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Diese antiken Kunstwerke stellen Stelete vor; aber stellen denn diese Stelete den Tod vor? Muß denn ein Skelet schlechterdings den Tod, das personifirte Abstraktum des Todes, die Gottheit des Todes vorstellen? Warum sollte ein Skelet nicht auch bloß ein Skelet vorstellen können? Warum nicht auch etwas anderes?

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Der Scharfsinn des Herrn Kloz geht weit! Mehr brauchte ich ihm nicht zu antworten, aber doch will ich mehr thun, als ich brauchte. Da noch andere Gelehrte an den verkehrten Einbildungen des Herrn Kloß mehr oder weniger Theil nehmen, so will ich für diese hier zweierlei beweisen...

Fürs erste: daß die alten Artisten den Tod, die Gottheit des Todes, wirklich unter einem ganz andern Bilde vorstellten, als unter dem Bilde des Stelets, els

བྷཱཏིཛྫཱ

Fürs zweiter daß die alten Artisten, wenn sie ein Skelet vorstellten, unter diesem Skelete etwas ganz anders meinten, als den Lod, als die Gottheit des Todes.

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I. Die alten Artisten stellten den Tod nicht als ein Skelet vor, denn sie stellten ihn nach der Homerischen Idee, 1 als den Zwillings. bruder des Schlafes vor, und stellten beide, den Tod und den Schlaf, mit der Aehnlichkeit unter sich vor, die wir an Zwillingen so natürlich erwarten. Auf einer Riste von Cedernholz, in dem Tempel der Juno zu Elis, ruchten sie beide als Knaben in den Armen der Nacht. Nur war der eine weiß, der andere schwarz; jener schlief, dieser schien zu schlafen; beide mit über einander geschlagenen Füßen. 2 milioni

Hier nehme ich einen Saz zu Hülfe, von welchem sich nur wenige Ausnahmen finden dürften. Diesen nämlich, daß die Aten die sinnliche Vorstellung, welche ein idealisches Wesen einmal erhalten hatte, getreulich beibehielten. Denn ob dergleichen Vorstellungen schon willtürlich sind, und ein jeder gleiches Recht hätte, sie so oder anders anzunehmen: so hielten es dennoch die Alten für gut und nothwendig,

1. T. 681. 82.

* Pausanias Eliac. cap. XVIII. p. 422. Edit. Kufin. Taotoon S. 121.

daß sich der Spätere dieses Rechtes begebe, und dem ersten Erfinder folge. Die Ursache ist klar: ohne diese allgemeine Einförmigkeit ist feine allgemeine Erkenntlichkeit möglich.

Folglich auch jene Aehnlichkeit des Todes mit dem Schlafe von den griechischen Artisten einmal angenommen, wird sie von ihnen, allem Vermuthen nach, auch immer seyn beobachtet worden. Sie zeigte sich unstreitig an den Bildsäulen, welche beide diese Wesen zu Lacedämon hatten, denn sie erinnerten den Pausanias 1 an die Ver›brüderung, welche Homer unter ihnen eingeführt.

Welche Aehnlichkeit mit dem Schlafe aber läßt sich im geringsten denken, wenn der Tod als ein bloßes Gerippe ihm zur Seite stand?

Vielleicht, schrieb Winkelmann, 2 war der Zod bei den Einwoh nern von Gades, dem heutigen Cadix, welche unter allen Völkern die einzigen waren, die den Tod verehrten, also gestaltet." - Als Gerippe nämlich.

