Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

Schlaf vergönnen darf. 1 ~Bis auf die schläfenden Thiere, beobachteten die alten Künstler die angegebene Lage. Die zwei antiken Löwen, von gelblichem Marmor, unter den königlichen Alterthümern zu Berlin, schlafen mit übereinander geschlagenen Vorderfüßen, auf welchen der Kopf ruhet. Kein Wunder folglich, daß man auch den Schlaf selbst, in dieser den Schlafenden so gewöhnlichen Lage, von ihnen vorgestellt sieht. Ich verwies auf den Schlaf beim Maffei, 2 und ich hätte eben sowohl auf den ähnlichen Marmor des Tollius verweisen können. Zwei kleinere, ehedem bei dem Connetable Colonna, von jenen wenig oder nichts unterschieden, erwähnt ebenfalls Maffei.

Ja auch an wachenden Figuren ist die Lage der über einander geschlagenen Füße das Zeichen der Ruhe. Nicht wenige von den ganz oder halb liegenden Flußgöttern ruhen so auf ihren Urnen, und sogar an stehenden Personen ist ein Fuß über den andern geschlagen, der eigentliche Stand des Verweilens und der Erholung. Daher erscheinen die Mercure und Faune so manchmal in diesem Stande; besonders, wenn wir sie in ihre Flöte, oder sonst ein erquickendes Spiel, vertieft finden.

"

Nun wäge man alle diese Wahrscheinlichkeiten gegen die blank und bloßen Widersprüche ab, mit welchen man meine Auslegung abfertigen wollen. Der gründlichste ist noch der, der sich von einem Gelehrten herschreibt, dem ich wichtigere Erinnerungen zu danken habe. Die Leffingide Grflärung bες διεστραμμένους τους rodas," sagt der Verfasser der kritischen Wälder, 3 „scheint dem Sprachgebrauche zu widersprechen; und wenn es aufs Muthmaßen ankäme, könnte ich eben so sagen: sie schliefen mit über ein ander geschlagenen Füßen, d. i. des einen Fuß streckte sich über den andern hin, um die Verwandtschaft des Schlafes und Todes an=zuzeigen u. s. w."

Wider den Sprachgebrauch? wie das? Heißt distaμuevos etwas anders, als verwandt. und muß denn alles, was verwandt

1 Beim Maffei (T. XCIV.), wo man fich über den Geschmac dieses Auslegèrs ärgern muß, der eine so unanständige Figur mit aller Gewalt zu einem Bacchus machen will.

2 Tabl. CLI.

2 Erstes Wäldchen S. 83.

ist, nothwendig krumm seyn? Wie könnte man denn einen mit über: geschlagenen Füßen auf griechisch richtiger und besser nennen, als διεστραμμένον (κατα) τους πόδας ? ober διεστραμμένους Tavs rodas, mit unter verstandenem exovra? Ich wüßte im geringsten nicht, was hier wider die natürliche Bedeutung der Worte, oder gegen die genuine Construction der Sprache wäre. Wenn Paufanias hätte trumm sagen wollen, warum sollte er nicht das gewöhn liche oxalos gebraucht haben?

[ocr errors]

Muthmaßen hiernächst läßt sich freilich vielerlei. Aber verdient wohl eine Muthmaßung, die nichts als die bloße Möglichkeit vor sich hat, einer entgegen gefeßt zu werden, der so wenig zu einer ausgemachten Wahrheit fehlt? Ja, auch kaum die Möglichkeit kann ich jener mir entgegengeseßten Muthmaßung einräumen. Denn der eine Knabe ruhete in dem einen, und der andere in dem andern Arme der Nacht; folglich wäre die Verschränkung der Füße des einen mit den Füßen des ander kaum zu begreifen. Endlich die Möglichkeit diefer Verschränkung auch zugegeben, würde sodann das dioτoαμμεvovs, welches sie ausdrücken sollte, nicht ebenfalls etwas ganz anderes heißen, als krumm? Würde diese Bedeutung nicht ebenfalls wider den Sprachgebrauch seyn ? Würde die Muthmaßung meines Gegners also nicht eben der Schwierigkeit ausgeseßt seyn, der er meine ausgesezt zu seyn meint, ohne daß sie eine einzige der Empfehlungen hätte, die en diefer nicht absprechen kann?

[ocr errors]
[ocr errors]

ryer, Nun zurück, zu dem Bilde beim Bellori. Wenn aus dem, was ich bisher beigebracht, erwiesen ist, daß die alten Artisten den Schlaf mit über einander geschlagenen Füßen gebildets wenn es erwiesen ist, daß sie dem Tod eine genaue Aehnlichkeit mit dem Schlafe gegeben: so werden sie, allem Vermuthen nach, auch den Tod mit über einander geschlagenen Füßen vorzustellen nicht unterlassen haben. Und wie, wenn eben dieses Bild beim Bellori ein Beweis davon wäre? Denn wirklich steht es, den einen Fuß über den andern, geschlagen; und diese Besonderheit des Standes, glaube ich, kann eben sowohl dienen, die Bedeutung der ganzen Figur zu bestätigen, als die anderweits erwiesene Bedeutung derselben das Charakteristische dieses besondern Standes festzusehen hinlänglich seyn dürfte.

