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nicht verdröße. Ich muß Ihnen aber sagen, daß sie alle auf mei ner Seite sind, nur die zwei nicht, welche Sie anführen. Und wer sind die? Den einen nennen Sie Acrisius und den andern Porphyr. Was ist das für ein Mann, Acrisius? — Endlich werde ich Erbarmung mit Ihnen haben müssen, Herr Pastor. Sie wollen abermals Acron sagen. Ich hätte Ihr obiges Acris gerne für einen Druckfehler. gehalten, wenn mir nicht diese noch falschere Wiederholung so gelinde zu seyn verwehrte. Wissen Sie denn aber, mein lieber Herr Gegner, warum die beiden Scholiasten Acron und Porphyrio auf Ihrer und nicht auf meiner Seite sind? Deßwegen, weil sie, wie es aus der Anmerkung des erstern offenbar erhellt, eine andere Lesart gehabt und anstatt detorquet ad oscula, detorquet ab osculis gefunden haben. Haben Sie denn auch diese Lesart? Sie haben sie nicht, und sind ihr auch nicht gefolgt, weil Sie es sonst in Ihrer Antwort würden erinnert haben. Die Anmerkung, die Dacier zu dieser Stelle macht, ist sehr gründlich, und nur Ihnen scheint sie nicht hinlänglich. Aber warum denn nicht? Etwa weil sie Ihnen widerspricht? Oder haben Sie sie nicht verstanden? Das kann seyn; ich will also ein Werk der Barmherzigkeit thun und sie Ihnen überseßen, weil sie ohnedem die beste Rechtfertigung meiner Kritik seyn wird. „Es läßt fich, sagt er, nichts galanters und nichts besser ausgedrücktes als „diese vier Verse erdenken. Den ersten aber hat man nicht wohl ver,,standen, weil die Ausleger geglaubt, Horaz wolle sagen, daß Licinia „ihren Mund den Küssen des Mäcenas entziehen wolle; allein sie ,,haben nicht überlegt, daß er, wenn dieses wäre, nothwendig hätte ,,fagen müssen: detorquet ab osculo und nicht ad osculum. Horaz „sagt also, daß Mäcen von Liebe gleich stark entflammt sey, Licinia „möge nun mit ihrem Munde seinen Küssen begegnen wollen, oder auch auf eine nicht abschreckende Art seiner Liebe widerstehen. Detorquet cervicem ad oscula, sagt man von einem Mädchen, das, „indem es thut als ob es den Küssen ausweichen wolle, seinen Hals „so zu wenden weiß, daß ihr Mund mit dem Munde ihres Geliebten zusammen kommt. Man wird gestehen, daß diese Erklärung gegen„wärtiger Stelle eine ganz andere Wendung giebt." Ich bin hier mit dem Dacier vollkommen zufrieden, nur daß er mir ein wenig

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zu stolz thut, gleich als ob dieser Einfall bloß aus seinem Gehirn gekommen sey, da ihn doch alle gehabt haben, und nothwendig haben müssen, welche ab osculis lesen. So gar der Paraphrast Lubinus sagt: dum roseam suam cervicem ad oscula tua, ut tibi gratificetur, inclinat et detorquet.

3. B. Ode 21.

Nun komm ich auf einen Punct, der Ihnen, Herr Pastor, Gelegenheit gegeben hat, eine wahrhafte Bettelgelehrsamkeit zu verrathen. Ich habe in dieser Ode getadelt, daß Sie prisci Catonis durch Priscus Cato übersezt haben. Ich habe dazu geseßt, daß man sich diese Ungereimtheit kaum einbilden könne, und endlich die Frage beigefügt, welcher von den Catonen Priscus geheißen habe? Erstlich also muß ich Ihnen zeigen, daß Sie Ihrer Rechtfertigung ungeachtet dennoch falsch übersezt haben; und hernach muß ich selbst meine eigene Frage rechtfertigen. Doch ich will das leztere zuerst thun, weil ich |alsdann etwas kürzer seyn kann. Welcher von den Catonen hat Priscus geheißen? Wider diese Frage führen Sie mir, grundgelehrter Herr Pastor, das Zeugniß des Dacier und des Mancinelli an, welche beide sagen, daß der ältere Cato Priscus geheißen habe. Ei! Dacier und Mancinelli! Mancinelli und Dacier! Sind das die Leute, mit welchen man etwas Streitiges aus den Alterthümern beweiset? Keine bessern wissen Sie nicht? Wahrhafte Bettelgelehrsamkeit, um es noch einmal zu wiederholen! Wenn ich nun behauptete, Dacier habe den Mancinelli ausgeschrieben, und Mancinelli rede ohne Beweis; was würden Sie wohl thun? Sie würden diese Ihre Fontes noch einmal zu Rathe ziehen; Sie würden sehen, ob sie keine andere Fontes anführen. Allein sie führen keine an; was nun zu thun? Das weiß Gott! Doch, Herr Pastor, ich will Sie in diese Verlegenheit nicht seßen. Was hätte ich davon, mit etwas zurückzuhalten, welches im geringsten nicht wider mich ist. Lernen Sie also von mir, was ich weder von dem Mancinelli, noch dem Dacier habe lernen dürfen, daß diese Ihre beiden Helden ohne Zweifel ouf eine Stelle des Plutarchs in dem Leben des ältern Cato zielen. Exaλeito de, heißt es auf meiner 336. Seite der Wechel'schen Ausgabe, Tw To Tw twv

