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nehmliche Stelle des gedachten Vorredners gleichsam zu seiner Vertheidigung an.

Wozu hat er sich nun also die Mühe genommen, Gedichte, welche bereits in Prosa recht gut überseßt sind, noch einmal in Verse zu übersezen, die weit schlechter, als schlechte Prosa sind? Er fragt zwar auf dem Titelblatte:

Dic mihi quid melius desidiosus agam?

Aber hat er die Antwort auf diese Frage niemals bey dem Horaz gelesen? Quiescas!

Und nun habe ich Ihnen noch von dem Seltsamsten an diesem Werke etwas zu sagen. Sein Verfasser muß sich in die Hexameter ausserordentlich verliebt haben, denn er hat seine Zueignungsschrift sogar in englischen Herametern abgefaßt. Wollen Sie nicht einige davon lesen? Yes, the Man confin'd to books in the eyes of the worldling Seems a creature unable of recreation and pleasure, Through himself berest of all the social blessings, And unworthy of the providential kindness etc.

Scllte ein gebohrner Engländer nicht schon mehr als einmal gefragt haben: Was heißt das? Es gehört wirklich eine rare Stirne dazu, in einer fremden Sprache, die man nicht vollkommen versteht, Verse zu machen. In einer todten, mag es noch hingehen; denn eine todte versteht niemand vollkommen mehr: aber in einer lebendigen, wo mich ein jeder, dessen Muttersprache es ist, auslachen kann, das ist mir zu unbegreiflich.

Daß unterdessen Herr Simon Grynäus, (denn so heißt unser hexametrischer Ueberseßer, wie man aus der Unterschrift seiner Zueignung siehet) nur nicht etwa gar glaubt, daß er der erste sey, welcher englische Hexameter gemacht hat. Er ist nur der erste, welcher sie, so wie die deutschen, ohne alle Regeln, ja allen schon angenommenen Regeln zum Troße gemacht hat.

Philipp Sidney, unter der Regierung der Königin Elisabeth, wagte es bereits in seinem Arcadien, Hexameter und Pentameter, und sapphische Oden in seiner Sprache zu machen. Und noch vor einige zwanzig Jahren hat ein Ungenannter einen neuen Versuch gethan, die alten Sylbenmaße im Englischen einzuführen.' Unter den prosodischen

1 An Introduction of the ancient Greek and Latin Measures into British Poetry;

Regeln, die er dabey beobachtet hat, ist unter anderen auch die Position, und er macht alle Selbstlauter lang auf welche zwey oder mehr Mitlauter folgen; wenige Fälle ausgenommen, z. E. wo sie auch im Lateinischen kurz seyn können, wo der zweyte Mitlauter ein y ist, wo es nicht zwey verschiedene Mitlauter sind, sondern eben derselbe nur doppelt stehet zc.

So viel ich, als ein Deutscher, von diesem neuen Versuche urtheilen kann, ist er vortreflich gelungen. Ich habe keinen einzigen Vers darinn wahrgenommen, der sich auf mehr als eine Weise seandiren liesse, und ich glaube, wir könnten stolz darauf seyn, wenn wir viele so gute deutsche Hexameter hätten. Erlauben Sie mir zu versuchen, ob ich den Anfang der vierten Efloge des Virgils, die auch mit darinn überfeßt ist, noch gut im Gedächtnisse habe:

Sicilian Muses to a Strain more noble ascend we!

Woods and low Tamarisks delight not every fancy.
Groves if we sing of, those Groves be worthy à Consul.
Now is the last Epoch of song Cumaean arrived:

A new and wondrous series of Things is arising.

Now is the bright Virgin, now Saturns Scepter returning.
Now is a new Progeny sent down from lofty Olympus.
The Babe's Birth only, through whom, over Earth universal
This Iron age ending shall burnish into a golden,
Chaste Lucina favour! etc.

XX. Den 17. May. 1759.

Vierzigster Brief.

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Und wie kam es gleichwohl, fragen Sie, daß diese wiederhohlten Versuche, die alten griechischen Sylbenmaasse in die brittische Poesie einzuführen, fruchtlos blieben, und der prächtige Herameter die zehnsylbigen reimlosen Jamben nicht verdringen konnte? Dürfen wir hoffen, feßten Sie hinzu, daß die ähnlichen Versuche unserer Deutschen, von beßrer Wirkung seyn werden?

Es ist schwer eine Neuerung durch sie selbst beliebt zu machen, und das Publicum läßt sich in dergleichen Fällen lieber überschleichen, als

attempted in the following Pieces, viz. a Translation of Virgils first Eclogue; a Translation of Virgils fourth Eclogue; Jacob and Rachel, a pastoral etc. London 1737. 8vo.

überreden. Hätte Milton den Hexameter zu seinem verlornen Paradiese gewählt, so. würde er längst der Lieblingsvers der Nation geworden seyn, wenn der Dichter auch nicht das geringste zu seiner Anpreisung gesagt hätte. Die innern Schönheiten des Gedichts würden die unge= wohnte Versart so lange vertreten haben, bis sich das Ohr unmerklich an sie gewöhnt, und in dem, was es anfangs nur duldete, endlich auch Wohlklang entdeckt hätte. Allein ein neues Metrum aus Gründen an= preisen wollen, und von dem möglichen Gebrauche desselben Muster geben, die ausser diesem neuen Metro selbst, nichts vorzügliches haben, das heißt zu plump zu Werke gehn.