Doch Winkelmann hatte zu diesem Vielleicht nicht den geringsten Grund. Philostrat 3 sagt bloß von den Gaditanern, daß sie die ein: zigen Menschen wären, welche dem Tode Päane sängen.". Er er: wähnt nicht einmal einer Bildsäule, geschweige daß er im geringsten vermuthen lasse, diese Bildsäule habe ein Gerippe vorgestellt. Endlich, was würde uns auch hier die Vorstellung der Gaditaner angehen? Es ist von den symbolischen Bildern der Griechen, nicht der Barbaren die Rede.e

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Ich erinnere beiläufig, daß ich die angezogenen Worte des Philo ftrata, τον θανατον μονοι ἀνθρωπων παιανίζονται, nicht mit Winkelmannen überseßen möchte, die Gaditaner wären unter allen Völkern die einzigen gewesen, welche den Tod verehrt." Verehrt sagt von den Gaditanern zu wenig, und verneint von den übrigen Völkern zu viel. Selbst bei den Griechen war der Tod nicht ganz ohne Verehrung. Das Besondere der Gaditaner war nur dieses, daß sie die Gottheit des Todes für erbittlich hielten; daß sie glaubten, durch Opfer und Päane seine Strenge mildern, seinen Schluß

1 Laconic. cap. XIX. p. 253.

2 Allego. S. 83.

Vita Apollo. lib. V. c. 4.

verzögern zu können. Denn Päane heißen im besonderen Verstande Lieder, die einer Gottheit zur Abwendung irgend eines Uebels gefungen werden. Philostrat scheint auf die Stelle des Aeschylus anzus spielen, wo von dem Tode gesagt wird, daß er der einzige unter den Göttern sey, der keine Geschenke ansehe, der daher keine Altäre habe, dem keine Päane gesungen würden:

Οὐδ ̓ ἐςι βωμος, οὐδε παιωνίζεται.

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Winkelmann selbst merkt in seinem Versuche über die Allegorie bei dem Schlafe an, 1 daß auf einem Grabsteine in dem Palaste Albani der Schlaf als ein junger Genius, auf eine umgekehrte Fackel sich stüßend, nebst seinem Bruder, dem Tode, vorgestellt wären, „und eben so abgebildet fänden sich diese zwei Genii auch an einer Begräbnißurne in dem Collegio Clementino zu Rom." Ich wünschte, er hätte sich dieser Vorstellung bei dem Tode selbst wiedefum erinnert. Denn so würden wir die einzig genuine und allgemeine Vorstellung des Lodes da nicht vermissen, wo er uns nur mit verschiedenen Allegorieen verschiedener Arten des Sterbens abfindet.

Auch dürfte man wünschen, Winkelmann hätte uns die beiden Denkmäler etwas näher beschrieben. Er sagt nur sehr wenig davon, und das Wenige ist so bestimmt nicht, als es seyn könnte. Der Schlaf stüßt sich da auf eine umgekehrte Fackel; aber auch der Lod? und vollkommen eben so? Ist gar kein Abzeichen zwischen beiden Genien? und welches ist es? Ich wüßte nicht, daß diese Denkmäler sonst bes fannt gemacht wären, wo man sich Raths erholen könnte.

Jedoch sie sind, zum Glücke, nicht die einzigen ihrer Art. Winkelmann bemerkte auf ihnen nichts, was sich nicht auch auf mehreren und längst vor ihm bekannten bemerken ließe. Er sah einen jungen Genius mit umgestürzter Fadel und der ausdrücklichen Ueberschrift Somno; aber auf einem Grabsteine beim Boissard 2 erblicken wir die nämliche Figur, und die Ueberschrift Somno Orestilia Filia läßt uns wegen der Deutung derselben eben so wenig ungewiß seyn. Ohne Ueberschrift kömmt sie eben daselbst noch oft vot; ja auf mehr als

1 S. 76.

2 Topograph. Parte III. p. 48.

einem Grabsteine und Sarge kömmt sie doppelt vor. 1 Was kann aber in dieser vollkommen ähnlichen Verdoppelung, wenn das eine Bild der Schlaf ist, das andere wohl schicklicher seyn, als der Zwillingsbruder des Schlafes, der Tod?

Es ist zu verwundern, wie Alterthumsforscher dieses nicht wiffen, oder wenn sie es wußten, in ihren Auslegungen anzuwenden vergessen konnten. Ich will hiervon nur einige Beispiele geben.

