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brauchten, die Deutschen sich dies Wort selbst zum Spott und Ekel machten, und in solcher Bedeutung *) von Geniemânnern, Geniestreichen, er ist ein Genie u. f., nicht oft und nicht verächtlich gnug sprechen können, als ob ihnen nichts, entbehrlicher wäre, als diese Himmelsgabe; dieser Allemannismus hat der benachbarten Nationen Hochachtung gegen sie nicht vermehret. Ihr, sagen fie, denen die Natur Männer von Talenten, Künstler von Genie nicht versagt hat, ihr macht der Natur edelste Gabe in eurer Sprache zum Spottwort? Uns ist der Ausdruck, Zug des Genies, eine Ehrenbezeichnung; euch ist Geniestreich ein Schimpfname? Bildet ihr

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*) Anthropol. E. 162.

euch etwa ein, daß, als ihr den Namen ersannet, ihr selbst einen solchen Streich machtet?"

Verzeihe, Genius, daß ich deinen Namen so oft mißbrauchen mußte; seyn diese Blätter eine Versöhnung am Fuße deines Altars.

I. Genie.

Die Alten sprachen vom Genie weniger, ehrten aber und cultivirten es vielleicht mehr als wir. Die höhere Macht, die einen Menschen zu Hervorbringung feines Werks belebet, das wir als unnachahmlich, als unerreichbar erkennen, aber mächtig oder fanft auf uns wirkend

fühlen, diese auszeichnende Himmelsgabe nannten sie Geist, Genius. Ein mit uns gebohrner Geist, dasuwv, vis animi divinior, von dem sie Cultur, Kunst, Fleiß so wenig ausschlossen, daß sie viels mehr Ihn als Vater, Stifter, Beleber und Schuhgott aller Cultur und Menschenbelebung anerkannten, priesen, vers ehrten.

Die neueren Sprachen sind ins Kleine gegangen. Nicht nur genio und ingenio, fondern auch Genie, Talent und Geist (efprit) haben sie so künstlich unterschieden, daß es ihnen bei weitem nicht gleichgültig ist, Genie haben und ein Genie seyn, Talent haben und von TaLenten seyn, Esprit haben und ein großer Geist seyn;" auch giebts bei ihnen der Genie's, Talente und Esprits so viel Stufen und Arten, daß zu Bezeichnung des

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großen, reichen, tiefen, frucht. baren, schöpferischen Genies, des feinen, subtilen, ordnenden, aber auch des falschen, subtilisirenden Geistes u. f., insonderheit die französische Kritik Commentare geliefert. Seit Helvetius versteht jeder petit efprit diese Nuancen der Espritreichsten Sprache; mehrere Nationen haben sie sich zugeeig net, ohne sich doch die Herabsehung des Worts Geist (fpirito, spirit) gefallen'zu laffen. Italienern und Spaniern und Engländern und Deutschen blieb das groBe belebende Principium aller unsichtbaren Wirksamkeit, Geist, in Werth. Den von ihm Erfüllten nannten sie begeis stert. Der kåltere Sinn der Deutschen legte dem Wort noch eine Verstandeskraft bei, die andre Sprachen in dem Umfan ge und in der Wichtigkeit nicht bemerken.

Ein vielumfassender, hellsehender, 'tiefa ergründender, schöpferischer, ein erfindender, ordnender, thätiger, wohlthätiger, befeligender Geist sagt in unsrer Sprache foviel, daß man über ihn das vieldeutige Wort (Schenie) genic, außer wo es Ges nius, d. i. angebohrne eigenthümliche Art bedeutet, leicht entbehren möchte. Lasset uns diese ursprüngliche, einfache Bedeutung am-Wort Genie, Genius entwickeln.

1. Genie ist angebohren; (genius eft, quod una genitur nobiscum, in cuius tutela vivimus nati; ingenium ingenitum eft). Weder erkauft noch erbettelt, weder erstritten noch erstuðirt kann es werden. Es ist Naturart (nativum quid), es wirkt also aus sich, aus angebohrnen Kräften, mit angebohrner Lust, leicht, genialisch. Seinem Genius leben,

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