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Zweyter Theil.

Vorbericht.

Beynahe wären wir gezwungen, diesen zweyten Theil eben so anzufangen, als wir den ersten Beschliessen müssen.

Auch der Uebersetzer des Pope hat sich durch das in dem zweyten Briefe über ihn geäusserte Urtheil, beleidiget gefunden; wie man aus dem Hamburgischen Correspondenten ersehen. Auch er legt es uns so nahe, daß wir unserm Leser und ihm, durch Anzeigung mehrerer Stellen, die er ganz falsch und wider den Sinn seines Originals übersetzt hat, ohnfehlbar verdrießlich fallen würden, wenn wir nicht eben erführen, daß ein anderer uns dieser undankbaren Mühe überhoben habe. Wir bitten ihn also, sich eine kurze Zeit zu gedulden, und den neuen Theil einer bekannten Zeitschrift abzuwarten. In einem kleinen Briefe, sollte er nicht höchst eckelhaft werden, hat man sich nicht tiefer mit ihm einlassen können. Genug daß das wenige von der Beschaffenheit gewesen, unpartheyische Leser mit Grunde vermuthen zu lassen, man habe noch ungleich mehr zurückbehalten. Und wäre es nicht sehr seltsam, daß wir nur mit ihm unrecht haben sollten? Nur mit ihm! Denn er gibt uns selbst das Zeugniß, daß wir weder dem Uebersetzer des Gay, noch des Bolingbroke zu viel gethan. Unterdessen ist es falsch, daß wir ihn an die Spitze der schlechten Uebersetzer stellen wollen. Wir haben leider so viel elendere, daß man ihn noch unter die guten zehlen darf, wenn man ein Auge zumachen will.

Was er übrigens von unanständigen Absichten sagt, davon möchten wir wohl nähere Erklärung zu haben wünschen. Die Verfasser dieser Briefe sind sich weiter keiner Absicht bewußt, als der Absicht, ihre

Meinung zu sagen. Das Recht dazu, haben sie mit allen Schriftstellern gemein. Trennungen können sie wenigstens unter unsern besten Köpfen nicht verursachen wollen. Denn unsere besten Köpfe sind noch nie einig gewesen:

Aber genug hiervon. Wir haben einem ungenannten Freunde noch für eine kleine Erinnerung zu danken, die er uns wegen des achtzehnten Briefes machen wollen, in welchem der Uebersetzer des Rabelais für den ersten Verfertiger deutscher Herameter ausgegeben worden. „Das kömmt daraus, schreibt dieser Freund, wenn man die Gottschedische „Schriften nicht besser gelesen hat! Schlagen Sie des Herrn Gottsched s „Sprachkunst (S. 628) nach, so werden Sie finden, daß Conrad Geßner noch vor ihrem Fischart deutsche Hexameter gemacht hat. 2c. Hierauf antworten wir, daß uns diese Anmerkung des Herrn Gottscheds nicht unbekannt gewesen, daß wir uns aber nicht überwinden können, sechsfüßige Verse die ausser dem einzigen fünften Fusse aus lauter Spondäen bestehen, für wahre Hexameter zu halten. Ein einziger solcher Vers ist zwar zur Noth ein Hexameter; aber lauter solche Verse find feine.

"

XIV. Den 5. April. 1759.

Ein und dreyßigster Brief.

Sie werden den Verdruß, den Ihnen der deutsche Theokrit' ge= macht hat, sobald nicht vergessen? Auch nicht, wenn ich Ihnen eine bessere Uebersetzung ankündigte? Zwar nicht vom Theokrit; denn noch wird man sich hoffentlich eine Zeitlang vor einem Ufer scheuen, an welchem so schimpflich gescheitert worden. Aber doch auch eines dorischen Dichters. Und was meinten Sie zu einem deutschen Pindar?

Ich mache ihnen keine vergebene Freude. Pindar hat wirklich in der Schweiß einen jungen kühnen Geist erweckt, der uns mit den Be= geisterungen des thebaischen Sängers bekannter machen will. Die Sache hat grosse Schwierigkeiten; und es ist unendlich leichter über den ganzen Pindar einen gelehrten Commentar zu schreiben, als eine einzige Ode schön zu überseßen. Doch der junge Schweizer denkt mit seinem Dichter: Ὁ μεγας δε κινδυ

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und der Versuch, den er gemacht hat, ist sehr wohl ausgefallen. Ein Freund hat mir ihn mitgetheilet. Und was gut ist, muß man mittheilen; ich theile ihn also auch Ihnen mit.

*

Ich weis, Sie erwarten nicht, daß die Uebersetzung in Versen seyn werde. Der einzige Deutsche, wollte ich fast sagen, hat die Freyheit, seine Prosa so poetisch zu machen, als es ihm beliebt; und da er in dieser poetischen Prose am treuesten seyn kann, warum soll er sich das Joch des Sylbenmaasses auflegen, wo er es nicht seyn könnte?

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↑ Biblioth. d. sch. W. II. Bandes 2tes St. S. 360.

Es ist aber auch keine wörtliche Ueberseßung, denn Cowley sagt: „Wenn jemand den Pindar von Wort zu Wort übersetzen wollte, so „würde man glauben, ein Rasender habe den andern übersetzt.

Doch Sie sollen selbst urtheilen. Es ist die erste, die vierte und die eilfte der Olympischen Oden. Die erste, weis ich, kennen Sie gewiß. Wer sollte auch nicht so neugierig gewesen seyn, wenigstens die erste Ode des Pindars zu lesen, wenn sie ihm auch noch so viel Mühe gekostet?