Vor allen fällt mir der marmorne Sarg bei, welchen Bellori in feinen Admirandis bekannt gemacht, 2 und von dem legten Schicksale des Menschen erklärt hat. Hier zeigt sich unter andern ein geflügelter Jüngling, der in einer tiefsinnigen Stellung, den linken Fuß über den rechten geschlagen, neben einem Leichname steht, mit seiner Rechten und dem Haupte auf einer umgekehrten Fackel ruht, die auf die Brust des Leichnams gestüßt ist, und in der Linken, die um die Fackel herabgreift, einen Kranz mit einem Schmetterlinge hält. Diese Figur, sagt Bellori, sey Amor, welcher die Fackel, das ist, die Affekten auf der Bruft des verstorbenen Menschen auslösche. Und ich sage: diese Figur ist der Tod!

Nicht jeder geflügelte Knabe oder Jüngling muß ein Amor seyn. Amor und das Heer seiner Brüder hatten diese Bildung mit mehreren geistigen Wesen gemein. Wie manche aus dem Geschlecht der Genien wurden als Knaben vorgestellt! 4 Und was hatte nicht seinen Genius? Jeder Ort; jeder Mensch; jede gesellschaftliche Verbindung des Menschen; jede Beschäftigung des Menschen von der niedrigsten bis zur größten; 5 ja, ich möchte sagen, jedes unbelebte Ding, an dessen Erhaltung gelegen war, hatte seinen Genius. Wenn dieses, unter andern auch dem Herrn Kloß, nicht eine ganz unbekannte Sache gewesen wäre: so würde er uns sicherlich mit dem größten Theile seiner zuckersüßen Geschichte des Anors aus geschnittenen Steinen 6 verschont haben. Mit den aufmerksamften Fingern forschte dieser große Gelehrte

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6 Ueber den Nugen und Gebr. der alt. gesch. St. von S. 194 bið 224.

diesem niedlichen Gotte durch alle Kupferbücher nach; und wo ihm nur ein kleiner nackter Bube vorkam, da schrie er: Amor! Amor! und trug ihn geschwind in seine Rolle ein. Ich wünsche dem viel Geduld, der die Musterung über diese Klozischen Amors unternehmen will. Alle Augenblicke wird er einen aus dem Gliede stoßen müssen. Doch davon an einem andern Orte!

Genug, wenn nicht jeder geflügelte Knabe oder Jüngling nothwendig ein Amor seyn muß: so braucht es dieser auf dem Monumente des Bellori am wenigsten zu seyn.

Und kann es schlechterdings nicht seynt Denn keine allegorische Figur muß mit sich selbst im Widerspruche stehen. In diesem aber würde ein Amor stehen, dessen Werk es wäre, die Affekten in der Brust des Menschen zu verlöschen. Ein solcher Amor ist eben darum tein Amor.

Vielmehr spricht alles, was um und an diesem geflügelten Jüng linge ist, für das Bild dcs Todes.

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Denn wenn es auch nur von dem Schlafe erwiesen wäre, daß ihn die Alten als einen jungen Genius mit Flügeln vorgestellt: so würde auch schon das uns hinlänglich berechtigen, von seinem Zwillingsbruder, dem Tode, ein Gleiches zu vermuthen. Somni idolum senile fingitur, schrieb Barth auf gut Glück nur so hin, 1 um seine Interpunction in einer Stelle des Statius zu rechtfertigen.

Crimine quo merui, juvenis placidissime divům
Quove errore miser, donis ut solus egerem T

Somne tuis?

flehte der Dichter zu dem Schlafe; und Barth wollte, daß der Dichter das juvenis von sich selbst, nicht von dem Schlafe gesagt habe:

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Crimine quo merui juvenis, placidissime divům etc. Es sey, weil es zur Noth seyn könnte; aber der Grund ist doch ganz nichtig. Der Schlaf war bei allen Dichtern eine jugendliche Gottheit; er liebte eine von den Grazien, und Juno, für einen wichtigen Dienst, gab ihm diese Grazie zur Ehe. Gleichwohl sollten ihn die Künstler 1 Ad Statium, Silv. V. 4.

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