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Kunst kommt von Können oder von Kennen her (noffe aut poffe), vielleicht von beiden, wenigstens muß sie beides in gehörigem Grad verbinden. Wer kennt, ohne zu können, ist ein Theorist, dem man in Sachen des Könnens kaum traus et; wer kann ohne zu kennen, ist ein bloßer Praktiker oder Handwerker; der echte Künstler verbindet beides.

Natur und Kunst werden „wie Thun vom Handeln, (Wirken,) wie Werk von Wirkung (facere und agegere, opus und effectus) nicht genau un.

terschieden. *) Auch die Natur wirkt und schafft Werke; auch der Künstler thut (facit, Toles). Bei allen vorübergehenden Künsten sind seine Produkte Wirkungen (evɛgryɛly), nicht Werke; dagegen, wo ein bleibendes Werk (opus) sein Ziel ist, seine Energie folange unvoll. endet ist, als er wirket.

Genauer und vollständiger hat Harris **) von der Kunst in einem echtgriechischen Gespräch gehandelt. Er zeigt fie als „eine Fertigkeit des Menschen, nach Maasgabe eines Systems von Vorschriften, Ursache einer Wirkung zu werden,*

*) Kritik. S. 171.

**) Harris drei Abhandlungen über Kunft u. f. überscht, Danzig 1756. Halle 1780. Die legs te Ausgabe ist mit Anmerkungen und Stellen aus den Alten reich vermehret.

und untersucht dabei die Gegenstände sos wohl, auf welche die Kunst wirkt, als ih. ren Ursprung, ihre Wirkungen und Werke; ein vortreflich Gespräch in Form wie an Inhalt.

Natur und Kunst sehen wir eins ander oft entgegen, oft schreiben wir der Natur selbst eine und zwar die größeste Kunst zu; woher dieses? Beides nicht ohne Ursache. In allem nåmlich, wo viele und mancherlei Miitel angewandt wer den, um Werke hervorzubringen, die als trefliche Zusammenseßungen ins Auge fallen, in denen bei einem System von Regeln ein offenbarer Zweck erscheinet, nennen wir mit Recht die Natur eine Künstlerin, die Kunstreiche Berfmeiferin (πολυμήχανος Εγρα via) Ergane, So nennet sie der orphische Hymnus; so siehet sie aller Menschen

Sinn an: denn in einem organischen We sen verkennet niemand die Zusammenstims mung des Vielen zu Einem. „Daß man von rechtswegen nur die Hervorbringungen durch Freiheit, d. i. durch eine Willkühr, die ihren Handlungen Vernunft zum Grunde legt, Kunst nennen sollte,* *) ist willkührlich geredet. Ob ein Werk aus Willkühr oder aus Zwang gemacht sey, dies åndert seine Einrichtung nicht; und wer sagt uns, daß den Werken der Natur nicht Vernunft, d. i. vom Geist gedacht, eine allordnende Regel zum Grunde liege? Als eine lebendige Wirkerin, die Natur zu denken, ist dem gefunden Menschensinn gewiß angemessener als zu fragen: ob ir gend auch Vernunft in der Natur sey? Die Werke der Bienen z. B., den Bau

*) Kritik. S. 171.

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