist von 1620 in Quart, und in dieser findet es sich noch nicht, sondern erst in der nachherigen vollständigern Ausgabe in Folio.

Von Alsteden aber bis auf den Heräus habe ich des deutschen Hexameters nirgends gedacht gefunden. Auch nicht einmal in den Lehrbüchern der Dichtkunst, wo doch Muster in andern lateinischen Sylbenmaaffen, in dem Alcaischen zum Exempel vorkommen. - Dergleichen Kleinigkeiten zu wissen, ist deswegen gut, um bey gewissen Lesern dem Vorwurfe der Neuerung vorzubauen.

[ocr errors]

Neunzehnter Brief.

[ocr errors]

Ich komme auf unsern Meßias zurück. Der Kunstrichter tabelt an dem Dichter unter andern, daß er zuweilen seine Wortfügungen „dermassen verwirre, daß sich die Beziehung der Begriffe auf einander „verliere, und sie dunkel werden müßten." Er führet folgendes Beispiel an: Feyert! Es flamm Anbetung der groffe, der Sabbat des Bundes, Von den Sonnen zum Throne des Richters! Die Stund ist gekommen. und setzt hinzu: „Wer diese zwey Verse ungezwungen erffäret, erit mihi ,,magnus Apollo, und wann er eine natürliche Construction darinn entbecken kann, Phyllida solus habeto. Mit dem Tadel selbst kann es hier und da seine Richtigkeit haben; aber das Beyspiel ist unglücklich ge'wählt. Lassen Sie mich versuchen, ob ich die Phyllis verdienen kann. Die Construction ist diese: Feyert! Der grosse Sabbat, der Sabbat des Bundes flamme Anbetung von den Sonnen zum Throne des Richters! Die Stunde ist gekommen! Und was ist denn hier unnatürliches? Etwa dieses, daß das Subject hinter seinem Zeitworte steht, und das Zeitwort durch das vorgeseßte Es zum impersonali geworden zu seyn scheinet? Aber was ist in unserer Sprache gewöhnlicher als dieses? Hat der Kunstrichter nie das alte Lied gehört: Es woll uns Gott genädig seyn? Und hat Herr Klopstock nicht eben so wohl sagen können: Es flamme Anbetung der grosse Sabbat des Bundes? Die Construction ist also gerettet, und der Kunstrichter mache sich inımer fertig, mich als seinen grossen Apollo zu verehren! Denn wem kann der Sinn nun noch zweydeutig seyn? Eloa kömmt vom Throne Gottes herab, und ruft durch die Himmel daß ißt der Versöhner zum Tode geführet werde. Diese Stunde der Nacht, wie sie in der folgenden Zeile heißt, nennet Eloa den grossen Sabbat des Bundes, und von diesem will er, daß èr durch alle Welten Anbetung flamme, verbreite. -

Doch ich eile, Ihnen zu endecken, wodurch zufälliger Weise diese Recension des Meßias beh weitem so unterrichtend nicht geworden ist, als sie wohl hätte werden können. Ihr Verfasser hat die Originalausgabe dieses grossen Gedichts nicht gekannt, die nun schon vor vier Jahren, in der Königlichen Druckerey zu Koppenhagen 2 veranstaltet worden. Sie bestehet aus zwey prächtigen Bänden; aber die Pracht ist das geringste 1 Des ersten Bandes, zweytes Stück. S. 328.

2 Im Jahr 1755. in groß Quart.

« ZurückWeiter »