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erwägt hat, weil man jene allgemein machen wollen, sind viel ungesunde Kritiken entstanden. Jeder hat seine besonderen höheren Regeln, die er nie aus den Augen sehen muß und die ihm in dem Besondern ganz verschiedene Wege bereiten.

Regeln des Bildhauers:

1) Die Erreichung des sichtbar Schönen und Erhabenen.

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Erläuterung durch die Opferung der Iphigenia des Timanthes 7).

2) Die Beobachtung eines Punktes, über welchen die Einbildung noch hinausgehen kann.

Erläuterung dieses Punktes aus den Gemälden des Timomachus 8).

Vermuthung, in welchem Punkte Laokoon genommen worden 9).

Da Virgil diesen Punkt nicht beobachten dürfen, da er auf keine Erreichung des sichtbaren Schönen absehen dürfen, so durfte er und mußte er jene clamores horrendos mit ausdrücken 1o).

Bweiter Abschnitt.

Von den Meistern dieses Werkes.

Die Zeit, in welcher sie gelebt, ist unbekannt 11).

Meine Vermuthung, daß sie den Virgil nachgeahmt haben können, und also unter den ersten Kaisern gearbeitet.

1) Plinius segt sie mit solchen neueren Künstlern in eine Classe 12). 2) Sie stellen den Laokoon vor anders als ihn die griechischen Dichter schildern; anders als Lykophron, anders als Quintus Calaber 13).

3) Sie folgen einem Umstande, welcher eine eigene Erfindung des Virgils zu sein scheint 14).

7) Vgl. unten Cap. 2.

8) Vgl. unten Cap. 3.

9) Vgl. unten Cap. 5.

10) Vgl. unten Cap. 4.

11) Vgl. unten Cap. 5, 26, 27,

12) Vgl. unten Cap. 26.

13) Vgl. unten Cap. 5.

14) Ebenda.

Ich abstrahire von der historischen Wahrheit dieser Vermuthung, die Winckelmann in seiner Geschichte der Kunst vermuthlich aufklären wird. Ich will sie bloß aus einer Voraussetzung beleuchten und um den Dichter und Bildhauer in einerlei Gegenstande vergleichen zu können 15).

1) Worin der Bildhauer dem Virgil gefolgt.

2) Worin er von ihm abgegangen.

3) Erläuterung aus neueren Kupfern, die bei dem Virgil genau geblieben.

4) Gedanken, wie überhaupt dergleichen Kupfer einzurichten.

Dritter Abschnitt.

I. Herr Winckelmann selbst hat es in seiner Geschichte der Kunst eingesehen, daß der Bildhauer zu dieser Ruhe wegen der beizubehaltenden Schönheit verbunden gewesen, und daß diese kein Gesetz für den Dichter p. 167, besonders 169.

Bei Gelegenheit seine Vermuthung vom Philoktet p. 170.
Meine Verbesserung des Plinius.

II. Hierin sind wir einig, aber desto weniger wegen der Zeit der Künstler des Laokoon.

Erörterung meiner Meinung. Die seine gründet sich weiter auf nichts als auf die Vortrefflichkeit des Werkes. Sermutbung aus dem ἐποίησε 16).

Bierfer und fünfter Abschnitt.

Weitere Erörterung, daß dem Dichter weit mehr erlaubt sei,

als dem Maler 17):

4) in Ansehung der Häßlichkeit und des Lächerlichen. Exempel des Thersites 18);

15) Ueber das Folgende (1 bis 3) vgl. unten Cap. 5.

16) Vgl. unten Cap. 26 u. 27.

17) In der Handschrift steht durch einen Schreibfehler „dem Dichter".
18) Vgl. unten Cap. 23.

5) in Ansehung des Ekels. Exempel des Philoktet, nebst der Scene der Hungrigen beim Beaumont 19). Tadel der Harpyien des Virgils.

Sechster Abschnitt.

Völlige Gerechtigkeit scheint Winckelmann indeß doch nicht dem Dichter widerfahren zu lassen. Wenn er z. E. 170 sagt: sie werden ihn mehr nach den Grundsäßen der Weisheit, als nach dem Bilde der Dichter vorgestellt haben.

Ausleg: Es muß hier wenigstens nur die bildhauerische Weisheit zu verstehen sein.

p. 25. 28 scheint er auf der Seite des Caylus zu sein, daß der Werth der Dichter nach der Zahl ihrer Gemälde zu bestimmen. Widerlegung dieser Meinung 20);

Daß Dinge in der Phantasie einen 'vortrefflichen Effect machen, die auf der Leinwand oder im Stein einen widrigen haben.

In welchem Verstande Homer der größte Maler sei, und daß Milton nach ihm der größte.

Außer diesen Entwürfen giebt es noch eine Reihe von Studien, welche theils auf einzelnen Blättern gezeichnet, theils in die ,,Collectaneen zur Literatur" eingetragen sind. In diesen zum „Laokoon“ Gehöriges zu suchen, giebt deren in die Breslauer Zeit fallende Anlage ganz gegründete Veranlassung. So konnten denn unten bei der Dreitheilung der Laokoon - Stücke in Studien zum ersten und zweiten Theil und „Vermischtes“ als zu dem ersten Theil gehörig die Nummern 11, 12, 14, 15, 18 und 19 aus den „Collectaneen" herübergenommen werden; unter Vermischtes“ (Stücke, welche sich in keinen Zusammenhang mit dem ausgeführten ersten oder dem projectirten zweiten Theil bringen ließen und vielleicht in dem beabsichtigten dritten Verwendung finden sollten) konnte aus den Collectaneen" nur Nr. 8 Plaz finden.

