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Orts L. 2) aus dem Anfangsbuchstaben des Namens G. 3) aus der Gnade, die dem Herrn Pr. Gottsched von Sr. Königl. Maj. in Breussen wiederfahren, und endlich 4) aus dem vertrauten Freund S. &. zu Paris. Doch trauet Herr. Sch. dem letzten Beweis selbst nicht viel zu, und mit Recht! denn wer weiß, wie viel vertraute Freunde in Paris S. G. heiffen mögen.

Dem sey, wie ihm wolle, Gottsche'd erlangt Genugthuung, und Herr Schade demonstrirt gar deutlich, daß Herr Gottsched unmöglich der Verf. des Candide seyn könne. Ich dächte Gottsched hätte sich immer auf seine Unschuld verlassen können. Kein Vernünftiger wird in ihm den schalkhaften Doctor Ralph suchen. Eher möchte ich Dreyer für den Erfinder der vernünftigen Archäenwanderung, als Gottsched für den Verf. des Candide halten.

N. S.

B.

Ich kann diesen Brief unsers Z. unmöglich ohne einen kleinen Zusaß fortschicken. Der gute 3. sehe ich wohl, verstehet von den Gottschedischen Autorstreichen eben so wenig als von der Schadischen Archäenwanderung. Würde er sonst die Protestation des Professors, daß er der Verfasser des. Candide nicht sey, so gutherzig. an und aufgenommen haben? Woraus beweiset Herr Gottsched, daß er den Candide nicht könne gemacht haben? Nicht wahr, aus seiner Verabscheuung der darinn vorgetragenen Lehren? Wenn ich Ihnen nun aber beweise, daß er diese Verabscheuung nur vorgiebt, und daß er das aller unsinnigste, was im Candide zu finden ist, in völligem Ernste behauptet? Wie da? Und nichts ist leichter zu beweisen. Erinnern Sie sich wohl des närrischen italiänischen Grafen im Candide, dem nichts mehr gefällt, der alles überdrüßig geworden ist, der von den vortrefflichsten Werken der Alten und Neuern auf eine so scurrille Art urtheilet, daß man nothwendig an seinem gefunden Verstande zweifeln muß? Sollte man nicht glauben, daß dieser rasende Virtuose nur deßwegen eingeführt worden, um ihn durch seinen eigenen Mund lächerlich und verächtlich zu machen? Nothwendig. Und doch betriegen wir uns alle, die wir dieses glauben. Denn fiehe, Herr Gottsched erkläret ausdrücklich, in seinem Handlexico der schönen Wissenschaften, daß es die pure lautere Wahrheit seyn soll, was der närrische Italiener sagt. Kann man dieß anders als eine authentische Erklärung, als eine Erklärung annehmen, die der Verfasser

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als derjenige giebt, der sich seiner Meinung am besten bewußt seyn muß? Er schreibt nehmlich unter dem Artikel Milton. Das verlorene Pa„radies hat unter den Deutschen so viele Bewunderer und Tadler gefun„den, daß wir unsere Meinung nicht sagen, sondern nur die Worte eines „auch unstreitig groffen französischen Dichters (der aber auch gut Engländisch „versteht) hieher seßen wollen. Und nun folgt das atrabiläre Urtheil des Grafen, welches ich Ihnen unmöglich abschreiben kann, weil es wahre Tollheiten sind. Herr Gottsched aber schließt es mit den Worten: „So schreibt Herr von Voltaire in seinem Optimisme." Wir kennen den Voltaire nunmehr, der das geschrieben hat! Denn was? Das wäre Voltairens Urtheil über den Milton? Das ist das Urtheil des Sénateur Procuranté Noble Venitien! (Denn ist besinne ich mich erst, daß ihn Herr Gottsched zu keinem Grafen gemacht hat.) Das ist das Urtheil Viri celeberrimi Joannis Christophori Gottschedii P. P. Metaphysices ordinarii et Poeseos extraordinarii in Academia Lipsiensi. Und kurz, glauben Sie mir nur auf mein Wort, ich weiß es eben so gewiß, daß Herr Gottsched den Candide gemacht hat, als Herr Gottscheb weiß, daß der Verfasser der Miß Sara Sampson die Briefe, die neueste Litteratur betreffend, macht.