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ὀνομάτων προτερον οὐ Κατων άλλα Πρίσκος, ύςερον δε τον Κάτωνα της δυναμεως ἐπωνυμον έσχε. Ρωμαιοι γαρ τον έμπειρον Κατωνα ὀνομαζουσιν. Denn es Shnen, mein lieber Herr Pastor, mit dem Griechischen etwa so geht, wie mit den algebraischen Aufgaben, die zu verstehen, nach der vierten Seite Ihres Schreibens, es sehr viel kosten soll, so schlagen Sie die Uebersezung des Herrn Kinds, die 520. Seite des 3. Theils auf, wo Sie folgendes finden werden: „Im Anfang hieß sein dritter Name Priscus und nicht Cato, welchen man ihm wegen seiner Klugheit beilegte, weil die Römer einen klugen und erfahrenen Mann Cato heißen." Ei, mein Herr Lange! Mache ich Ihnen hier nicht eine entseßliche Freude! Ich gebe Ihnen den Dolch selbst in die Hand, womit Sie mich ermorden sollen. Nicht? Che Sie aber zustoßen, bitte ich, so sehen Sie die griechische Stelle noch einmal an. Liegen folgende Säße nicht deutlich darin? Der ältere Cato hat niemals mehr als drei Namen gehabt; er hieß Priscus bis er anfing Cato zu heißen; so bald er Cato hieß, verlor er den Namen Priscus; und nie hat er zusammen Priscus Cato geheißen, welches vier Namen ausmachen würde, die er nach dem Zeugnisse Plutarchs nie geführt hat. Wenn ich also gefragt habe, welcher von den Catonen Priscus genannt worden, so hat nur Herr Pastor Lange, der seinen Gegner für so unwissend hält, als er selbst ist, glauben können, als ob ich so viel fragen wolle, wel. cher von den Catonen, ehe er Cato geheißen, den Namen Priscus geführt habe? Was würde dieses zu der Stelle des Horaz helfen, wo nicht von einem Manne geredet wird, der zu verschiedenen Zeiten erst Priscus und hernach Cato geheißen, sondern von einem, welcher beide Namen zugleich, wie Herr Lange will, geführt haben soll? Meine Frage scheint durch die Auslassung eines einzigen Worts ein wenig unbestimmt geworden zu seyn. Ich hätte nämlich, um auch den Verdrehungen keine Blöße zu geben, mich so ausdrücken sollen: Welcher von den Catonen hat denn Priscus Cato gehcißen? Auf diese Frage nun ist unmöglich anders zu antworten als: keiner. Mancinelli und Dacier selbst unterscheiden die Zeiten, und sagen nicht, daß er Priscus Cato zugleich geheißen habe. Sie begehen folglich einen Schnißer, wenn Sie nach Ihrer Art recht wißig seyn wollen, und im Tone der

alten Weiber sagen: es war einmal ein Mann, der hieß Priscus, und bekam den Zunamen Cato. Nein, mein altes Mütterchen, das ist falsch; so muß es heißen: es war einmal ein Mann, dessen Zuname Priscus durch einen andern Zunamen Cato verdrungen ward. Da es also historisch

Doch lassen Sie uns weiter gehen.

