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redet. 1 Was ich aber vornehmlich zum Behufe dieses zweiten Unterschiedes anführen kann, ist eine Stelle in den „Fröschen“ des Aristophanes. Aeschylus und Euripides sollen da mit einander streiten; der Chorus muntert sie auf; indem aber fällt ihm ein, daß beide als tragische Dichter sich vielleicht an die gegenwärtigen Zuschauer stoßen dürften. Es sind Zuschauer einer Komödie, und die unter ihnen befindlichen Richter sind bloß Richter einer Komödie. Werden diese auch von tragischen Schönheiten urtheilen können? Aber seyd deßwegen unbesorgt, läßt Aristophanes den Chor zu ihnen sagen: Sie sind allerdings fähig, auch Euch zu beurtheilen! Espatev μενοι γαρ εισι; venn es find Leute, bie mit au gelbe gemvefen sind, die ihre Kriegsdienste gethan haben. Hier ist die ganze Etelle : 2

Ει δε τουτο καταφοβείσθον, μη τις άμαθια προσῃ
Τοις θεωμενοισιν, ὡς τα

Λεπτα μη γνωναι λεγοντοιν,

Μηδεν ὀῤῥωδειτε τουθ· ὡς οὐκ ἐν οὕτω ταυτ' έχει.
Ετρατευμενοι γαρ εισι·

Βιβλιον τ' ἐχων έκαςος μανθανει τα δεξια.
Αι φύσεις δ' άλλως κρατιςαι,

Νυν δε και παρηκονηνται,
Μηδεν οὖν δεισητον, άλλα

Παντ ̓ ἐπεξιτον, θεατων γ' ούνεχ', ὡς ὄντων σοφων. Der edoliaft merit hier an: Δεξιους νομίζουσι τους ἐςρατευμενους και ἐπαινοῦ ἀξιους· τους δε διαδιδράσκοντας τας τρατείας, φιληδονους είναι συκοφαντας. 2lein wer weiter nichts dabei denkt, als dieses, der versteht die Feinheit der Spötterei kaum zur Hälfte. Um sie ganz zu fassen, erinnere man sich des Jahres, in welchem die „Frösche" aufgeführt wurden. Es war das 3te der 93sten Olympias, das 26ste des Peloponnesischen Krieges. Die Athenienser hatten in den vorhergehenden Jahren Unglück über Unglück gehabt; es gebrach an Volk, und fie waren gezwungen, allen Knechten und Fremdlingen, welche Kriegsdienste nehmen wollten, die Freiheit und das Bürgerrecht

1 De Fort. Alex. Orat. II. p. m. 334.

2 Zeile 1140 und folg.

zu geben. Endlich waren sie wieder einmal glücklich, und schlugen die feindliche Flotte bei den Arginusischen Inseln. 2 Nun stelle man sich vor, daß das Theater, als die „Frösche“ kurz darauf gespielt wurden, voll von dergleichen neugemachten Bürgern war, die den Arginusischen Sieg mit erfechten helfen, und jetzt auf nichts mehr stolz waren, als daß sie da sißen durften, wo sie saßen. Konnte sich ein Aristophanes wohl enthalten, über solche Zuschauer ein wenig zu spotten? Er nennt sie: 3

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Ου σοφιαι μυρίαι καθηνται

„ein großes Volk aus verschiedenen Völkern, unter dem es Kenner zu Tausenden giebt." Und diese Kenner sind noch dazu mit im Kriege gewesen! Was braucht man mehr, um ein würdiger Richter tragischer Wettstreite zu seyn? Es ist zwar nicht lange, daß diese Herren noch zu dem nichtswürdigsten, dümmsten Pöbel gehörten; aber

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οὐκ ἐθ' οὕτω ταυτ' εχει Εςρατευμενοι γαρ εἰσι.

Ein Kriegszug macht alles anders. Ein Kriegszug hat ihnen das Bürgerrecht, ein Kriegszug hat ihnen Verstand gegeben. Doch nein; sie hatten von Natur schon Verstand genug; und im Kriege haben sie ihn nur mehr ausgeschliffen.

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Die von Natur nur eine Komödie hätten beurtheilen können,

1 Diodorus Siculus bei dem Anfange dieses Jahres: AIŋvaior de κατα το συνεχες ἐλαττωμασι περιπίπτοντες, έποιησαντο πολιτας τους μετοίκους, και των άλλων ξένων τους βουλομένους συναγωνισασθαι. Lib. XIII. p. 216. Edit. Rhodom.

