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blieben nicht ohne Wirkung. Das Gerippe als Personification des Todes, des Actes des Sterbens, das die christliche Kunst eingeführt und das in den Todtentänzen des späteren Mittelalters eine so bedeutende Rolle spielte, trat allmählich vom Schauplage ab, und das schöne Bild, das Leffing erst wieder einführte, wurde auf Monumenten und in den zeichnenden Künsten an feine Stelle gefekt, oder mit andern Sinnbildern des Todes und der Unsterblichkeit vertauscht. Wie die Befreiung von dem Bilde des Todes unter der Unform eines klappernden Gerippes auf die jungen aufstrebenden Zeitgenoffen Lessings gewirkt haben mag, liest --man im achten Buche von Goethes Wahrheit und Dichtung: 'Uns entzückte die Schönheit jenes Gedankens, daß die Alten den Tod als den Bruder des Schlafs anerkannt und beite, wie es Menächmen geziemt, zum Verwechseln gleich gebildet. Hier konnten wir nun erst den Triumph des Schönen höchlich feiern, und das Häßliche jeder Art, da es doch einmal aus der Welt nicht zu vertreiben ist, im Reich der Kunst nur in den niedrigen Kreis des Lächerlichen verweisen. Die Herrlichkeit folcher Haupt- und Grundbegriffe erscheint nur dem Gemüth, auf welches sie ihre unendliche Wirksamkeit ausüben, erscheint nur der Zeit, in welcher fie, ersehnt, im rechten Augenblick hervortreten.'

N. Goebete.

Vorrede.

Ich wollte nicht gern, daß man diese Untersuchung nach ihrer Veranlassung schäzen möchte. Ihre Veranlassung ist so verächtlich, daß nur die Art, wie ich sie genugt habe, mich entschuldigen kann, daß ich sie überhaupt nußen wollen,

Nicht zwar, als ob ich unser jeßiges Publikum gegen alles, was Streitschrift heißt und ihr ähnlich sieht, nicht für ein wenig allzu eckel hielte. Es scheint vergessen zu wollen, daß es die Aufklärung so mancher wichtigen Punkte dem bloßen Widerspruche zu danken hat, und daß die Menschen noch über nichts in der Welt einig seyn würden, wenn sie noch über nichts in der Welt gezankt hätten.

,,Gezanft;" denn so nennt die Artigkeit alles Streiten: und Banken ist etwas so unmanierliches geworden, daß man sich weit weniger schämen darf, zu hassen und zu verleumden, als zu zanken.at

Bestünde indeß der größere Theil des Publikums, das von keinen Streitschriften wissen will, etwa aus Schriftstellern selbst: so dürfte es wohl nicht die bloße Politesse seyn, die den polemischen Ton nicht dulden will. Er ist der Eigenliebe und dem Selbstdünkel so unbehags lich! Er ist den erschlichenen Namen so gefährlich!

Über die Wahrheit, sagt man, gewinnt dabei so selten. →→→ So selten? Es sey, daß noch durch keinen Streit die Wahrheit ausgemacht worden: so hat dennoch die Wahrheit bei jedem Streite gewonnen. Der Streit hat den Geift der Prüfung genährt, hat Vorurtheil und Ansehen in einer beständigen Erschütterung erhalten; kurz, hat die geschminkte Unwahrheit verhindert, sich) an der Stelle der Wahrheit festzuseßen.

Auch kann ich nicht der Meinung seyn, daß wenigstens das Streiten nur für die wichtigern Wahrheiten gehöre. Die Wichtigkeit ist ein Lessing, Werke. IV.

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relativer Begriff, und was in einem Betracht sehr unwichtig ist, kann in einem andern sehr wichtig werden. Als Beschaffenheit unserer Erkenntniß ist dazu eine Wahrheit so wichtig als die andere: und wer in dem allergeringsten Dinge für Wahrheit und Unwahrheit gleichgültig ist, wird mich nimmermehr überreden, daß er die Wahrheit bloß der Wahrheit wegen liebt.

Ich will meine Denkungsart hierin niemanden aufdringen. Aber den, der am weitesten davon entfernt ist, darf ich wenigstens bitten, wenn er sein Urtheil über diese Untersuchung öffentlich sagen will, es zu vergessen, daß sie gegen jemand gerichtet ist. Er lasse sich auf die Sache ein, und schweige von den Personen. Welcher von diesen der Kunstrichter gewogener ist, welche er überhaupt für den bessern Schriftsteller hält, verlangt kein Mensch von ihm zu wissen. Alles was man von ihm zu wissen begehrt, ist dieses, ob er, seinerseits, in die Wagschale des einen oder des andern etwas zu legen habe, welches im gegenwärtigen Falle den Ausschlag zwischen ihnen ändere oder vermehre, Nur ein solches Beigewicht, aufrichtig ertheilt, macht ihn dazu, was er seyn will; aber er bilde sich nicht ein, daß sein bloßer tahler Ausspruch ein solches Beigewicht seyn kann. Ist er der Mann, der uns beide übersieht, so bediene er sich der Gelegenheit, uns beide zu belehren.

Von dem Tumultuarischen, welches er meiner Arbeit gar bald anmerken wird, kann er sagen, was ihm beliebt. Wenn er nur die Sache darunter nicht leiden läßt. Allerdings hätte ich mit mehr Orde nung zu Werke gehen können; ich hätte meine Gründe in ein vortheilhafteres Licht stellen können; ich hätte noch dieses und jenes feltene oder kostbare Buch nußen können; was hätte ich nicht alles!

