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Bösewicht, als Richard, Herzog von Glocester, der sich durch die abscheulichsten Verbrechen den Weg zum Throne bahnte, den er unter dem Namen, Richard der Dritte, bestieg. Aber wie kömmt es, daß jener bey weitem nicht so viel Schaudern und Entseßen erwecket, als dieser? Wenn ich den Bastard sagen höre: d

Thou, Nature, art my Goddess, to thy Law
My Services are bound; wherefore should I
Stand in the Plage of Custom, and permit
The curtesie of Nations to deprive me,

For that I am some twelve, or fourteen Moonshines
Lag of a Brother? Why Bastard? wherefore base?
When my dimensions are as well compact,
My mind as gen'rous, and my shape as true
As honest Madam's Issue? Why brand they thus
With base? with baseness? bastardy, base? base?
Who, in the lusty stealth of Nature, take
More composition and fierce quality,

Than doth, within a dull, stale, tired Bed,

Go to creating a whole tribe of Fops,

Got 'tween a-sleap and wake?

so höre ich einen Teufel, aber ich sehe ihn in der Gestalt eines Engels des Lichts. Höre ich hingegen den Grafen von Glocester sagen: e

But I, that am not shap'd for sportive Tricks,

Nor made to court an am'rous looking-glass,

I, that am rudely stampt, and want Love's Majesty,
To strut before a wanton, ambling Nymph;

I, that am curtail'd of this fair proportion,
Cheated of feature by dissembling nature,
Deform'd, unfinish'd, sent before my time
Into this breathing world, scarce half made up,
And that so lamely and unfashionably,
That dogs bark at me, as I halt by them:
Why I (in this weak piping time of Peace)
Have no delight to pass away the time;

d) King Lear. Act. I. Se. VI.

e) The Life and Death of Richard III. Act. I. Sc. 1. Lessing, sämmtl Werke. V'.

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Unless to spy my shadow in the sun,

And descant on mine own deformity.

And therefore, since I cannot prove a Lover,

To entertain these fair well-spoken days,

I am determined, to prove a Villain!

so höre ich einen Teufel, und sehe einen Teufel; in einer Gestalt, die der Teufel allein haben sollte.

XXIV.

So nußt der Dichter die Häßlichkeit der Formen: welchen Gebrauch ist dem Mahler davon zu machen vergönnet?

Die Mahlerey, als nachahmende Fertigkeit, kann die Häßlichkeit ausdrücken: die Mahlereh, als schöne Kunst, will sie nicht ausdrücken. Als jener, gehören ihr alle sichtbare Gegenstände zu: als diese, schließt sie sich nur auf diejenigen sichtbaren Gegenstände ein, welche angenehme Empfindungen erweden.

H

Aber gefallen nicht auch die unangenehmen Empfindungen in der Nachahmung? Nicht alle. Ein scharfsinniger Kunstrichter a hat dieses bereits von dem Eckel bemerkt. Die Vorstellungen der Furcht," sagt er, „der Traurigkeit, des Schreckens, des Mitleids u. s. w. können nur Unlust erregen, in so weit wir das Uebel für wirklich halten. Diese können „also durch die Erinnerung, daß es ein künstlicher Betrug sey, in ange,,nehme Empfindungen aufgelöset werden. Die widrige Empfindung des „Edels aber erfolgt, vermöge des Gesetzes der Einbildungskraft auf die blosse Borstellung in der Seele, der Gegenstand mag für wirklich ge= „halten werden, oder nicht. Was hilfts dem beleidigten Gemüthe also, wenn sich die Kunst der Nachahmung noch so sehr verräth? Ihre Unlust „entsprang nicht aus der Voraussetzung, daß das Uebel wirklich sey, son„dern aus der blossen Vorstellung desselben, und diese ist wirklich da. „Die Empfindungen des Eckels sind also allezeit Natur, niemalż Nach„ahmung."

Eben dieses gilt von der Häßlichkeit der Formen. Diese Häßlichkeit beleidiget unser Gesicht, widerstehet unserm Geschmacke an Ordnung und a) Briefe die neueste Litteratur betreffend, Th. V. S. 102.

