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vielleicht sagen Sie endlich auch hier: als ich recht genau zusah, so fand ich, daß ich Unrecht hatte.

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Ich hatte hier die Feder schon abgeseßt, als ich mich besann, daß ich zum Ueberflusse Ihnen auch Autoritäten entgegen sehen müsse. Bei einem Manne wie Sie pflegen diese immer am besten anzuschlagen. Hier haben Sie also einige, die mir nachzusehen die wenigste Mühe gekostet haben. Lambinus schreibt læves. Mancinellus erklärt dieses Wort durch splendentes; Landinus durch politæ und sept mit ausdrücklichen Worten hinzu: leve cum prima syllaba correpta sine pondere significat: sin autem prima syllaba producta profertur significat politum. Beruht dieser Unterschied nun noch bloß auf meinem Befehle? Hermannus Figulus umschreibt die streitige Stelle also: qui horrendo militum concurrentium fremitu et formidabili armorum strepitu ac fulgore delectatur. Laffen Sie uns noch sehen, wie es Dacier überseßt; er, der so oft Ihr Schild und Schuß seyn muß: qui n'aimés à voir que l'eclat de casques. In der Anmerkung leitet er levis von Aɛlos her und erklärt es durch polies und luisantes. Habe ich nun noch nicht Recht? D, zischt den Starrkopf aus!

1. B. Ode 11.

Vina liques.

Zerlaß den Wein. Ich habe diesen Ausdruck getadelt, und mein Tadel besteht noch. Mein ganzer Fehler ist, daß ich mich zu kurz ausgedrückt, und Sie, mein Herr Lange, für scharfsichtiger gehalten habe, als Sie sind. Sie bitten mich die Ruthe wegzulegen. Vielleicht, weil Sie zum voraus sehen, daß Sie sie hier am meisten verdienen würden. Ihre Antwort beruht auf vier Puncten, und bei allen vieren werde ich sie nöthig haben. Man wird es sehen.

1. Sie sagen liquare heiße zerlassen und zerschmelzen; beides aber sey nicht einerlei. Beides aber, sage ich, ist einerlei, weil beides in dem Hauptbegriffe flüssig machen liegt. Ein Fehler also! Der andere Fehler ist eine Bosheit, weil Sie wider alle Wahrscheinlichkeit meine Kritik so aufgenommen haben, als ob ich verlangte, daß Sie vinum liquare durch den Wein schmelzen hätten geben sollen.

Sie fragen mich, ob es in den Worten des Plinius alvum liquare auch schmelzen heiße? Ich aber thue die Gegenfrage: heißt es denn zerlassen? Die Hauptbedeutung ist flüssig und folglich auch flar machen; wie ich schon gesagt habe.

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2. Nun wollen Sie, Herr Pastor, gar Scholiasten anführen, und zwar mit einem so frostigen Scherze, daß ich beinahe das kalte Fieber darüber bekommen hätte. Den ersten Scholiasten nennen Sie Acris. Acris? Die Ruthe her! Die Ruthe her! Er heißt Acron, kleiner Knabe! Laß doch du die Scholiasten zufrieden. Den andern nennen Sie, Herr Pastor, Landin. Landin? Da haben wir's! Merkt's, ihr Quintaner, indem ich es dem Herrn Lange sage, daß man keinen Commentator aus dem 16ten Jahrhundert einen Scholiasten nennen kann. Es wär' eben so abgeschmackt, als wenn ich den Joachim Lange zu einem Kirchenvater machen wollte.

3. Ich weiß es, Herr Pastor, daß bei liquefacere in dem Wörterbuche zerlassen steht. Es ist aber hier von liquare und nicht liquefacere die Rede. Doch wenn Sie es auch bei jenem gefunden haben, so merken Sie sich, daß nur unverständige Anfänger ohne Unterschied nach dem Wörterbuch überseßen. Bei vertex hätten Sie dieses thun sollen, und nicht hier; hier, wo es, wenn Sie anders deutsch reden wollten, durchaus nicht anging.