Umsonst würden also auch bey uns, bald ein Omeis, bald ein Gottscheb, die Möglichkeit eines deutschen Herameters erkannt, und nach ihren Kräften Beyspiele davon gegeben haben, wenn nicht andere Männer zugleich mit ins Spiel getreten wären, und der Sache nicht durch ihren kritischen Richterspruch, sondern durch ihren stillschweigenden Gebrauch, den Ausschlag gegeben hätten. Der Verfasser des Meßias und des Frühlings schienen sich das Wort gegeben zu haben, und sie traten fast zu gleicher Zeit mit Werken in dieser Versart hervor, auf deren noch immer wachsenden Beyfall ich allein die Hofnung gründe, daß sich der deutsche Hexameter erhalten werde. Sehen Sie aber einmal, das Unglück hätte es gewollt, und der Verfasser des Nimrods wäre jenen beyden Dichtern im Gebrauche deffelben zuvorgekommen, (wie er sich dessen auch in allem Ernste rühmet) würde er wohl einen einzigen Nachfolger bekommen haben, wenn seine Herameter auch schon zehnmal richtiger und wohlklingender wären, als sie in der That nicht sind?

Aber was vermuthen Sie bey dem allen von dem Verfasser des Frühlings? Sollte man nicht glauben, er habe nach der Zeit seine neue Versart selbst gemißbilliget? Findet sich auch nur ein einziger Herameter in seinen neuen Gedichten? Und sein Cissides und Paches, ich würde darauf geschworen haben, daß dieser in Hexametern seyn müßte. Ich habe es wohl gedacht, daß ich nicht nöthig haben würde, Ihnen dieses lettere Werk bekannt zu machen. Ihre Neugierde ist mir zuvor gekommen. Ich kann nun weiter nichts, als in das Lob, welches Sie ihm ertheilen, mit einstimmen. Es ist wahr, man wird schwerlich ein

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Cifsides und Paches, in drey Gesängen, von dem Verfasser des Frühlings, Berlin bey Voß 1759.

anderes Gedicht nennen können, in welchem so viele grosse und schreckliche Scenen in einem so engen Raum zusammengepreßt wären. Es würde einem geschickten Mahler etwas leichtes seyn, es ganz, so wie es ist, in eine Folge von Gemählden zu verwandeln. Der Dichter hat ihm alles vorgezeichnet. Das Titelkupfer ist ein Beweis davon, wo sich Herr Meil mit eben so vieler Kunst, als Genauigkeit, an die Worte zu halten gewußt hat.

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Zuletzt seßt er den Bogen auf die Brust

Dem Flehenden, mit weggewandten Blick.

Und zu welchen vortreflichen Schilderungen könnte im zweyten Gefange, die Löschung des Durstes, und der Tod des Cifsides, so wie im dritten, der getreue Knecht unter dem Teppiche seines todten Herrn, Stoff geben! Doch derjenigen poetischen Gemählde, die dem Dichter kein Künstler mit Linien und Farben nachbilden wird, sind noch weit mehrere. Als: Wenn vom Orcan gepeitscht, des Meeres Fluth,

Oder:

Ober:

Die mit den sinkenden Gewölken sich,

Hoch in der finstern Luft, zu mischen schien,

Gleich Berg und Felsen im Erdbeben, fällt,
Und wieder steigt und fällt, daß alles heult,
Und alles Donner wird, und schnell Neptun
Den mächtigen Trident mit starkem Arm
Aus Wasserbergen hebt; wie dann der Sturm
Verstummt, die Flügel nicht mehr regt, und Meer
Und Himmel ruhig wird, daß Phöbus lacht,
Und jeder Strahl von ihm im Meere blißt:
So 20.

Und vom Geschrey der Stürmenden erklang
Des Himmels Bühne weit, wie sie erklingt
Vom tausendstimmigen Sturmwinde, wie
Der Wald in Lybien ertönt, wenn Löw

Und Tieger, und manch wütend Thier ins Nez
Der schreynden Jäger fällt, und heult und brüllt.

Sein Roß war stolz wie er;

Es schien die Erde zu verachten, kaum

Berührt es sie mit leichten Füssen, schnob,
Und wieherte zu der Trompete Klang,

Und forderte zum Kampf heraus, wie er.

Doch warum schreibe ich noch ab, was Sie vielleicht schon auswendig wissen? Kommen Sie; ich will Ihnen eine grössere Freude machen! Ich besize, aus der gütigen Mittheilung eines Freundes, zweh noch ungedruckte Stücke dieses Dichters, und diese will ich meinem Briefe beylegen. Das eine ist gleichsam der Pendant zu dem Grabliede auf der 24sten Seite seiner neuen Gedichte; und das andere ist eine Hymne. Hier würde ihre Begierde nach der Beylage meinen Brief doch endigen, wenn ich ihn auch nicht selbst geendigt hätte.

Geburtslied.

Weh dir, daß du gebohren bist!
Das grosse Narrenhaus, die Welt,
Erwartet dich zu deiner Quaal.
Nicht Wissenschaft, nicht Tugend ist
Ein Bollwerk für der Bosheit Wuth,
Die dich bestürmen wird. Verdienst
Beleidiget die Majestät

Der Dummheit, und wird dir gewiß,
(Im Fall du dirs einmal erwirbst)
Ein Kerkerwerth Verbrechen seyn.
Der Schatten eines Fehlers wird,
Bey hundert deiner Tugenden,
Der Lästrung greulichstes Geschrey
Oft hinter dir erwecken. Wenn,
Voll edeln Zorns, du kühn die Stirn
Zum Lästrer kehrst, ist alles Ruh.
Ein Zeigefinger, der schon sinkt,
Ein Nickkopf weis't dir kaum, was man
Begonnen. Schnell tönt hinter dir

Des Unsinns Stimme wiederum. —
Wenn du nicht wie ein Sturmwind sprichst,~
Nicht säufft, wie da die Erde fäuft,

Wo sich das Meer in Strudeln dreht;

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