Uebereinstimmung, und erwecket Abscheu, ohne Rücksicht auf die wirkliche Existenz des Gegenstandes, an welchem wir sie wahrnehmen. Wir mögen den Thersites weder in der Natur noch im Bilde sehen; und wenn schon sein Bild weniger mißfällt, so geschieht dieses doch nicht deswegen, weil die Häßlichkeit seiner Form in der Nachahmung Häßlichkeit zu seyn aufhöret, sondern weil wir das. Vermögen besigen, von dieser Häßlichkeit zu abstrahiren, und uns blos an der Kunst des Mahlers zu vergnügen. Aber auch dieses Vergnügen wird alle Augenblicke durch die Ueberlegung unterbrochen, wie übel die Kunst angewendet werden, und diese Ueberlegung wird selten fehlen, die Geringschätzung des Künstlers nach sich zu ziehen.

Aristoteles giebt eine andere Ursache an, b warum Dinge, die wir in der Natur mit Widerwillen erblicken, auch in der getreuesten Abbildung Vergnügen gewähren; die allgemeine Wißbegierde des Menschen. Wir freuen uns, wenn wir entweder aus der Abbildung lernen können, tɩ έnasov, was ein jedes Ding ist, oder wenn wir daraus schliessen können, ÓTI OUTOS EXεivos, daß es dieses oder jenes ist. Allein auch hieraus folget, zum Besten der Häßlichkeit in der Nachahmung, nichts. Das Vergnügen, welches aus der Befriedigung unserer Wißbegierde entspringt, ist momentan, und dem Gegenstande, über welchen sie befriediget wird, nur zufällig: das Mißvergnügen hingegen, welches den Anblick der Häßlichkeit begleitet, permanent, und dem Gegenstande, der es erweckt, wesentlich. Wie kann also jenes diesem das Gleichgewicht halten? Noch weniger kann die kleine angenehme Beschäftigung, welche uns die Bemerkung der Aehnlichkeit macht, die unangenehme Wirkung der Häßlichkeit besiegen. Je genauer ich das häßliche Nachbild mit dem häßlichen Urbilde vergleiche, desto mehr stelle ich mich dieser Wirkung blos, so daß das Vergnügen der Vergleichung gar bald verschwindet, und mir nichts als der widrige Eindruck der verdoppelten Häßlichkeit übrig bleibet. Nach den Beyspielen, welche Aristoteles giebt, zu urtheilen, scheinet es, als habe er auch selbst die Häßlichkeit der Formen nicht mit zu den mißfälligen Gegenständen rechnen wollen, die in der Nachahmung gefallen können. Diese Beyspiele find, reissende Thiere und Leichname. Reissende Thiere erregen Schrecken, wenn sie auch nicht häßlich sind; und dieses Schrecken, nicht ihre Häßlichteit, ist es, was durch die Nachahmung in angenehme Empfindung aufgelöset wird. So auch mit den Leichnamen; das schärfere Gefühl des b) De Poetica cap. IV,

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Mitleids, die schreckliche Erinnerung an unsere eigene Vernichtung ist es, welche uns einen Leichnam in der Natur zu einem widrigen Gegenstande macht; in der Nachahmung aber verliert jenes Mitleid, durch die Ueberzeugung des Betrugs, das Schneidende, und von dieser fatalen Erinnerung kann uns ein Zusaß von schmeichelhaften Umständen entweder gänzlich abziehen, oder sich so unzertrennlich mit ihr vereinen, daß wir mehr wünschenswürdiges als schreckliches darinn zu bemerken glauben.

Da also die Häßlichkeit der Formen, weil die Empfindung, welche sie erregt, unangenehm, und doch nicht von derjenigen Art unangenehmer Empfindungen ist, welche sich durch die Nachahmung in angenehme verwandeln, an und vor sich selbst kein Vorwurf der Mahlereh, als schöner Kunst, seyn kann: so käme es noch darauf an, ob sie ihr, nicht eben so wohl wie der Poesie, als Ingrediens, um andere Empfindungen zu rerstärken, nüglich seyn könne.

Darf die Mahlerey, zu Erreichung des Lächerlichen und Schrecklichen, sich häßlicher Formen bedienen?