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Der Olympischen Oden des Pindars erste.

An den Hiero, König von Siracus.

1. Strophe.

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Der Elemente bestes ist Wasser, und wie die lodernde Flamme zur Nacht, also glänzet hoch unterm stolzen Reichthum das Gold. Aber willst du Siege erzehlen, o suche mein Geist, wie in des Aethers Wüsten am Tage kein erwärmender Gestirn, als die Sonne, so auch keine herrlichern Kämpfe, als die Olympischen zu fingen. Sie begeistern die Weisen zu jenen prächtigen Hymnen, die sie dem Sohne Saturns, in Hierons reichem, glückseligen Pallaste versammelt, weihen.

1. Antistrophe.

2

Er ist es, der in dem heerdenreichen Sicilien den Scepter des Rechts trägt; er brach sich von jeder erhabenen Tugend die Blume, und glänzt in der Blüthe der Harmonie, die wir Dichter öfters um die freundschaft= liche Tafel spielen. Wohlan denn! Greif von der Wand herab, Muse, die dorische Either! wenn Pisas und Pherenikus Ruhm deine Brust in füffer Entzückung dahin reißt; wie er neben den Wellen des Alpheus flog; wie seine ungespornten Flanken hoch daher schwebten; wie er ihn in den Schooß des Triumphs trug, seinen Herrn, Syracusens König, die Lust der Rennbahn.

1. Epodos.

3.

Ihm strahlet sein Ruhm in der heldenvollen Pflanzstadt des Lydischen Pelops, den ehemals der gewaltige Erdumfasser Neptun

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1 Als er in den Olympischen Spielen mit dem Rennpferde den Preis erhielt.

2 Pisa, der Name der Stadt, ohnfern welcher die Olympischen Spiele gehalten wurden. Pherenikus hieß das Rennpferd, auf welchem Hiero den Preis erhielt.

3 Der Name des Fluffes, neben welchem die Rennbahn war.

4 Er versteht den Theil von Griechenland, welcher nach dem Pelops, Peloponnesus ge= nennt ward. Und diese einzige Erwehnung des Pelops veranlaffet die ganze folgende weitläuftige Ausschweifung zum Lobe dieses Helden.

1

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liebte, nachdem Klotho ihn, die Schulter von blendendem Helfenbein leuchtend, aus dem heilenden Erzte hob. — Also füllen Wunder den Erdkreis, und Fabeln mit künstlichen Lügen verbrämt, fiegen der Wahrheit zum Truß.

2. Strophe.

Die Dichtkunst, deren Reiß über alles Honig giesset, leihet ihnen ein ehrwürdiges Ansehen, und macht, daß östers ein Mährchen geglaubt wird. Doch wird für die Wahrheit die enthüllende Zukunft zeugen! Wer es wagt, von Göttern zu reden, der thu es mit Ehrfurcht, und seine Schuld ist geringer! So will ich jezt von dir, Sohn des Tantalus, sagen, was vor mir kein Tichter nie sprach: Wie, als dein Vater in sein geliebtes Sipylum, zu einem heiligen Gastmale lud, wo wechfel-seitig die Unsterblichen affen, der erlauchte Dreyzackführende Gott die Macht der Liebe fühlte,

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2. Antistrophe.

Und dich auf güldenen Rossen zu des weit angebeteten Zevs hohem Pallaste trug, wo nicht lange zuvor auch Ganymedes hin zum Jupiter gekommen war. Da aber du verschwunden, und dich der Mutter kein spähender Kundschafter wiederbrachte, streute ein benachbarter Fürst neidisch das Gerücht aus, deine Gliedmassen hätten, mit dem Schwerde zertheilt, und beym flammenden Feuer gefotten, den Göttern zur Speise gedienet. 2. Epodos,

Aber der Seligen einen unmäßig zu nennen, ist Unsinn! Ich zittere! Denn schon oft hat die Rache den Lästerer ergriffen. 2 Ward je ein Sterblicher von des Olympus Bewohnern geehret, so war es Tantalus. Wiewohl der Grösse eines so erhabenen Glückes zu schwach, bracht ihm sein Uebermuth einen unbesiegbaren Jammer; einen drohenden Felsen,

Die Fabel erzehlt von dem Tantalus, des Pelops Vater, die Götter hätten ihn so sehr geliebt, daß sie ihn mit an ihre Tafel gezogen. Einst als Tantalus die Götter wieder bewirthen wollen, habe er seinen Sohn, den Pelops, geschlachtet, und ihn denselben vorgeseßt. Keiner von den Göttern aber habe ravon gekostet, auffer Cercs die ein wenig zu heißhungrig, ein Stück von der Schulter verzehret habe. Die Götter hätten hierauf die übrigen Stücke in einen reinen Kessel geworfen, und den Pelops lebendig wieder heraus gezogen, nachdem sie ihm eine helfenbeinerne Schulter, anstatt der verspeisten, gegeben. Dieser reine Kessel (zatapos λen) ist es, welchen unser Uebersezer, zwar schön, aber etwas zu undeutlich das heilende Erz nennt.

2 Taß Pindar hier auf den Tantalus kömmt, ist kein neuer Sprung. Sondern es dienet, um die Ursache anzugehen, warum Pelors gleichwohl wieder aus dem Himmel zurückgeschickt

worden.

Lessing, sämmtl. Werke. VI.

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