Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

„Italien. Galiläus, in England Baco, Harväus und Gilbertus, in Frankreich Cartesius und Gaffendus, und in Deutschland der einzige, „den ich diesen Männern entgegen zu sehen wüßte, Joachim Junge, „durch verschiedene treffliche Erfindungen oder Gedanken, den Menschen ,,Hoffnung machten, die Natur vermittelst der mathematischen Wissenschaften näher kennen zu lernen. Ich will jezt nicht untersuchen, worinn „es, wie ich glaube, heut zu Tage versehen wird, und woher es kömmt, „daß die Schüler so groffer Männer, ob sie gleich mit so vielen Hülfs„mitteln versehen sind, dennoch nichts besonderes leisten; denn es ist hier ,,nicht der Ort dazu. Ich will nur dieses einzige anmerken, daß seit „dieser Zeit das Studium der Alterthümer und die gründliche Gelehrsamkeit „hin und wieder in Verachtung gekommen, so daß sich wohl gar einige in ihren Schriften irgend einen Autor zu citiren, sorgfältig enthalten, theils ,,damit sie alles aus ihrem Kopfe genommen zu haben scheinen mögen, „theils weil es ihrer Faulheit so bequemer ist; da gleichwohl die Anfüh„rung der Zeugen, wenn es auf geschehene Dinge ankömmt, von der „unumgänglichsten Nothwendigkeit ist, und nur durch sie gründliche Unter„suchungen sich von einem seichten Geschwätze unterscheiden. Damit also „dieses Uebel nicht weiter um sich fresse, kann man die Welt nicht ernst„lich genug erinnern, wie viel der Religion an der Erhaltung der gründlichen Gelehrsamkeit gelegen sey.

Und was meinen Sie, wenn diese Erinnerung schon zu Leibnit Zeiten, da noch Gudii und Spanheime, Vossii und Heinsii lebten, so nöthig war, wie viel nöthiger wird sie jezt seyn, jezt da wir noch kaum hier und da Schatten von diesen Männern haben, und besonders unsere Gottesgelehrte, die sich die Erhaltung dieser gründlichen Gelehrsamkeit am meisten sollten angelegen seyn lassen, gleich das allerwenigste davon verstehen? Doch anstatt diese verkleinernde Parallele weiter auszuführen, erlauben Sie mir lieber, Ihnen noch den Schluß des Leibnitischen Briefes vorzulegen.

„Ich kann überhaupt mit denjenigen, gar nicht zufrieden seyn, die „alle Hochachtung gegen das Alterthum ablegen, und von dem Plato und Aristoteles nicht anders als von ein Paar elenden Sophisten „reden. Hätten sie diese vortrefflichen Männer aufmerksam gelesen, so „würden sie ganz anders von ihnen urtheilen. Denn die metaphysische „und moralische Lehre des Plato, welche die wenigsten aus ihrer Quelle

„schöpfen, ist wahr und heilig, und das, was er von den Ideen und ,,ewigen Wahrheiten sagt, verdienet Bewunderung. Die Logik, Rhetorik, „und Politik des Aristoteles hingegen, können im gemeinen Leben von „sehr groffem Nußen seyn, wenn sie sich in einem guten Kopfe, der die „Welt und ihre Händel kennet, finden. Sogar kann man ihm nicht "genug dafür danken, daß er in seiner Physik den wahren Begriff des „Stetigen gegen die scheinbaren Irrthümer der Platoniker gerettet hat. „Und wer endlich den Archimedes und Apollonius verstehet, der „wird die Erfindungen der allergrößten Neuern sparsamer bewundern.

