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Einleitung.

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essings kritischem Naturell widerstrebte alles Unsichere und Unreine; jenes prüfte er auf die Berechtigung des Seins, dieses auf sein eigentliches Wesen hin, mochte es ein sittliches oder ästhetisches sein. Dem Widerspruche eines solchen Naturells mit den landläufigen Anschauungen und dem künstlerischen Thun seiner Zeitgenossen entsprang der Laokoon".

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Das Thema der Untersuchungen, welche Lessing unter diesem Titel zusammenfaßte, bezeichnet ziemlich genau das beigefügte,, oder über die Grenzen der Malerei und Poesie"; ziemlich genau: denn Malerei ist hier fast durchweg in dem Sinne der bildenden Kunst überhaupt genommen.

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Diese Grenzen zu verwischen, die Principien bildnerischer und poetischer Darstellung zu vermengen, hatten thatsächlich immer Zeitalter und Menschen von unzulänglicher Dichterkraft versucht. Durch das geistreiche Wigwort eines griechischen Voltaire", an welches Lessing in seiner Vorrede erinnert, daß die Malerei eine stumme Poesie und die Poesie eine redende Malerei sei, war eine blendende Formel gegeben und die Praxis brachte sie fast unbewußt zur Anwendung; die zahlreichen Epigramme der Planudischen Anthologie auf Kunstwerke empfangen bereits durch diesen Irrthum Werth und Leben. Diese Anschauung, welche über einigen allgemeinen Berührungs

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punkten aller Künste die besonderen Mittel und Aufgaben der einzelnen übersieht, erzeugte die große Gruppe der beschreibenden Poesie und zahlreiche Mängel der übrigen Poesiegattungen; sie übte jedesmal ihre Gewalt, wenn Natürlichkeit und Unmittelbarkeit ihr nicht mit angebornem, unverfälschtem Sinne oder ernst erfaßte, klar erkannte künstlerische Probleme Widerstand leisteten.

Die größte Verwilderung riß in der neueren Poesie (seit dem 16. Jahrhundert) ein. Das „poetische Gemälde" hatte sein breites Gebiet in der Praxis und seine bestimmte Geltung in der Theorie, und nachdem Opiß die Gattung in Deutschland legalisirt, sein Freund Aug. Buchner sie systematisch untergebracht hatte, war ihr einstweilen das Heimatsrecht gesichert. Vor Allen zeichnete sich England seit Michael Drayton aus, und Thomson's „Jahreszeiten“ (seit 1726) wurden eine Art Mustercoder. Innerhalb der englischen Litteratur versuchte man zugleich die innere Verechtigung der Gattung nachzuweisen, wie durch Addison (seit 1702) und Richardson geschah. Noch entschiedener verfuhren die italienischen Theoretiker, wie Giuseppe Andrucci (1734) und besonders auch Ludovico Dolce (1734): er überträgt die Geseze der Malerei auf das Dichten und macht auch schon das Sculpturwerk des Laokoon von dem Dichter Virgil abhängig. Es verschlug nichts, daß während des 17. Jahrhunderts Miltons Dichtungsweise und ihre eigenthümliche Wirkung auf andere Mittel der poetischen Darstellung hinwiesen und gegen die Mitte des 18. die kritischen Versuche der Schweizer andere Quellen des dichterischen Schaffens aufzuzeigen schienen: waren doch Bodmer und Breitinger troß alledem selbst noch in der Anerkennung der beschreibenden Poesie befangen.

Zwar waren in Frankreich schon ein Paar Jahrzehnte vorher Zweifel an der Vermengung des Malerischen und Dichterischen laut geworden. Der Abbé Dubos veröffentlichte 1719 seine,,Kritischen Reflexionen über Poesie und Malerei“, voll der feinsten Beobachtungen; er hebt darin einige Unterschiede der Künste hervor, findet als malerisches Object den Moment einer Handlung, und verwirft die Allegorie. Lessing muß dieses Werk, das den Weg zu seinem,,Laokoon“ zeigt, gekannt haben, wenn er es auch nicht nennt.

Aber diese von Voltaire mit großer Auszeichnung hervorgehobenen Betrachtungen übten nicht ihren ganzen, natürlichen Ein

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