unrichtig ist, daß jemals ein Priscus Cato in der Welt gewesen ist, so könnte es, wird man mir einwenden, gleichwohl dem Dichter erlaubt seyn, diese zwei Namen zusammen zu bringen. Gut! und das ist der zweite Punct, auf den ich antworten muß; ich muß nämlich zeigen, daß Horaz hier gar nicht Willens gewesen ist, eine Probe seiner Kenntniß der Catonischen Familiengeschichte zu geben, und daß ein Herr Lange, der dieses glaubt, ihn gelehrter macht, als er seyn will. Dieses zu thun, will ich, um mir bei Ihnen ein Ansehen zu machen, alte und neue Ausleger anführen und zugleich die Gründe untersuchen, welche sie etwa mögen bewogen haben, so wie ich zu denken. Ueberhaupt muß ich Ihnen sagen, daß ich unter mehr als dreißig beträchtlichen Ausgaben keine einzige finde, die das priscus mit einem großen P schreibt, welches doch nothwendig seyn müßte, wenn ihre Besorger es für einen Zunamen angesehen hätten. Nennen Sie mir doch, Wunders halber, diejenige, die in diesem Puncte so ctwas besonderes hat. Ihr eigner Text, welwem es sonst an dem Besondern, wenigstens in Ansehung der Fehler, nicht mangelt, hat die gemeine Schreibart beibehalten; so daß ich schon entschuldigt genug. wäre, wenn ich sagte, ich habe Sie beurtheilt, so wie ich Sie gefunden. Denn weßwegen läßt ein Ueberseyer sonst sein Original an die Seite drucken, wenn er es nicht deßwegen thut, damit man sehen soll, was für einer Lesart, was für einer Interpunction er gefolgt sey? Geschieht es nur darum, damit das Buch einige Bogen stärker werde? Umsonst sagen Sie, es sey mit Fleiß geschehen, und die Ursache gehöre nicht hierher. Sie gehört hierher, Herr Pastor, und nicht sie, sondern Ihr unzeitiges Siegsgeschrei hätten Sie weglassen sollen

Lassen Sie sich nun weiter lehren, daß alle Ausleger bei dieser Stelle sich in zwei Classen abtheilen. Die einen verstehen den ältern Cato, den Sittenrichter, darunter, die andern den jüngern, welchen sein Tod berühmter als alles andere gemacht hat. Jene, worunter

jeffer

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Acron, "Badius 4 Glareanus, Lubinus und wie sie alle heißen, gehören, erklären das prisci dure antiquioris oder veteris, und lassen sich es nicht in den Sinn kommen, das Vorgeben des Plutarchs hierher zu ziehen, ob es ihnen gleich, ohne Zweifel, so wenig unPear bekannt gewesen ist, als mir. Diese, welche sich besonders darauf pads berufen, daß man den Sittenrichter wohl wegen der alleraußer orbentlichsten Mäßigung gelobt, nirgends aber wegen des übermäßigen Trunks getadelt finde; da man hingegen von seinem Enkel an mehr als einem Orte lese, daß er ganze Nächte bei dem Weine ges und ganze Tage bei dem Brettspiele zugebracht habe: diese, sage ich, Lambinus, Chabotius c. verstehen unter priscus einen solchen, Sitten alten Welt ist, und nehmen es für severus an. Einer von ihnen, Landinus, scheint sogar eine andere severustait Lesart gehabt und anstatt priser prisca, welches alsdann mit virtus zu verbinden wäre, gefunden zu haben. Er seßt hinzu: prisca virtus, quæ talis fult qualis olim in priscis hominibus esse consuevit. Ich gestehe, daß mir diese Abweichung ungemein gefallen würde, wenn sie nicht offenbar wider das Sylbenmaaß wäre. Doch was suche ich Ihre Widerlegung so weit? Ihre zwei Währmänner, Mancinellus und Dacier, find Ihnen ja selbst zuwider; und wenn es nicht jedem Leser in die Augen fällt, so kommt es nur daher, weil Sie ihre Zeugnisse minder vollständig angeführt haben. Ich will diesen fleinen Betrug entdecken. Bei dem Dacier hätten Sie nicht bloß einen der sondern auch die Ueberseßung selbst beifügen sollen. Doch war Ihnen ungelegen, weil diese ausdrücklich für were thot mich ist. Wenn Dacier fest geglaubt hat, daß priscus den erstern Zunamen bes Cato bedeute, so sagen Sie mir doch, warum giebt er es gleichwohl durch la vertu du vieux Caton? Echeint er dadurch nicht erkannt zu haben, daß seine Anmerkung, so gelehrt sie auch sey, dennoch nicht hierher gehöre? Was vollends den Mancinelli anbeTangt, fo hätten Sie nur noch einen Perioden mehr hinzuseßen dürfen, um sich lächerlich zu machen. Sagt er denn nicht ausdrücklich: poeta abusus est nomine, man muß den jüngern Cato und nicht Sittenrichtet, verstehen? Oder meinen Sie etwa, daß der Widerpart des Cäsars auch Priscus einmal geheißen habe. Wenn

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