Gewiß die Critik auf dieser Seite betrachtet, und das Studium der Alten bis zu dieser Bekanntschaft getrieben, ist keine Pedanterey, sondern vielmehr das Mittel, wodurch Leibniß der geworden ist, der er war, und der einzige Weg, durch welchen sich ein fleißiger und denkender Mann ihm nähern kann. — Aber welchen lustigen Contrast machet mit dieser wahren Schäßung der Critik und alten Schriftsteller, die Denkungsart dieses und jenen grundgelehrten Wortforschers, von welchem sich in eben dieser Sammlung Briefe finden. 3. E. Gisbert Cupers. Dieser Mann war ohnstreitig einer von den größten Antiquariis, der aber die Antiquitäten einzig und allein um der Antiquitäten willen studirte. Er hält sich stark darüber auf: Saeculis superioribus plerosque eruditorum magis stilo operam dedisse, quam ritibus, moribus, aliisque praeclaris rebus, quae veterum libris continentur, illustrandis. Und damit Sie ja nicht etwa denken, daß er unter diesen praeclaris rebus vielleicht auch die philosophischen Meinungen der Alten verstehe, so lesen Sie folgende Stelle aus einem andern seiner Vriefe: Recte facis, quod edere constitueris Jamblichi Protrepticon, nam illius nec Graeca valent nec Latina. Ego olim illud percucurri, sed eidem inhaerere non poteram, quia me magis oblectabant antiqui ritus, veteris aevi reliquae et historia; nec capiebar admodum tricis philosophicis etc.

Unterdessen ist doch in den Briefen dieses Cupers, deren uns eine ansehnliche Folge an den von Almeloveen und an 3. A. Fabricius mitgetheilet wird, viel nüzliches und nicht selten auch angenehmes. So macht er unter andern die Anmerkung, daß die Wahrheit bey den Alten zwar als eine allegorische Person eingeführet, und von einigen die Tochter des Jupiters, von andern die Tochter des Saturnus oder

der Zeit, von andern die Säugamme des Apollo genennt werde, daß fie aber doch als keine Göttin von ihnen verehret worden, daß sie weder Tempel noch Altäre gehabt habe. Vossius, sagt er, in seinem Werke de Idololatria habe zwar angemerkt, daß Anaxagoras zwey Altäre, den einen dem Verstande, und den andern der Wahrheit gesezt habe. Allein Vossius habe sich hier geirret, weil diese Altäre nicht Anaxagoras gesetzt habe, sondern sie dem Anaxagoras gesetzt worden, welcher durch die Aufschriften derselben Nov und Andrias selbst bezeichnet worden, indem, wie anderweitig bekannt sey, Anaxagoras wirklich den Behnamen Novs geführet habe. (Wenn Sie Kühns Ausgabe des Aelianus nachsehen wollen, so werden sie finden, daß Cuper den Vossius hier nur zur Helfte verbessert hat. Denn Kühn zeigt deutlich, daß Aelian nicht von zwey Altären, sondern nur von einem einzigen rede, welcher nach einigen die Aufschrift Nov und nach andern die Aufschrift Andrias geführt habe.) Die Betrachtung endlich die Cuper über diese von den Heiden unterlassene göttliche Verehrung der Wahrheit anstellet, macht seiner Frömmigkeit mehr Ehre, als feiner Scharffinnigkeit: Quodsi jam admiscere vellem hisce profanis rebus sanctae nostrae religionis christianae mysteria; an non inde concludere possemus, Deum veritatem genuinam suis, et primo quidem Iudaeis, inde Christianis, et praecipue veris, solis revelasse; gentiles eam male quaesivisse in indagatione rerum naturalium, et ita Deum voluisse, ut nec summam hanc virtutem uti aliquod Numen colerent etc. Ich würde auf eine natürlichere Ursache gefallen seyn. Wenn die Alten die Wahrheit als keine Göttin verehret haben, so kam es ohne Zweifel daher, weil der abstracte Begrif der Wahrheit nur in den Köpfen ihrer Weltweisen existirte, und ihre Weltweisen die Leute nicht waren, die gern vergötterten, und die Menge der Altäre vermehrten.

[ocr errors]

Wollen Sie, daß ich Sie noch einandermal mit verschiedenen artigen Kleinigkeiten und litterarischen Anekdoten aus dieser Sammlung von Briefen unterhalten soll: so erwarte ich nur einen Wint.

Fünfter Theil.

I. Den 3. Januar. 1760.

Sieben und siebenzigster Brief.

Ecce iterum Crispinus!

Ich werde abermals das Vergnügen haben, Sie mit einem Werke zu unterhalten, das durch die Feder des berühmten Herrn Dusch geflossen ist.

Ad partes.