4. Gut, Sanadon soll Recht haben; vinum liquare soll den Wein filtriren, oder ihn durchsäugen heißen; obgleich noch etwas mehr dazu gehört. Ich weiß es, daß es dieses heißt, zwar nicht aus dem Sanadon, sondern aus dem Columella und Plinius, von welchem leztern Sie, mein Herr Lange, nichts mehr zu wissen scheinen, als was alvuin liquare heißt. Eine Belesenheit die einen Apothekerjungen neidisch machen mag! Doch worauf ging denn nun meine Kritik? Darauf, daß kein Deutscher bei dem Worte zerlassen auf eine Art von Filtriren denken wird, und daß ein jeder, dem ich jage, ich habe den Wein zerlassen, glauben muß, er sey vorher gefroren gewesen. Haben Sie dieses auch gemeint, Herr Pastor? Beinahe wollte ich das juramentum credulitatis darauf ablegen! Denn was Sie verdächtig macht, ist dieses, daß die Ode, in welcher die streitige Stelle vorkommt, augenscheinlich zur Winterszeit muß

gemacht worden seyn. Diesen Umstand haben Sie in Gedanken gehabt, und vielleicht geglaubt, daß Italien an Lappland gränzt, wo wohl gar der Branntwein gefriert. In der Geographie sind Sie ohnedem gut bewandert, wie wir unten sehen werden.

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Sie

lassen also den Horaz der Leuconoe befehlen, ein Stück aus dem Fasse auszuhauen, und es an dem Feuer wieder flüssig zu machen. So habe ich mir Ihren Irrthum gleich Anfangs vorgestellt, und in der Eile wollte mir keine andere Stelle aus einem Alten, als aus dem Martial beifallen, die Sie ein wenig aus dem Traume brächte. Was fagen Sie nun? Kann ich die Ruthe weglegen? Oder werden Sie nicht vielmehr mit Ihrem Dichter beten müssen:

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neque

Per nostrum patimur scelus

Iracunda Jovem ponere fulmina.

Zwar, das möchte zu erhaben seyn; beten Sie also nur lieber Ihr eigenes Verschen:

O wie verfolgt das Glück die Frommen!

Hier bin ich garstig weggekommen.

--Bei Gelegenheit sagen Sie mir doch, auf welcher Seite Ihrer Horazischen Oden stehen diese Zeilen? Sie machen Ihnen Ehre! 2. B. Ode 1.

Gravesque principum amicitiae.

Was soll ich von Ihnen denken, Herr Pastor? Wenn ich Ihnen zeige, daß Sie der einzige weise Sterbliche sind, der hier unter graves etwas anderes als schädlich verstehen will, was werden Sie als: bann sagen? Lassen Sie uns von den französischen Ueberseßern anfangen; sie sind ohnedem, wie ich nunmehr wohl sehe, Ihr einziger Stecken und Stab gewesen. Ich habe aber deren nicht mehr als zwei bei der Hand, den Dacier und den Batteur. Jener sagt: vous nous decouvrés le secret des funestes ligues des Princes; dieser sagt fast mit eben diesen Worten: les ligues funestes des Grands. · Betrachten Sie nunmehr alte und neue Commentatores. Acron sept für graves, perniciosas aut infidas, Mancinellus erklärt es

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durch noxias. Hermannus Figulus fezt zu dieser Stelle: puta societatem Crassi, Pompeji et Caesaris, qua orbis imperium occuparunt, afflixerunt atque perdiderunt. Chabotius fügt hinzu: amicitiae Principum istorum fictae et simulatae erant, ideo et ipsis inter se et pop. Roman. perniciosae fuerunt. Rodellius endlich in seiner für den Dauphin gemachten Umschreibung giebt es durch perniciosas procerum coitiones Sagen Sie mir, ist es nun noch bloß Lessingisch? Sie erweisen einem jungen Critico, wie Sie ihn zu nennen pflegen, allzu viel Ehre, die Erklärungen so verdienstvoller Männer nach ihm zu benennen. Lassen Sie sich noch von ihm sagen, daß Horaz hier ohne Zweifel auf einen Ausspruch des jüngern Cato zielt, nach welchem er behauptet: non ex inimicitiis Caesaris atque Pompeji, sed ex ipsorum et Crassi societate amica omnia Reipubl. profecta esse mala Ich