2 Die allgemeine Welthistorie" (Th. V. S. 380) sagt: „bei Arge: nusae einem Plaße Lesbos gegenüber,“ das heißt sich von Inseln sehr unrichtig ausdrücken.

3 Zeile 687. 88.

können nun auch eine Tragödie beurtheilen, weil sie Soldaten gewesen sind. 1

1 Wer den Aristophanes ein wenig kennt, wird ihn hoffentlich in dieser Stelle, so wie ich sie auslege, finden. Wenn ich unterdessen meiner Sache nicht sehr gewiß wäre, so würde mich das Ansehen eines gelehrten Mannes, der hier einen ganz andern Weg nimmt, vielleicht wankend machen. Es kömmt mir nämlich die neueste Ausgabe unsers komischen Dichters zu Händen, welche Herr Burmann der Zweite te sorgt hat; und ich finde, daß Bergler die Worte, ¿gparevuevo rap ¿161, bloß durch nam exercitati sunt übersetzt. Er geht also von der eigentlichen Bedeutung des Wortes sparɛvoμai ab; ohne Zweifel, weil er die feine Spötterei nicht einsah, und daher nicht begreifen konnte, wie es im Ernste folge, daß die Zuschauer deßwegen nicht mehr unwissend seyn sollten, weil sie mit im Kriege gewesen wären. Ich zweifle aber sehr, ob man 5ọɑrevouɑi in dieser figürlichen passiven Bedeutung finde, da es bloß geübt werden heiße. Der Scholiast, dessen Worte ich angeführt habe, ist ausdrücklich für die eigentliche Bedeutung, ob es gleich leicht seyn kann, daß Berglern eben derselbe Scholiast verführt hat. Denn über die nädit vorbergebensen Morte οὐκ ἐθ' ούτω ταυτ' έχει madt er folgende Glofe: ὡς των Αθηναίων πρότερον οὐχ ὁμοιως γεγυμνασμενων ἐν τοῖς ποιητικοῖς σοφισμοις. Bergler bat alfo geglaubt, daß das folgende ¿zparevuevo hier durch revuraónevoi erklärt werde; und hierin hat er sich wohl geirrt. Ich muß überhaupt anmerken, daß verschiedene Stellen in den „Fröschen“ aus einer genauern Kenntniß der damaligen Umstände in Athen weit besser zu erklären sind, als es den alten und neuern Auslegern sie uns zu erklären gefallen hat. Keiner, 3. E., hat angemerkt, daß die ganze Parabasis des Chors zu Ende des zweiten Aufzuges auf die unglücklichen Befehlshaber geht, welchen die Athenienser den Proceß machten, weil sie die Leichname der in dem Arginusischen Treffen Gebliebenen, wegen eines einfallenden Sturms, nicht begraben lassen können. Die vornehmsten von ihnen waren bereits hingerichtet, und andere, denen man dabei weniger zur Last legen konnte, waren ohne Zweifel für drino, für unehrlich erklärt worden. Dieser Unehrlichen nun nimmt sich Aristophanes hier besonders an. Wenn man das weiß, so wird man sich nicht lange besinnen, wie eine zweifelhafte Stelle des Scholiasten daselbst eigentlich zu lesen sey. Aristophanes gedenkt nämlich eines gewissen Phrynichus, dem er das Unglück der ge= dachten Befehlshaber zuzuschreiben scheint. Die Scholiasten können sich nicht vergleichen, was für ein Phrynichus hier gemeint sey. Einer von ignen aber fagt: έγενετο δε ςρατηγος, ἐφ' ου πολλοι ήμαρτον των

