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So die ersten griechischen Weisen. Als ihre Redner sich allgemach ein „Ge schäft zum Spiel der Einbildungskraft" zu machen erlaubten, von wem lernten sie diese Kunst? Von den Sophisten. Vor wem trieben sie sie? Vor dem unwissend - neugierigen Volk, das über Dinge solcher Art weder urtheilen konnte, noch sollte. Nicht Wesen der Kunst also, es war Misbrauch der Rede in einer übeln Staatseinrichtung, wenn durch Erregung der Affekten ausgerichtet ward, was der klaren Vernunft allein zugehörte, wenn ein Geschäft zum Spiel der Einbildungskraft gemacht ward.

Daß aber nicht alle griechische oder römische Redner Histrionen der Art gewesen, wissen wir aus mehreren ihrer überbliebe nen öffentlichen Vorträge; die Gefeße der

felben gingen auf etwas anders als ein Spiel hinaus.

Wenn in den folgenden Jahrhunderten Beredsamkeit hieß, was gleichfalls, Misbrauch der Rede genannt werden sollte, wenn z. B. Chryfoftomus selbst, in Conftantinopel dem Palast und Theater zu nah, die athenische Rednerei nachahmte, und bisweilen den Tempel zum Theas ter machte, wer siehet nicht, daß er den Geist der Sachen, die er vortrug, eben so sehr, als den Zweck, auf den er wirken sollte, verkannte? Wenn die französische Hof- und Parlementsberedsamkeit aus ihren Schranken trat und sich einen Wortfitterstaat erlaubte, so mißbrauchte sie der Rede und ihres Plakes, wie die brittische, wenn über Geschäfte des Staats fie ein Spiel der Affekten wird, oder erkauft heuchelt. Lauter Misbräuche, die

in einer üblen Verfassung des Staats lam gen und sich selbst straften. Wer unter den Deutschen liefet jeht die weiland französischen Hofredner? Ihre Hofcednerei ist uns so unbrauchbar, wie unsres wohlfeilen Lunigs Staatsrednerei uns langweilig albern und abgeschmackt vorkommt. *) Eintönig und geziert sind allerdings auch die meisten Bewillkommungsreden der franzőfischen Akademie; sie mußten es seyn, weil man gesetzlich den Vorgänger, den König und den Minister loben mußte. Der Grund des Fehlers lag in einer üblen Anwendung der Rede."

Den französischen Lobreden (eloges) gab daher schon Fontenelle einen freies

*) Großer Herren, vornehmer Minister und andrer großen inner gehaltene Reden. Leipt. 1709. 6 Theile.

ren Geistesschwung, indem er sie der Wahrheit nåher brachte. Die verschiedensten Köpfe, deren Verdienste er zu nennen hatte, legte er wie Wachsbilder zart aus einander, allenthalben mit der feinsten Metaphysik der Sprache.

Indessen kam schon während der Monarchie eine andre Zeit. Buffon, Rousseau, Diderot erschienen, ein großes Triumvirat der Beredsamkeit, jeder in seiner Art. Des Naturforschers Styl ist ruhig, groß und weit wie die Natur; eben so finds seine Vorschriften zur Kunst des Ausdrucks. *) Rousseau, der verscheuchte Menschenforscher, machte durch die Kraft seiner Beredsamkeit mehr

Sur le ftyle, discours prononcé dans l' Academie Françoise p. Buffon. Tom. V. hift, natur. Par. 1769.

Eindruck, als durch die Stärke feiner Gründe, die oft weit von der Wahrheit abweichen. Diderot endlich, ein lieb. haber der Kunst, voll Begeisterung und voll Sophismen, mahlt in seiner Schreib. art sich selbst mit jedem Wechsel seiner Gedanken. Und der ihnen allen in großer Heiliger Natur vorging, Fenelon, lie benswürdig beredt, erhaben in Einfalt, er schrieb wie er dachte und empfand; åndere jemand in ihm Einen Ausdruck!

Durch so manche, vielseitige Bearbei tung hat die französische Wohlredenheit (Beredsamkeit ist von ihr nur dem Grad nach unterschieden) durchgehen müssen, um dahin zu gelangen, daß auch über die unKlarsten Dinge in dieser Sprache wenigstens nichts verworren gesagt werden mag. Die Zeit des gesuchten Wiges ging bald vorüber; je mehr die Vernunft erwachte,

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