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1 Man sehe das Neueste aus der anmuthigen Gelehrsamkeit No. II. von diesem Jahre.

Sechster Theil.

XIX. Den 8. May. 1760.

Hundert und zweyter Brief.

Der zweyte Theil des Nordischen Aufsehers ist noch nicht hier. Sie müssen sich gedulden. - Aber hätte ich Ihnen doch nie etwas von diesem Werke geschrieben! Ich hätte es voraussehen sollen, wofür man meine Frehmüthigkeit aufnehmen würde. Die kleine Wolke, die der Hamb. Anzeiger über meinen Horizont heraufgeführet,' hat sich in ein schreckliches Ungewitter ausgebreitet. Und es ist keine unbekannte Stimme mehr, die aus der finstern Höhe desselben auf mich herabdonnert. Es ist die Stimme eines Professors, eines berühmten Professors, der von der Grammatik an bis auf die Philosophie, seine Lehrbücher geschrieben hat.

Hier ist der Titel dieses Ungewitters: Vergleichung der Lehren und Schreibart des Nordischen Aufsehers, und besonders des Herrn Hofprediger Cramers, mit den merkwürdigen Beschuldigungen gegen diefelben, in den Briefen, die neueste Litteratur betreffend, aufrichtig angestellt von Johann Basedow, Prof. der Königl. Dän. Ritteracad. 2 Nun? werden Sie sagen. Das verspricht doch auch kein Ungewitter. Herr Basedow will ja nur vergleichen; und aufrichtig vergleichen; er redet ja nur von merkwürdigen Beschuldigungen. Sie vergessen, daß das Titelblatt eines Orkans die Meerstille ist.

1 Man sehe den zweg und neunzigsten Brief. 2 Sørde 1760, in groß Octav, fünf Bogen.

Erlauben Sie mir immer, mich ein wenig poßierlich auszudrücken. Denn wenn ich einen ernsthaften Ton annehmen wollte: so könnte ich leicht empfindlich werden. Und das wäre ein Sieg, den ich nicht gern einem Gegner über mich verstatten wollte. - Was Herr Basedow auf dem Titel merkwürdige Beschuldigungen nennt, heiffen einige Seiten weiter, offenbar falsche, grausame, bis zu einer feltnen Grausamkeit getriebene Beschuldigungen. Meine Critik ist hart, bitter, lieblos, unbesonnen; und zwar so lieblos und so unbesonnen, daß man ohne Traurigkeit an ihre Existenz zu unsern Zeiten nicht denken kann. Sie ist ein Phänomenon, dessen Wirklichkeit man ohne einigen Beweis auf ein blosses Wort fast nicht glauben würde. Ich besige eine schamlose Dreistigkeit. Ich verläumde. Ich habe abscheuliche Absichten. Ich habe das schwärzeste Laster begangen. Ich habe einen unglücklichen Charakter. Ich verdiene den Abscheu der Welt. Er wünschet aus Menschenliebe, daß ich mich den Augen der Welt verbergen könne.

Nun da! So einen Freund haben Sie! Wie beredt ist die Menschenliebe des Herrn Basedow! Welch ein Spiegel hält sie mir vor! Er stehet hinter mir, und zeiget mir ein Ungeheuer darinn. Ich erschrecke, und sehe mich um, welcher von uns beyden das Ungeheuer ist. Diese Bewegung ist natürlich.