bin des Aufschlagens müde; wenn Sie aber mehr Zeit dazu haben als ich, so fordere ich Sie hiermit auf, mir denjenigen Ausleger zu nennen, welcher auf Ihrer Seite ist. Ihre Entschuldigung von der Bescheidenheit des Horaz ist eine Grille, weil der Dichter nicht das zweite, sondern das erste Triumvirat will verstanden wissen. Daß gravis eigentlich schwer heiße, brauche ich von Ihnen nicht zu lernen, und ich würde es sehr wohl zufrieden gewesen seyn, wenn Sie schwer gesezt hätten. Allein Sie seßen wichtig und das ist abgeschmackt. Bei schweren Bündnissen hätte man wenigstens noch so viel denken können, daß sie der Republik schwer gefallen wären; bei Ihrem Beiworte hingegen läßt sich ganz und gar nichts denken. Ueberhaupt muß Ihnen das gravis ein sehr unbekanntes Wort gewesen seyn, weil Sie es an einem andern Orte gleichfalls falsch überseßen. Ich meine die zweite Ode des ersten Buchs, wo Sie graves Persae durch harte Berser geben. Diese Uebersehung ist ganz wider den Sprachgebrauch, nach welchem die Perser eher ein weichliches als ein hartes Volk waren. In eben dieser Ode sagt Horaz grave seculum Pyrrhae, welches Sie ein klein wenig besser durch der Pyrrha betrübte Zeit ausdrücken. Was erhellet aber aus angeführten Orten deutlicher als dieses, daß es dem Dichter etwas sehr gemeines sey, mit dem Worte gravis den Begriff, schädlich, schrecklich, fürchterlich zu ver

binden? Ohne Zweifel glauben Sie dem Dacier mehr als mir; hören Sie also, was er sagt, und schämen Sie sich auch hier Ihres Starrfopfs: il appelle les Perses graves, c'est à dire terribles, redoutables, à cause du mal qu'ils avoient fait aux Romains, comme il a déjà appelé le siècle de Pyrrha grave, par la même raison. An einem andern Orte sagt eben dieser Ausleger, daß gravis so viel als horribilis wäre, ein Beiwort, welches Horaz den Medern, so wie jenes den Persern giebt.

2. B. Ote 4.

Cujus octavum trepidavit aetas
Claudere lustrum.

Hier weiß ich nicht, wo ich zuerst anfangen soll, Ihnen alle Ihre Ungereimtheiten vorzuzählen. Sie wollen mir beweisen, daß trepidare an mehr als einer Stelle zittern heiße, und verlangen von mir, ich soll Ihnen die Ausgabe des Cellarius angeben, in welcher cilen stehe. Sagen Sie mir, Herr Pastor, führen Sie sich hier nicht als einen tüdischen Schulknaben auf? Als einen Schulknaben, daß Sie verlangen, Ihnen aus dem Cellarius mehr zu beweisen, als darin stehen kann, als einen tüdischen, daß Sie meine Worte ver drehen, als ob ich gesagt hätte, daß trepidare überall eilen heiße. Sehen Sie doch meinen Brief nach, wie habe ich geschrieben? Trepidare, sind meine Worte, kann hier nicht zittern heißen; es heißt nichts als eilen. Verstehen Sie denn nicht, was ich mit dem hier sagen will? Ein Quintaner weiß es ja schon, wenn er dieses Wörtchen lateinisch durch h. 1. ausgedrückt findet, daß eine nicht allzugemeine Bedeutung damit angemerkt werde. Doch was predige ich Ihnen viel vor? Sie müssen mit der Nase darauf gestoßen seyn. Nun wohl! Erst will ich Ihnen zeigen, daß trepidare gar oft auch bei andern Schriftstellern eilen heiße, und zum andern, daß es hier nichts anders heiße. Schlagen Sie also bei dem Virgil das neunte Buch der Aeneis nach, wie heißt der 114. Vers?.

Ne trepidate meas, Teucri, defendere naves.

Was heißt es nun hier? Eilen. Haben Sie den Julius Cäsar gelesen? haben Sie nicht darin gefunden, daß dieser trepidare und

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