Et est mihi saepe vocandus

Und wie oft werde ich dieses abermals, abermals brauchen müssen! Herr Dusch hat geschrieben, schreibt und wird schreiben, so lange er noch aus Hamburg Kiele bekommen kann: Schooßhunde und Gedichte; Liebestempel und Verleumdungen; bald nordische und bald allgemeine Magazine; bald satyrische, bald hämische Schriften; bald verliebte, bald freymüthige, bald moralische Briefe; bald Schilderungen, bald Uebersetzungen; und Ueberseßungen bald aus dem Englischen, bald aus dem Lateinischen.

Monstrum nulla virtute redemptum!

O der Polygraph! Bey ihm ist alle Critik umsonst. Ia man sollte sich fast ein Gewissen machen, ihn zu critisiren; denn die kleinste Critik, die man sich gegen ihn entfahren läßt, giebt ihm Anlaß und Stoff zu einem Buche. Und so macht sich ja der Criticus seiner Sünden theilhaft? Zwar von diesen seinen Streitbüchern, sage ich Ihnen diesesmal nichts. Sie sind noch schlechter als seine Uebersetzungen; und das Beste muß ich Ihnen doch zuerst bekannt machen.

Eine Duschische Uebersetzung also abermals! Und der Abwechselung wegen, nicht sowohl aus dem Englischen als aus dem Lateinischen! Eine Zwitterübersetzung aus beiden; wenn man sie recht benennen soll. Lesen

"

Sie den Titel davon am Rande. 1 Aber wo steht denn da etwas von „Herr Duschen? Sie werden sich irren." — Nicht doch; ich irre mich nicht. Das Buch ist ja so dicke; und scheinet mit einer so liebenswürdigen Geschwindigkeit translatiret zu seyn! Wer kann aber dickere Bücher geschwinder translatiren, als Herr Dusch?

Doch wenn Ihnen allenfalls dieser Beweis, weil er in Deutschland geführet wird, nicht bündig genug scheinet: Hier ist ein anderer! „Der Jugend besser fortzuhelfen, sagt Herr Dusch in der Vorrede, ,,und in eben der Absicht, worin Herr Martin seinem lateinischen Texte „eine engländische Uebersetzung beygesetzet hat, habe ich eine eigene deutsche „Ueberseßung unternommen. Aus dieser eigenen deutschen Ueber

seßung nun, führe ich meinen andern bündigern Beweis.

2

Er lautet so! - Sie erinnern sich doch, daß ich in einem meiner vorigen Briefe, eine Stelle aus den Schilderungen des Hrn. Dusch getadelt habe, welche eine Beschreibung der herbstlichen Nachtgleiche seyn sollte? Jego wieget die Waage Tag und Nacht in gleichen Schalen, und „der Stand der Sonne theilet den Erdkreis in Licht und Finsterniß. Sie erinnern sich doch, daß diese Veschreibung nach zwey Zeilen des Virgils sollte gemacht seyn, die Herr Dusch nicht verstanden hatte?

Libra die somnique pares ubi fecerit horas,

Et medium luci atque umbris jam dividit orbem.

Nun sind diese Zeilen aus dem ersten Buche Georgicorum; und ich weiß selbst nicht aus welcher heimlichen Ahndung ich nach der Uebersetzung derselben zu allererst sahe. Und was meinen Sie, daß ich da fand? Ich fand: „Wenn die Waage die Tage und die Stunden des Schlafs gleich gemacht, und den Erdkreis in Licht und Finsterniß getheilet hat." O Herr Dusch! rief ich aus. Willkommen Hr. Dusch! Urtheilen Sie selbst, ob es wohl wahrscheinlich ist, daß zwei verschiedene Scribenten

1 Virgilii Maronis Georgicorum libri IV. Mit critischen und öconomischen Erklärungen Hrn. D. Johann Martins, Lehrers der Botanic zu Cambridge, und anderer der berühmtesten Ausleger. Nebst einer deutschen Ueberseßung und Anmerkungen. Zum Gebrauch der Schulen, um die Jugend zu einer frühen Erlernung der Haushaltungskunst zu ermuntern. Hamburg und Leipzig bey Grunds Wittwe und Holle. 1759 in groß Octav 2 Alph. 6 Bogen.

2 S. den ein und vierzigsten Brief im zweyten Theil

« ZurückWeiter »