Könnte man härtere Dinge von mir sagen, wenn ich mich auch des Hochverraths schuldig gemacht hätte? Wenn ich auch den Himmel gelästert hätte? Ich habe das schwärzeste. Lafter begangen. Ich habe einen unglücklichen Charakter. Ich verdiene den Abscheu der Welt. Wer ist denn die Majestät, die ich beleidiget habe? Alle Kenner, stößt Herr Basedow in die Trommete, „alle Kenner der işßigen Gelehrsamkeit der „Teutschen, wissen die Verdienste des Herrn Hofprediger „Cramers. Der Verfasser der nach dem Bossuetschen Muster fort„gesetzten Weltgeschichte; der neueste und sorgfältigste Ausleger des Briefes „an die Hebräer; der geistliche Redner, der in unsern Tagen kaum so ,,viel Predigten schreiben kann, als die Welt von ihm zu lesen verlangt; „der Uebersetzer des Chrysostomus, welcher seinem Originale gleicht, „das er durch viele Anmerkungen und Abhandlungen bereichert hat; der= jenige, dem wir die beste Uebersetzung der Davidschen Psalmen in

„gebundener Schreibart zu danken haben; der Verfasser des Schußgeistes; „derjenige, der an dem Jünglinge, den Bremischen Beyträgen, und „darauf erfolgten vermischten Schriften, einen ansehnlichen Antheil ,,genommen hat, endlich der Verfasser der meisten Stücke des Nordischen „Aufsehers, sind nur — — ein einziger Mann, welcher in der ersten „Hälfte der gewöhnlichen Lebenszeit ein solcher einziger Mann ist!

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Sie sehen, Herr Basedow nimmt das Maul voll, er mag schmähen, oder er mag loben. Die Hyperbel ist seine Lieblingsfigur in beyden Fällen. Dieser einzige Mann! Nicht zu vergessen; er war auch einer von den hällischen Bemühern, dieser einzige Mann! — Aber soll ich ungerecht gegen jemand seyn, weil ihn ein Schmeichler auf eine unverschämte Art lobt? Nein. Herr Cramer ist allerdings ein verdienter Gottesgelehrter; einer von unsern trefflichsten Schriftstellern. Aber Herr Cramer ist ein Mensch; könnte er in einer Wochenschrift nicht etwas gemacht haben, was ihm nicht ähnlich wäre? Und wenn ich das und das an ihm mißbillige, verkenne ich darum seine Verdienste?

Ich weis gar nicht, was Herr Basedow will. Für ihn schickte es sich am allerwenigsten, der Verfechter des Nordischen Aufsehers zu werden. Er hat Lobsprüche darinn erhalten, die seine Unpartheylichkeit sehr zweifelhaft machen müssen. Ich beneide ihm diese Lobsprüche nicht. Ich spreche sie ihm auch nicht ab. Aber man dürfte sagen: eine Hand wäscht die andere. Und noch mehr. Herr Basedow ist selbst einer von den Verfassern des Nordischen Aufsehers. Es würde mir ein Leichtes seyn, die Stücke zu nennen, die ganz gewiß niemand anders als Er ge= macht hat: oder ich müßte mich auf die Schreibart wenig verstehen. Wenn man nun also vermuthete, daß es ihm nicht sowohl um die Wahrheit, nicht sowohl um die Ehre des Herrn Cramers, als um seine eigene Ehre, um die Ehre eines Buchs zu thun sey, in welchem er gerne wolle, daß ein ewiger Weyrauch für ihn dampfe; eines Buchs, das er gewisser Magssen auch sein Buch nennen kann?

Herr Cramer selbst findet sich ja durch unsere Critick bey weiten nicht so beleidiget, als ihn Herr Basedow beleidiget zu seyn vorgiebt. Denn er soll ihrer, in der Vorrede zu dem zweyten Bande, ganz gleichgültig erwähnt haben. Und warum nicht? Herr Cramer ist ein rechtschaffener Mann, den es auf keine Weise befremdet, wenn andere andrer Meinung sind, und er nicht immer den Beyfall erhält, den er sich

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