Was die Philologen von den dramatischen Richtern der alten Griechen gesammelt haben, ist ein sehr weniges; und ich finde nicht, daß ein einziger den Unterschied zwischen den komischen und tragischen auch nur vermuthet habe. Man wird also zufrieden seyn müssen, wenn ich ihn nur einigermaßen erhärtet und ins Licht gesezt habe. Genug, daß ich gegen den Herrn fins Stedt behalte, unb δαβ των τραγῳδων κρισις nidt ein Wettstreit unter Tragödienspielern, sondern der Ausspruch, das Gericht bei einem solchen Wettstreite heißt, und daß dieses, nicht jener, zum Andenken des Cimons eingeführt und beibehalten worden. Herr Kind überseht ferner: noiras μev ovz ixλnowoɛ durch „er getraute sich nicht, die Richter zu ernennen.“ Getraute sich nicht? Ja freilich, wenn er sie hätte ernennen müssen. Aber ernennt man die, über die man das Loos wirft? Ουκ άφηκεν αυτους ἀπελθεῖν, ἀλλ' ὁρκωσας, ἠναγκασε καθισαι και κριναι, δεκα όντας, άπο φυλης μιας έκαςον heißt ihm: „Er ließ sie nicht wieder weggehen, sondern nöthigte sie, daß sie nach geleistetem Eide die zehn Richter werden und den Ausspruch thun mußten, zumal da jeder dieser Feldherren aus einer der zehn Zünfte war.“ Daß sie die zehn Richter werden mußten? So waren schon vorher der tragischen Richter zehn? τραγικών, και άτιμοι ἐγένοντο. Sun bat Suidas an alvei verdiebenen Orten diese Stelle des Scholiasten ausgeschrieben; unter Dọvvizos nämlid und unter παλαισμα. allein unter Φρύνιχος hat et antatt τραγι nov, goatq;ov gelesen. Welches von beiden ist nun richtig? Ganz gewiß das leztere. Denn wer hat jemals von tragischen Dichtern gehört, die unehrlich geworden wären? Was konnten tragische Dichter begehen, diese Strafe zu verdienen? Wenn es noch komische gewesen wären. Aber unglücklicher Feldherrn gedenkt die Geschichte wohl, die damals zum Theil in noch härtere Strafen fielen. Gleichwohl erklärt sich Küster in seiner Ausgabe des Suidas für rpayızov; und in seiner Ausgabe des Aristophanes ist er wenigstens unschlüssig, für welches von beiden er sich erklären soll. Und das bloß, wie ich gewiß glaube, weil ihm der obige historische Umstand von den unglücklichen Feldherren nicht beigefallen ist.

1 Joan. a Wower de Polymathia. cap. XVI. Vossius Institution. Poet. lib. II. cap. 12. Idem de Imitatione cap. 11. F. Rappoltus Comment. in Horatium cap. 29 et 43.

So wäre ja meine obige Erklärung unrichtig! Aber zum Glück, daß es Plutarch nicht sagt; daß es Herr Kind auch sonst nicht erweisen kann. Der Umstand dena óvτas war nicht ein Umstand, ohne welchen sie nicht die Richter hätten werden können; sondern ein neuer Umstand, den man in der Folge zum Andenken dieser Begebenheit um so viel lieber beibehielt, je ansehnlicher das Gericht dadurch ward. Kadıou steht hier auch nicht so gar vergebens, daß es der Ueberseher hätte auslassen sollen. Denn wie Tellur fagt:1 τοις μεν μουσικοις (άγωσι) κριται και θηνται, τοις δε γυμνικοις έφεςασι.

Noch kann ich die Stelle des Plutarchs nicht verlassen. Ich babe oben (Seite 31) einen historischen Beweis versprochen, daß Aeschylus des Sophokles Lehrmeister nicht gewesen sey; und auf diese Stelle eben gründe ich ihn. Hier streiten Aeschylus und Sophokles mit einander; Sophokles, wie Plutarch weiter meldet, fiegt, und Aeschylus wird so ungehalten darüber, daß er Athen verläßt. Wäre nun hier gar der Lehrmeister von seinem Schüler durch den ersten Versuch seines Schülers überwunden worden, würde das nicht ein Umstand gewesen seyn, der die Begebenheit ungleich merkwürdiger, der den Sieg des Sophokles ungleich größer gemacht hätte? Und würde ihn Plutarch wohl anzumerken vergessen haben? Aber er sagt nichts davon, und sein Stillschweigen wird zu einem Beweise des Gegentheils.

Hier sollte ich diese Anmerkung schließen. Doch ich habe ihr noch einen wichtigen Zusatz zu geben, den ich in dem Texte nicht versprochen habe. Das einstimmige Zeugniß des Plutarch und Eusebius wird durch ein drittes bestätigt, das, so viel ich weiß, zu diesem Zwecke noch von niemanden angeführt worden. Ich meine eine Stelle bei dem ältern Plinius. Er redet in dem 18ten Buche seiner „Naturgeschichte," 2 von der verschiednen Güte des Getreides in verschiednen Ländern, und schließt: Hæ fuere sententiæ Alexandro magno regnante, cum clarissima fuit Græcia, atque in toto terrarum orbe potentissima; ita tamen ut ante mortem ejus annis fere CXLV Sophocles poeta, in fabula

1 Lib. III. cap. 30. p. m. 341.

2 Sect. 12. T. II. Edit. Hard. p. 107.

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