Ich will es nicht wagen, so grade zu, mit Nein hierauf zu antworten. Es ist unleugbar, daß unschädliche Häßlichkeit auch in der Mahleren lächerlich werden kann; besonders wenn eine Affectation nach Reitz und Ansehen damit verbunden wird. Es ist eben so unstreitig, daß schäd= liche Häßlichkeit, so wie in der Natur, also auch im Gemählde Schrecken erwecket; und daß jenes Lächerliche und dieses Schreckliche, welches schon vor sich vermischte Empfindungen find, durch die Nachahmung einen neuen Grad von Anzüglichkeit und Vergnügen erlangen.

Ich muß aber zu bedenken geben, daß demohngeachtet sich die Mahlereh hier nicht völlig mit der Poesie in gleichem Falle befindet. In der Poesie, wie ich angemerket, verlieret die Häßlichkeit der Form, durch die Veränderung ihrer coexistirenden Theile in fucceffive, ihre widrige Wirkung fast gänzlich; sie höret von dieser Seite gleichsam auf, Häßlichkeit zu seyn, und kann sich daher mit andern Erscheinungen desto inniger verbinden, um eine neue besondere Wirkung hervorzubringen. In der Mahlerey hingegen hat die Häßlichkeit alle ihre Kräfte beysammen, und wirket nicht viel schwächer, als in der Natur selbst. Unschädliche Häßlichkeit kann folglich nicht wohl lange lächerlich bleiben; die unangenehme Empfindung gewinnet die Oberhand, und was in den ersten Augenblicken possirlich war, wird in der Folge blos abscheulich. Nicht anders gehet es mit der

schädlichen Häßlichkeit; das Schreckliche verliert sich nach und nach, und das Unförmliche bleibt allein und unveränderlich zurück.

Dieses überlegt, hatte der Graf Caylus vollkommen Recht, die Episode des Thersites aus der Reihe seiner Homerischen Gemählde wegzulaffen. Aber hat man darum auch Recht, sie aus dem Homer selbst wegzuwünschen? Ich finde ungern, daß ein Gelehrter, von sonst sehr richtigem und feinem Geschmacke, dieser Meinung ist. c Ich verspare es, auf einen andern Ort, mich weitläuftiger darüber zu erklären.

XXV.

Auch der zweyte Unterschied, welchen der angeführte Kunstrichter, zwischen dem Eckel und andern unangenehmen Leidenschaften der Seele findet, äussert sich bey der Unlust, welche die Häßlichkeit der Formen in uns erwecket.

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,,Andere unangenehme Leidenschaften, sagt er, a können auch ausser „der Nachahmung, in der Natur selbst, dem Gemüthe öfters schmeicheln; „indem sie niemals reine Unlust erregen, sondern ihre Bitterkeit allezeit mit Wollust vermischen. Unsere Furcht ist, selten von aller Hoffnung ,,entblößt; der Schrecken, belebt alle unsere Kräfte, der Gefahr auszu= „weichen; der Zorn ist mit der Begierde sich zu rächen, die Traurigkeit „mit der angenehmen Vorstellung der vorigen Glückseligkeit verknüpft, und „das Mitleiden ist von den zärtlichen Empfindungen der Liebe und Zu„neigung _unzertrennlich. Die Seele hat die Freyheit, sich bald bey dem „vergnüglichen, bald bey dem widrigen Theile einer Leidenschaft zu ver„weilen, und sich eine Vermischung von Lust und Unlust selbst zu schaffen, „die reißender ist, als das lauterste Vergnügen. Es braucht nur sehr „wenig Achtsamkeit auf sich selber, um dieses vielfältig beobachtet zu haben; „und woher käme es denn sonst, daß dem Zornigen sein Zorn, dem Trau„rigen seine Unmuth lieber ist, als alle freudige Vorstellungen, dadurch man ihn zu beruhigen gedenket? Ganz anders aber verhält es sich mit ,,dem Eckel und den ihm verwandten Empfindungen. Die Seele erkennet „in demselben keine merkliche Vermischung von Lust. Das Mißvergnügen

c) Klotzii Epistolae Homericae, p. 33. et seq.

a) Eben daselbst S. 103.

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