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19) Vgl. unten Cap. 25, wo auch über das Folgende gehandelt wird.

20) Vgl. unten Cap. 13 u. 14.

Das Vorhandensein mehrerer Entwürfe und so mannigfacher Studien läßt eigentlich in dem ersten Theil des Laokoon, der zuerst (bezeichnend zwischen der Abfassung der „Minna von Barnhelm“ und der „Hamburgischen Dramaturgie") 1766 in Berlin bei Chrn. Friedr. Voß erschien, ein systematisches Werk erwarten; aber Lessing wollte ein solches nicht geben, sondern „mehr unordentliche Collectaneen zu einem Buche, als ein Buch". Indessen läßt sich bis zu der Stelle, wo das Erscheinen der Winckelmann'schen „Geschichte der Kunst des Alterthums" in den Mittelpunkt der Betrachtung tritt (Cap. 26), während für die ersten 25 Capitel die Schrift: „Von der Nachahmung der griechischen Werke in der Malerei und Bildhauerkunst" den Ausgangspunkt gebildet hatte, ein wohlgeordneter Gang der Untersuchung verfolgen, wenn auch bisweilen durch die scheinbare Ungebundenheit der meisterhaften, bis dahin in der deutschen Literatur noch nicht versuchten Analyse verdeckt oder doch einer nicht ganz sorgfältigen Aufmerksamkeit entzogen. In einer vortrefflichen, durchsichtigen und klaren Weise hat der damals noch sehr junge Christian Garve in dem ersten Stück des neunten Bandes der „Allgemeinen deutschen Bibliothek" den Inhalt der ersten 25 Capitel des „Laokoon“ skizzirt und es verlohnt sich im Interesse des Verständnisses dieser Untersuchungen dieses lehrreiche Resumé an sich vorübergehen zu lassen.

Garve nimmt mit Lessing und seinen Lesern Winckelmanns Buch zur Hand. „Winckelmann vergleicht den Laokoon des Virgils mit dem Laokoon des Künstlers. Der erstere schreit, der leztere seufzt nur. Das Factum ist richtig. Aber wie erklärt es Winckelmann? Es ist', sagt er, ‚der Ausdruck einer großen Seele, eines mit dem Schmerze ringenden Geistes, es ist der natürliche Ausdruck von dem Leiden eines Helden.'

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„Wie, (so stelle ich mir vor, hat Lessing gedacht, da er diese Stelle las) diese Mäßigung in dem Ausdrucke der Leidenschaft soll bei dem Künstler bloß den Zweck haben, die Größe und die Weisheit der Seele zu bezeichnen? Aber das ist ja ein Zweck, der Künstlern und Dichtern gemein ist. Warum wollte denn Virgil seinen Laokoon nicht auch als einen Helden erscheinen lassen? warum Sophokles nicht seinen Philoktet? denn bei dem finde ich doch nicht bloß unterdrückten, sondern auch lauten, unverstellten, Lessing, Laokoon.

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schreienden Schmerz.

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Wenn dieser Ausdruck einer großen Seele bloß den Künstlern eigen ist, so muß der Grund davon wohl mehr in dem Eignen ihrer Kunst, als in dem Gemeinschaftlichen der menschlichen Natur liegen. Und dann, das ist nicht einmal wahrer Ausdruck einer großen Seele nach griechischen Begriffen. Ihre Helden, so wie sie uns von ihren vornehmsten Dichtern beschrieben werden, empfinden den Schmerz lebhaft und drücken ihn ohne Rückhalt aus. ·‚Aber ist denn das geduldige Ertragen des Leidens nicht auch Stärke der Seele ? Nicht sowohl Stärke der Seele, als Unempfindlichkeit und Abhärtung; und eben dieje vernichtet den Werth der Tapferkeit mehr, als sie sie erhebt; das ist die Tapferkeit der Wilden. Aber den Schmerz zu fühlen, und ihn für das Gute des Endzwecks übernehmen, das ist griechischer Heldenmuth. Also, wenn der Ausdruck des höchsten Schmerzes doch noch mit der Größe der Seele bestehen kann, so muß es eine andere Ursache geben, warum die Künstler ihn vermieden haben. Und welche ist diese?

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„Der höchste Ausdruck der Leidenschaft ist allemal eine gewaltsame Bewegung der körperlichen Theile, er verstellt oder vermindert also die Schönheit der Gestalt, indem er die Verhältnisse derselben zerrüttet; und der Künstler will Schönheit.

„Wenn dieser Grund aber befriedigen soll, so muß also Schönheit vor Ausdruck gehen; so muß die Annehmlichkeit der Form ein höherer Endzweck der Kunst sein, als die Vorstellung der Leidenschaft. Gerade so war es auch bei den Griechen. Das beweisen ihre Geseze und die Uebungen ihrer Künstler. Die einen verbieten die Nachahmung häßlicher Gegenstände, und schränken auf alle Weise die Nachbildung bloß einzelner Gegenstände ein. Diese verminderten den Ausdruck der Leidenschaft, um die Schönheit der Form durch eine zu heftige Bewegung der Theile nicht zu stören; und sie verbargen diesen Ausdruck sogar, wo er der Verfassung der Person nach nothwendig gewesen wäre. Das war der eigentliche Zweck des Timanthes, da er seinen Agamemnon verhüllte, nicht die Unfähigkeit der Kunst, den höchsten Grad des Schmerzes auszudrücken.

„Aber wenn auch Schönheit nicht durch den Ausdruck der heftigsten Leidenschaften gestört würde, so hätte doch der Künstler

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