A

Doch es versteht sich, daß ich so geschwind und dreist nicht schließen würde, wenn dieses das einzige alte Monument wäre, auf welchem sich die über einander geschlagenen Füße an dem Bilde des Todes zeigten. Denn nichts würde natürlicher seyn, als mir einzuwenden: wenn die alten Künstler den Schlaf mit über einander geschlagenen Füßen gebildet haben, so haben sie ihn doch nur als liegend, und wirklich selbst schlafend so gebildet; von dieser Lage des Schlafes im Schlafe ist also auf seinen stehenden Stand, oder gar auf den stehenden Stand des ihm ähnlichen Todes, wenig oder nichts zu schließen, und es kann ein bloßer Zufall seyn, daß hier einmal der Tod so steht, als man sonst den Schlaf schlafen sieht."

Nur mehrere Monumente, welche eben das zeigen, was ich an der Figur beim Bellori zu sehen glaube, können dieser Einwendung vorbauen. Ich eile also, deren so viele anzuführen, als zur Induktion binreichend sind, und glaube, daß man es für keine bloße überflüssige Auszierung halten wird, einige der vorzüglichsten in Abbildung beigefügt zu finden.

[ocr errors]

Zuerst also 1 erscheint der oben angeführte Grabstein beim Boissari. Weil die ausdrücklichen Ueberschriften desseiben nicht verstatten, uns in der Deutung seiner Figuren zu irren: so kann er gleichsam der Schlüssel zu allen übrigen Denkmälern heißen. Wie aber zeigt sich hier die Figur, welche mit Somno Orestilia Filia überschrieben ist? Als ein nackter Jüngling, einen traurigen Blick seitwärts zur Erde heftend, mit dem einen Arme auf eine umgekehrte Fackel sich stüßend, und den einen Fuß über den andern geschlagen. Ich darf nicht unerinnert lassen, daß von eben diesem Denkmale sich auch eine Zeichnung unter den Papieren des Pighius in der königlichen Bibliothek zu Berlin befindet, aus welcher Spanheim die einzelne Figur des Schlafes seinem Commentar über den Fallimachus einverleibt hat. Daß es schlechterdings die nämliche Figur des nämlichen Denkmals beim Boissard seyn soll, ist aus der nämlichen Ueberschrift unstreitig. Über um so viel mehr wird man sich wundern, an beiden so merkliche Verschiedenheiten zu erblicken. Die schlanke, ausgebildete Gestalt beim

1 S. den beigefügten Holzschnith*

2 Ad ver. 234, Hym. in. Delum, p. 524. Edit. Ern, Lessing, Werte. IV.

1

5

2

Boissard ist beim Pighius ein fetter stämmiger Knabe; dieser hat Flügel, und jene hat keine; geringerer Abweichungen, als in der Wendung des Hauptes, in der Richtung der Arme, zu geschweigen. Wie diese Abweichungen von Spanheim nicht bemerkt werden können, ist begreiflich; Spanheim kannte das Denkmal nur aus den Inschriften des Gruter, wo er die bloßen Werte ohne alle Zeichnung fand; er wußte nicht, oder erinnerte sich nicht, daß die Zeichnung bereits beim Boissard vorkomme, und glaubte also etwas ganz unbekanntes zu liefern, wenn er sie uns zum Theil aus den Papieren des Pighius mittheilte. Weniger ist Grävius zu entschuldigen, welcher seiner Ausgabe der Gruter'schen Inschriften die Zeichnung aus dem Boissard beifügte, 1 und gleichwohl den Widerspruch, den diese Zeichnung mit der wörtlichen Beschreibung des Gruter macht, nicht bemerkte. In dieser ist die Figur Genius alatus, crinitus, obesus, dormiens, dextra manu in humerum sinistrum, a quo velum retrorsum dependet, posita; und in jener erscheint sie, gerade gegenüber, so wie wir sie hier erblicken, ganz anders: nicht geflügelt, nicht eben von tarken Haaren, nicht fett, nicht schlafend, nicht mit der rechten Hand auf der linken Schulter. Eine solche Mißhelligkeit ist anstößig, und fann nicht anders als Mißtrauen bei dem Leser erwecken, besonders wann er sich noch dazu nicht einmal davor gewarnt findet. Sie be weist indeß so viel, daß unmöglich beide Zeichnungen unmittelbar von dem Denkmale können genommen seyn; eine derselben muß nothwendig aus dem Gedächtnisse seyn gemacht worden. Ob dieses die Zeichnung des Pighius oder die Zeichnung des Boissard sey, kann nur der entscheiden, welcher das Denkmal selbst damit zu vergleichen Gelegenheit hat. Nach der Angabe des leztern befand es sich zu Rom in dem Palaste des Cardinals Cesi. Dieser Palast aber, wenn ich recht unterrichtet bin, ward in der Plünderung von 1527 gänzlich zer stört. Verschiedene von den Alterthümern, welche Boissard daselbst sah, mögen sich jest in dem Pa'aste Farnese befinden; ich vermuthe dieses von dem Hermaphrodit, und dem vermeinten Kopfe des Pyrrhus.2

1 Pag. CCCIV.

Caput

2 Hermaphroditus nudus, qui involutum palliolo femur habet. ingens Pyrrhi regis Epirotarum, galeatum, cristatum, et armato pectore.

[merged small][subsumed][subsumed][subsumed][subsumed][subsumed][merged small][graphic]
« ZurückWeiter »