Dabei sind es nur längst bekannte Denkmale der alten Kunst, die mir freigestanden, zur Grundlagè meiner Untersuchung zu machen. Schäße dieser Art kommen täglich mehrere an das Licht, und ich wünschte selbst von denen zu seyn, die ihre Wißbegierde am ersten damit befriedigen können. Aber es wäre sonderbar, wenn nur der reich heißen sollte, der das meiste frisch gemünzte Geld besigt. Die Vorsicht erforderte vielmehr, sich mit diesem überhaupt nicht eher viel zu bemengen, bis der wahre Gehalt außer Zweifel gesezt worden.

Der Antiquar, der zu einer neuen Behauptung uns auf ein altes Kunstwerk verweiset, das nur er noch kennt, das er zuerst entdeckt hat, kann ein sehr ehrlicher Mann seyn, und es wäre schlimm für das Studium, wenn unter achten nicht fieben es wären. Aber der, der, was er behauptet, nur aus dem behauptet, was ein Boissard oder Pighius hundert und mehr Jahre vor ihm gesehen haben, kann schlechterdings kein Betrieger seyn; und etwas Neues an dem Alten entdecken, ist wenigstens eben so rühmlich, als das Alte durch etwas Neues bestätigen.

Veranlassung.

Immer glaubt Herr Kloß, mir auf den Fersen zu seyn. Aber immer, wenn ich mich, auf sein Zurufen, nach ihm umwende, sehe ich ihn, ganz seitab, in einer Staubwolke, auf einem Wege einher ziehen, den ich nie betreten habe.ta

„Herr Lessing, lautet sein neuester Zuruf dieser Art, 1 wird mir erlauben, der Behauptung, daß die alten Artisten den Tod nicht als ein Skelet vorgestellt hätten (s. Laokoon S. 122) eben den Werth beizulegen, den seine zwei andern Säße, daß die Alten nie eine Furie, und nie schwebende Figuren ohne Flügel gebildet, haben. Er tann sich sogar nicht bereden, daß das liegende Stelet von Bronze, welches mit dem einen Arme auf einem Aschenkruge ruht, in der Herzoglichen Gallerie zu Florenz, eine wirkliche Antike sey. Vielleicht überredet er sich eher, wenn er die geschnittenen Steine ansieht, auf welchen ein völliges Gerippe abgebildet ist (s. Buonarotti Oss. sopr. alc. Vetri t. XXXVIII. 3. und Lipperts Daktyliothek, zweites Lausend, n. 998). Im Museo Florentino sieht man dieses Skelet, welchem ein sißender Alter etwas vorbläst, gleichfalls auf einem Steine (f. Les Satires de Perse par Sinner S. 30). Doch geschnittene Steine, wird Herr Lessing sagen, gehören zur Bildersprache. Nun so verweise ich ihn auf das metallene Stelet in dem Kircherschen Museum (j. Ficoroni Gemmas antiq. rarior. t. VIII). Ist er auch hiemit noch nicht zufrieden, so will ich ihn zum Ueberflusse erinnern, daß bereits Herr

1 In der Vorrede zum zweiten Theile der Abhandlungen des Grafen Caylus,

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Winkelmann in seinem Versuch der Allegorie S. 81 zweier alten Urnen von Marmor in Rom Meldung gethan, auf welchen Lobtengerippe stehen. Wenn Herrn Lessing meine vielen Beispiele nicht verdrüßlich machen, so sebe ich noch Sponü Miscell. Antiq. Erud. Sect. L. Art. III. hinzu: besonders n. 5. Und da ich mir einmal die Freiheit genommen, wider ihn einiges zu erinnern, so muß ich ihn auf die prächtige Sammlung der gemalten Gefäße des Herrn Hamilton verweisen, um noch eine Furie auf einem Gefäße zu erblicken. (Collection of Etruscan, Grecian and Roman Antiquities from the Cabinet of the Hon. Wm. Hamilton n. 6).“

Es ist, bei Gott, wohl eine große Freiheit, mir zu widersprechen! Und wer mir widerspricht, hat sich wohl sehr zu bekümmern, ob ich verdrüßlich werde, oder nicht!

...

best Allerdings zwar sollte ein Widerspruch, als womit mich Herr Klog verfolgt, in die Länge auch den gelassensten, kältesten. Mann verdrüßlich machen. Wenn ich sage: es ist noch nicht Nacht,“ so fagt Herr Klop: aber Mittag ist doch schon längst vorbei." Wenn ich sage: fieben und sieben macht nicht funfzehn," so sagt er: „aber sieben und achte macht doch funfzehn." Und das heißt er, mir widers sprechen, mich widerlegen, mir unverzeihliche Irrthümer zeigen!

Ich bitte ihn, einen Augenblick seinen Verstand etwas mehr als sein Gedächtniß zu Rathe zu ziehen, ev dus

Ich habes behauptet, daß die alten Artisten den Lob nicht als ein Stelet vorgestellt, und ich behaupte es noch. Aber sagen, daß die alten Artisten den Tod nicht als ein Stelet vorgestellt, heißt denn dieses von ihnen sagen, daß sie überhaupt. kein Skelet vorgestellt? Ist denn unter diesen beiden Säßen, so ganz und gar kein Unterschied, daß wer den einen erweiset, auch nothwendig den andern erwiesen hat? daß wer den einen läugnet, auch, nothwendig den andern läugnen muß ?

/Hiw. ist eingeschnittener Stein, und. da eine marmorne Urne, und dort ein metallenes Bildchen; alle sind ungezweifelt antik, und alle stellen. ein Skelet vor. Wohl! Wer weiß das nicht? › Wer kann das nicht wissen, dem gesunde Finger und Augen nicht abgehen, sobald zer es wissen will? Sollte man in den antiquarischen Werken nicht etwas mehr, als gebildert haben?

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